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An einem der nächsten Tage langte im Schlosse einer von den Withingen des Hochmeisters mit einem Felleisen an, das wichtige Briefe für den Komtur enthielt. Er hatte die Briefschweike, die er von Dirschau ab ritt, nicht geschont und auch vorher in jedem Ordenshause den Gaul gewechselt. Eine Stunde nach seiner Ankunft wehte das große Banner der Komturei, weiß mit einem schrägen schwarzen Balken von oben links nach unten rechts, auf den Zinnen der Feste, ein Zeichen, daß ein frohes Ereignis gefeiert wurde.
Am ersten Februar war zu Thorn zwischen dem Könige von Polen und dem Deutschen Orden ein ewiger Friede geschlossen. Der Zähigkeit des Hochmeisters war es zu verdanken gewesen, daß seine Bedingungen dem Orden unerwartet günstig lauteten. Er erhielt alles Land zurück, das er vor dem Kriege besaß; der König räumte auch die Burgen, aus denen seine Besatzung nicht hatte vertrieben werden können; wegen des streitigen Samogitiens wurde ein billiges Abkommen getroffen; über diejenigen Teile der Neumark, auf welche die Polen Anspruch erhoben, sollte eine von beiden Teilen einzusehende Kommission und bei mangelnder Einigung ein Schiedsspruch des Papstes befinden. Auch wenn künftig unter ihnen etwas streitig werde, sollte ein solches Schiedsgericht den Ausgleich herbeiführen. Allen Abtrünnigen sei Verzeihung zu gewähren, gegen den Bischof von Ermland dürfe jedoch der Hochmeister im Rechtswege vorgehen. Dem König Sigismund wurde der Beitritt zu diesem Frieden offengehalten.
»So sehr es uns nun auch beschwert«, schrieb der Hochmeister seinem Bruder, »daß wir nicht alle Zwistigkeit, insonderheit wegen der Neumark, haben vertragen oder mit den Waffen ausfechten können, uns auch des Papstes Einmischung in diese Händel gar wenig genehm und förderlich sein kann, so mußten wir uns doch bescheiden, für jetzt ein mehreres zu erreichen, zumal das ganze Land nach dem schweren Kriege überall in großer Not, die Söldner nicht gelöhnt und auswärts bei Fürsten und Herren wenig Willfährigkeit, gegen diesen Feind zu Felde zu liegen. Haben deshalb auf unserer Gebietiger und anderer Freunde ernstes Anraten, wiewohl ungern und mit wehmütigem Herzen, in den Frieden gewilligt, auf Gott und die Heilige Jungfrau vertrauend, daß sie uns um so freundlicher beistehen werden, inskünftig alle Unbill abzuwenden. Wisset auch, lieber Getreuer, daß wir mit dem König von Polen noch absonderlich eins geworden sind, ihm binnen eines Jahres hunderttausend Schock böhmische Groschen zu zahlen, auf daß er die Burgen räume, so er noch besetzt hält, und die Gefangenen herausgebe. Dazu helfe der gnädige Gott, denn unser Säckel ist völlig ausgeleert, und wir sind überdies vieler Leute Schuldner, die sich nicht gedulden mögen. Wollten Euch also freundlich ersuchen, daß Ihr an unsern Tresler abgebet, was Euch irgend entbehrlich, demnächst auch mit allem Eifer bei den Danzigern betreibet, was not tut und womit ich Euch in nächster Zeit bekannt machen will. Tut ihnen vor allem diesen Frieden zu wissen, damit sie weiter keinen Vorwand haben, uns zu widerstreben und im geheimen dem Könige gute Worte zu geben. Ich vertraue, daß Konrad Letzkau sie gütlich zu ihrer Pflicht zurückführen wird, wie er mir auch mit Rat und Tat treu beigestanden hat hier zu Thorn und vorher. Aller dieser Dinge, lieber Bruder, erwarten wir uns von Euch das Beste. Sorget, daß wir uns dieses Friedens bald erfreuen.«
Wenige Tage später erhielt er die versprochene nähere Anweisung, wie das Geld für den König aufzubringen. »Wir können eine so große Summe nicht zahlen«, schrieb der Hochmeister, »ohne Hilfe des Landes. Darum haben wir eine allgemeine Schatzung über das Land gesetzt, zu der Städte, Ritter, Köllmer und Bauern beitragen sollen, hoch und gering, groß und klein, jedes nach seiner Kraft. Weil uns aber das Land zu solchem Schoß nicht pflichtig ist, also haben wir die Edelsten des Landes zu uns berufen und ihre Beihilfe erbeten und mit ihrem Vollwort den Schoß gesetzt, so daß wir uns nun willigen und freundlichen Gehorsam überall in Städten und Landen verhoffen. Wollet also danach den Danzigern aufgeben, ihren Teil zu tragen und die Sammlung, so bald es sein kann, hierher einsenden, weil wir dem König sogleich fünfundzwanzigtausend Schock böhmische Groschen zu zahlen schuldig sind, unsere Mittel aber nicht dazu reichen. Es ist uns darum zu tun, daß wir keinen Tag über die Not des Königs Schuldner bleiben, damit die Burgen uns übergeben werden und wir wieder Herren sind im Land.«
Dieses Schreiben machte den Komtur sehr bedenklich. Es gefiel ihm nicht, daß sein Bruder sich von andern hatte beraten lassen als von seinen Ordensgebietigern. Die Edelsten des Landes – das waren Bürgermeister und Ratmannen der Städte, Ritter und Knechte, Bannerführer und Landrichter. Das ist eine böse Neuerung, murrte er. Warum bittet er, statt zu fordern? Sollen wir nicht so weit Macht haben über unserer Untertanen Gut? Wer fragt, muß die Antwort nehmen, wie sie fällt – wer heute ja sagt, kann morgen nein sagen. Das Volk ist schon übermütig genug und setzt sich über seinen Herrn. Das muß viel Unzufriedene schaffen im Orden!
Er beschloß seine Ausschreiben so einzurichten, daß jeder sie für gemessene Befehle halten mußte, und bei der geringsten Weigerung mit strengem Zwang vorzugehen.
In der Rechtstadt Danzig hatte die Nachricht von dem Friedensschlusse noch die Aufregung vermehrt, die alle Gemüter erfaßt hatte. Bald ging auch ein Schreiben des Königs ein, das seinen Rückzug bestätigte und Rat und Bürgerschaft ihres Eides entband, »mit bestem Dank für die bewiesene Treue«. Nun wagten sich die Männer aus allen Ständen lauter vor, die heimlich auf seiten des Ordens geblieben waren und des Königs Regiment keine lange Dauer versprochen hatten. Viele von denen aber, die sich auf Jagellos Zusicherungen verlassen hatten, schrien über Verrat und überhäuften ihn mit Schmähungen und Vorwürfen.
Es kam zu schweren Wortkämpfen im Artushof, der nun allabendlich so gefüllt war, daß die Knechte des Kellermeisters Mühe hatten, mit ihren Bierkrügen zu den Tischen durchzudringen. Im kleinen Hof zeigte sich der Zwiespalt der Meinungen wie im großen. Die alten Geschlechter in der St.-Georgs-Brüderschaft und namentlich viele Herren auf der Schöppenbank hielten zum Orden und wollten wieder in gutes Einvernehmen zu ihm treten; die jüngeren aus dem Rat mit ihren Verwandten sprachen dem König das Wort und versicherten, daß er nur im Augenblick nachgegeben habe, in Jahr und Tag aber wieder über das ganze Land Herr sein werde. Wer ihm dann treu geblieben sei, der möge auf guten Lohn rechnen.
Welche Torheit, rief Arnold Hecht, sich einzubilden, daß dies des Liedes Ende sei! Nun erst recht wird's heißen: Musikanten, spielt auf! Und nehmt euch in acht, daß eure Stimme nicht vor der Hand heiser wird; je lauter man sie in Krakau hört, um so besser! Glaubt ihr, der König sei so nahe am Ziele gewesen, um ihm für immer den Rücken zu wenden? Weil er jetzt zurückgeht, aha! Aber wißt ihr nicht, wie es die Springer machen, die über einen hohen Gegenstand hinwegsetzen wollen? Sie nehmen einen Anlauf, um so weiter, desto kühner der Sprung. Und wer einen tüchtigen Schlag führen will, holt der nicht mit der Hand aus? Was da zu Thorn verschrieben ist, hat noch keiner von uns gesehen. Ich für meinen Teil verwette meine drei größten Weichselschiffe, daß man uns nur sagt, was man uns hören lassen will. Es wird da wohl geheime Artikel geben, die seinerzeit zum Vorschein kommen, wenn wir das Gericht verdaut haben, das man uns jetzt aufträgt. Beißt nur blindlings zu! Ich aber tue die Augen auf, daß ich mir an dem eingebackenen Pfeffer nicht die Zunge verbrenne.
An Beifall zu solchen Reden fehlte es ihm nicht; aber auch der Widerspruch blieb nicht aus. Es zeigte sich nun klar, daß der König sich zuviel zugetraut. Deshalb habe er nicht einen Waffenstillstand, sondern ganz ernstlich einen ewigen Frieden geschlossen und werde am wenigsten für die preußischen Städte das Schwert ziehen.
Darauf antwortete Arnold Hecht mit lautem Lachen. Merkt ihr nicht, fragte er, wie ernst er's meint, da er schon jetzt künftigem Streit Tür und Tor offengelassen hat. Absichtlich ist das Wichtigste nicht verglichen, um das doch der Krieg ausbrach. Und wer soll entscheiden? Der Papst! Der Papst, der dem Orden nie Gutes gegönnt hat und jetzt begierig die Gelegenheit ergreifen wird, mit Hilfe der Polen sein geistliches Regiment in Preußen zu kräftigen. Wird der Orden sich fügen, wenn's an sein Lebensmark geht? Nimmermehr! Und das weiß der König. Deshalb wird er's nicht sein, der den Frieden bricht, sondern der Orden wird ihn brechen. Daß der Hochmeister diesen Schiedsrichter angenommen hat, das beweist am besten, wie schwach der Orden sich fühlt. Um diesen Preis hat er Frieden erlangt, aber nur für kurze Frist, und wenn er dann wieder das Schwert ziehen wird, um Unleidliches abzuwehren, wird die Hand lahm sein, die an diesen Vertrag das Siegel gehängt hat.
Es wurde diesen Abend so laut im Hofe, daß die Hofherren die Glocke läuten und vor der gewohnten Stunde die Hallen räumen lassen mußten.
Indessen war auch Konrad Letzkau nach Hause zurückgekehrt. Er hatte sich, als er von den Friedensverhandlungen hörte, zum Hochmeister nach Thorn begeben, um über den Erfolg seiner Werbungen Bericht zu erstatten, und war sehr gütig aufgenommen worden. Plauen bat ihn, in seiner Nähe zu bleiben, da er sich in diesen mehr und mehr verwickelten Händeln der geschicktesten Ratgeber versichern müsse. Als er nun aber nach geschlossenem Frieden seine Zusage für Danzig forderte, zeigte sich Letzkau jetzt zu seiner Verwunderung rückhaltig und unzufrieden. Gnädigster Herr, sagte er, ich habe Euch mit meiner Person gedient, selbst auf Gefahr meines Lebens und bürgerlichen Ansehens, und was ich ferner für Euch tun kann, soll gern getan sein. Aber ich bin nur ein einzelner Mann und kann mich nicht verpflichten für andere. Wollen Ew. Gnaden die Rechte Stadt Danzig in Ihren Rat berufen, so will ich zusehen, ob ich Vollmacht von denen erhalte, die mächtig sind, sie zu geben, und will dann antworten für die Stadt Danzig, es sei zustimmend oder ablehnend. Jetzt aber kann ich das nicht, und so enthalte ich mich billig eines jeden Versprechens.
Darüber ward der Hochmeister ungehalten und entgegnete: Bin ich nicht deinem Rat gefolgt, Konrad? Wie geschieht es denn nun, daß du plötzlich andere Wege gehst?
Ich gehe nicht andere Wege, antwortete Letzkau freimütig, aber Ew. Gnaden gehen nicht die meinigen, deshalb treffen wir nicht zusammen.
Habe ich nicht das Land befragt in allen wichtigen Dingen, die zu handeln waren?
Ew. Gnaden haben einige Eingesessene des Landes berufen und befragt, aber sie sind nicht das Land.
Wie? Die gewählten Bürgermeister der großen Städte, die edelsten von den Gutsherren aus allen Gebieten … Wen anders sollte ich befragen?
Es stand Ew. Gnaden zu, sich Rats zu erholen, wo Ew. Gnaden es für gut befanden – in allen Dingen, die der Herr Hochmeister zu richten hat mit seinen Gebietigern. Fordern Ew. Gnaden dazu erfahrener Leute Rat außerhalb, so mögen Ew. Gnaden wählen nach ihrem Vertrauen, denn niemand hat ein Recht, zu verlangen, daß er befragt werde, und niemand ein Recht, sich zu beschweren, daß er nicht befragt werde: was da geschieht, geschieht zu Ew. Gnaden Nutz und Frommen allein. In einem aber ist's anders.
In welchem einen?
In dem, gnädiger Herr, daß das Land zinsen und schossen soll, was es nicht schuldig ist. Denn der Orden hat dem Lande Kulmisch Recht gegeben, und die Kulmische Handfeste besagt, daß der Orden niemand beschweren wolle mit Zöllen und Abgaben, welchen Namen sie auch haben mögen, außer dem, was verbrieft ist, und daß das Land frei davon sein soll für ewige Zeiten. Fordert der Orden nun gleichwohl ein Geschoß, weil die Not drängt und seine Kassen leer sind, so wendet er sich an jedes einzelnen guten Willen, und allegesamt sind sie das Land. Ich aber kann nicht bewilligen für meinen Nachbar, und mein Nachbar nicht für mich; darum ist's billig, daß wir beide befragt werden, gnädiger Herr.
Wie sollte das geschehen, Konrad, daß ich jeden einzelnen im Lande frage? Es sind ihrer allzu viele.
Wie geschieht es, gnädiger Herr, wenn die Hansa zu einem gemeinsamen Unternehmen des Geldes bedürftig ist? Sie macht ein Ausschreiben an ihre Glieder, und ihre Glieder sind die Städte. Wie aber jede Stadt nach ihren Gewohnheiten einig werden mag über ihren Sendboten und welche Vollmacht sie ihm auf den Weg nach Lübeck gibt, das ist jeder Stadt Sache. Was dann bewilligt ist, das ist bewilligt für die Stadt. Also kann es auch geschehen, wenn von der Herrschaft ein Geschoß gefordert wird innerhalb Landes, zu dem niemand pflichtig ist. Die Stadt zwingt ihre Bürger, aber was die Stadt tut, tut sie aus freiem Willen! Wird die Stadt gefragt, so wird jeder gefragt, der Stadtrecht hat, und antwortet die Stadt, so antwortet sie für alle, die zu ihr gehören. Wie sie aber antwortet, so muß ich's nehmen.
Allerdings, gnädiger Herr, es ist ihr Recht.
Es ist ein neues Recht, das noch nie geübt ward in diesem Lande.
So ist auch die Forderung neu im Lande, und die Pflicht der Herrschaft zu schossen, noch ungeübt. Euer Vorfahr, Herr Konrad von Wallenrod, versuchte eine solche Schatzung und hat viel Anfechtung deshalb erfahren, so daß man ihm noch jetzt das Böseste nachsagt. Ich wollte nicht, daß man sich dessen erinnerte, da ich Ew. Gnaden nur Gutes wünsche.
Der Hochmeister schwieg eine Weile und sah nachdenklich vor sich hin. Dann hob er die Hand, drohte mit dem Zeigefinger und sagte: Konrad, Konrad! Ich merke wohl, daß dir deine Stadt näher am Herzen liegt als das Land. Du meinst des Ordens Not nützen zu können, um der Städte Macht zu mehren und sie mit ins Regiment zu setzen. Das andere kümmert dich wenig. Aber wisse, daß die Zeit noch nicht gekommen ist! Kein Machthaber beschränkt sich freiwillig, und muß er nachgeben, so weicht er Schritt nach Schritt, um jeden kämpfend. Das solltest du von mir nicht zu lernen brauchen. Rufen die großen Städte die kleinen herbei, wenn sie bestimmen wollen, was Rechtens sei im Handel? Und nehmt ihr Kaufherren den Handwerker in euren Rat, damit er mit euch festsetze, was für die Stadt gelten soll? Wer die Macht hat, mag sie nicht teilen, er werde denn zur Nachgiebigkeit gezwungen. Es zwingt mich aber nichts, daß ich mit den Städten wegen Bewilligung des Schosses verhandle, da alle im Land, die bei unfreundlichem Willen wohl mächtig wären zu widersprechen, sich gutwillig meiner Bitte fügen. Die andern zählen nicht mit. Du hast gesehen, wie alle Edelsten auf meiner Seite stehen. Ihr Vollwort genügt mir. Darum rate ich dir, Konrad, nicht den Sperling aus der Hand zu lassen und nach der Taube auf dem Dache zu greifen. Auch ich bequeme mich zu manchem, was ich vordem nicht getan hätte, und zu bitten kommt mir wahrlich schwer genug an.
So sprachen sie noch viel über diese Dinge, jeder nach seinem Sinne und Bedarf, und konnten sich nicht einigen. Beim Abschiede zeigten sich beide Teile verstimmt und wenig vertrausam.
Letzkau wußte wohl, daß er in Danzig einen harten Stand haben werde. Er hätte gern etwas mitgebracht, das die zaghaften Freunde des Ordens gewinnen und seine Gegner im Rat und in der Bürgerschaft beschwichtigen könnte. Nun war es ihm verdrießlich, daß er solange in des Hochmeisters Geschäften auswärts gewesen war und mit leeren Händen zurückkam. So blieb er denn meist in seinem Hause, arbeitete fleißig in seinem Kontor und fertigte alle Besuche kurz mit der Weisung ab, daß ihm vieles in seinen Handelsangelegenheiten in schwere Unordnung gekommen sei und daß er erst bei sich wieder reinen Tisch machen müsse. Selbst seiner Tochter, Frau Anna Groß, stattete er nur einen flüchtigen Abendbesuch ab, erkundigte sich, wie es ihr und ihrem Manne indessen ergangen sei, und küßte die kleinen Mädchen. Er hatte ihnen aus Thorn prächtige Pfefferkuchen mitgebracht. Vergeblich forderte Barthel Groß ihn auf, nach dem Artushof mitzukommen.
Dem einen und andern freilich mußte er doch Rede stehen. Sein Kumpan Arnold Hecht fragte ihn tüchtig wegen des Friedens aus und hielt dann nicht reinen Mund. Er ließ im kleinen Hofe gelegentlich ein Wörtchen fallen, daß das Bier sich bald verteuern werde. Es ging rasch am Tisch herum, wurde hinausgetragen in den großen Hof, und die Brauer spitzten die Ohren. Am nächsten Morgen war ein Geschrei durch die ganze Stadt, der Orden wolle die Bürger vergewaltigen und ihnen ihr Eigentum nehmen.
Dann kam das Ausschreiben des Komturs. Es war nicht gerade höflich abgefaßt und nannte die runde Summe, die von den Bürgern der Rechten Stadt Danzig aufzubringen sei, auch den nahen Termin, bis zu dem das Geld dem Tresler auf dem Schlosse eingezahlt werden müsse. Nun gingen die Stadtboten in die Patrizierhäuser, den Großen Rat zu verbotten. Mit ihnen zogen Scharen von Neugierigen, die vor den Türen lärmten und das Versprechen erzwingen wollten, daß nichts bewilligt werde. Wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, wollte einer immer besser wissen als der andere, was in dem Ausschreiben stehe, und so vergrößerte sich im Munde des Volkes die von der Stadt geforderte Summe ins Ungemessene. Das solle die Strafe sein, hieß es, mit der Danzig belegt werde, weil es dem König geschworen. Überall wurden Flüche gegen den Orden und gegen den Komtur laut.
Auch die Ratssitzung war stürmisch. In so voller Zahl hatte man sich lange nicht versammelt; alte Kaufherren, die seit Jahren allen solchen öffentlichen Geschäften ferngeblieben, hinkten am Stabe heran und nahmen ihren Platz im großen Saale ein, so daß die eichenen Bänke rundum kaum alle Anwesenden fassen konnten. Zur bestimmten Stunde wurden die Türen geschlossen und außen von den Ratsdienern bewacht.
Der Stadtschreiber Johannes Wolter hatte seinen Tisch dicht an die Empore herangeschoben, auf der die beiden Bürgermeister saßen. Es lagen darauf Kapseln von Metall und Papierrollen, aus denen an Bändern Siegel hinaushingen.
Konrad Letzkau überblickte mit so ruhigem Auge die stattliche Versammlung, als ob es sich um die gewöhnlichste Sitzung handelte. In der Tat erledigte er erst eine Reihe laufender Geschäfte und machte Mitteilung von den Beschlüssen des sitzenden Rates. Dann gab er Bericht von dem Frieden, alles ganz förmlich und geschäftlich, zeigte endlich auch an, daß jüngst ein Schreiben des Herrn Komturs eingegangen sei, betreffend des Herrn Hochmeisters Bitte um Beihilfe des Landes zu der Kriegsentschädigung, und forderte den Stadtschreiber auf, es zu verlesen.
Während das geschah, richteten sich überall die Köpfe auf und wandten sich die Blicke dem Lesenden oder den Bürgermeistern zu. Letzkau saß in seinem Stuhl, das rechte Bein über das linke geschlagen und das Kinn in die Hand gestützt, Arnold Hecht war aufgestanden und musterte mit neugieriger Spannung die Gesichter der Versammelten. Als der Schreiber geschlossen hatte, hielt das Schweigen noch eine Sekunde lang an, dann entstand ein Gesumme wie von schwärmenden Bienen; es verbreitete sich durch den ganzen Saal; die Männer in den braunen Mänteln wandten die Köpfe rechts und links, streckten die Arme vor, zischelten übereinander weg zu einem entfernteren Nachbar, und bald wurden auch einzelne laute Ausrufe hörbar, die kurz die vorgefaßte Meinung der verschiedenen Parteigruppen bezeichneten.
Letzkau klopfte mit einem Stabe auf, um Ruhe zu gebieten. Wer zu sprechen habe, möge aufstehen und sich gemessen äußern. Fünf oder sechs zugleich erhoben sich von den Sitzen.
Gestattet zuerst mir das Wort! rief Arnold Hecht in den Saal hinein. Was ich vorzuschlagen habe, wird wahrscheinlich viel unnötiges Hin- und Herreden abschneiden. Das Schreiben des Herrn Komturs in Ehren, aber es läßt viel erraten. Nun ist aber männiglich bekannt, daß Herr Konrad Letzkau, ob er schon des Rates Vollmacht dazu nicht einzuholen für gut befunden, für den Herrn Hochmeister Reisen unternommen, sich auch lange bei ihm in Thorn aufgehalten hat. Sicher ist er über die Dinge, die dort verhandelt worden, gut unterrichtet und wird uns sagen können, wie sie zusammenhangen. Ich will ihm nicht verbergen, daß in der Stadt viel Verwunderung gewesen ist, wie er sich so in des Ordens Diensten gebrauchen ließ, da wir doch dem König gehuldigt hatten und eher in seinem Hoflager eines Vertreters bedürftig waren. Wahrlich! wäre nicht der Herr Konrad Letzkau allen als ein ehrenwerter und der Stadt treu ergebener Bürger bekannt, die Zungen hätten sich weniger gehütet. So nun geschieht es auch meines Teils nicht aus Feindschaft oder Mißgunst, wenn ich ihn auffordere, im Großen Rat über sein Tun und Lassen Auskunft zu geben, hoffe im Gegenteil, daß er mir dessen Dank wissen wird. Denn ich zweifle nicht, daß er sich in allem wohl verantworten kann.
So war denn die Anklage erhoben. Letzkau erwartete sie von dieser oder anderer Seite und zeigte deshalb keine Spur von Beunruhigung, als er sich nun würdevoll erhob und zum Sprechen anschickte. Es war plötzlich wieder lautlos still im Saal geworden: die meisten von den Ratsherren saßen gebückt und die Augen auf die hölzernen Fußbänke gerichtet, die zum Schutz gegen die Kälte des Steinbodens gegen die Sitze geschoben waren. Nur einige von seinen Freunden und von seinen Gegnern sahen ihn dreist an.
Liebe Herren vom Großen Rat, begann Letzkau mit fester und klarer Stimme, lange genug bin ich in öffentlichen Angelegenheiten – sei es des Ordens, sei es der Stadt – beschäftigt worden, um zu wissen, daß jeder Bote eine Vollmacht haben muß, durch die er sich ausweist, ebenso bei dem, an den er gesandt ist, als bei dem, der ihn sandte. Denn nur das gilt, was er seiner Vollmacht gemäß handelte, und nur das hat er zu verantworten, was er gegen seine Vollmacht tat. So, wenn ihr mich nach Lübeck sendet zur Tagfahrt, frage ich euch vorher: Was ist euer Wille? Und wenn dort beschlossen werden soll, was euch nicht bekannt sein konnte, als ihr mich sandtet, so antworte ich: Dazu reicht meine Vollmacht nicht, ich will's deshalb zu den Meinigen zurücknehmen. Nicht anders, wenn man sich an den Bürgermeister dieser Stadt wendet in Angelegenheiten der Stadt; dann habe ich allemal ängstlich geprüft, was ihm allein zusteht zu entscheiden und was der Rat verteidigen mag. So habt ihr mich alle die Jahre erfunden. Wenn ich aber im Kontor zu Kauen einen Kämmerer über mein Warenlager einzusetzen oder in England ein Schiff zu befrachten habe, da frage ich euch nicht, denn das geht mich allein an. Berief mich nun der Herr Hochmeister zu sich in der Nacht und sagte zu mir: Ich bitte dich, Konrad, daß du uns eine Reise tust – wandte er sich da an die Stadt Danzig oder an den Bürgermeister in seinem Amt? Daß es nicht einmal den Schein hätte, bin ich heimlich fortgegangen in Bettlerkleidern. Denn ich wollte nicht, daß der Herr König dafür einen andern verantwortlich machte als mich allein. Und als er mich dann in Thorn anging: Bleibe bei mir, Konrad, und gib mir guten Rat! was konnte ich da anders antworten als: Gnädiger Herr, ich will Euch für meine Person mit meinen geringen Diensten gern beistehen, daß wir diese Händel zu schlichten suchen. Als er aber schließlich, weil er des Geldes benötiget war, von mir forderte, daß ich ihm mit meinem Worte die Stadt Danzig verpflichten solle, da habe ich den Kopf geschüttelt und gesagt: Gnädiger Herr, das kann nimmer geschehen. Und so bin ich abgereist, nicht zum freundlichsten verabschiedet. Will mich nun einer deshalb schelten, so kann ich's ihm nicht wehren. In wenig Wochen ist der Tag der neuen Ratswahl da; es wird sich dann zeigen, ob ich noch euer Vertrauen habe. Heute aber beschließet, wie ihr möget. Denn keinen von euch habe ich gebunden.
Er setzte sich nieder. Viele sprangen aber von ihren Sitzen auf, eilten zu ihm, faßten seine Hände und beteuerten ihm mit viel gewichtigen Worten, daß man an seinem Tun nichts zu tadeln wüßte. Auch sein Kumpan beugte den dicken Kopf zu ihm hin, lachte mit dem ganzen runden Gesicht und rief: So ist's recht, so ist's recht, lieber Gevatter – ein anderes haben wir uns nicht vermutet! Aber es mußte doch gesagt werden – nicht so? Es mußte doch gesagt werden. Und nun berichtet uns in aller Ordnung, wie es mit dem Friedensschlusse bestellt ist und mit den Kriegslasten, und mit diesem Schoß, der so ohne Fug und Recht vom Lande gefordert wird.
Das tat Letzkau umständlich und mit guter Art. Zuletzt aber sagte er: Des Komturs Schreiben ist grob. Ich weiß am besten, daß der Herr Hochmeister nicht fordert, sondern bittet. Aber seine Bitte rechnet freilich auf Gewährung ohne Widerspruch. Und täuschet euch auch darin nicht, daß alle die andern unweigerlich geben werden, was ihnen diese Bitte auferlegt, Städte, Ritter und Knechte, Köllmer, Müller und Bauern, selbst Kirchen und Klöster in allen Gebieten. Denn die Großen wollen wieder in Frieden und Eintracht kommen mit der Herrschaft und ihre Feindschaft vergessen machen, die Kleinen aber tun, was sie zu weigern Furcht haben. Thorn ist besetzt von des Ordens Söldnern, und es ist mir auch nicht entgangen, daß die Herren vom Rat verstimmt sind, weil uns der König zuviel bewilligte; Elbing hofft in des Meisters Gunst zu kommen und zu unserem Schaden den Stapel zu behalten. Sie werden ein Auge zudrücken und in den Säckel greifen. Sehet also zu, ob die Zeit günstig ist, den Streit fortzusetzen. Wir können wohl, wie jene, antworten: Weil der Herr Hochmeister bittet, erkennt er an, daß wir ihm nichts schuldig sind; deshalb wollen wir ihm aus gutem Willen in der Not beistehen, alle unsere Rechte und Freiheiten aber vorbehalten. Denn manchmal ist's klug, sich den Zwang nicht merken zu lassen und die Brücke zu betreten, die der Gegner baut. Prüfet nun und entscheidet.
Man sah's vielen von den Ratsherren an, daß sie bedenklich geworden waren und gern einen Ausweg gesucht hätten. Arnold Hecht aber winkte seinen Anhängern, daß sie das Wort nehmen sollten, und rief, da sie zögerten: Sehet euch vor! Der Herr Hochmeister hat's gar schlau angefangen! Jeden einzeln nimmt er beiseite und sagt ihm: Höre, Lieber, ich bitte dich! Alle die andern haben mir's schon zugesagt; willst du's allein abschlagen? Das geschieht auf deine Gefahr! Und so wirft er das Bündel in lauter Ruten auseinander und beugt jede nach seinem Willen. Gelingt's ihm heute, versucht er's morgen um so dreister, und bald sind unsere besten Freiheiten hin. Da liegen der Stadt Privilegien auf des Schreibers Tisch; mag er sie lesen. Ich finde keine Stelle darin, die uns zu solcher Abgabe verpflichtet. Aber der Meister bittet! Jawohl, er bittet, und wir wollen seine Bitte ernst nehmen. Er soll wissen, daß der Gebetene nein sagen kann. Nein, nein und aber nein! Das wäre uns eine ewige Schmach, wenn wir uns so fangen ließen.
Nein, nein und aber nein! trumpften seine Anhänger ihm nach. Einige von den älteren Schöppen versuchten Einrede; es entstand ein großer Lärm. Er mochte wohl durch das Fenster bis auf die Straße gehört werden, denn von draußen antwortete das Volk mit lautem Zuruf. Letzkau klopfte wieder mit dem Stabe auf und erteilte Gerd von der Beke das Wort, der ihm ins Ohr geschrien hatte, daß er sprechen wolle. Er stellte sich ganz auf des Hochmeisters Seite und meinte, daß man ihn in der Not nicht verlassen dürfe. Es sei ja das erstemal, daß er um solche Abgabe bitte; komme er wieder, so sei's noch Zeit, abzuschlagen und auf seinem Rechte zu bestehen.
Nur wenige nickten ihm still Beifall. Einer schlug vor, den Hochmeister eine Weile warten zu lassen, dann aber zu bewilligen. Er wurde ausgelacht. Ein anderer machte mit etwas mehr Glück darauf aufmerksam, daß die Stadt Danzig noch Forderungen an den Orden habe wegen der Gestellung der Schiffskinder zur Verteidigung der Marienburg und weil man das Schloß mit Vitalien versehen beim Anrücken des Feindes. Das solle man nun in Verrechnung bringen.
Man wird's nicht gelten lassen, wandte Hecht ein, die Bewilligung aber annehmen. Was macht ihr denn Winkelzüge? Sagt ja, wenn euch das Herz treibt oder die Furcht kleinlaut stimmt. Wer aber dafür hält, daß dieser Friede ein Unglück für das Land ist und daß der Stadt Freiheiten gehütet werden müssen für bessere Zeiten, der werfe sein ehrliches Nein in die Waagschale, daß wir sehen mögen, auf welcher Seite das schwerere Gewicht ist. Wie denkt Ihr darüber, Herr Bürgermeister?
Ich würde gern das Doppelte bewilligt haben, antwortete Letzkau, wenn der Meister die Städte zu einem Tage berufen hätte, damit sie gemeinsam beraten möchten, wie ihm zu helfen. Es sind viele unter euch der Meinung, daß der Deutsche Orden ein toter Leib sei, von dem Verwesung ausgehe in diesem Lande; ihr möchtet euch zum König von Polen flüchten, daß er euch helfe, ihn abzuwerfen, und euch frei gewähren lasse, zu tun und zu treiben, was eurer Wohlfahrt nütze. Daher empfingt ihr mit Jubel des Königs Hauptmann, und darum kehrt ihr mit Trauer unter des Ordens Herrschaft zurück. Darum möget ihr dem Orden versagen, was er braucht, dem König Wort zu halten, damit der König von neuem über ihn kommt und euch befreit. Ihr sprecht es nicht aus, aber ihr denkt es. Ich für mein Teil habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich dem Orden anhange von Jugend auf und daß ich ihn stark und mächtig wünsche, dieses Land, das er zu einem deutschen Land gemacht, zu schützen gegen die Beutegier der Polen und der Litauer, der Moskowiter und der Tataren. Ich liebe auch den König nicht. Nennt er sich gleich einen christlichen Wladislaus, so ist er doch ein heidnischer Jagiel geblieben und wird's auch beweisen, wenn er erst Herr ist. Es ist wahr, ich habe mit ihm heimlich verhandelt im Lager vor Marienburg, aber nicht, wie er wohl meinte, daß ich ihm Danzig zubrächte, sondern daß ich ihn nötigte, Danzig gegen ihn selbst stark zu machen, wenn es in Gottes Rat beschlossen sein sollte, daß der Orden falle. Nun hat der Orden sich aus dieser Not gerettet und richtet wieder sein Regiment auf im Lande. Dessen bin ich froh und wollte ihm gern helfen zu seinem Frommen. Wird nun aber sein Regiment das alte, so hat sich's selbst schon gerichtet, und neues Unheil wird dem Lande erwachsen. So hat es aber den Anschein, daß der Orden auch jetzt nicht erkennt, was ihm vor allem not tut: er mag lieber Herr sein über widerwillige Untertanen, als einen Bund eingehen mit Städten und Landen und ihre Sendboten aufnehmen in seinen Rat. Nimmer aber wird Friede und Sicherheit sein, es geschehe denn dies. Darum, meine ich, geziemt es denen, die dem Orden wohlwollen und sich selbst achten, daß sie reiflich bedenken, ob sie ein Mittel in Händen haben, die Herrschaft zu ihrer besseren Einsicht zu nötigen. Der Orden braucht Geld, er sagt zu uns: Gebt mir's! Wohlan, wir antworten: Laß uns mit unsern Genossen beraten, wie wir dir helfen, und laß uns wissen, was im Regiment vorgeht, damit wir in Zukunft solchen Notstand hindern. Sind wir jetzt ohne Bedingung willig, so schaffen wir uns übermütige Herren und in kurzem noch größeres Leid. Es ist nicht unsere Pflicht, dem Orden zu schossen; also ist es unser Recht, ihm die Hilfe zu weigern, wie er sie fordert. Vielleicht ermannen sich auch die andern, wenn sie uns fest sehen; und bleiben wir allein, so ist auch das uns keine Unehre. Darum, weil ich dem Orden zugetan bin, schlage ich seine Bitte ab.
Aufmerksam hatte die Versammlung seiner langen Rede bis zum Schlusse zugehört. Alle Teile hatten darin etwas gefunden, was ihnen zusagte, und zugleich etwas, wozu sie fremd standen. Mit den einen teilte er die Neigung, mit den andern die Absicht. Das Ziel aber stand wie auf einem hohen Berge, zu dem man noch kaum vorher mit freiem Blick aufgeschaut hatte. So waren die Gemüter innerlich nur noch mehr erregt und brauchten einige Zeit, sich mit diesem Eindruck abzufinden.
Am schnellsten fand wieder Arnold Hecht ein Wort der Erwiderung. Wir wollen nicht streiten, sagte er, ob wir lieber des Ordens oder des Königs Untertanen sein mögen, sondern ihnen den Streit um uns überlassen, da man uns ja doch nicht fragt. Genug, daß wir in dem einig sind, was uns jetzt zu beschließen vorliegt – der eine aus diesen, der andere aus anderen Gründen. Es kann viele Gründe geben, aus denen eine Sache gut oder schlecht ist, und ich halte nicht viel davon, was man sich so oder so hinterher zurechtlegt, je nachdem man will oder nicht will. Wenn aber die entgegengesetzten bei einem Punkte zusammentreffen, auf den mag man sich sicheren Fußes stellen. Sagen wir nein, so haben wir nun wahrlich Gründe die Fülle – ich fürchte, dem Herrn Hochmeister und seinem Orden werden sie sämtlich nicht gefallen. Ist es Euch also recht, Herr Bürgermeister, so stimmen wir ab. Sage jeder seine Meinung offen und geradeheraus, damit jeder Teil weiß, an wem er einen Halt hat.
Soll also die Stadt Danzig dem Herrn Hochmeister auf seine Bitte schossen, was ihr von dem allgemeinen Schoß auferlegt ist? fragte Letzkau. Antwortet darauf vom Jüngsten bis zum Ältesten.
Nein – nein – nein – ging's reihum, selten einmal wurde ein schüchternes Ja vernehmbar. Die Freunde des Ordens hatten auf Letzkaus Unterstützung gerechnet; seine letzte Rede mußte sie arg enttäuschen und niederdrücken. Mancher, der gern zugestimmt hätte, hielt's nun für gefährlich, gegen den Strom zu schwimmen, und ging mit der Mehrzahl. Zuletzt stimmten auch die beiden Bürgermeister mit nein, Hecht laut und fast zornig, Letzkau ruhig und ohne Erhebung der Stimme. Darauf verkündete der Schreiber das Ergebnis: nur fünf von den Ratsherren wollten den Schoß bewilligen, alle anderen verweigerten ihn.
Nun stand alles von den Sitzen auf, trat in Gruppen zusammen, sprach laut durcheinander, während der Stadtschreiber den Beschluß in sein Buch eintrug. Nur mit Mühe konnte Letzkau so weit die Ruhe herstellen, daß man ihn darüber hörte, wie der Beschluß ausgeführt werden solle. Er schlug vor, zu gleicher Zeit ein Schreiben an den Komtur und an den Hochmeister zu richten, das erstere kurz und förmlich, das andere in freundlichen Worten und die Ablehnung mit Gründen entschuldigend, aus denen er ersehen könne, daß man unter Umständen wohl bereit sei, ihm zu helfen.
Schreibt's, wie ihr wollt, rief Hecht, es ist alles eins! Wie er's haben mag, wollen wir's ihm nicht geben, und wie wir's ihm geben mögen, will er's nicht haben. Die Frage ist nur noch, ob er's sich mit Gewalt nimmt; dann wird das ganze Land erkennen, was seine Bitte bedeutet.
Die Türen wurden geöffnet; in geordnetem Zuge traten die Ratsherren hinaus, da das Volk bis auf die Treppe drängte und man einzeln nicht durchzukommen fürchtete. Bald hatten die Vordersten im Haufen erkundet, wie die Abstimmung lautete. Nein! schrien sie den Hinteren zu. Nein! tönte es weiter durch die Menge, immer vielstimmiger und brausender. Auf dem Markte standen sie Kopf an Kopf, rissen die Mäuler auf und brüllten: Nein – nein – nein! Alle diese Leute hatten eigentlich nur die eine Befürchtung gehabt, daß sie würden von ihrem Eigentum abgeben müssen. Nun wußten sie, daß sie nicht zahlen dürften, und jubelten dem Rat zu, der sie mutig befreit hatte. Was weiter aus der Sache werden solle, kümmerte sie nicht. Sie hätten sich aber im Augenblick auch, wenn's nötig gewesen wäre, zur Rettung ihrer Pfennige auf Tod und Leben zur Wehr gesetzt.
Kaum konnten die Bürgermeister hindern, daß man sie aufhob und nach Hause trug. Eine Schar junger Burschen stürzte die Treppen im Turm der Marienkirche hinauf und läutete die Glocken. Nun füllten sich auch die Schiffe derselben mit Menschen, die nicht wußten, was sie wollten, und irgend etwas Außerordentliches erwarteten. Da die Geistlichkeit sich nicht blicken ließ, sangen sie auf eigene Hand Lieder und beteten an den Altären. So hatten sich die Reihen auf dem Markt ein wenig gelichtet. Die Ratsherren konnten nun in ihre Häuser eintreten, zum Teil eingeholt von der besorgten Dienerschaft. Vor ihren Fenstern lärmte das Volk nach lange. Bis zum späten Abend wurde in den Brauhäusern Bier verzapft, und mancher vertrank mehr, als er dem Herrn Hochmeister zu steuern gehabt hätte, wenn der Beschluß des Rats anders gefallen wäre.
Letzkau begleitete seinen Schwiegersohn nach dessen Hause. Die Wogen gehen hoch, sagte er; so rasch ist ein Sturm erregt.
Haben wir doch einen Steuermann mit kräftiger Hand, antwortete Barthel Groß, so darf uns nicht bange sein für unser Schiff.
Der Bürgermeister ging schweigend einige Schritte. Dann sagte er: Es sind zwei am Ruder, und jeder will die Segel anders stellen. Wir müssen sorgen, daß die Besonnenen auf unserer Seite bleiben. Ich sehe noch böseres Wetter voraus. Tut Euch ein wenig um unter den Amtsgenossen und forscht aus, wer das Wort führt und den meisten Anhang hat. Wir müssen künftig in engem Kreise beraten, ehe wir ins Rathaus gehen, damit wir die Leitung behalten. Doch wollte ich nicht, daß wir in meinem Hause zusammenkämen – es würde Verdacht erregen. Auch nicht in Eurem, lieber Sohn. Sprecht mit Huxer.
Und soll Hecht ausgeschlossen sein? fragte Barthel.
Letzkau sann eine Sekunde lang nach. Nein, sagte er dann, wir müssen ihn in die Mitte nehmen, sonst kommt er über uns.