Edgar Wallace
Das Gesicht im Dunkel
Edgar Wallace

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18

Martin Elton legte die Zeitung beiseite und schaute auf die Uhr. Dabei fiel sein Blick wohl zum zwanzigstenmal auf seine Frau, die reglos mit aufgestützten Ellbogen vor dem Kamin saß und düster ins Feuer starrte.

»Was hast du, Dora?«

»Ich fühle mich nicht wohl. Du wolltest doch noch ausgehen?«

»Ja, und ich komme spät zurück – erst gegen Mitternacht.«

»Stanford war hier – hat er das Geld gebracht?« fragte sie, ohne aufzusehen.

»Ja, drei Millionen Franken. Das Zeug ist gut gemacht und ungefährlich. Klein wird es absetzen.«

»Wo hast du es?«

»Unter der Matratze in meinem Bett. Mache dir deshalb keine Sorgen. Morgen lasse ich es fortschaffen. Gehst du noch aus?«

»Ich weiß noch nicht – es kann sein.«

Er nickte ihr zu und verließ das Zimmer. Sie hörte, wie er die Haustür zuschlug, und versank wieder in ihre Grübeleien. Martin war ihr unheimlich. Er beobachtete sie – er mißtraute ihr. Sie hatte Angst vor ihm, nicht für sich selbst, aber für den Mann, den sie liebte. Ja, allmählich hatte sie begonnen, Martin zu hassen! Sie vergaß, was er für sie getan hatte, aus welcher Laufbahn er sie gerettet hatte, und wie gut und freigebig er stets gegen sie gewesen war.

Wenn Martin aus dem Weg wäre . . . sie mußte ihn abschütteln, sonst würde er Lacy noch umbringen! Es gab nur einen Ausweg, und seit vierundzwanzig Stunden bemühte sie sich, mit dem Gedanken an diese Schandtat sich auszusöhnen . . .

Eine halbe Stunde später plauderte der diensttuende Sergeant mit Inspektor Gavon auf der Polizeiwache in der Vine Street, als eine bleiche Frau hastig in das kahle Büro kam. Gavon kannte sie.

»Guten Abend, Mrs. Elton. Wollen Sie mich sprechen?«

Sie nickte. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, und ihre Zunge schien den Dienst versagen zu wollen.

»Ja«, brachte sie schließlich hervor, aber ihre Stimme klang schrill und gequält. »In Italien lebt ein Mann – der französische Banknoten fälscht – es sind schon viele in Umlauf –«

»Das ist richtig. Kennen Sie vielleicht jemand, der solches Geld hat?«

»In unserem Haus finden Sie eine Menge. Mein Mann brachte es hin. Er hat es unter der Matratze in seinem Bett versteckt – Sie werden es finden –«

Gavon verlor beinahe die Fassung.

»Ihr Mann?« fragte er ungläubig. »Gehört es ihm denn?«

»Ja!« Sie packte ihn am Arm. »Was steht darauf? Nicht wahr, sieben Jahre bekommt er mindestens?«

Angewidert entzog sich der Inspektor ihrem Griff. Angebereien waren ihm nichts Neues – aber Dora Elton!

»Sie wissen es ganz bestimmt? Warten Sie hier!«

»Nein, nein, ich muß fort – das Mädchen wird Sie einlassen . . .«

In der nächsten Sekunde floh sie die Straße entlang, aber ein anderer war noch schneller als sie, und als sie in eine Seitenstraße einbog, war er neben ihr.

»Martin!« schrie sie auf.

Er sah sie mit wütenden Blicken an, und sie hob abwehrend die Hände.

»Du warst in der Vine Street?« flüsterte er.

»Ich – ich mußte –« stammelte sie, bleich wie der Tod.

Er nickte.

»Ich sah dich. Ich war darauf gefaßt, wenn ich es auch kaum für möglich hielt. Du kannst der Polizei viel Mühe sparen, wenn du wieder hingehst und sagst, daß kein Geld da ist. Seit acht Tagen trägst du dich mit dem Gedanken, mich festnehmen zu lassen.«

»Martin!« stöhnte sie.

»Du dachtest, du könntest dich besser mit Marshalt amüsieren, wenn ich aus dem Weg wäre«, fuhr er unerbittlich fort. »Aber darin irrst du dich, mein Kind! Mit Lacy rechne ich heute abend noch ab. Geh nur wieder hin und erzähle das auch deinen Freunden bei der Polizei!«

»Wohin willst du?« Sie klammerte sich an ihn, aber er stieß sie beiseite und ging rasch davon.

Als sie halb von Sinnen zur nächsten Telephonzelle wankte und Marshalts Nummer anrief, erhielt sie keine Antwort.


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