C. Cornelius Tacitus
Die Germania
C. Cornelius Tacitus

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II. Die einzelnen Völkerschaften Gemaniens.

Einwanderungen.

Daß Gallien vor Zeiten ein mächtigerer Staat gewesen, sagt uns der beste Gewährsmann, der erlauchte Julius, und darum ist es wohl glaublich, daß auch gallische Wanderungen nach Germanien stattgefunden haben. Denn welch schwache Schranke bot ein Strom, wenn der oder jener Stamm auf der Höhe seiner Machtentfaltung erobernd seine Heimat wechseln wollte, wo die Lande noch herrenlos und durch keine monarchischen Mächte geregelt lagen? Demgemäß haben sich denn wirklich zwischen dem hercynischen Walde, dem Rhein und dem Main die Helvetier, weiter ostwärts die Bojer niedergelassen, beides gallische Stämme. Noch heute lebt der Name Bohemum und redet von der einstigen Geschichte des Landes, obgleich dieses seine Bewohner gewechselt hat.

Ob aber die Aravisker von den Osen als einem germanischen Volk aus in Pannonien eingewandert, oder die Osen von den Araviskern aus in Germanien, beide Völker in Sprache, Brauch und Sitte noch heute gleich – dies bleibt darum unentschieden, weil beide dereinst auch an Armut und Freiheit gleich auf beiden Ufern der Donau dieselben Vortheile wie Nachtheile finden mußten. Der Treverer und Nervier macht seinen Anspruch auf germanische Rasse sogar mit Eifersucht geltend, als sollte der Ruhm dieser Blutsverwandtschaft seine Aehnlichkeit mit dem schlaffen Gallier aufheben.

Dem eigentlichen Rheinufer entlang wohnen zweifellos germanische Völker, die Vangionen, Triboken und Nemeter. Selbst die Ubier, obwohl sie zur römischen Colonie sich aufgeschwungen und sich lieber nach dem Namen ihrer Stifterin Agrippina nennen hören. schämen sich nicht ihres Ursprungs als germanischer Stamm, der schon vor Alters den Rhein überschritt und zum Lohn erprobter Treue unmittelbar am Strome sich ansiedeln durfte, als Grenzwächter, nicht als Bewachter.

Caput XXVIII.

Validiores olim Gallorum res fuisse summus auctorum divus Julius tradit; eoque credibile est etiam Gallos in Germaniam transgressos: quantulum enim amnis obstabat quo minus, ut quaeque gens evaluerat, occuparet permutaretque sedes promiscuas adhuc et nulla regnorum potentia divisas? Igitur inter Hercyniam silvam Rhenumque et Moenum amnes Helvetii, ulteriora Boii, Gallica utraque gens, tenuere. Manet adhuc Bohemi nomen, signatque loci veterem memoriam, quamvis mutatis cultoribus. Sed utrum Aravisci in Pannoniam ab Osis Germanorum natione, an Osi ab Araviscis in Germaniam commigraverint, cum eodem adhuc sermone, institutis, moribus utantur, incertum est, quia pari olim inopia ac libertate eadem utriusque ripae bona malaque erant. Treveri et Nervii circa affectationem Germanicae originis ultro ambitiosi sunt, tanquam per hanc gloriam sanguinis a similitudine et inertia Gallorum separentur. Ipsam Rheni ripam haud dubie Germanorum populi colunt, Vangiones, Triboci, Nemetes. Ne Ubii quidem, quanquam Romana colonia esse meruerint ac libentius Agrippinenses conditoris sui nomine vocentur, origine erubescunt, transgressi olim et experimento fidei super ipsam Rheni ripam collocati, ut arcerent, non ut custodirentur.


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