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17. Das vulkanreichste Land der Erde

Viele von denen, welche diese Zeilen lesen, haben vielleicht bisher geglaubt, die Hekla sei Islands einziger feuerspeiender Berg. Sie werden daher wohl etwas überrascht sein, wenn sie nun hier erfahren, daß man auf Island außer der Hekla noch über hundert andere feuerspeiende Berge gezählt hat, von denen mehrere viel größer sind und weit furchtbarere Ausbrüche gehabt haben als selbst die Hekla.

Ja, Island soll nach Aussage der Geologen wirklich das am meisten vulkanische Land der Welt sein.

Außer den Vulkanbergen gibt es aber, wie bereits erwähnt, auf der Insel noch eine Menge Krater. Es sind gut zweitausend an der Zahl.

Einer dieser Feuerschlünde, der Krater des Vulkans Askja, hat die ungeheure Größe von mehr als einer Meile im Durchmesser.

Island ist der Schauplatz der größten Vulkanausbrüche gewesen, welche die Erdgeschichte kennt, wenigstens nach der Menge der ausgespieenen Lava.

Es gibt auf Island zum Beispiel Lavaflüsse, das heißt Flußbette von geschmolzener Lava, die so breit sind wie der Öresund zwischen Kopenhagen und Malmö, also rund 4 Meilen von Ufer zu Ufer.

Die Vulkangruppe, die vor reichlich hundert Jahren einen Lavafluß von einer solchen ungeheuren Größe ausspie, hat freilich auch eine Höhe von über sechstausend Fuß und umfaßt ein Gebiet, das etwa halb so groß ist wie das Land Württemberg, das heißt etwas über 9000 Quadratkilometer.

 

Das Eigentümlichste bei der isländischen Natur ist, daß die beiden Elemente, die im schärfsten Gegensatz zueinander stehen, das kalte Eis und das brennende Feuer, einen ewigen Krieg auf der Insel und ringsumher miteinander führen – ein gigantischer Kampf, ein beständiges Ringen zwischen zwei Riesengewalten.

Fast jeden Winter wird das Land von einem unendlichen Zug schwimmender Eisberge umringt, die sich an seinen düsteren, senkrecht abfallenden Felsengestaden hinwälzen, während gleichzeitig im Innern der Insel an tausend Stellen das Feuer brennt.

Aber auch drinnen im Lande selbst kämpfen Feuer und Eis miteinander in nächster Nähe. Und hier gerade ist der Kampf am großartigsten. Ungeheure Eismassen, die sogenannten Jöklar oder Gletscher, bedecken sogar die noch nicht erloschenen Vulkane!

Der größte Gletscher oder Jökull auf Island wie auf der ganzen Erde überhaupt (ohne die Polargegenden) ist der Vatnajökull. Er ist hundertfünfzig Quadratmeilen groß, also eine einzige Eismasse, die an Größe etwa die Hälfte des Landes Baden ausmacht, also 7500 Quadratkilometer.

Im Vergleich damit sind selbst die mächtigen Gletscher der Schweiz nur Zwerge.

Trotz dieser riesigen Eismassen über den Vulkanen geschieht es, daß plötzlich einmal eine furchtbare Katastrophe eintritt: Mit elementarer Gewalt bricht das Feuer durch und bleibt für eine Zeit lang Sieger. Selbst der größte Gletscher muß dann schmelzen. Die Eismassen verwandeln sich auf einmal in kochendes Wasser, das sich nun in Strömen von dem eben noch zugefrorenen Vulkan über die tiefer gelegenen Stätten ergießt.

Ganze Provinzen werden jetzt verwüstet. Die heißen Wasserströme nehmen alles, was sie auf ihrem Wege finden, mit sich hinab ins Atlantische Meer: Häuser und Gehöfte, Menschen und Tiere, ja selbst den Erdboden mit allem, was er hervorgebracht, so daß nur der nackte, harte Felsengrund zurückbleibt.

Nach den Wasserüberschwemmungen kommt dann das Feuer und die fließende glühende Lava!

 

Ich will nun kurz von dem unerhörtesten Ausbruch erzählen, den Island je erlebte und dem man kaum einen in der Welt an die Seite stellen kann. Er war so furchtbar großartig, daß man seinen Augen nicht traut, wenn man die Berichte über ihn liest.

Neben ihm ist alles, was Vesuv, Ätna und Hekla vollbracht haben, nur Kinderspiel.

Diese einzig dastehende Naturkatastrophe ereignete sich im Jahre 1783. Der Vulkan, der sie hervorrief, war nicht nur ein Feuerberg, er war zugleich ein alter Jökull. Er war also vor dem Ausbruch angetan mit einem dicken weißen Gewand von leuchtendem Eis und Schnee.

Sein Name, Skaptár»jökull«, zeigt auch, daß er mehr als Gletscher denn als Vulkan betrachtet wurde.

In dem verhängnisvollen Jahr 1783 jedoch sprengte er seine kalte dicke Eishaut und warf die ungeheuren Eismassen von sich, wie man ein leichtes Kleid ablegt.

Der Ausbruch begann im Mai.

Erst sah man eine Unmenge zarter blauer Wolkengebilde über der ganzen Gletscherlandschaft schweben. Am 8. Juni folgte dann ein gewaltiges Erdbeben, und hierauf stiegen im ganzen Gebiet der Eiswüste überall riesige Aschensäulen bis über die Wolken empor.

Das dauerte zwei Tage.

Am 10. Juni verwandelte sich das ganze große Gebiet von Eis und Schnee in ein unermeßliches Feuermeer. Unzählige Feuersäulen schlängelten sich durcheinander mitten zwischen den Eisgletschern. Ein ganzes Land schien in Flammen zu stehen. Es war wie eine brennende Hölle.

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Ein grauenvoller Anblick!

Der große Fluß Skaptá, der seinen Ursprung in dieser Gletschergegend hat, führte mehrere Tage nur empörtes, kochendes Wasser mit sich. Dann trocknete er plötzlich aus und blieb für immer vollständig verschwunden!

Wie war dies möglich?

Aus dem Berg brach ein Lavafluß von einer Mächtigkeit hervor, die auf unserer Erde nicht ihresgleichen hat. Seine Länge betrug etwa 10 Meilen, seine Breite an der breitesten Stelle 4 Meilen.

Auf seinem Wege über das Land hin ergoß sich dieser Strom von Lava auch in große Seen und Flüsse, deren Gewässer beim Hereinstürzen der rotglühenden Lava mit einem ohrenbetäubenden Zischen in kürzester Zeit zu brodeln und zu dampfen anfingen.

So wurde auch in dem tiefen Bett des Skaptáflusses das Wasser von der glühendheißen Lava überwältigt und verdrängt. Die Skaptá war aus einem Wasserfluß für einige Zeit ein Feuerfluß geworden: statt der Wasserwellen sah man jetzt brennende Lava zwischen seinen Ufern sich hinwälzen.

Schließlich aber erkaltete und vertrocknete die Lava und füllte das ganze Flußbett aus. –

Als die fließende Lava zu der Stelle kam, wo der Fluß einst einen herrlichen Wasserfall bildete, geschah etwas Einzigartiges: in den Abgrund stürzte jetzt nicht mehr Wasser, sondern brennendes Feuer nieder, bis auch hier alles mit Lava ausgefüllt war.

Dieser »Feuerfall« soll, besonders im Dunkel der Nacht, ein schauervoll schönes Bild dargeboten haben. –

Seit jenen Schreckenstagen ist das Aussehen der ganzen Gegend für immer verwandelt. Wo früher Seen und Flüsse, üppige Täler, grüne Hügel und Höhen gewesen, sieht man jetzt nichts anderes mehr als eine flache, unfruchtbare, weitgedehnte Lavawüste.

Die Dicke der Lavamasse wechselte damals zwischen 80 und 500 Fuß. Ihr gesamter Rauminhalt, der von Gelehrten der verschiedensten Länder berechnet wurde, betrug im Gegensatz zum Lavastrom der Hekla im Jahre 1845/46 nicht nur vierzehn, sondern fast vierhundert Milliarden Kubikfuß!

Der Riesenausbruch des Skaptárjökull endete mit einem heftigen Erdbeben Ende August 1783.

Die Asche wurde auch diesmal in großen Mengen über das Meer bis zum europäischen Festland getragen.

Der bekannte Geologe Professor Thoroddsen hat im Auftrag der dänischen Regierung den Schauplatz des Ausbruches untersucht und ungefähr hundert Krater gefunden. Da kann man sich vorstellen, welch ein Anblick es gewesen sein muß, als aus hundert riesengroßen Kratern zusammen auf einmal so mächtige Feuersäulen emporschlugen!

Die Folgen des Ausbruches waren furchtbar:

Es gingen 28 000 Pferde, 11 000 Stück Hornvieh und 190 000 Schafe zu Grunde. Die Küsten der Insel waren übersät von angeschwemmten toten Fischen, da das Meer von der Menge der zugeflossenen und hineingeschleuderten vulkanischen Stoffe ringsumher vergiftet war.

Von der Bevölkerung starb infolge des Ausbruches der vierte Teil!

Das letzte große Naturereignis auf Island war das Erdbeben im August 1896, das größte von allen, die man in dem von Erschütterungen so vielfach heimgesuchten Lande kennt.

Der Gewalt dieses Erdbebens konnte nichts widerstehen. Die Stöße waren so heftig, daß Menschen und Tiere manchmal meterweit umhergeworfen wurden, und selbst auf dem Boden mußte man sich am Grase festhalten, um nicht fortgeschleudert zu werden.

Die ganze Bevölkerung in den betroffenen Gebieten mußte wochenlang in Zelten unter offenem Himmel wohnen.

In wenigen Sekunden wurden Gehöfte zu Hunderten verwüstet. Insgesamt stürzten über tausend Gebäude zusammen. Holzhäuser, darunter selbst größere, wurden oft mehrere Schritte weit von ihrem Standort gerückt.

Augenzeugen berichten, daß von den bebenden Bergen zahlreiche Felsstücke sich loslösten und mit Krachen und Gepolter in die Täler hinabrollten, oder daß die Rasenerde weggerissen und an den Fuß der Berge geschleudert wurde und nur der nackte Felsen zurückblieb.

Ein ohrenbetäubendes, alles übertönendes Dröhnen hallte ringsumher.

Während die Berge von dem Erdbeben erschüttert wurden. waren sie in ungeheure Staubwolken eingehüllt und sollen ausgesehen haben wie zottige Hunde nach einem Bad, wenn sie das Wasser von sich abschütteln.

 

Die ganze grauenvolle Wirklichkeit solcher Erdbeben und Vulkanausbrüche kann sich wohl kein Mensch vorstellen. Mich selbst haben die Erzählungen der Augenzeugen, die in der Umgebung von Haukadal noch lebten, tief ergriffen; ich werde sie nie in meinem Leben vergessen.


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