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Bericht des Gendarmen Werner.

Zur so ungemein tragischen Geschichte der vom Teufel besessenen Kinder von Illfurt sind neue, sehr interessante Dokumente hinzugekommen. Es sind die Aufzeichnungen, die Herr Professor Lachemann von den Frères de Marie von Sankt Pilt hinterlassen hat, und die im Collegio Santa Maria in Rom aufbewahrt waren, nebst dem ausführlichen Bericht des Brigadier der Illfurter Gendarmen, wie er ihn ab und zu der Präfektur von Colmar und der Unterpräfektur von Mühlhausen zugehen ließ. Herr Werner, der Brigadier, war in Illfurt noch ganz ungläubig.

Die schärfste Beobachtung der wunderbaren Ereignisse im Hause Burner und eine Wallfahrt nach Lourdes brachte den die Wahrheit offen suchenden Mann auf andere Gedanken. Als er sich nach Vesoul zurückzog, war er bereits ein musterhafter Christ geworden. Seine Aufzeichnungen hat er sodann einem geistlichen Freunde Pater Wüssler, C. s. Sp., Freiburg in der Schweiz. mitgeteilt, und wir geben sie im Auszug wieder, weil das Schicksal der armen Kinder im Elsaß und weit über seine Grenzen hinaus so mächtiges Interesse erweckte.

Es war im November 1868. Da wurde der Brigadier Werner von der Illfurter Gendarmerie benachrichtigt, daß wieder einmal eine größere Zusammenrottung des Volkes vor und in dem Hause stattfände, um Zeuge der teuflischen Kundgebungen in den zwei armen Kindern zu sein. Herr Werner begab sich sofort in das Haus und bemerkte bei ihnen mit Erstaunen einen ungewöhnlich furchtsamen und blödsinnigen Ausdruck; sonst hatte er sie immer als heiter, lebenslustig und intelligent gekannt.

Er fragte den anwesenden Vater, woher das komme, und dieser meinte, sie seien verhext worden, was den Gendarmen zum Lachen reizte. »Seid gescheit,« antwortete er, »und schickt zum Arzt; der kann schon helfen.«

Schon wollte sich der Brigadier zurückziehen, da bat ihn ein anwesender Herr, noch eine Weile zu bleiben, denn bald beginne die Krisis. Er blieb.

Richtig, nach einer Weile rief der Aelteste: »Da ist er, da ist er!«

Alsobald fing sein Bauch an, sich unnatürlich aufzublasen; sein Atem wurde pfeifend, und seine Brust ging auf und ab wie ein Schmiedeblasbalg. Der Gendarm stemmte sich mit aller Kraft gegen Brust und Bauch des Kindes, um den Bewegungen Einhalt zu tun. Ein anwesender Ratsherr half ihm; dazu kam noch ein dritter und vierter Mann. Der Gendarm überließ hierauf seinen Platz einem anwesenden Mehlhändler, Bouvier mit Namen, ein Koloß von ungewöhnlicher Kraft. Alle vier Männer drückten mit solcher Gewalt auf den Leib des Knaben, daß die Bettstelle krachte, ohne jeden Erfolg. Besorgt, daß dadurch innere Organe verletzt werden könnten, bat sie Herr Werner, den Knaben freizulassen. Dieser aber rief: »Ach was, ich spüre absolut nichts. Ihr könnt noch ein paar Männer zu Hilfe herholen, sie werden ebensoviel ausrichten.«

Der Vater erzählte dann den Anwesenden, daß solche Erscheinungen öfters vorkämen bei beiden Knaben, daß er jedoch bald damit fertig werde. Er brauche sie nur mit Weihwasser zu besprengen, so sei die Geschichte alsbald erledigt. Auf den Wunsch des Herrn Brigadier Werner besprengte er nun Theobald mit etwas Weihwasser. Da entrang sich ein Stöhnen dem Munde des Kindes; sein Leib schwoll langsam ab, die Krisis war zu Ende.

Im Monat Februar 1869 war eines Nachmittags der Brigadier Werner abermals auf Besuch bei den Kindern. Es waren nur wenige Leute da, und die Knaben verhielten sich seit einigen Tagen ziemlich ruhig, weil Lucifer, wie sie sagten, Karneval halte und auf den Bällen sich herumtreibe. Die Mutter benützte diese ruhige Zeit, um das Bett der Kinder in Ordnung zu bringen. Sie ließ die beiden, nur mit dem Hemd bekleidet, auf Stühlen, die in der Nähe des Ofens standen, niedersetzen. Herr Werner war im Begriff nach Hause zu gehen und redete noch im Hausflur mit dem eintretenden Herrn Frindel, Stationsvorsteher von Illfurt. Da vernahmen sie einen Schrei aus der Stube; sie eilten sofort herbei, um zu sehen was los sei. Da erblickten sie Theobald, durch eine geheimnisvolle Kraft emporgehoben, 35 bis 40 Zentimeter über seinem Sitze schwebend. In dieser Lage verblieb er mehrere Minuten, zum größten Staunen der Anwesenden. Da holte ein Fräulein den Weihwasserkessel und besprengte den Jungen mit Weihwasser.

Langsam und stoßweise ließ sich dieser herab auf seinen Stuhl; er schien ermattet zu sein und begehrte, ins Bett zurückzukehren.

Auf ihre Frage meldeten die Eltern den Besuchern, daß diese Erscheinung bei den Kindern sich schon des öftern wiederholt habe, und Joseph bestätigte die Aussagen seiner Eltern.

Kurz darauf hörte Herr Werner, daß Theobald einem geheimnisvollen Wesen Federn ausgerupft habe. Er begab sich nach dem Hause Burner, wo der Vater ihm eine Lade mit solchen Federn zeigte. Sie waren gelblich und besaßen ihre Wurzeln. Aehnliche Federn hatte noch niemand gesehen. Aus dem Bette waren sie nicht, das ergab eine sofortige genaue Untersuchung. Die Bettfedern stammten von grauen Gänsen, und ihre Wurzeln waren abgeschnitten. Herr Werner fragte einen der Knaben, wie der geheimnisvolle Besucher denn aussehe und wie er ihm erscheine.

»In der Gestalt einer großen Gans,« antwortete der Besessene, »aber mit einem sehr langen Schnabel und großen, grünen, phosphoreszierenden Augen.«

Hierauf fragte er auch den jüngeren Knaben, ob das so stimme, was sein Bruder behaupte. Joseph verneinte das und sagte, das, was er sehe, sei kein Vogel, wohl aber ein kleines, behaartes Tier, wie ein Meerschwein. »Das ist auch die Ursache«, bemerkte der Vater, »warum der Leib des jüngeren nie so sehr aufgeblasen ist, wie derjenige seines Bruders.«

Alsdann bat Herr Werner den älteren Knaben, dem Vogel die Federn auszurupfen, wenn er wieder käme. Unterdessen verteilte eine anwesende fremde Dame etliche Zuckersachen an die Kinder, welche dieselben sofort zum Munde führten. Plötzlich ließ Theobald die Bonbons fallen, zeigte nach vorn und rief: »Da ist er, da ist er!«

Er machte die Gebärde, etwas auszurupfen. Da faßte Herr Werner ihm schnell die rechte Hand und ein anderer Mann die linke. Als sie dessen Fäuste öffneten, fielen zwei Häuflein Federn heraus. Die Herren untersuchten sie und konstatierten, daß sie mit den ihnen vom Vater gezeigten durchaus identisch waren. Herr Werner riet diesem, sie von einem Chemiker untersuchen zu lassen.

Auf der Haustreppe kam dem Brigadier Herr Pfarrer Brey entgegen, dessen erste Frage lautete: »Nun, was halten Sie davon?«

»Ei«, antwortete der Gefragte, »für mich ist das alles ein unbegreifliches Mysterium. Was ich bis jetzt gesehen habe, hat mich in Erstaunen gesetzt.«

»Nun, wenn Sie mitkommen wollen,« sagte hierauf der Geistliche, »dann wird Ihr Erstaunen noch größer werden.«

Er zog aus der Tasche seiner Soutane eine sehr starke, seidene Schnur (einen sogenannten Franziskusgürtel), zog sie durch den kupfernen Ring eines geweihten Kreuzleins aus sehr hartem Buchsholz, legte die Schnur auf den Hals des Knaben und bat den einen der Anwesenden, einen festen dreifachen Knoten zu machen, sodaß dieser Knoten im Nacken saß, das Kreuz aber auf der Brust hing. Unmöglich, daß der Knabe den Knoten lösen oder die Schnur hätte zerreißen können. Uebrigens wurde gut aufgepaßt.

Die Knaben ließen mit sich machen, was man wollte, und antworteten mit Bereitwilligkeit auf alle Fragen. Plötzlich erbleichte Theobald, fing an zu zittern und rief: »Da kommt er, da kommt er!«

Herr Werner zog sofort die Bettdecke zurück und bemerkte auch ebenso schnell das Verschwinden der Schnur und des Kreuzes. Alle waren erstaunt. Als Theobald bemerkte, daß der Gendarm das Bett untersuchen wollte, erhob er sich und befahl auch seinem Bruder aufzustehen.

»Suchet jetzt,« sprach er, »aber ihr findet nichts. Die Schnur ist weg. Vom Kreuz aber befindet sich ein Teil auf dem Bücherregal das über dem Bette ist. Nehmt einen Stuhl und schauet nach. Ein anderer Teil liegt unter dem Holz hinter dem Ofen und der Rest draußen vor der Türe, im Hausgang.« Und so war es auch. Man fand alle drei Teile an den angegebenen Orten, von der Schnur jedoch fand man nichts mehr.

Dieses neue Ereignis machte am darauffolgenden Tag die Runde durch die Zeitungen der Gegend, und aus weitem Umkreise kamen immer mehr Leute, die Knaben zu sehen. Zeitweilig mußte man zu Absperungsmaßregeln seine Zuflucht nehmen und einen Ordnungsdienst einsetzen, um einer Katastrophe vorzubeugen, denn der Fußboden drohte einzustürzen.

Eine ähnliche Szene ereignete sich etwas später. Während den heftigen Krisen sahen die Kinder öfters sieben Gespenster, die sie »die weißen Wesen« oder die »sieben Narren« nannten. Theobald allein sah noch ein achtes Wesen, das er »Meister« nannte. Eines Tages erschienen sie ihnen wieder und raubten ihm den St. Josephsgürtel, den man fest um den Leib des Knaben gebunden hatte. Der Herr Pfarrer fragte ihn, wo der Gürtel hingekommen sei.

»Such ihn!« war die Antwort. Der Herr Pfarrer suchte ihn überall, besonders unter dem Bett und im ganzen Zimmer, fand aber nichts. Auf sein wiederholtes Fragen erhielt er stets dieselbe Antwort. »Such' ihn!« Noch zwei Tage suchte man allenthalben. Jedesmal umsonst. Theobald lachte und wiederholte nur: »Such ihn!«

Nach einem Monat fragte der Geistliche zufällig nochmals den Knaben, wo denn der Gürtel hingekommen sei. »Such ihn im Federbett.« Man suchte ihn und fand ihn daselbst ganz eng zusammengerollt, so daß er nicht mehr Raum einnahm als ein Steinkügelchen, womit die Kinder spielen. Und doch hatte Theobald den Gürtel nicht losmachen und so verwickeln können, ohne daß der Herr Pfarrer, der ihn scharf beaufsichtigte, es nicht bemerkt hätte.

Er wollte auch einmal die Taubheit Theobalds auf die Probe stellen und zu diesem Zweck etliche Schüsse in nächster Nähe des Knaben aus seiner Pistole abfeuern. Als er jedoch die Pistole nehmen wollte, war sie verschwunden. Er suchte sie vergebens. Da rief er Joseph herbei und sprach zu ihm: »Joseph, hilf mir meine Pistole suchen.«

Der Kleine eilte herbei und rief: »Dort in der Ecke liegt ihre Pistole!«

Der Geistliche war erstaunt, sie an einem so ungewohnten Platz zu finden. Er lud und feuerte fünf Schüsse neben Theobald ab. Dieser aber hatte nichts gehört. Er fragte vielmehr die Anwesenden, warum der Herr Pfarrer nicht schieße, und schloß mit den Worten: »Ah, er kann nicht schießen.«

Der Teufel hatte einmal erklärt, daß er Theobald das Gehör geraubt habe wegen der Leute, die sich seiner annehmen, damit er ihre Bemerkungen nicht höre. Aber während der Krisen erlangte er jedesmal das Gehör wieder und hörte dann so gut wie sein Bruder. Seine Taubheit verlor der Knabe erst im Augenblicke seiner Befreiung, wie es auch der Satan vorausgesagt hatte.


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