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In der Ortschaft Illfurt, zwei Wegstunden südlich von Mühlhausen, die damals zirka 1200 Einwohner zählte, wohnte die arme, aber brave Familie Burner. Der Vater Joseph Burner war fahrender Händler, der landauf, landab mit Zündhölzern und Zunder handelte; die Mutter Marie Anna Foltzer besorgte ihre fünf noch unmündigen Kinder. Ihr ältester Sohn, Theobald, wurde geboren am 21. August 1855 und der zweite Sohn, Joseph, am 29. April 1857. Mit 8 Jahren besuchten sie die Volksschule. Es waren stille, mitteltalentierte, etwas schwächliche Kinder. Im Spätjahr 1864 wurde Theobald sowie sein jüngerer Bruder von einer geheimnisvollen Krankheit befallen. Der zuerst herbeigerufene Arzt Dr. Lévy von Altkirch, sowie andere zugezogene Aerzte wußten sich die Art der Krankheit nicht zu erklären. Alle die verschriebenen Medikamente hatten keinerlei Wirkung. Theobald wurde so mager, daß er nur mehr einem wandelnden Schatten glich.
Vom 25. September 1865 ab zeigten sich an den Knaben ganz abnorme Erscheinungen. Auf dem Rücken liegend, drehten sie sich mit unheimlicher Schnelligkeit im Kreise herum wie ein Kreisel. Dann fingen sie an, die Bettstellen und andere Möbel mit wuchtiger Kraft und Ausdauer zu bearbeiten, was sie »dreschen« nannten, ohne dabei die geringste Müdigkeit zu verspüren, auch wenn das Dreschen noch so lange dauerte. Darauf verfielen sie wieder in Krämpfe und Zuckungen, dann wieder in solche Niedergeschlagenheit, daß sie stundenlang ohne Bewegung, gleichsam leblos dalagen.
Außerdem überfiel die Kranken nicht selten eine Art von Wolfshunger, den nichts zu stillen vermochte. Auch schwoll ihnen der Unterleib hoch an, und es kam den Kindern vor, als laufe im Magen etwas wie eine Kugel oder bewege sich wie ein lebendes Wesen springend auf und ab. Die Beine hielten die Knaben oft wie biegsame Ruten zusammengewunden, und kein Mensch konnte sie auseinanderreißen.
Der ältere Knabe, Theobald, wurde namentlich durch ein peinliches Wesen verfolgt, das einen Entenschnabel und bekrallte Hände hatte und am Leibe mit unsaubern Federn bedeckt war. Sobald der Knabe dieses Wesen über seinem Bette schweben sah, schrie er erschreckt auf, denn das Gespenst drohte ihm mit Erwürgen, sodaß der Knabe auf dasselbe losstürzte und ihm Federn ausriß, wenigstens 20–30 Mal am hellen Tage, vor 100 Personen, unter denen sich nicht leichtgläubige Männer aus allen Klassen befanden. Diese abscheulich stinkenden Federn hinterließen beim Verbrennen keine Asche.
Oftmals wenn die Kinder auf ihren hölzernen Stühlen saßen, wurden die Stühle mitsamt ihnen durch eine unsichtbare Hand emporgehoben; nachher wurden die Kinder in eine Ecke geschleudert, während die Stühle in eine andere Ecke flogen. Ein andermal fühlten sie wieder am ganzen Körper ein schmerzhaftes Prickeln und Stechen, und dann holten sie aus ihren Kleidern Unmengen von Federn und Seegras hervor, daß der Boden damit ganz bedeckt wurde. Man mochte ihnen Hemd und Kleider noch so oft wechseln, immer wieder kamen die Federn und das Seegras zum Vorschein. Diese Federn, die auf so unerklärliche Weise ihren Körper bedeckten, waren so stinkend, daß man sie nicht aufbewahren konnte. Wenn man sie verbrannte, war keinerlei Asche zu sehen.
Die schrecklichen Krämpfe und die Misshandlungen aller Art brachten die Knaben so weit, daß sie das Bett hüten mußten und ihr Körper mächtig aufschwoll. Brachte man zufällig einen geweihten Gegenstand, ein Kreuzchen, eine Medaille, einen Rosenkranz in ihre Nähe, dann gerieten sie in heftigen Zorn und Raserei. Sie beteten nicht mehr. Die Namen: Jesus, Maria, Heiliger Geist u. a. m., welche die Anwesenden aussprachen, machten sie zittern und erbeben. Gespenster, nur für sie sichtbar, erfüllten sie mit Furcht und Entsetzen.
Furcht und Entsetzen ergriff aber auch die Eltern, die solchem furchtbaren Schauspiele hilflos zusehen mussten. Verwunderung ergriff die Nachbarn und die immer zahlreicher werdenden Besucher von nah und fern; denn bald wurde die Sache ruchbar und jedermann wollte die armen Kinder sehen. Was war mit ihnen geschehen?
In Illfurt lebte eine alte, übel beleumundete Frau, die von ihrem Heimatsort wegen ihrer Liederlichkeit fortgejagt worden war. Von ihr sollen die Kinder einen Apfel angenommen und gegessen haben. Das wäre der Anfang ihrer so auffallenden Krankheit gewesen. So wenigstens erzählten wiederholt die Geister, die in den Kindern hausten. Wie dem auch sei, es stellte sich bald heraus, welcher Art diese Geister waren, denn an den Früchten läßt sich der Baum leicht erkennen.
Oftmals lagen die Kinder stundenlang ruhig und apathisch da. Plötzlich veränderte sich ihr Wesen. Sie wurden nervös und aufgeregt und gestikulierten und schrieen in einem fort. Ihre Stimme war jedoch nicht die eines Kindes, wohl aber eine starke, rauhe und heisere Männerstimme. Dabei hatten die Kinder den Mund meist geschlossen; es war offenbar, daß sie bei diesen Reden und diesem Schreien gar nicht selbst beteiligt waren, daß vielmehr andere unsichtbare Wesen aus ihnen redeten. Stundenlang konnten sie in einemfort rufen: »Nudeln, Knöpfeln, Wasserschnitten!« Es war rein zum Davonlaufen, und die Eltern wussten sich nicht mehr zu helfen. Endlich kam der Vater auf den Gedanken, den Kindern zu sagen: »Schreit, Kinder, schreit noch stärker zur Ehre Gottes.« Bei der ersten und zweiten Aufforderung wurde das Geschrei schon schwächer, um bei einer weiteren Aufforderung ganz aufzuhören. Herr Tresch erreichte sofortige Ruhe, indem er den Kindern zurief: »Im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit – schreit noch stärker.«
Die leiseste Anspielung an die heiligste Dreifaltigkeit jagte den Besessenen die größte Furcht ein. Theobald begehrte einmal von der Schwester ein Glas Wasser. Die Schwester reichte ihm dasselbe mit den Worten: »Trinke, Theobald, aller guten Dinge sind drei.« Sofort wandte sich der Kleine ab und war nicht zu bewegen, das Wasser zu trinken.
Ganz auffällig war die Angst der Kinder vor geweihten Sachen, ihr heftiger Widerwille gegen Kirche, Gebet und Gottesdienst, sodann die entsetzlichen Flüche und unflätigen Redensarten, deren sie sich sehr oft bedienten, und die den Kindern vorher völlig fremd gewesen waren. Auch redeten und antworteten sie in den verschiedensten Sprachen; das Französische, Lateinische und Englische sprachen sie geläufig und verstanden auch die verschiedensten französischen und spanischen Dialekte. Kein Wunder, daß jedermann die bedauernswerten Kinder sehen wollte, und daß sich die weltliche und geistliche Obrigkeit um ihr Schicksal kümmerte und die Sache aufs gründlichste untersuchen ließ.
In erster Linie war es der ehrwürdige Ortspfarrer, Herr Karl Brey, ein sehr gottesfürchtiger, edler Seelenhirte, dem das Schicksal der Familie Burner, besonders der zwei armen Kinder, nahe ging. Er hatte bald heraus, daß die Erscheinungen lediglich dämonischen Ursprungs waren, und daß es sich da um den allerdings seltenen Fall von Besessenheit handelte. Auf irgend eine andere Art waren alle Dinge vernünftigerweise nicht zu erklären. Er berichtete daher die Angelegenheit an die geistliche Obrigkeit, die eine Kommission von drei geistlichen Herren zur offiziellen Untersuchung nach Illfurt beorderte und später die Beschwörung vornehmen ließ. Der Herr Pfarrer wurde kräftig unterstützt von seinem braven und getreuen Bürgermeister Herrn Tresch, und den besten Familien von Illfurt. Es gab zwar immer noch Zweifler, aber deren Zahl war gering, und die bösen Geister zeigten ihre volle Zufriedenheit mit ihnen. Hingegen waren sie ergrimmt gegen jene, die ihre Natur durchschauten, besonders gegen den Herrn Pfarrer und Bürgermeister, sowie gegen Herrn Ignace Spies, den Bürgermeister von Schlettstadt, gegen dessen Freund, Herrn Martinot, Directeur de Régie, ebenfalls von Schlettstadt, und den Professor Lachemann von St. Pilt aus der Kongregation der Frères de Marie. Diese drei waren extra aus der Ferne gekommen, um den Fall zu beobachten und genau zu studieren.