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Neunundzwanzigstes Capitel.

Es war gewiß nicht in der Absicht, mich anzufeuern – denn es bedurfte dessen jetzt nicht mehr – wenn mein Lehrer in diesen Gesprächen immer wieder darauf zurückkam, daß die freie, die selbstgewollte, von der Liebe geweihte Arbeit Aller für Alle der Schluß der Weisheit, die eigentliche Bestimmung, das höchste Gut des Menschen sei. Es war eben das letzte Resultat seiner praktischen Philosophie, auf das mit Nothwendigkeit seine Betrachtungen hinausliefen, mochten sie nun das Schicksal des Individuums oder der Gesammtheit zum Gegenstand haben. Und da diese Gespräche fast immer in den Ruhepausen zwischen der Arbeit geführt wurden, von der wir kamen, um wieder zu ihr zurückzukehren, mochten sie als sinnige Arabesken für das ernste und – wie ich jetzt daran denke – rührende Bild gelten, welches der rastlose, gedankenvolle Meister und der fleißige, lernbegierige Schüler in ihrer gemeinschaftlichen Thätigkeit darboten.

Diese Thätigkeit war eine streng geregelte. Der Zufall wollte, daß während meiner Reconvalescenz ein alter Bureauschreiber, der schon lange gekränkelt hatte, gestorben war. Da es als ein von dem Director streng durchgeführter Grundsatz galt, daß alle Arbeiten, die mit den in der Anstalt vorhandenen Kräften geleistet werden konnten, auch wirklich von denselben gethan würden, hatte er es trotz des Widerspruches des Präsidenten von Krossow durch Immediat-Eingabe bei dem Könige, die sein Freund, der Minister von Altenberg, befürwortet hatte, durchgesetzt, daß kein Bureauschreiber wieder angestellt, sondern dessen Arbeit, als eine besondere Vergünstigung mir übertragen wurde, wie mir denn auch gewisse, auf den Maßstab der übrigen Gefangenarbeit reducirte Emolumente dafür zufließen sollten. Herr Diaconus von Krossow hatte mir zu meiner »Beförderung« mit sauersüßer Miene gratulirt, aber Doctor Snellius hatte laut gekräht vor Freude und in der Familie war das große Ereigniß als ein Fest gefeiert worden. Mir selbst war durch dies Arrangement ein schwerer Stein vom Herzen gefallen. Ich brauchte nun nicht mehr zu fürchten, daß dem edlen Manne, der schon so viel für mich gethan, aus seiner Güte zu mir sehr ernste Ungelegenheiten erwachsen würden. Hatte man doch schon in dem Kreise des Präsidenten von Disciplinar-Untersuchung, Amtsentsetzung, mindestens Pensionirung gesprochen! Nun, da mein Verhältniß zu ihm einen officiellen Charakter angenommen hatte, war die Sache beseitigt, und ich konnte leichten Herzens durch das offene Fenster, an welchem mein Arbeitstisch stand, in den lauschigen Garten blicken, wo über den Blumen eifrige Bienen summten, in den hohen Bäumen die Vöglein zwitscherten und sangen, und zwischen den Blumen unter den Bäumen Frau von Zehren an dem Arme der Tochter ihre Morgen-Promenade machte, oder des Nachmittags nach der Schule die Knaben spielten oder an ihren Beeten arbeiteten.

Denn Jeder, auch Oskar hatte sein Beet, das er in Ordnung halten mußte, und mir war es eine immer neue Freude, die kleinen Männer mit ihren Gießkannen und übrigen Arbeitswerkzeugen zu sehen, die sie mit der Gewandtheit gelernter Gärtner handhabten. Und doch war die Freude, die ich bei dem reizenden Anblick hatte, nicht ohne einen Beigeschmack von Wehmuth. Ich mußte dabei immer an meine eigene Jugend denken, und wie freudlos und fruchtlos sie im Vergleiche mit dieser hier war, die sich in reicher Schönheit vor mir entfaltete. Wer hatte mich gelehrt, meine jung-frischen Kräfte so nützlich zu verwenden? wer, in meine Spiele selbst einen Sinn zu bringen? Ach: ich hätte mich von den Brosamen nähren können, die von diesem reichen Tische fielen! Hatte ich doch meine Mutter kaum gekannt, und der tiefe, schwermüthige Sinn meines von Natur ernsten und durch den Verlust einer sehr geliebten Gattin noch mehr verdüsterten Vaters war dem lebhaften, übermüthigen Knaben immer unbegreiflich und fürchterlich gewesen. Wie sehr, wie innig er mein Bestes gewollt hat, wie er nach seinem besten Wissen und Gewissen bemüht gewesen ist, mir ein guter Vater zu sein – ich ahnte es damals schon und habe es später wohl begriffen – aber er hatte die schwere Moseszunge, mein braver Vater, und da war kein gefälliger Aaron, der mir den Sinn seiner strengen Gesetze gedeutet hätte. Meine beiden Geschwister waren bedeutend älter gewesen als ich. Ich war acht Jahre, als mein Bruder Fritz mit sechszehn Jahren zur See ging, und zehn Jahre, als meine Schwester mit zwanzig Jahren heirathete. Mein Bruder war ein leichtes, frisches Blut gewesen und hatte sich um mich so wenig gekümmert, wie um irgend wen oder irgend etwas auf der Welt; meine Schwester hatte den strengen Sinn des Vaters gehabt, aber ohne dessen Innerlichkeit. Sie hatte mich, an dem sie Mutterstelle zu vertreten berufen war, immer mit pedantischer Strenge, oft mit peinlicher Grausamkeit behandelt; ich war vor ihr zu der alten Magd geflohen, mit der sie stets in Unfrieden lebte, und die mir zum Lohne für meine Anhänglichkeit Räuber- und Gespenstergeschichten erzählte; und als Sarah heirathete und mir mit einer Schlußermahnung einen Abschiedskuß geben wollte, hatte ich ihr in Gegenwart meines Vaters, ihres Gatten und der ganzen Hochzeitsgesellschaft gesagt, daß ich weder ihre Lehren, noch ihren Kuß wolle, und daß ich froh sei, in Zukunft nichts mehr von ihr zu sehen und zu hören. Man hatte mir das als einen Beweis grauenhafter Undankbarkeit ausgelegt, und der Justizrath Heckepfennig, der auch zugegen war, hatte bei dieser Gelegenheit zum erstenmal seine wohlerwogene, durch die spätere Erfahrung, wie es schien, nur zu sehr bewahrheitete Ueberzeugung ausgesprochen, »daß ich in meinen Schuhen sterben werde«.

Nein, es konnte mir Niemand verargen, wenn mir, während ich durch das Fenster meinen kleinen Freunden zuschaute, der Wunsch kam: wärest Du doch auch so glücklich gewesen; hättest Du auch einen so guten und zugleich so weisen Vater, eine so sanfte, herzige Mutter, hättest Du so muntere Spiel- und Arbeitsgenossen und hättest Du vor Allem eine solche Schwester gehabt!

Eine solche Schwester.

Im Anfange hatte sie mich immer an irgend ein Märchen erinnert – ich konnte mich aber nicht darauf besinnen, an welches. »Sneewittchen« war es nicht, denn Sneewittchen war tausendmal schöner gewesen als die schönste Königin, und Paula war nicht eigentlich schön; »Rothkäppchen« konnte es auch nicht sein, denn Rotkäppchen war, wenn man es recht betrachtete, nur ein kleines, dummes Ding, das seine gute, alte Großmutter nicht von einem bösen Wolf unterscheiden konnte, und Paula war groß und schlank und war so klug! »Aschenbrödel?« Paula war so sauber, daß die Asche nicht hätte an ihr haften können, und hatte keine Tauben zur Verfügung, die ihr Erbsen lesen halfen – im Gegentheil! sie mußte Alles selbst thun, und that Alles selbst. Ich konnte es nicht herausbekommen und meinte endlich, es könne keine bestimmte Gestalt sein, an die sie mich erinnere; im Gegentheil! sie war wie der guten Feen eine, die man nicht kommen und nicht gehen sieht, und von denen man nur aus dem Geschenke, das sie zurückgelassen, weiß, daß sie dagewesen; oder, wie die lieben Geisterchen, die, während die Mägde schlafen, die Stuben säubern und Küche, Boden und Keller; und wenn die Verschlafenen die Augen reiben, sehen sie, daß schon Alles gethan ist und besser, viel besser, als sie es hätten thun können.

Ja, sie mußte eine Fee sein, die aus einem Uebermaß von Güte gegen ihre Schützlinge auch noch die Gestalt eines schlanken, blauäugigen, blonden Mädchens angenommen hatte! Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß sie vom frühen Morgen bis in den späten Abend immer thätig war und niemals ermüdet schien; daß sie überall war, wo man ihrer bedurfte, daß sie für Jeden ein williges Ohr hatte und daß nie der Schatten einer üblen Laune ihr liebes Angesicht streifte, geschweige denn ein böses Wort aus ihrem Munde kam. Zwar ernst sah sie wohl aus und sie sprach auch für gewöhnlich nicht mehr, als eben nöthig war, aber ihr Ernst hatte nichts Schwerfälliges, und ein oder zweimal hatte ich sie auch plaudern hören mit halblauter, anmuthiger Stimme, so wie sie Feen haben mögen, wenn sie mit Menschenzungen reden.

Ich theilte meinem Freunde, dem Doctor Snellius, meine Entdeckung mit.

Bleiben Sie mir mit solchem Unsinn vom Leibe, rief er. Fee! dummes Zeug. Es ist immer der Lessing'sche eiserne Topf, der durchaus mit einer Zange von Silber aus dem Feuer gezogen sein will. Was thut sie denn Außerordentliches? Sie ist die Beschließerin des Hauses, die Lehrerin der jüngeren Geschwister, die Freundin des Vaters, die Trösterin der Mutter, die Krankenwärterin Beider. Das Alles sind alle guten Mädchen; dabei ist gar nichts Außergewöhnliches; ist nur eben in der Ordnung. Aber so ein phantastischer Kopf von zwanzig kann natürlich die Dinge und die Menschen beileibe nicht so sehen, wie sie sind. Heirathen Sie sie! Das ist das beste Mittel, zu erfahren, daß die Engel mit den längsten, azurfarbenen Flügel immer noch – Frauen bleiben.

Ich fuhr mir mit der Hand über mein Haar, das jetzt in anerkennenswerter Weise seine frühere Fülle wieder anstrebte, und sagte nachdenklich: Ich Paula heirathen? Nie! Ich weiß nicht, wie der Mann sein müßte, der werth wäre, sie zu heirathen; das aber weiß ich, daß ich es nicht bin. Was bin ich?

Vorläufig sind Sie zu sieben Jahren Gefängniß, in dem Zuchthause von S. abzusitzen, verurtheilt und haben also jedenfalls noch ebenso lange Zeit, sich zu überlegen, was Sie sein werden, wenn Sie herauskommen. Hoffentlich werden Sie dann ein tüchtiger Mann sein, und ich wüßte nicht, welches Mädchen, ja auch welcher Seraph für einen tüchtigen Mann zu gut wäre.

Ich habe noch einen andern Grund, Herr Doctor, weshalb ich sie auch dann nicht heirathen kann.

Und der wäre?

Weil Sie sie bis dahin schon längst werden geheirathet haben.

Sie grinsendes, zähnefletschendes Mammuth! Denken Sie, daß ein Mädchen wie die eine apoplektische Billardkugel heirathen wird!

Ob der gute Doctor sich über den Widerspruch ärgerte, welchen er sich zu Schulden kommen ließ, indem er so weit von sich wies, was er mir nur eben noch so nahegelegt, oder welchen Grund es hatte – aber das Blut stieg ihm in seinen kahlen Kopf, daß er wirklich jenem merkwürdigen, von ihm citirten Gegenstand auffallend ähnlich sah, und dabei krähte er so ausnehmend hoch, daß er nicht einmal versuchte, sich herabzustimmen.

Die Rede des Doctors ging mir ein paar Tage durch den Sinn: es leuchtete dem Zwanzigjährigen sehr ein, daß ein tüchtiger Mann für jedes Mädchen gut genug sei, und also nach dieser Seite hin kein Grund vorliege, weshalb ich nicht Paula früher oder später heirathen sollte. Dann aber, ich wußte selbst nicht wie, gewann die alte Ansicht doch wieder die Oberhand, und wenn ich sie mit ihrer himmlischen Geduld schalten und walten sah, sagte ich mir: Es ist nicht wahr, daß alle Mädchen, selbst nicht einmal die sogenannten guten, sind wie Paula; und es ist eine ganz alberne Behauptung von dem Doctor, daß ich jemals ihrer werth sein könnte!

Die klarere Luft, die prächtigen Sonnenuntergänge, dürre Blätter, die hie und da von den Bäumen wehten, verkündeten das abermalige Nahen des Herbstes. Es war die Zeit, die ich vor einem Jahre auf Schloß Zehrendorf verlebt hatte; es waren dieselben Zeichen der Natur, die ich damals so aufmerksam beobachtet hatte, und sie erweckten in meiner Seele eine Fülle von Erinnerungen. Ich hatte diese Erinnerungen tief begraben geglaubt und fand jetzt, daß sich nur eine dünne Decke darüber gebreitet, die jedes leise Wehen des schwermüthigen Herbstwindes zu lüften im Stande war. Ja, manchmal schien es mir fast, als ob die Wunden, die mir vor Jahresfrist geschlagen, wieder aufbrechen wollten. Ich durchlebte noch einmal ganz jene Zeit, aber es war, wie wenn man sich wachend, bei hellem Bewußtsein, einen sehr lebhaften Traum vergegenwärtigt. Was uns im Traume bei der partiellen Thätigkeit unserer Seelenkräfte, sehr natürlich, sehr logisch erschien, sehen wir nun als wunderliches Phantasma, und was uns dort als unbegreiflich ängstigte, wissen wir jetzt zu deuten, weil wir die Stellen, welche die springende Traumphantasie leer gelassen, auszufüllen im Stande sind. Ich brauchte ja nur meine damalige Lage auf die jetzige zu zeichnen und das traumhafte Zerrbild war fertig. Damals hatte ich mich frei gewähnt und war in der That so eingesponnen gewesen in die traurigsten, widerwärtigsten Verhältnisse wie eine Fliege in das Netz der Spinne; jetzt schlief ich allnächtlich hinter eisernen Gittern und fühlte mich innerlich so beruhigt und sicher, wie wenn man vom schwankenden Kahn den Fuß auf das feste Land gesetzt hat. Damals glaubte ich meine eigentlichste Bestimmung erreicht zu haben und sah jetzt, daß jenes Leben nur eine Fortsetzung und gewissermaßen eine letzte Consequenz des plan- und ziellosen Jugendtreibens gewesen war. Und in welchem Lichte erschienen mir die Menschen, an deren Schicksal ich damals einen so leidenschaftlichen Antheil genommen, wenn ich sie mit denen verglich, die ich jetzt so herzlich lieben gelernt hatte: wenn ich den »Wilden« verglich mit seinem milden, weisen Bruder? Und da ich nun einmal im Vergleichen war, so mußte es sich auch der riesenhafte, schwerfällige, verschlafene Hans von Trantow – wo war er jetzt der gute Hans, wenn er nicht todt war? – der Hans mußte sich gefallen lassen, neben den kleinen, beweglichen, geistvollen Doctor Snellius gestellt zu werden; selbst der alte verkommene Christian mußte neben den strammen Wachtmeister Süßmilch treten. Aber am allerlebhaftesten drängte sich mir doch der Vergleich auf zwischen der schönen, phantastischen Konstanze und Paula's schlichtem, keuschem Wesen.

War doch ein größerer Gegensatz kaum denkbar! Vielleicht rief gerade deshalb das Bild der Einen immer das der Andern hervor. Und dabei war ein sonderbarer Umstand: ich empfand vor Paula, trotzdem sie so jung war, daß sie fast noch jenem Alter angehörte, für welches unsere heutige Jugend, wenn ich recht verstanden, einen Namen aus dem Kochbuche entlehnt hat, eine größere Ehrfurcht, als ich je vor der um mehrere Jahre älteren, so sehr viel schöneren Konstanze empfunden. Zwar auch dieser gegenüber hatte ich eine Scheu zu überwinden gehabt; aber diese Scheu war ganz anderer Art gewesen, und schließlich hatte ich sie doch überwunden, und ich war, als ich den letzten Morgen das Schloß verließ, entschlossen gewesen, sie zu heirathen – trotz meiner neunzehn Jahre! Und was mich nicht minder überraschte: ich konnte Konstanze, die mich so schnöde verrathen, die ich zu hassen glaubte, jetzt nicht gedenken, ohne den Wunsch zu empfinden, ich möchte sie wiedersehen und ihr sagen können, wie sehr ich sie geliebt und wie tief sie mich gekränkt habe. Wo war sie jetzt? Sie hatte zuletzt aus Paris geschrieben.

War sie noch da und wie lebte sie? Daß sie von ihrem Geliebten verlassen sei, wußte ich bereits; ich hatte, als ich es zuerst erfuhr, laut gelacht. Jetzt lachte ich nicht mehr; ich dachte nicht ohne Gefühl tiefsten Mitleids an sie, die man so ungeheuer beleidigt hatte, die vielleicht, ja wohl gewiß, nun schutzlos, heimathlos durch die Welt irrte, eine Abenteurerin, wie ihr Vater ein Abenteurer gewesen war. Und doch konnte es ihr im gewöhnlichen Sinne des Wortes nicht schlecht gehen; sie hatte ja mit Stolz und Verachtung jeden Anspruch auf die Erbschaft ihres Vaters zurückgewiesen. Wußte sie jetzt, daß ihr Vater es verschmäht hatte, ihre Mutter zu seiner Gattin zu erheben? Hatte sie es immer, hatte sie es schon damals gewußt? Und, wenn sie es gewußt, reichte dieser Umstand nicht hin, das feindliche Verhältniß, in welchem sie zu ihrem Vater gestanden, zu erklären? Konnte sie den Mann lieben, der ihre Mutter so grenzenlos unglücklich gemacht? der ihr nie im guten Sinne Vater gewesen war, der, wenn man der Aussage seiner Spielgesellen glauben wollte, ihre Schönheit nur als Lockspeise benützt hatte für die dummen Fische, die sich in seinen Netzen fangen sollten? Konnte man mit ihr, der von solchen Eltern Abstammenden, in der Einsamkeit, in solcher Umgebung Aufgewachsenen, den plumpen Zudringlichkeiten, den frechen Schmeicheleien roher Krautjunker vom zarten Alter an Ausgelieferten – konnte man mit ihr so streng in's Gericht gehen, wenn sie Pflichten verletzt hatte, deren Heiligkeit sie nie begriffen? wenn sie das Opfer eines Wüstlings geworden war, der mit all den Lockungen des Reichthums, des hohen Ranges, mit dem ganzen Zauber der Jugend vor sie trat? Unglückliche Konstanze! Dein Lied von dem Schlimmen, dem Einen, an den Du die Seele, die arme, verloren – es war grausam prophetisch – der Eine war schlimm, sehr schlimm gegen Dich gewesen! Und der Andere! Er hatte die Drachen tödten sollen, die auf Deinen Wegen lauerten! Dein treuer Georg, Dein wackerer Knappe! Du hattest seine Dienste verschmäht, und es war auch wohl nur zu gerechtfertigt gewesen das Mißtrauen, das Du in die Kraft und Klugheit des Knappen setztest, der sich Dir geweiht. Würde er Dich je wiedersehen?

Ich wußte, daß sie abgelehnt, sich an der bevorstehenden Familien-Conferenz zu betheiligen. Dennoch, je näher der Termin heranrückte, desto öfter kam mir der Gedanke, sie könnte sich doch, unberechenbar wie sie war, eines Anderen besinnen und plötzlich vor mir stehen, gerade so, wie mein Freund Arthur eines Abends, als ich mit Paula vom Belvedere zurückkam, im ganzen Glanze seiner neuen Fähnrichs-Uniform vor mir stand.


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