Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Als die germanischen und skythischen Völkerschaften die westlichen Provinzen des römischen Reiches überfluteten, dauerten die Verwirrungen, die auf eine so große Umwälzung folgten, mehrere Jahrhunderte hindurch fort. Die Räuberei und Gewalttätigkeit, welche die Barbaren gegen die alten Einwohner ausübten, unterbrachen den Verkehr zwischen den Städten und dem Lande. Die Städte verödeten, das Land blieb unbebaut liegen, und die westlichen Provinzen Europas, die sich eines so hohen Grades von Wohlstand unter der Römerherrschaft erfreut hatten, sanken in die tiefste Armut und Barbarei hinab. Während dieser Verwirrung erwarben die Häupter und Hauptanführer jener Völkerschaften den größten Teil der Ländereien jener Gebiete oder rissen sie an sich. Ein großer Teil davon war unbebaut; aber keiner davon blieb, er mochte bebaut oder unbebaut sein, ohne einen Eigentümer. Sie alle wurden in Beschlag genommen, und zwar der größte Teil von wenigen großen Eigentümern.
Diese ursprüngliche Beschlagnahme unbebauter Ländereien hätte zwar ein großes, aber doch nur ein vorübergehendes Übel sein können. Sie hätten bald wieder durch Vererbung oder Veräußerung geteilt und in kleine Stücke zerschlagen werden können. Aber das Gesetz der Erstgeburt ließ die Teilung durch Erbfolge nicht zu, und die Einführung der Fideikommisse verhinderte es, daß sie durch Veräußerung in kleine Stücke zerschlagen wurden.
Wenn Grund und Boden wie bewegliche Güter nur als Mittel des Unterhaltes und Genusses betrachtet werden, so teilt ihn das natürliche Gesetz der Erbfolge wie diese unter alle Kinder der Familie auf, von denen sich annehmen läßt, daß ihr aller Unterhalt und Genuß dem Vater gleich teuer sei. Dieses natürliche Erbfolgegesetz fand daher auch bei den Römern statt, die in der Vererbung von Grund und Boden ebensowenig einen Unterschied zwischen älteren und jüngeren, männlichen und weiblichen Kindern machten, als wir bei der Verteilung von beweglichen Gütern. Als man aber Grund und Boden nicht als Mittel des bloßen Unterhalts, sondern der Macht und Schirmherrlichkeit ansah, hielt man es für besser, daß er ungeteilt auf einen einzigen forterbe. In diesen verwirrten Zeiten war jeder große Grundeigentümer gewissermaßen ein kleiner Fürst. Seine Lehensleute waren seine Untertanen. Er war ihr Richter und gewissermaßen ihr Gesetzgeber im Frieden und ihr Anführer im Kriege. Er führte nach seinem eigenen Gefallen Krieg, oft gegen seine Nachbarn, manchmal auch gegen seine Fürsten. Daher hing die Sicherheit eines Landsitzes, der Schutz, den sein Eigner denen gewähren konnte, die darauf hausten, von seiner Größe ab. Es teilen, hieß es zugrunde richten und jeden seiner Teile der Gefahr aussetzen, durch die Einfälle seiner Nachbarn bedrückt und verschlungen zu werden. Deshalb griff das Gesetz der Erstgeburt zwar nicht unmittelbar, aber doch im Verlaufe der Zeit bei der Erbfolge auf Landsitzen aus demselben Grunde um sich, aus dem es sich allgemein bei der in Monarchien, wenn auch nicht immer gleich bei ihrem Entstehen, geltend machte. Damit die Macht und folglich die Sicherheit der Monarchie nicht durch Teilung geschwächt werde, muß sie ganz auf eines der Kinder übergehen. Welchem unter ihnen ein so wichtiger Vorzug gegeben werden soll, muß durch eine allgemeine Regel, die sich nicht auf die zweifelhafte Unterscheidung nach persönlichem Verdienst, sondern auf ein klares, augenfälliges und unbestreitbares Merkmal gründet, bestimmt werden. Unter den Kindern derselben Familie gibt es aber keinen anderen unbestreitbaren Unterschied als den des Geschlechts und den des Alters. Das männliche Geschlecht wird allgemein dem weiblichen vorgezogen, und wenn alles übrige gleich ist, so erhält der Ältere überall vor dem Jüngeren den Vorrang. Dies ist der Ursprung des Rechtes der Erstgeburt und dessen, was man Linearerbfolge nennt.
Gesetze bleiben oft lange Zeit in Kraft, wenn die Umstände, die sie hervorriefen und die sie allein rechtfertigen konnten, nicht mehr vorhanden sind. In dem gegenwärtigen Zustande Europas ist der Eigentümer eines einzigen Acre Landes ebenso sicher in seinem Besitze wie der Besitzer von hunderttausend. Dennoch wird das Recht der Erstgeburt noch immer beibehalten und wird sich wahrscheinlich noch manches Jahrhundert erhalten, da es unter allen Einrichtungen die geeignetste ist, um den Stolz auf Familienvorzüge zu nähren. In jeder anderen Hinsicht aber kann nichts dem wahren Interesse einer zahlreichen Familie mehr zuwiderlaufen, als ein Recht, das, um eines der Kinder zu bereichern, alle übrigen zu Bettlern macht.
Fideikommisse sind die natürliche Folge des Erstgeburtsgesetzes. Sie wurden eingeführt, um eine bestimmte Linearerbfolge zu erhalten, welche das Erstgeburtsgesetz anregte, und um zu verhindern, daß ein Teil des ursprünglichen Landsitzes durch Schenkung, Vermächtnis oder Verkauf, durch die Torheit oder das Unglück eines der nachfolgenden Eigentümer von der geplanten Stammlinie wegkäme. Den Römern waren sie gänzlich unbekannt. Weder ihre Substitutionen noch ihre Fideikommisse haben eine Ähnlichkeit mit den Fideikommissen der neueren Zeit, obgleich einige französische Rechtslehrer es für angemessen hielten, die neue Einrichtung in die Sprache und das Gewand der alten zu kleiden.
Als große Landsitze eine Art von Fürstentümern waren, mochten die Fideikommisse nicht unvernünftig sein. Gleich dem, was man die Grundgesetze einiger Monarchien nennt, konnten sie oft die Sicherheit von Tausenden gegen Gefährdung durch den Eigensinn oder die Laune eines einzelnen Menschen gewährleisten. Aber in dem gegenwärtigen Zustande Europas, wo kleine wie große Besitzungen ihre Sicherheit in den Gesetzen ihres Staates finden, kann es nichts Ungereimteres geben. Sie sind auf die ungereimteste aller Annahmen gegründet, auf die Annahme, daß nicht jedes folgende Geschlecht der Menschen ein gleiches Recht auf der Erde und alles, was sie trägt, habe, sondern daß das Eigentum des gegenwärtigen Geschlechts nach dem Belieben derer beschränkt und geordnet sein soll, die vielleicht schon vor fünfhundert Jahren gestorben sind. Dessenungeachtet werden Fideikommisse noch in dem größten Teile Europas, zumal in solchen Ländern beibehalten, in denen adlige Geburt ein notwendiges Erfordernis für die Bekleidung bürgerlicher oder militärischer Ehrenstellen ist. Die Fideikommisse werden für notwendig gehalten, um jenes ausschließliche Vorrecht des Adels auf die hohen Ämter und Würden des Staates aufrechtzuerhalten; und da nun einmal dieser Stand sich einen ungerechten Vorteil vor seinen Mitbürgern zugeeignet hat, so fand man es, damit ihn seine Armut nicht lächerlich machte, billig, daß er auch noch einen zweiten erhielte. Das gemeine Recht in England ist freilich, wie man sagt, dem ewigen Eigentum abhold, und dieses ist hier mehr eingeschränkt als in jeder anderen europäischen Monarchie, dennoch fehlt es auch in England nicht ganz. In Schottland soll noch jetzt mehr als ein Fünftel, vielleicht mehr als ein Drittel des ganzen Grund und Bodens der Grafschaft unter strengem fideikommissarischem Zwange stehen.
Auf diese Weise wurden nicht nur große Strecken unbebauten Landes von einzelnen Familien in Beschlag genommen, sondern auch die Möglichkeit, daß sie wieder geteilt würden, womöglich für immer abgeschnitten. Nun ist der Fall aber selten, daß ein großer Eigentümer zugleich ein großer Landverbesserer ist. In jenen wirren Zeiten, die solche barbarische Einrichtungen entstehen ließen, war der große Eigentümer vollauf damit beschäftigt, sein eigenes Gebiet zu verteidigen, oder seine Gerichtsbarkeit und sein Ansehen über die seiner Nachbarn auszudehnen. Er hatte keine Muße, den Anbau und die Verbesserung des Landes zu besorgen. Als die Festlegung von Gesetz und Ordnung ihm diese Muße gewährte, fehlte es ihm oft an Neigung und fast immer an dem nötigen Geschick. War der Aufwand für sein Haus und seine Person seinem Einkommen gleich oder überstieg er es gar, was nicht selten geschah, so hatte er kein Kapital, das er dazu hätte verwenden können. War er sparsam, so fand er es in der Regel vorteilhafter, seine jährlichen Ersparnisse auf neue Ankäufe als auf die Verbesserung seiner alten Besitzung zu verwenden. Um Ländereien mit Profit zu verbessern, ist, wie bei allen anderen kaufmännischen Vorhaben, eine genaue Aufmerksamkeit auf kleine Ersparnisse und kleine Gewinne nötig, und diese ist einem Manne, der zu großem Reichtum geboren ist, selbst wenn er von Natur einfach ist, nur selten eigen. Die Lage eines solchen Mannes macht ihn natürlich mehr zur Ausschmückung, die seinen Geschmack befriedigt, als zu Profit geneigt, den er so wenig nötig hat. Die Eleganz seiner Kleidung, seiner Equipage, seines Hauses und Hausgerätes sind die Gegenstände, auf die er von frühester Kindheit an eine ängstliche Sorgfalt zu verwenden gewöhnt ist. Die Denkungsart, die sich aus dieser Gewohnheit natürlicherweise bildet, verläßt ihn auch nicht, wenn er zur Verbesserung seiner Ländereien schreitet. Er verschönert vielleicht vier- oder fünfhundert Acres in der Nähe seines Hauses mit zehnmal so viel Kosten als das Land nach aller dieser Verbesserung wert ist, und findet, daß er, wenn er seine ganze Besitzung auf dieselbe Weise verbessern wollte (und er hat für eine andere wenig Geschmack), bankerott werden müßte, ehe er den zehnten Teil davon vollendet hätte. Es gibt noch in beiden Teilen des vereinigten Königreichs einige große Besitzungen, die seit den Zeiten der Feudalanarchie ununterbrochen in den Händen derselben Familie geblieben sind. Man vergleiche den gegenwärtigen Zustand solcher Besitzungen mit den Gütern der kleinen Eigentümer in ihrer Nähe, und man wird keinen anderen Beweis brauchen, um sich zu überzeugen, wie ungünstig ein so ausgedehntes Eigentum allen Verbesserungen ist.
Wenn von solchen großen Eigentümern wenig Verbesserungen zu erwarten waren, so konnte man noch weniger von denen erhoffen, die das Land unter dieser Gutsherrschaft innehatten. In dem ehemaligen Zustande Europas waren die Insassen sämtlich dem Belieben des Gutsherrn preisgegebene Grundholden. Sie waren fast alle Sklaven; aber ihre Sklaverei war von milderer Art als die bei den alten Griechen und Römern, oder selbst die in unseren westindischen Kolonien. Man nahm an, daß sie eigentlich mehr dem Gute als dem Gutsherrn angehörten. Sie konnten daher mit dem Gute, aber nicht allein verkauft werden. Sie konnten heiraten, wenn sie nur die Einwilligung ihres Herrn nachgesucht hatten, und dieser konnte die Ehe später nicht dadurch trennen, daß er Mann und Frau an verschiedene Personen verkaufte. Wenn er einen verstümmelte oder tötete, so mußte er eine Strafe, wenn auch gewöhnlich nur eine kleine, erleiden. Sie konnten jedoch kein Eigentum erwerben. Was sie erwarben, war für ihren Herrn erworben, und er konnte es ihnen nach Gefallen wegnehmen. Jeder Anbau und jede Verbesserung, die mittels solcher Sklaven besorgt werden konnte, war eigentlich von ihrem Herrn besorgt. Es geschah auf seine Kosten. Same, Vieh und Ackerwerkzeuge waren alle sein. Er hatte allein den Gewinn. Solche Sklaven konnten nichts als ihren täglichen Unterhalt erwerben. Es war also eigentlich der Eigentümer selbst, der in diesem Falle sein eigenes Land inne hatte und durch seine Leibeigenen bebaute. Gegenwärtig besteht diese Art der Sklaverei noch in Rußland, Polen, Ungarn, Böhmen, Mähren und anderen Teilen Deutschlands. Nur in den westlichen und südwestlichen Ländern Europas ist sie nach und nach gänzlich abgeschafft worden.
Wenn aber große Verbesserungen überhaupt selten von großen Eigentümern zu erwarten sind, so sind sie am wenigsten dann zu hoffen, wenn Sklaven als Arbeiter gebraucht werden. Die Erfahrung aller Zeiten und Länder beweist, wie ich glaube, daß die von Sklaven verrichtete Arbeit, obgleich sie nur deren Unterhalt zu kosten scheint, am Ende doch die teuerste von allen ist. Ein Mensch, der kein Eigentum erwerben kann, kann kein anderes Interesse haben, als so viel als möglich zu essen und so wenig als möglich zu arbeiten. Was immer er über das hinaus leistet, was zu seinem Unterhalt hinreicht, kann ihm nur durch Gewalt und nicht durch sein eigenes Interesse abgenötigt werden. Wie sehr der Getreidebau im alten Italien verfiel, wie unvorteilhaft er für den Herrn wurde, als sein Betrieb den Sklaven anheimfiel, ist bei Plinius und Columella bezeugt. Nicht viel besser war es zur Zeit des Aristoteles im alten Griechenland. Da, wo er von der idealen Republik, wie sie in den Gesetzen Platos beschrieben ist, spricht, sagt er, daß, um fünftausend müßige Menschen (die Zahl von Kriegern die zu ihrer Verteidigung nötig schien) samt ihren Weibern und Knechten zu unterhalten, ein Gebiet von einer grenzenlosen Ausdehnung und Fruchtbarkeit gleich den Ebenen von Babylon nötig wäre.
Der Stolz des Menschen macht ihn herrschsüchtig, und nichts kränkt ihn mehr, als wenn er sich herablassen muß, Leute, die unter ihm stehen, um ihre Einwilligung zu bitten. Daher zieht er im allgemeinen, wenn die Gesetze es gestatten, und die Natur der Arbeit es verträgt, den Dienst von Sklaven dem von freien Männern vor. Die Zucker- und Tabakpflanzung erträgt die Kosten der Sklavenkultur, der heutige Getreidebau erträgt sie scheinbar nicht. In den englischen Kolonien, deren hauptsächlichstes Erzeugnis Getreide ist, wird der weitaus größte Teil der Arbeit durch freie Leute besorgt. Der neuliche Beschluß der Quäker in Pennsylvanien, alle ihre Negersklaven in Freiheit zu setzen, mag uns überzeugen, daß deren Zahl nicht sehr groß gewesen sein kann. Hätten sie einen beträchtlichen Teil ihres Eigentums ausgemacht, so hätte ein solcher Beschluß niemals durchgehen können. Dagegen wird in unseren Zuckerkolonien alle Arbeit, und in unseren Tabakskolonien ein sehr großer Teil davon von Sklaven verrichtet. Die Profite einer Zuckerpflanzung in einer unserer westindischen Kolonien sind gewöhnlich weit größer als die jedes anderen in Europa oder Amerika bekannten Anbaues; und die Profite einer Tabakpflanzung sind wieder, wenn sie auch hinter denen des Zuckers zurückbleiben, wie schon bemerkt wurde, höher als die des Getreidebaues. Beide können die Kosten einer Sklavenkultur tragen, nur daß der Zucker es noch besser kann als der Tabak. Daher ist auch die Zahl der Schwarzen im Verhältnis zu der der Weißen in unseren Zuckerkolonien weit größer als in unseren Tabakskolonien.
Auf die Sklavenbauern der alten Zeit folgte allmählich eine Art von Pächtern, die gegenwärtig in Frankreich unter dem Namen der Métayers bekannt sind. Sie heißen im Lateinischen Coloni partiarii. In England kommen sie schon seit so langer Zeit nicht mehr vor, daß ich jetzt keinen englischen Namen mehr für sie weiß. Der Eigentümer versorgte sie mit dem Samen, dem Vieh und den Ackerwerkzeugen, kurz mit allem Vorrat, der zur Bewirtschaftung des Pachtgutes nötig war. Das Produkt wurde gleichmäßig zwischen dem Eigentümer und dem Pächter geteilt, nachdem so viel davon zurückgelegt worden war, als nötig zu sein schien zur Erhaltung des Vorrats, der, sobald der Pächter das Gut verließ oder herausgesetzt wurde, an den Eigentümer zurückfiel.
Land, das von solchen Pächtern übernommen wurde, wird eigentlich gerade so gut auf Kosten der Eigentümer selbst bewirtschaftet, als dasjenige, welches von Sklaven bearbeitet wird. Zwischen beiden findet jedoch ein sehr wesentlicher Unterschied statt. Solche Pächter können, da sie freie Leute sind, Eigentum erwerben und haben, da sie einen bestimmten Teil des Bodenproduktes erhalten, offenbar ein Interesse daran, daß das ganze Produkt so groß als möglich werde, damit auch ihr eigener Anteil so ausfalle. Ein Sklave hingegen, der über seinen Unterhalt hinaus nichts erwerben kann, denkt an seine Bequemlichkeit, indem er möglichst wenig über diesen Unterhalt hervorbringt. Wahrscheinlich waren teils dieser Vorteil und teils die Eingriffe in die Autorität der großen Herren, zu denen die Leibeigenen mit der Zeit von den stets auf jene eifersüchtigen Landesherren ermuntert wurden, und die zuletzt so stark geworden zu sein scheinen, daß sie diese Art der Dienstbarkeit geradezu schädlich machten, der Grund, warum in den meisten Ländern Europas die Belehnung Leibeigener aufhörte. Doch ist die Zeit und Art, in der eine so wichtige Revolution zustande kam, einer der dunkelsten Punkte der neueren Geschichte. Die römische Kirche schreibt sich ein großes Verdienst dabei zu, und es ist sicher, daß schon im zwölften Jahrhundert Alexander III. eine Bulle für die allgemeine Freilassung der Sklaven ergehen ließ. Sie scheint jedoch mehr eine fromme Ermahnung als ein Gesetz gewesen zu sein, für das von den Gläubigen unbedingter Gehorsam verlangt wurde. Die Sklaverei dauerte fast allgemein noch einige Jahrhunderte lang fort, bis sie nach und nach durch die vereinte Wirkung der eben erwähnten beiden Interessen, des Grundeigentümers auf der einen, und des Landesherrn auf der anderen Seite, abgeschafft wurde. Ein Leibeigener, der freigelassen, und dem zu gleicher Zeit gestattet wurde, im Besitz des Landes zu bleiben, konnte, da er kein eigenes Kapital hatte, das Land nur damit bewirtschaften, was ihm der Grundeigentümer vorschoß, und mußte somit das sein, was die Franzosen einen Métayer nennen.
Jedoch selbst diese letztere Klasse von Wirten konnte kein Interesse haben, einen Teil des kleinen Kapitalvorrates, den sie von ihrem eigenen Anteil am Produkte etwa erspart hatte, auf weitere Bodenverbesserung anzulegen, da der Grundherr, der nichts anlegte, von allem die Hälfte genommen hätte. Schon der Zehnte, der doch nur der zehnte Teil vom Produkte ist, erwies sich als ein großes Hindernis aller Verbesserung. Um so mehr mußte also eine Abgabe, die die Hälfte betrug, geradezu als Hindernis wirken. Es kann wohl das Interesse eines Métayer sein, aus dem Boden so viel zu ziehen, als mittels des vom Eigentümer hergegebenen Kapitals herausgebracht werden kann; aber es kann niemals sein Interesse sein, einen Teil seines eigenen Kapitals damit zu vermengen. In Frankreich, wo, wie man sagt, noch fünf Sechstel des ganzen Königreichs von dieser Art von Wirten eingenommen sind, klagen die Landeigentümer darüber, daß ihre Métayers jede Gelegenheit ergreifen, das Vieh ihrer Herren lieber zum Frachtgeschäft als zum Ackerbau zu gebrauchen, weil sie in dem einen Fall den ganzen Profit bekommen, in dem anderen ihn mit ihrem Grundherrn teilen müssen. Diese Art von Hintersassen kommt noch in einigen Teilen Schottlands vor; sie heißen dort Hintersassen mit Stahlbogen. Jene alten englischen Hintersassen, die, wie der Oberrichter Gilbert und Doktor Blackstone sagen, eigentlich eher Verwalter des Gutsherrn als deren Pächter waren, gehörten wahrscheinlich zu derselben Art
Auf diese Betriebsweise folgten, freilich in einer sehr langsamen Stufenfolge, die eigentlich sogenannten Pächter, die das Land mit ihrem eigenen Kapital bestellten und dem Grundeigentümer eine bestimmte Rente bezahlten. Wenn solche Pächter ihre Pacht auf eine Reihe von Jahren haben, so finden sie es zuweilen vorteilhaft, einen Teil ihres Kapitals für weitere Gutsverbesserungen aufzuwenden; denn sie können zuweilen erwarten, daß sie es mit einem großen Profit vor Ablauf der Pacht wiedererhalten. Doch war auch der Besitz solcher Pächter lange Zeit außerordentlich unsicher und ist es in vielen Teilen Europas noch. Sie konnten durch einen neuen Käufer vor Ablauf ihrer Zeit gesetzlich aus der Pacht herausgesetzt werden; in England sogar durch die fiktive Action of a common recovery (Klage des Käufers auf Wiedererlangung). Wenn sie ungesetzlich durch Gewaltanwendung ihres Herrn vertrieben wurden, so war die Hilfe, die sie bei dem Richter fanden, sehr unvollkommen. Sie wurden nicht immer in den Besitz des Landes wieder eingesetzt, sondern empfingen eine Schadloshaltung, die niemals ihrem wirklichen Verluste gleichkam. Selbst in England, wo der Bauernstand immer die höchste Achtung genoß, wurde doch erst um das vierzehnte Jahr Heinrichs VII. die Austreibungsklage erfunden, durch welche der Pächter nicht bloß Schadenersatz, sondern Besitz wiedererlangt, und in der sein Anspruch nicht notwendig durch eine zweifelhafte Entscheidung einer einzelnen Sitzung des Assisengerichts erledigt wird. Dieses Klageverfahren erwies sich als ein so kräftiges Rechtsmittel, daß in der neueren Praxis selbst der Grundeigentümer, wenn er auf Wiedereinsetzung in Güter klagt, selten von denjenigen Klageverfahren Gebrauch macht, die ihm als Grundherr zukommen, der actio juris oder der actio iniustae invasionis, sondern im Namen seines Pächters die Austreibungsklage anstellt. In England ist also die Sicherheit des Pächters so groß wie die des Eigentümers. Überdies ist in England eine Pacht auf Lebenszeit, die vierzig Schilling im Jahre wert ist, ein Freigut, das den Mietsmann berechtigt, für ein Parlamentsmitglied zu stimmen; und da ein großer Teil des Bauernstandes solche Freigüter hat, so wird dieser ganze Stand wegen der politischen Wichtigkeit, die ihm dies gibt, in der Achtung seiner Grundherren gehoben. Es gibt, glaube ich, nirgends in Europa, außer in England, Beispiele von Pächtern, die auf Gründen, die nicht zu ihrer Pachtung gehören, bauen und auf die Ehrenhaftigkeit ihres Grundherrn vertrauen, daß er sich eine so wichtige Gutsverbesserung nicht zunutze machen werde. Diese dem Bauernstand so günstigen Gesetze und Gewohnheiten haben vielleicht mehr zu der gegenwärtigen Größe Englands beigetragen, als alle seine viel gerühmten Handelsordnungen zusammengenommen.
Das Gesetz, welches auch die längsten Pachtverträge gegen alle Gutsnachfolger sicherstellt, ist, soviel ich weiß, Großbritannien allein eigen. Es wurde in Schottland schon 1449 von Jakob II. erlassen. Doch ist sein wohltätiger Einfluß durch Fideikommisse sehr gehemmt worden, indem die Erben von Fideikommissen gewöhnlich keine Pachtkontrakte auf längere Zeit, oft nur auf ein Jahr, gewähren durften. Eine neuliche Parlamentsakte hat ihre Fesseln in diesem Punkte etwas gelockert, obgleich sie immer noch viel zu eng sind. Da überdies in Schottland keine Pachtung ein Stimmrecht bei Parlamentswahlen gibt, so ist der ländliche Mittelstand in den Augen seines Gutsherrn dort weniger geachtet als in England.
In anderen Teilen Europas hat man, sobald der Schutz von Pächtern gegen Erben und Käufer für angemessen erachtet worden war, diesen Schutz noch auf einen sehr kleinen Zeitraum beschränkt; in Frankreich z. B. auf neun Jahre vom Anfang der Pacht. Allerdings ist er in diesem Lande vor kurzem auf siebenundzwanzig Jahre ausgedehnt worden, aber auch dieser Zeitraum ist noch zu kurz, den Pächter zu den wichtigsten Verbesserungen aufzumuntern. Vor alters waren die Grundeigentümer zugleich die Gesetzgeber in allen Ländern Europas. Daher wurden auch die den Grund und Boden betreffenden Gesetze danach, was sie für den Vorteil des Eigentümers hielten, eingerichtet. So dachten sie, daß es in seinem Interesse liege, wenn kein von seinen Vorfahren bewilligter Pachtkontrakt ihn auf lange Jahre daran hindere, den vollen Wert seines Grund und Bodens zu verzehren. Habsucht und Ungerechtigkeit sind immer kurzsichtig, und sie sahen nicht voraus, wie sehr diese Anordnung Verbesserungen verhindern, und dadurch mit der Zeit dem wahren Interesse der Grundherrn schaden mußte.
Außerdem nahm man vor alters an, daß die Pächter nicht nur die Rente zu zahlen hätten, sondern noch gehalten wären, ihren Grundherrn eine Menge von Diensten zu leisten, die selten in dem Pachtvertrage ausdrücklich benannt oder nach einer genauen Regel bestimmt waren, sich vielmehr nach Sitte und Brauch des Edelhofes oder der Baronie richteten. Daher unterwarfen diese Dienste, die ja meist ganz willkürlich waren, den Pächter mancherlei Bedrückungen. In Schottland hat die Abschaffung aller der Dienste, die nicht ausdrücklich in dem Pachtvertrage aufgenommen waren, innerhalb weniger Jahre den Zustand des ländlichen Mittelstandes wesentlich verbessert.
Die öffentlichen Dienste, zu denen der Bauernstand verpflichtet war, waren nicht weniger willkürlich als die privaten. Das Bauen und Unterhalten der Landstraßen, eine Verpflichtung, die, wie ich glaube, in allen Ländern, wenn auch nicht überall gleich drückend, immer noch fortbesteht, war nicht die einzige. Wenn die Truppen des Königs, sein Hofstaat oder irgendwelche seiner Beamten durch einen Teil des Landes zogen, so waren die Bauern verpflichtet, ihnen Pferde, Wagen und Lebensmittel zu einem vom Hoffourier festgesetzten Preis zu liefern. Großbritannien ist, glaube ich, die einzige Monarchie in Europa, wo diese erzwungenen Lieferungen gänzlich aufgehört haben. In Frankreich und Deutschland bestehen sie noch.
Die Staatsabgaben, welche die Pächter zu leisten hatten, waren so unregelmäßig und drückend wie die Dienste. So sehr sich die alten Barone auch dagegen sperrten, selbst dem Landesherrn eine Geldbeisteuer zu entrichten, so gaben sie es doch gern zu, daß er ihre Hintersassen, wie sie es nannten, besteuerte ( tallage), und hatten nicht Einsicht genug, um im voraus zu erkennen, wie sehr dies am Ende ihr eigenes Einkommen treffen müßte. Die taille, wie sie noch in Frankreich besteht, kann als ein Beispiel jener alten Besteuerungen dienen. Sie ist eine Abgabe auf die mutmaßlichen Profite des Pächters, die man nach dem Kapitalvorrate, der in der Pachtung steckt, schätzt. Es liegt folglich in seinem Interesse, daß er so wenig als möglich zu besitzen scheint und deshalb so wenig als möglich auf den Anbau und gar nichts auf die Verbesserung des Landes wendet. Sollte sich auch ein Kapital in der Hand eines französischen Pächters sammeln, so würde die taille doch wie ein Hemmnis gegen dessen Verwendung in der Landwirtschaft wirken. Überdies gilt diese Abgabe als entehrend für jeden, der ihr unterworfen ist, da sie ihn nicht nur unter den Rang eines Edelmannes, sondern selbst unter den eines Bürgers stellt; wer aber an einen anderen Grundzins bezahlt, unterliegt dieser Abgabe. Einer solchen Herabsetzung wird sich weder ein Edelmann noch selbst ein Bürger, der Kapital besitzt, unterziehen. Es hindert also jene Abgabe nicht nur das Kapital, welches auf dem Lande angesammelt wird, daran, daß es zur Bodenverbesserung verwendet werde, sondern sie macht ihr auch alle übrigen Kapitalien abwendig. Die alten Zehnten und Fünfzehnten, die früher in England so üblich waren, scheinen, sofern sie den Grund und Boden betrafen, ebensolche Abgaben gewesen zu sein wie die taille.
Unter allen diesen Entmutigungen ließ sich von den Bebauern des Landes nur wenig Bodenverbesserung erwarten. Diese Klasse von Leuten muß trotz aller Freiheit und Sicherheit, die ihr das Gesetz gewähren kann, immer unter großen Nachteilen meliorieren. Der Pächter verhält sich zum Eigentümer wie ein Kaufmann, der mit geborgtem Gelde arbeitet, zu einem anderen, der mit eigenem Gelde arbeitet. Das Kapital beider kann Verbesserungen schaffen, aber das des einen wird sie bei gleich gutem Verfahren stets langsamer schaffen, als das des anderen, weil ein so großer Teil der Profite auf die Zinsen, des Darlehns aufgeht. Ebenso müssen Ländereien, die von dem Pächter bebaut werden, bei gleich gutem Verfahren weit langsamer verbessert werden als solche Ländereien, die vom Eigentümer bebaut werden; denn es geht beim ersteren ein großer Teil des Produktes auf die Rente auf, den der Pächter, wäre er Eigentümer gewesen, auf die weitere Bodenverbesserung verwendet haben würde. Dazu kommt, daß der Stand eines Pächters der Natur der Dinge nach geringer ist als der eines Eigentümers. In dem größten Teile Europas wird der Bauernstand als eine geringere Klasse von Leuten angesehen als selbst die besseren Handelsleute und Handwerker, und in allen Teilen Europas als die großen Kaufleute und Manufakturherren. Darum wird es selten geschehen, daß jemand mit ansehnlichem Kapital den höheren Stand verlassen und in den niedrigeren eintreten mag. Selbst bei dem gegenwärtigen Zustande Europas ist es deshalb nicht wahrscheinlich, daß viel Kapital aus irgendeiner anderen Beschäftigung den Weg zur Pachtwirtschaft nehmen wird. Es geschieht vielleicht mehr in Großbritannien als in irgendeinem anderen Lande, obgleich auch hier die großen Kapitalien, die an einigen Orten in Pachtwirtschaften angelegt sind, gewöhnlich in der Pachtwirtschaft erworben worden sind, also vielleicht in dem Erwerbszweige, in dem Kapitalien gemeiniglich am allerlangsamsten erworben werden. Indes sind in allen Ländern nächst den kleinen Eigentümern reiche und große Pächter die Hauptverbesserer. Das sind sie vielleicht in England mehr als in jeder anderen Monarchie Europas. In den Republiken von Holland und Bern in der Schweiz sollen die Pächter nicht hinter den englischen zurückstehen.
Die alte Wirtschaftspolitik Europas war noch in anderen Beziehungen der Kultur und Melioration des Bodens, gleichviel ob sie vom Eigentümer oder vom Pächter betrieben wurde, ungünstig: erstens durch das allgemeine Verbot, Korn ohne eine besondere Erlaubnis auszuführen, eine scheinbar allgemein verbreitete Maßregel, und zweitens durch die Beschränkungen, die man mittels der abgeschmackten Gesetze gegen Aufkäufer, Höker und Vorkäufer und mittels der Meß- und Marktprivilegien nicht bloß auf den inländischen Getreidehandel, sondern überhaupt auf den Handel mit fast allen Produkten der Landwirtschaft legte. Es ist bereits gezeigt worden, auf welche Weise das Verbot, Getreide auszuführen, und die Aufmunterung, fremdes Getreide einzuführen, die Landeskultur des alten Italiens, das durch seine Natur das fruchtbarste europäische Land und zu jener Zeit der Sitz des größten Weltreiches war, gehemmt wurde. Bis zu welchem Grade aber solche auf den inländischen Handel mit dieser Ware gelegte Beschränkungen, verbunden mit allgemeinem Ausfuhrverbote von der Bebauung weniger fruchtbarer und weniger begünstigter Länder abschrecken mußte, ist vielleicht schwer auszudenken.