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Die Hünenseele Pan Andreas' wollte sich entschieden nicht von ihrer körperlichen Hülle trennen. Einen Monat nach seiner Rückkehr nach Lubicz kam er wieder zu sich. Er begriff, wo er sich befand, und rief seinen treuen Diener Soroka zu sich.
»Soroka,« sagte er. »Gott hat sich meiner erbarmt. Ich fühle, ich werde am Leben bleiben.«
»Zu Befehl, Pan Oberst,« antwortete der alte Soldat, indem er die niederströmenden Tränen mit seiner Faust abtrocknete.
»Die Prüfung ist zu Ende,« fuhr Kmicic fort. »Ja, ja, das ist klar. Soroka, wer wohnt in Wodokty?«
»Die Panna und der Pan Miecznik von Rosien.«
»Dank dem Herrn! Ist jemand von dort gekommen, nach mir zu fragen?«
»Man schickte täglich aus Wodokty her, bis wir sagten, Sie wären außer aller Gefahr.«
»Und dann hörte man auf zu schicken?«
»Dann hörten sie auf.«
»So wissen sie noch nichts, – sie werden es von mir selbst erfahren. Hast du niemandem erzählt, daß ich mich Babinicz genannt habe?«
»Ich habe keinen Befehl erhalten!«
»Und sind die Laudaer mit dem Pan Wolodyjowski noch nicht zurückgekehrt?«
»Noch nicht; aber man erwartet sie täglich.«
Hiermit endete die Unterhaltung. Zwei Wochen später ging Kmicic schon auf Stöcken, und am folgenden Sonntage beabsichtigte er in die Kirche zu gehen.
»Fahren wir nach Upita,« sagte er zu Soroka. »Man muß bei Gott anfangen, von dort geht's nach Wodokty.«
Soroka getraute sich nicht zu widersprechen. Und zwei Wochen darauf trat Pan Andreas auf Sorokas Schultern gestützt noch vor Beginn des Gottesdienstes in die Kirche zu Upita ein und ließ sich an der ersten Bank auf die Kniee nieder. Er hatte sich sehr verändert. Sein durch die lange Krankheit bleiches und abgemagertes Gesicht war von einem langen Vollbart umrahmt.
Allmählich begann sich die Kirche zu füllen. Zuerst kam die geringere Schlachta, dann begannen höhere Persönlichkeiten zu erscheinen, denn man kam von weit her, da rings um Upita herum alle Gotteshäuser geplündert oder niedergebrannt waren.
Kmicic, der tief in seine Andacht versunken war, schenkte niemandem Aufmerksamkeit. Er erwachte erst aus seinen Gedanken, als ihn der Saum eines Kleides berührte. Pan Andreas hob den Kopf und erblickte das wunderschöne, wenngleich traurige Gesicht Alexandras.
Sie hatte ihn augenscheinlich auch erkannt; denn sie wich ein wenig wie vor einer schrecklichen Vision zurück. In ihrem Gesichte flammte eine heiße Röte auf, dann jedoch erbleichte sie wieder. Aber mit übermenschlicher Willensanstrengung beherrschte sie sich und kniete neben ihm nieder. Ihr zur Seite kniete der Miecznik.
So knieten sie nebeneinander mit gesenkten Köpfen, doch sie konnten hören, wie ihre Herzen klopften. Endlich sagte Pan Andreas:
»Gelobt sei Jesus Christus!«
»In alle Ewigkeit!« antwortete Alexandra halblaut.
Und mehr Worte wechselten sie nicht miteinander.
Der Pater trat heraus und begann seine Predigt. Kmicic verstand trotz aller seiner Bemühungen nichts. Die Heißersehnte, Teure, derentwegen er so viele Jahre Qualen gelitten hatte, die er niemals aus seinem Kopfe und aus seinem Herzen vertreiben konnte, war jetzt neben ihm! Er fühlte ihre Nähe; aber er wagte es nicht, seinen Kopf nach ihr umzudrehen, – er hörte nur mit Inbrunst ihren Atem.
»Alexandra ist hier!« dachte er. »Gott bestimmte es, daß wir uns hier wiedersehen, – hier in der Kirche. – In der Kirche aber muß man beten, – alle sündigen Gedanken lassen.«
Aber sowohl seine Lippen wie seine Seele wiederholten immer wieder denselben Namen: Alexandra! Alexandra! Bald wollte er weinen wie ein kleines Kind, bald beten, heiß beten, und Gott danken für alles, alles, alles! – Er war sich selbst nicht klar, was mit ihm vorging. – Sie aber lag auf den Knieen still neben ihm und hatte ihr Gesicht auf die Bank gelegt.
Der Geistliche beendigte seine Predigt und ging dann von der Kanzel herunter.
Plötzlich vernahm man in der Kirche von draußen her Waffengeklirr und Hufschläge. Jemand rief an der Schwelle:
»Die Laudaer sind zurückgekehrt!«
Und in der ganzen Kirche tönte es zuerst leise, dann lauter und lauter: »Die Laudaer, die Laudaer!«
Die Menge kam in Bewegung. Alle wandten ihre Köpfe den Eingangstüren zu. In einer der Türen erschien Pan Wolodyjowski und Zagloba. Alle traten zurück und ließen die beiden durch, die zuerst vor dem Altar niederknieten und dann in die Sakristei gingen.
Die Laudaer blieben vorn am Eingange stehen. Sie wagten es nicht, im Gotteshause ihre Freunde und Verwandten aufzusuchen und zu begrüßen.
Was für ein Schauspiel bot sich hier den Blicken! Kriegerische Gestalten mit von der Sonne verbrannten und von den Kriegsmühen abgemagerten Gesichtern, auf denen die ganze Geschichte des Krieges mit dem Schwerte niedergeschrieben war! Da sind sie, die finsteren Butryms, da die Stakjans, die Domaszewicz'! Einige nur von allen. Kaum der vierte Teil von denen, die einst unter der Fahne des Pan Wolodyjowski zur Verteidigung des Vaterlandes ausgezogen, war zurückgekehrt. Dutzende von Frauen suchen vergebens ihre Männer, Dutzende von Vätern ihre Söhne. Das Weinen wird lauter, denn auch die, die die Ihrigen gefunden, weinen vor Freude. Die ganze Kirche hallt vom Geschluchze wieder. Von Zeit zu Zeit ruft eine Stimme irgend einen teuren Namen. Die Zurückgekehrten stehen auf ihre Schwerter gestützt, und über ihre rauhen Gesichter rinnen die Tränen.
Da ertönt die Glocke in der Sakristei, der Lärm legt sich. Alle lassen sich auf die Kniee nieder. Mit zitternder Stimme verliest der Geistliche die Messe. Und als die Menge die Kirche verlassen will, erhebt er, zum Zeichen, daß er noch etwas zu sagen wünsche, das Evangelium. – Zuerst segnet er die zurückgekehrten Krieger, dann teilt er den Versammelten mit, daß er noch ein königliches Schreiben zu verlesen habe, das ihm vom Obersten des Laudaer Banners überbracht worden sei.
In der Kirche wurde es lautlos still. Der Geistliche begann:
»Wir, Jan-Kasimir, König von Polen, Großfürst von Litauen, Masovien und Preußen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Amen!
Ebenso wie die Missetaten böser Menschen gegen die königliche Majestät und das Vaterland, ehe sie von dem Himmelsrichter bestraft werden, schon auf Erden ihre Vergeltung finden, ebenso darf auch die Tugend nicht ohne Belohnung bleiben. Denn die Tugend und der Ruhm segnen die Nachkommen und lehren sie, den heldenmütigen Vorbildern zu folgen. – Daher bringen wir dem ganzen Rittertum, dem Militär und den weltlichen Hochwürdenträgern, sowie der ganzen Bevölkerung des litauischen Großfürstentums und unserer Smudier Starostei zur Kenntnis, daß, welche Vergehen auch auf dem hochgeborenen und unserem Herzen so teuren Pan Andreas Kmicic, dem Orszaer Bannerträger, lasten mögen, diese seiner Verdienste und seines Ruhmes wegen aus dem Gedächtnisse aller Menschen ausgestrichen werden sollen. Denn nichts darf die Ehre und den Ruhm des Orszaer Bannerträgers schmälern.«
Der Geistliche hörte auf zu lesen und blickte zu Pan Andreas hin. Kmicic erhob sich für einen Augenblick, dann ließ er sich wieder auf seinen Platz nieder. Er senkte den Kopf und schloß die Augen.
»Pan Kmicic! Kmicic! – Da, neben den Billewicz'!« ging ein Flüstern durch die Kirche.
Aber der Pater gab ein Zeichen mit der Hand, alle verstummten, und er fuhr fort zu lesen:
»Der Orszaer Bannerträger war zu Anfang des unglücklichen schwedischen Krieges im Dienste des Wilnaer Wojewoden, jedoch nicht seines persönlichen Vorteils wegen, sondern aus Liebe zum Vaterlande; denn durch die Überredungskunst des Fürsten ward er irregeführt. Zum Fürsten Boguslaw gesandt, der ihn auch für einen Verräter hielt, und der ihm alle seine gottlosen Pläne eröffnete, versprach der Bannerträger nicht nur nicht Hand an uns zu legen, sondern er entführte den Fürsten, um uns und das mit Füßen getretene Vaterland zu rächen.«
»Herr, erbarme dich meiner, der Sündigen!« erklang eine weibliche Stimme neben Pan Andreas.
Der Geistliche las weiter:
»Vom Fürsten verwundet und noch in seinen Kräften geschwächt, ging er nach Czenstochau, um an geweihter Stätte der heiligen Jungfrau zu dienen. Er gab allen dort ein Beispiel von unerschütterlichem Mut und Beständigkeit. Mit Gefahr seines Lebens sprengte er die größte feindliche Kanone in die Luft. Hierbei wurde er ergriffen, zu Tode verurteilt und schweren Martern unterworfen.«
In der Kirche erscholl Schluchzen, Alexandra zitterte wie im Fieber.
»Aber auch aus dieser Gefahr durch die Gnade der Himmelskönigin befreit, kam er zu uns nach Schlesien. Bei unserer Rückkehr in das geliebte Vaterland schützte er unser Leben, indem er sich mit nur drei Soldaten der ganzen feindlichen Macht entgegenwarf. Von Schwerten durchbohrt, in seinem ritterlichen Blute schwimmend, haben wir ihn wie tot auf dem Schlachtfelds aufgelesen.«
Alexandra preßte ihre Hände an die Schläfe, der Atem verging ihr fast.
»Als er sich durch unsere Pflege wieder erholt hatte, begann er mit großem Heldenmute, von den Hetmans den Rittern als glänzendes Beispiel hingestellt, gegen den Feind zu kämpfen. Nach der Einnahme von Warschau wurde er von uns unter dem angenommenen Namen Babinicz nach Preußen geschickt.«
Kaum verhallte dieser Name, als sich in der Kirche Lärm und Ausrufe erhoben: »Also er ist Pan Babinicz! Also der Schrecken aller Schweden, der Retter von Wolmontowicze ist Pan Kmicic!« Die Unruhe wurde größer, die Menge begann sich zum Altar zu drängen, um den Helden besser zu sehen.
»Herr, segne ihn! Herr, erlöse ihn!« hörte man überall erregte Stimmen.
Der Geistliche bekreuzigte Kmicic, der eher einem Toten als einem Lebenden ähnelte. Seine von Glück erfüllte Seele schien gen Himmel zu schweben.
»Eben derselbe Bannerträger verwüstete das feindliche Land durch Feuer und Schwert. Er ist es hauptsächlich gewesen, der den Sieg bei Prostki errang. Er nahm mit eigener Hand den Fürsten Boguslaw gefangen. Und dann erwies er uns in Smudien unermeßliche Dienste. Wieviele Städte und Dörfer er von dem Feinde befreit hat, das wissen die dortigen Einwohner selbst am besten! Stets sollten sie sich dessen erinnern!«
»Das werden wir! Das werden wir!« hallte es in der ganzen Kirche.
»Da wir alle seine Verdienste, die er uns, dem Vaterlande und dem Volke geleistet hat, wohl erwogen haben, so beschlossen wir, in diesem Schreiben zu verkünden, daß wir ihn all seiner früheren Vergehen ledig sprechen, damit, fernerhin dieser berühmte Ritter und Verteidiger des Vaterlandes nicht mehr unter menschlicher Mißgunst und Bosheit zu leiden habe. Und bevor wir ihn noch mit der Smudier Starostei belohnen, bitten wir die lieben Bewohner Smudiens, dies alles ihren Köpfen und Herzen einzuprägen.« –
Der Geistliche hatte zu Ende gelesen, er wandte sich zum Altar und begann zu beten.
Plötzlich fühlte Pan Andreas, daß jemand seine Hand ergriff und sie in Gegenwart aller an seine Lippen preßte.
»Alexandra!« rief Kmicic staunend.
Aber sie stand auf, und indem sie ihr Gesicht mit dem Schleier verhüllte, sagte sie schnell:
»Onkel, komm, gehen wir fort von hier!«
Und sie gingen durch die Tür der Sakristei hinaus.
Pan Andreas versuchte aufzustehen, um ihr nachzueilen. Aber er konnte es nicht, seine Kräfte hatten ihn völlig verlassen.
Eine Viertelstunde darauf stand er auf dem Platze vor der Kirche, einerseits auf Zagloba, andererseits auf Wolodyjowski gestützt.
Rings um ihn drängte sich die Menge. Kleinere Schlachtschitzen und Bauern, alle wollten sie den einst so gefürchteten Kmicic, den Retter des Laudalandes und den künftigen Starosten, in der Nähe sehen.
»Pan Andreas,« sagte Zagloba, »haben wir Ihnen nicht eine feine Überraschung mitgebracht? Das haben Sie wohl selbst nicht erwartet? Und jetzt, auf nach Wodokty! Nach Wodokty! Zur Verlobung und Hochzeit!«
Die weiteren Worte Zaglobas wurden durch laute Rufe übertönt:
»Es lebe Pan Kmicic! Es lebe der Pan Starost!«
»Nach Wodokty, nach Wodokty!« rief Pan Zagloba, alle seine Kräfte anstrengend, um die Menge zu übertönen.
»Nach Wodokty, nach Wodokty!« wiederholten Tausende von Lippen.
Viele Laudaer bestiegen ihre Pferde, andere nahmen in Wagen Platz, und wieder andere liefen quer durch die Felder und Wälder nach Wodokty.
Pan Kmicic fuhr in einem Wagen zwischen Zagloba und Wolodyjowski. Ihnen folgten Dutzende von verschiedenartigsten Fuhrwerken. Als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, flüsterte Wolodyjowski Kmicic ins Ohr:
»Wissen Sie nicht, wo jene, die andere, ist?«
»Auch in Wodokty,« antwortete der Ritter. – –
Anna Borzobohata war an diesem Sonntage nicht in der Kirche gewesen, da sie die kranke Tante Kulviec pflegen mußte. Erst spät am Morgen kam sie dazu, sich zum Gebet zurückzuziehen.
Kaum hatte sie das letzte »Amen!« gesprochen, als vor dem Hause Rädergerassel erscholl. Gleich darauf wurde die Tür weit aufgerissen, und Alexandra stürmte wie ein Wind ins Zimmer.
»Mein Gott! Was ist denn los?« rief Panna Borzobohata.
»Weißt du, wer Babinicz ist? – Kmicic ist es!«
Anna sprang auf.
»Wer hat dir das gesagt?«
»In der Kirche wurde ein königliches Schreiben verlesen. – Pan Wolodyjowski hat es mitgebracht. – Die Laudaer –«
»Pan Wolodyjowski ist also zurück?« fragte Anna, indem sie sich der Freundin in die Arme warf.
Alexandra war furchtbar erregt. Sie begriff nicht recht, was um sie her vorging. Helle, rote Flecke kamen auf ihrem Gesichte zum Vorschein, ihre Brust wogte ungestüm.
Sie begann mit stockender Stimme alles, was in der Kirche geschehen war, zu erzählen. Dabei rannte sie unruhig im Zimmer umher und wiederholte jede Minute: »Ich bin seiner nicht wert! Ich bin seiner nicht wert!« Sie überhäufte sich mit Vorwürfen dafür, daß sie ihn einst gekränkt hatte, daß sie für ihn nicht beten wollte, während er sein Blut für die heilige Jungfrau und das Vaterland vergoß.
Vergebens bemühte sich Anna, ihr gut zuzureden und sie zu trösten. Sie wiederholte immer dasselbe, daß sie seiner nicht wert sei, daß sie nicht wagen werde, ihm in die Augen zu blicken. Dann wieder begann sie von den Heldentaten Babinicz zu erzählen, von Boguslaw, von Prostki und Wolmontowicze, um sich gleich darauf zu erinnern, daß sie ihre Hartherzigkeit und ihre Sünden ihr Lebelang im Kloster werde büßen müssen.
Als sie noch so miteinander sprachen, kam der Miecznik herein und rief:
»Ganz Upita wälzt sich zu uns. Am Dorfe sind sie schon alle vorübergefahren, und Babinicz ist mit ihnen.«
Wirklich drang von draußen her das Getöse einer vielköpfigen Menge zu ihnen. Der Miecznik nahm Alexandra bei der Hand und ging mit ihr auf die Veranda, Anna folgte ihnen.
Auf dem Hofe standen schon viele Menschen. Bald zeigte sich eine Kalesche, die von Laudaern umringt war. In ihr saßen: Pan Kmicic, Pan Wolodyjowski und Pan Zagloba.
In einiger Entfernung von der Veranda hielt der Wagen an, denn es war des Gedränges wegen nicht möglich, weiter vorzufahren. Zagloba und Wolodyjowski sprangen schnell aus dem Wagen, dann halfen sie Kmicic, indem sie ihn von beiden Seiten stützten.
»Macht Platz!« rief Zagloba.
»Platz machen!« schrieen die Laudaer.
Die Menge ging zurück und ließ einen breiten Gang frei, auf dem die Ritter Kmicic zur Veranda führten. Er wankte, aber er schritt mit erhobenem Kopfe und einem glücklichen Lächeln auf dem Gesichte auf Alexandra zu. Diese hatte sich an den Türpfosten gelehnt, ihre Arme hingen kraftlos hernieder. Aber als er schon nahe war, als sie in das Gesicht des Leidenden blickte, der sich ihr nach so vielen Jahren der Trennung näherte, schnürte sich ihr die Kehle krampfhaft zusammen. Und auch er wußte vor Schwäche, vor Verlegenheit und Freude nicht, was er sagen sollte, und wiederholte mehrmals mit brechender Stimme:
»Nun, was, Alexandra? – Nun, was?«
Plötzlich fiel sie ihm zu Füßen und brach in Schluchzen aus:
»Liebster, ich bin nicht würdig, deine Wunden zu küssen!«
Da mit einem Male kehrten dem erschöpften Ritter seine Kräfte wieder. Er hob das Mädchen von der Erde auf und preßte es an seine Brust.
Donnernde Hochrufe erschollen. Die Laudaer begannen aus ihren Büchsen zu schießen und ihre Mützen hoch in die Luft zu werfen. Ringsum sah man fröhliche Gesichter und glänzende Augen.
Fortwährend ertönten die Rufe:
»Vivat Kmicic! Vivat Panna Billewicz! Es lebe das junge Paar!«
»Es leben zwei junge Paare!« bemühte sich Zagloba die anderen zu überschreien, aber seine Stimme verlor sich in dem allgemeinen Lärm.
Wodokty verwandelte sich in ein wahres Heereslager. Den ganzen Tag lang schlachteten Diener des Pan Miecznik Hammel und Ochsen, andere wieder gruben Fässer mit Bier und Wein aus der Erde heraus.
Am Abend ließen sich alle zu einem Festessen nieder. Überall wurde getafelt, in den Zimmern, auf dem Flur und im Hofe.
Als die Stimmung ihren höchsten Punkt erreicht hatte, brachte Pan Zagloba folgenden Trinkspruch aus:
»An euch wende ich mich, heldenmütiger Pan Andreas, und an dich, alter Freund Michail! Glaubt ihr, ihr habt dem Vaterlande genug gedient, wenn ihr eure Brust den feindlichen Schwertern darbotet? Eure Arbeit ist noch nicht beendet; es genügt nicht, unser Blut dem Vaterlande zu opfern. Während des schweren Krieges ist viel Volk ums Leben gekommen, und an euch ist es, möglichst viel Bürger und Verteidiger der Republik zu erzeugen! Ich hoffe, daß es euch dazu nicht an Lust und Tapferkeit gebricht! Panowie! Ich trinke auf das Wohl der kommenden Generationen! Möge Gott sie segnen. Möge er ihnen helfen, das Erbe, das wir ihnen durch unsere Mühen und unser Blut erworben, unversehrt zu erhalten. Mögen unsere Nachkommen unser gedenken, wenn wieder einmal schwere Zeiten hereinbrechen sollten, daß sie nicht in Verzweiflung geraten; denn es gibt keine Lage, aus der man sich nicht mit Gottes Beistand und Einmütigkeit heraushelfen könnte!«
* * *
Bald nach der Hochzeit mußte Pan Andreas noch einmal ins Feld ziehen, da an der östlichen Grenze wieder ein Krieg entbrannte. Doch den glänzenden Siegen Czarnieckis und Sapiehas über Chowanski und Dolgoruki und denen der Kronhetmans über Schermetjew gelang es bald, die Ruhe wieder herzustellen. Kmicic kehrte wieder zurück, von neuem mit Ruhm gekrönt. Er wählte zum ständigen Aufenthalt Wodokty und lebte dort still und ruhig und in Frieden mit allen Laudaleuten.
Böse Zungen behaupteten freilich, daß er sich viel zu sehr dem Willen seiner Frau füge, aber Pan Andreas schämte sich dessen nicht. Er gestand allen selbst, daß er sich in wichtigen Angelegenheiten stets durch den Rat seiner Frau bestimmen lasse. – –