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Ein trüber Tag erwachte und beleuchtete die Ruinen von Wolmontowicze, die Reste der Häuser und Wirtschaftsgebäude, verbrannte und erschlagene Leichen von Menschen und Pferden. In der Asche, unter der erlöschenden Glut suchten die Einwohner nach ihren Angehörigen oder Teilen ihrer Besitztümer. Das war ein Tag der Trauer und des Jammers für den ganzen Laudagau. Außer den Butryms, die am meisten gelitten, gab es kein Dorf, kein Gehöft, in dem nicht Witwen um ihre Männer, Väter um ihre Söhne, Söhne um ihre Väter trauerten. Von Kmicic' Leuten war nicht ein einziger seinem Schicksal entgangen. Kmicic selbst war spurlos verschwunden.
Diejenigen der Butryms, die diese furchtbare Nacht nicht dahingerafft hatte, zogen nach Wodokty und schlugen dort ein Lager auf. Das Haus war voll von Weibern und Kindern. Wer hier nicht Unterkunft fand, ging nach Mitruni, das Panna Alexandra den Abgebrannten ganz übergab. Wodokty ähnelte einer Stadt, die einen Überfall erwartete; denn viele bewaffnete Ritter blieben dort, um zu verhindern, daß Kmicic sich seine Braut mit Gewalt hole. Panna Alexandra ging unter diesen Leuten traurig und blaß umher; all die Seufzer und Flüche, die sie über Kmicic mit anhören mußte, trafen wie Messerstiche ihr Herz. War sie nicht die Ursache all' dieses Unheils? Kam dieser wahnsinnige Mann nicht ihretwegen hierher? Wie ein Wunder mutete es sie an, daß ein Mensch in so kurzer Frist so viel Böses tun konnte, ein Mensch, der im Grunde genommen nicht einmal durchaus schlecht und verderbt war. Sie erriet, daß zwischen Kmicic' Selbst und seinen Taten eine abgrundtiefe Kluft lag, und ihr Herz, das diesen Mann mit der ganzen Leidenschaft der Jugend liebte, litt unsäglichen Schmerz bei dieser Erkenntnis. Sie wußte, daß er alle die Eigenschaften besaß, um ein heldenmütiger Ritter und ein ehrenhafter Staatsbürger zu sein, daß er sich statt Verachtung – allgemeine Liebe, – statt Fluch – Segen erwerben konnte. – Zeitweise erschien es dem jungen Mädchen, daß irgend ein Unglück, eine finstere, geheimnisvolle Macht ihn auf den Weg des Verbrechens gestoßen, und ein tiefes Mitleid mit diesem Unglücklichen erwachte in ihr, das ihre nicht erloschene Liebe von neuem entflammte.
Ihm drohten mehr als hundert Prozesse, und Pan Hliebowicz hatte Leute ausgeschickt, die den Verbrecher ergreifen sollten.
Das Gesetz mußte ihn strafen. Aber von dem Gerichtsurteil bis zu seiner Vollstreckung war ein weiter Weg; denn mehr und mehr wuchs die Unordnung in der Republik. Der fürchterliche Krieg wütete weiter im Land und näherte sich mit blutigen Schritten Smudien. Der mächtige Fürst Radziwill kümmerte sich nur um die Erfüllung seiner eigenen Angelegenheiten und Pläne, selbst wenn sie den Interessen der Republik zuwiderliefen. Alle anderen Magnaten interessierten sich auch mehr für ihr eigenes Wohl als für die Republik. So kam es, daß all die Fundamente, auf die sich die einst so mächtige Republik stützte, ins Schwanken gerieten. Willkür und Gewalttätigkeit hatten die Zügel der Herrschaft an sich gerissen; denn sie kannten ihre Macht und spotteten des Gesetzes. Jetzt konnte der Bedrückte sich vor dem Bedrücker nur mit dem eigenen Säbel schützen. Deshalb blieben die Laudaer noch lange in Waffen, trotz der Prozesse, die sie gegen Kmicic angestrengt hatten; sie wollten bereit sein, seiner Kraft mit Macht entgegenzutreten.
Als aber mehr als ein Monat verstrich und von Kmicic keine Kunde kam, begannen die Laudaer freier zu atmen. Die Adligen, die sich in Wodokty aufgehalten, kehrten in ihre Gehöfte zurück.
Eines Tages erschien bei Panna Alexandra ein Bote mit einem Brief von Kmicic. Er schrieb:
»Vielgeliebte, teure Alexandra! Jedem Wesen auf der Welt ist es gegeben, sich für erlittene Unbill zu rächen. Und wenn ich diese ganze Laudaer Adelsbrut niedergemetzelt habe, so weiß Gott, daß ich es nicht aus Blutgier tat, sondern weil sie meine Kameraden, den göttlichen und menschlichen Gesetzen zum Trotz, ohne Rücksicht auf ihre Jugend und Abstammung so mitleidlos hingeschlachtet haben. Nicht wie Ritter, selbst Türken und Kosaken hätten es so nicht getan. Wer will sich darüber wundern, daß mich bei ihrem Anblick ein unmenschlicher Zorn erfaßte? Das Blut der in der Blüte ihrer Jahre und ihres Ruhmes hingemordeten Offiziere schrie zu mir und stärkte meinen Arm. Und dies alles in dem Augenblick, wo ich – ich rufe Gott zum Zeugen – wo ich Frieden mit der ganzen Laudaer Schlachta schließen, wo ich meine ganze Lebensweise nach Ihren Ratschlägen ändern wollte. Sie, die Sie willig meinen Anklägern Ihr Ohr leihen, weisen Sie meine Verteidigung nicht zurück und urteilen Sie gerecht! Viele der Hingemordeten tun mir jetzt leid, denn auch Unschuldige werden durch mich ihr Leben eingebüßt haben. Aber ein Soldat, der Bruderblut rächt, kann nicht Unschuldige von Schuldigen unterscheiden; er nimmt auf nichts Rücksicht. Gebe Gott, daß mein Ansehen durch dies alles nicht Schaden in Ihren Augen gelitten hat. Schon jetzt, nachdem ich Sie verloren habe, gehe ich mit Verzweiflung in der Seele schlafen, und mit Verzweiflung erwache ich. – Mögen mich, den Unglücklichen, die Gerichte verurteilen, möge der Landtag das Urteil bestätigen, möge mein Name mit Schimpf und Schande überhäuft werden, möge sich die Erde unter meinen Füßen öffnen, – ich will alles ruhig ertragen, – nur weisen Sie, um Gottes Barmherzigkeit willen, mich nicht aus Ihrem Herzen! Ich will alles tun, was Sie von mir verlangen. Ich werde Ihnen Lubicz abtreten, meine Güter in Orsza, ich habe viele Rubel Kriegsbeute in Wäldern vergraben, auch die will ich Ihnen geben, nur sprechen Sie – sagen Sie, daß Sie die Meine werden wollen, wie es der selige Großvater befiehlt. – Sie haben mein Leben gerettet, retten Sie auch meine Seele. – Helfen Sie mir, mein Verbrechen gutzumachen, helfen Sie mir, mein Leben zum Guten zu führen! – Wenn Sie sich von mir abwenden, wird mich auch Gott verlassen. Und die Verzweiflung wird mich zu noch schlechteren Taten treiben!« – –
Wer kann es unternehmen zu erzählen, wie das Mitleid in Alexandras Seele zur Verteidigung Pan Andreas' zu sprechen begann!
Die Liebe gleicht dem Blumensamen, ein Wind führt sie her, ein Wind kann sie vertreiben. Aber hat sie in einem Herzen erst Wurzel geschlagen, so kann man sie nicht herausreißen, sie stirbt mit dem Herzen zusammen. Panna Billewicz gehörte zu denen, die ihr Herz nicht teilen können. – Sie weinte beim Lesen von Kmicic' Brief; aber sie konnte nicht mit einem Male alles verzeihen, alles vergessen. Kmicic' Reue war ohne Zweifel aufrichtig; aber seine Seele blieb ebenso wild wie früher. Sein durch nichts gezügelter Charakter konnte sich so schnell nicht ändern, daß sie ohne Bedenken der Zukunft entgegensehen konnte. Nicht Worte, sondern Taten mußte sie von Pan Andreas fordern. Und dann, wie konnte sie zu einem Menschen sagen, der ein ganzes Dorf mit Blut getränkt, dessen Name an den Ufern der Lauda mit Abscheu ausgesprochen wurde: »Kehre zurück, für die Leichen, die Feuersbrunst, die Tränen und all das Blut der Menschen gebe ich dir meine Liebe und mich selbst?!« –
Und sie schrieb ihm folgendes:
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich von Ihnen nichts wissen will, daß ich Sie nicht kenne. Ich werde mein Wort halten, auch wenn mein Herz darüber brechen sollte. Das, was Sie getan haben, kann weder mit Geld noch mit Gütern gut gemacht werden, denn die Toten können Sie dadurch nicht lebendig machen. – Mögen die Edelleute, die Sie gemordet und gebrandschatzt haben, Ihnen verzeihen, so werde auch ich Ihnen verzeihen. Wenn diese für Sie eintreten, so werde auch ich für Sie eintreten. Da aber dies nie geschehen kann, so suchen Sie Ihr Glück irgendwo anders. Am allerersten aber suchen Sie Gottes Verzeihung; sie ist wichtiger als die der Menschen.« –
Und wieder flossen Tage und Wochen dahin, ohne eine Nachricht von Kmicic zu bringen; aber andere Nachrichten kamen, eine schlechter als die andere. Das Moskowiter Heer Chowanskis überschwemmte das Land weiter und weiter. Und die Republik, auf dem höchsten Punkt ihrer Schwäche angelangt, war nicht imstande der feindlichen Macht Widerstand entgegenzusetzen.
Es war ein ungewöhnlich strenger Winter. Obgleich man im April war, lag der Schnee noch dicht auf den Feldern und in den Wäldern. Die vorjährigen Erntevorräte gingen allerorten zu Ende, und der Bruder des Krieges, der Hunger, begann im Reiche zu wüten. Auf den Feldern und den Wegen stieß man auf Leichen von Menschen, die von Wölfen zerrissen waren, die rudelweise bis dicht an die Dörfer und Gehöfte kamen. Ihr Geheul mischte sich mit dem Hilfegeschrei der Menschen. Tausende von Holzhaufen wurden auf den Feldern angezündet, an denen unglückliche Obdachlose ihre erstarrten Glieder wärmten. Eine unerklärliche Furcht fesselte alle Gemüter. Viele behaupteten, daß das unerhörte Unglück des Landes eine unmittelbare Beziehung zu dem Namen des Königs habe. Man deutete die Buchstaben I. C. R., die auf den Münzen geprägt waren, nicht mit den Worten Johannes Casimirus Rex, sondern mit »Initium Calamitatis Regni«.