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Während der ganzen folgenden Nacht wich Sakowicz nicht vom Bette des Fürsten. Der Fieberanfall Boguslaws trat diesmal so heftig auf, daß man ihm die Zähne mit einem Dolche öffnen mußte, um ihm Medizin einflößen zu können. Schließlich ließ das Fieber nach, der Fürst schlief ein und wachte gegen Mittag, bis zum äußersten geschwächt, auf. –
»Wie fühlen Sie sich?« fragte Sakowicz.
»Mir ist besser. Sind Briefe da?«
»Ja, vom Kurfürsten und von Steinbock: sie liegen dort auf dem Tische. Aber sie zu lesen, müssen Sie aufschieben; denn Euer Durchlaucht sind noch nicht bei Kräften.«
»Gib sie, – hörst du?«
Sakowicz reichte die Briefe. Boguslaw las sie durch, sann eine Zeitlang nach und sagte dann:
»Morgen werden Sie wie heute im Bette liegen.«
»Zu Pferde werde ich sein wie du! – Schweig' und streite nicht mit mir!«
Im Zimmer trat Stille ein, die nur von dem »Tick-Tack« der Danziger Uhr unterbrochen wurde.
»Der Rat war dumm – und die Idee war dumm,« begann plötzlich der Fürst. – »Und auch ich war dumm, daß ich dir folgte.«
»Ich wußte im voraus, daß im Falle des Mißlingens die ganze Schuld auf mich fallen wird. Der Rat war nicht dumm; aber wenn denen der Teufel selbst beisteht, so kann ich natürlich nichts dafür.«
Der Fürst richtete sich im Bette hoch.
»Denkst du das wirklich?« fragte er, Sakowicz starr ansehend.
»Als wenn Sie die Papisten nicht kennten! – Ich habe gestern vorsichtshalber die alte Hexe, ihre Tante, gefesselt und richtete, um sie einzuschüchtern, den Dolch auf sie. – Stellen Sie sich nur vor, – heute sehe ich, – die Spitze des Dolches ist ganz stumpf.«
»Zeig' mal!«
»Ich habe ihn sofort in den Brunnen geworfen, obwohl in seinem Griffe ein schöner Saphir saß.«
»Nun, ich werde dir auch mein Abenteuer erzählen. – Also, ich stürzte wie von Sinnen zu ihr. – Was ich alles geredet habe, das weiß ich nicht mehr. – Ich weiß nur, daß sie ausrief: »Lieber werfe ich mich in dieses Feuer!« Du kennst doch den ungeheuer großen Kamin in ihrem Zimmer? Und wirklich, sie rannte zum Feuer, und ich ihr nach. Ihre Kleider flammten schon auf, und ich mußte die Flammen löschen und sie zu gleicher Zeit festhalten. Da bekam ich plötzlich meinen Anfall. Es war mir, als wenn mir jemand meine Gurgel zuschnürte. Dann schienen sich die um uns fliegenden Funken in Bienen zu verwandeln, die um meinen Kopf summten.«
»Und was weiter?«
»Was weiter geschehen, darauf kann ich mich nicht besinnen. Mich erfaßte eine solche Angst, als wenn ich in einen tiefen Brunnen, in einen tiefen Abgrund stürzte. – Was für eine fürchterliche Empfindung! Noch jetzt sträuben sich mir die Haare. Es war nicht die Angst allein, wie soll ich dir das beschreiben? – Eine beängstigende Leere, eine unermeßliche Sehnsucht und eine unbegreifliche Müdigkeit erfüllten mich. Zum Glück stand mir die Kraft des Himmels bei, sonst könnte ich mich nicht jetzt wieder mit dir unterhalten!«
»Sie hatten eben einen Anfall. Welche Visionen kommen einem nicht während der Hitze des Fiebers? – Wenn wir morgen aufbrechen, so wäre es doch besser, wir ließen fortan Panna Alexandra in Ruhe.«
»Ich muß wohl; – aber meine Leidenschaft zu ihr ist dann ganz erloschen.«
»Lassen Sie sie laufen; mag die Gesellschaft sich zum Teufel scheren!«
»Das geht nicht. Der Miecznik hat mir gestanden, daß auf seinem Gute Billewicze eine große Summe Geldes vergraben liegt. Lasse ich sie von hier fort, dann graben sie das Geld aus und fliehen damit in die Wälder. Ich ziehe es vor, sie hier zurückzuhalten und ihre Gelder als Requisition zu nehmen. Jetzt ist Krieg, da ist alles erlaubt. – Nun, und die Truppen? Hast du sie meinem Befehle gemäß vorausgesandt?«
»Jawohl. Paterson ist hier geblieben. Er pflegt Ketling, der sich mit seinem Degen zufällig verwundet hat. Wäre ich nicht von Ketlings Tapferkeit überzeugt, so würde ich denken, er hätte sich absichtlich verwundet, um nicht mit ins Gefecht zu brauchen.«
Am Abend fühlte sich Boguslaw schon so wohl, daß er mit seinen Offizieren ein Gelage veranstaltete. Die ganze Nacht durch kneipte er und hörte mit Vergnügen dem Wiehern der Pferde, dem Klirren der Waffen und dem Lärmen der Soldaten zu, die sich zu dem Feldzuge vorbereiteten.
»Mir ahnt, dieses Unternehmen wird mir die Gesundheit wiedergeben,« sagte er, sich im Sattel hochreckend. »Ich bin hier fast verschimmelt inmitten all der Sorgen und Unterhandlungen.«
Am nächsten Morgen, lange vor Tagesanbruch, brach der Fürst an der Spitze seiner Truppen auf. Nach ihm begannen die Gäste, die sich bei ihm aufgehalten hatten, sich zu zerstreuen. Es blieben nur der Miecznik, Panna Kulwiec, Alexandra, Ketling und der alte Kommandant der winzigen Garnison, Braun.
Nachdem der Miecznik mehrere Tage lang das Bett gehütet hatte, begann er sich wieder zu erholen und neue Fluchtpläne zu entwerfen, als ein Bote ihm einen Brief vom Fürsten brachte. Pan Billewicz wollte den Brief zuerst gar nicht öffnen, aber Alexandra redete ihm zu, es zu tun, da man, ihrer Meinung nach, alle Pläne des Feindes kennen müsse.
»Erlauchter Pan Billewicz! Das Schicksal wollte es, daß wir uns nicht so freundschaftlich trennen konnten, wie es meinen Gefühlen zu Ihnen und zu Ihrer reizenden Nichte gemäß wäre. Aber ich kann beim besten Willen diese Schuld nicht auf mich und mein Gewissen nehmen; Sie wissen ja selbst, mit welchem Undank mir meine Gefühle belohnt werden. Ein zorniger Mensch ist nicht für seine Handlungen verantwortlich. Ich hoffe, daß Sie meine schroffe Handlungsweise, die sich durch die Unmöglichkeit des Verhältnisses, in dem ich mich befand, erklärt, entschuldigen werden. Ich meinerseits verzeihe Ihnen von ganzem Herzen, wie es die christliche Liebe gebietet. Ich bin bereit, unsere freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen. Und um Ihnen einen Beweis für die Aufrichtigkeit meiner Worte zu liefern, will ich das Geld von Ihnen annehmen, das Sie mir angeboten haben.«
Der Miecznik schlug mit der Faust auf den Tisch und rief:
»Nun, das soll er aber nie bekommen!«
»Lesen Sie nur weiter,« sagte Alexandra.
»Da ich Sie jedoch nicht beunruhigen und Ihre kostbare Gesundheit nicht schädigen möchte, habe ich selbst Ihr Geld ausgraben und zählen lassen.«
Den Miecznik verließen seine Kräfte; seine Arme fielen schlaff herunter, und die Augen wurden ihm trübe.
»Schlag' zu, wer an Gott glaubt!« schrie er plötzlich los.
»Je mehr Ungerechtigkeit, desto näher Gottes Strafe,« tröstete ihn Alexandra.