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Pan Czarniecki hatte in der Tat nicht im entferntesten daran zu denken gewagt, daß der Kronmarschall sich seinem Oberbefehle unterstellen würde. Es hätte ihm genügt, wenn er eingewilligt hätte, mit ihm Hand in Hand zu gehen; denn auch selbst dies stand sehr zu bezweifeln. Der stolze Magnat hatte mehrmals zu seinen Offizieren geäußert, daß er selbstständig operieren wolle, um nicht den Ruhm seiner Siege mit Czarniecki teilen zu müssen.
Der Pan Kastellan las deshalb immer und immer wieder die Abschrift seines Schreibens an Lubomirski, um sich zu überzeugen, ob auch kein einziges Wort die Eigenliebe des Kronmarschalls verletzen konnte. Ohne Zweifel, solche Worte waren im Briefe, und Czarniecki begann schon zu bedauern, daß er überhaupt geschrieben habe. Er fand keine Ruhe in seinem Zimmer und ging in den Hausflur, wo er Wolodyjowski und Polanowski begegnete.
»Nun, sind die Abgesandten noch nicht zu sehen?« fragte der Pan Kastellan.
»Nein, noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich hat man sie gastlich aufgenommen,« äußerte Wolodyjowski.
Pan Czarniecki zuckte ungeduldig mit den Achseln. In diesem Augenblicke vernahm man Hufschläge und Pan Zaglobas Stimme, der ein fröhliches Liedchen sang.
»Ein gutes Zeichen! Sie kehren heiter zurück!« sagte Polanowski.
Die Abgesandten stiegen von ihren Pferden; Zagloba warf seine Mütze hoch in die Luft und rief, indem er die Stimme des Kronmarschalls meisterhaft nachahmte:
»Vivat Pan Czarniecki, unser Feldherr!«
Der Kastellan zog ungeduldig die Brauen zusammen und fragte schnell:
»Ist ein Brief da?«
»Nein,« antwortete Zagloba, »etwas viel Besseres, der Marschall stellt sich mit seinem ganzen Heere freiwillig unter Ihren Befehl!«
Czarniecki warf dem Sprecher einen grimmigen Blick zu und wandte sich an Skrzetuski, als wenn er sagen wollte: »Sprich du, jener ist ja betrunken.«
Zweifelsohne war Zagloba etwas angeheitert, aber als Skrzetuski seine Worte bestätigte, drückte Czarnieckis Gesicht völlige Verständnislosigkeit aus.
»Gehen wir ins Haus,« sagte er, »Pan Wolodyjowski, Pan Polanowski, bitte, kommen Sie auch.«
Czarniecki ließ sich nicht erst die Zeit zum Hinsetzen, er begann sogleich sein Verhör:
»Was sagte der Marschall auf meinen Brief?«
»Nichts hat er gesagt,« erwiderte Zagloba, »und Sie werden am Schlusse meines Berichtes auch sehen, warum. Jetzt hören Sie nur.«
»Bei Gott! Ich habe Sie bis jetzt nicht gekannt,« rief der Kastellan, als Zagloba seine Erzählung beendet hatte. »Ich traue meinen Ohren nicht.«
»Man nennt mich schon lange den schlauen Odysseus,« bemerkte Zagloba bescheiden.
»Wo ist mein Brief? Geben Sie ihn her! Ich muß Ihnen schon verzeihen, daß Sie meinen Befehl nicht ausgeführt haben. Sie müßten Kanzler werden! Wäre ich der König, so hätte ich Sie sofort nach Konstantinopel geschickt; dann würden wir sicherlich bald über hunderttausend Türken verfügen. – Aber durchschaute der Pan Marschall Sie denn nicht?«
»Der Pan Marschall schluckte alle meine Liebenswürdigkeiten herunter und blinzelte nur und lächelte dazu. Ich fürchtete, er würde vor Freude platzen wie eine schwedische Granate. Diesen Mann kann man durch Schmeicheleien in die Hölle locken!«
»Wenn nur die Schweden dafür bluten würden! Ich muß sagen, ich bin überzeugt, daß es so kommen wird!« antwortete hocherfreut Czarniecki. »Ja, vom Pan Marschall hängt vieles ab. – Ich werde Ihnen Ihren Dienst bis zu meinem Tode nicht vergessen; aber zu gleicher Zeit muß ich dem Pan Marschall meine Anerkennung zollen.«
Bei diesen Worten klatschte Czarniecki in die Hände und rief:
»Mein Gaul soll sofort gesattelt werden! Man muß das Eisen schmieden, solange es warm ist. – Meine Herren, Sie kommen alle mit mir, – ich gebrauche ein glänzendes Gefolge.«
Der Marschall empfing Czarniecki mit offenen Armen. Er bewirtete ihn glänzend und hielt ihn bis zum folgenden Morgen zurück. Dafür vereinigten sich an diesem Tage beide Armeen und marschierten unter Czarnieckis Oberbefehl weiter.
Es ist unbekannt, ob es Ruhmsucht oder Vaterlandsliebe beim Marschall war, aber er schonte in dem nun folgenden Kriegszuge weder seine Gesundheit noch sein Leben. Er führte persönlich seine Truppen an, verfolgte den Feind und ließ ihm keine Minute Ruhe. Mit ihm wetteiferte zugleich Pan Witowski, der Sandomierer Kastellan, ein alter und erfahrener Soldat.
Unter dem fortwährenden Druck der polnischen Truppen verloren die Schweden mehr und mehr den Mut. Der kleinste Zufall genügte, um in der Arrierrgarde eine Panik ausbrechen zu lassen. Karl-Gustav sah sich deshalb genötigt, selbst in der Arrieregarde zu bleiben, um durch seine Anwesenheit die stark gelockerte Disziplin wieder zu bessern. Aber fast hätte er dafür mit seinem Leben büßen müssen.
Es war in dem Dorfe Rudnik. Der König machte dort an der Spitze eines Leibgarderegiments Rast. Ermüdet von einer vorangegangenen, schlaflosen Nacht, legte Karl-Gustav sich zur Ruhe. Dies benutzte ein Junge, der als Stallknecht beim Dorfpfarrer diente. Er fing sich heimlich auf der Wiese ein Fohlen ein und sprengte zu Czarniecki.
Die polnische Avantgarde, die unter dem Befehle des Oberleutnants Szandarowski stand, war den Schweden dicht auf den Fersen, kaum eine halbe Meile entfernt. Gerade, als der Oberleutnant sich mit Roch Kowalski unterhielt, der einen Befehl von Czarniecki überbracht hatte, tauchte die Gestalt eines jungen Reiters auf, der in schnellem Trabe heransprengte. Der Junge hielt erst an, als sein Pferd bei dem Anblick einer Menge Menschen und Pferde sich erschrocken aufbäumte und auf keinen Fall mehr weiter wollte.
»Was willst du?« fragte Szandarowski den Knaben.
»Bei unserem Pfarrer sind Schweden, man sagt, der König sei unter ihnen.« »Sind viele dort?«
»Gegen zweihundert Mann.«
Szandarowskis Augen loderten auf. Dann aber kam ihm der Gedanke, daß er in einen Hinterhalt gelockt werden solle; sein Gesicht verfinsterte sich wieder, und er fragte drohend: »Wer hat dich hergeschickt?«
»Wer sollte mich herschicken? Ich bin von selbst auf ein Fohlen gesprungen und habe mir dabei fast den Hals gebrochen. Meine Mütze habe ich auch verloren. – Gott sei Dank, daß die verteufelten Schweden mich nicht bemerkt haben!«
Die Augen des Knaben blickten offen und ehrlich. Er hielt, sich mit der Hand an der Mähne des Pferdes haltend, mit roten, erhitzten Backen und zerzausten Haaren vor den Offizieren.
»Und wo ist die übrige Armee?«
»Sie hat das Dorf am Morgen passiert. Nur die Reiter sind geblieben. Einer schläft bei uns im Hause, das, sagt man, sei der König.«
»Bengel, wenn du lügst, so werde ich dich hängen lassen, sprichst du aber die Wahrheit, so verlange von mir, was du willst,« sagte Szandarowski.
»Lüg' ich, soll ich auf der Stelle sterben! Ich brauche nichts! Nur laßt mir einen Säbel geben!«
»Gebt ihm einen Säbel!« rief Szandarowski, ganz von der Wahrheit überzeugt. Und gleich machte er sich mit seinem Banner in der Richtung nach Rudnik auf. Der Knabe ritt voran, indem er sein Pferd mit den Beinen antrieb und von Zeit zu Zeit den blanken Säbel mit leuchtenden Augen ansah.
Das Dorf war schon in Sicht, als der Junge von der Fahrstraße abwich, und zur Seite ausbog.
»Still!« rief er. »Da hinter dem Erlenwäldchen, etwas rechts, stehen die Schweden.«
Das Banner ritt in das Wäldchen hinein und bewegte sich langsam auf einem schmalen, schmutzigen Wege vorwärts. Bald begann sich das Wäldchen zu lichten, und vor den Augen der Polen lag eine größere Ebene mit dem Hause des Pfarrers in der Mitte. Zweihundert Schweden in Harnischen, mit bootartigen Helmen auf den Köpfen, standen dort in Bereitschaft. Über ihnen wehte eine prächtige, himmelblaue Fahne mit einem goldenen Löwen.
Kaum seine Erregung zurückhaltend, begann Szandarowski sein Banner zum Kampfe zu formieren. Roch Kowalski benutzte die Zeit und ritt an den Jungen heran.
»Höre mal, hast du den König selbst gesehen?«
»Habe ihn gesehen, gnädiger Herr.«
»Wie sieht er aus, woran erkennt man ihn?«
»Er ist ganz schwarz gekleidet.«
»Hast du seinen Gaul gesehen?«
»Ja, er ist schwarz mit einer Blässe.«
Pan Roch begann zu Gott zu beten, daß er es füge, daß er sich mit Karl-Gustav im Kampfe messen könne, und daß ihm Gott dann beistehe.
In diesem Augenblicke schnaubte Szandarowskis Pferd. Einer der Schweden schoß seine Pistole ab.
»Allah! schlagt zu!« erscholl es im Wäldchen. Und das ganze Banner stürzte sich auf die Schweden.
Es begann ein fürchterlicher Kampf, der bald mit der Zerstreuung der Schweden endete.
Plötzlich vernahm man verzweifelte Stimmen:
»Den König! Den König! Rettet den König!« Karl-Gustav stürzte beim ersten Schusse zum Hause heraus. Er sprang auf sein Pferd und war bald mitten in einer Gruppe, die sich vor den Polen verteidigte.
»Vorwärts!« rief Karl-Gustav, und mit einer Handbewegung warf er einen polnischen Reiter vom Pferde, der schon seinen Säbel über ihn erhoben hatte. Die Schweden durchbrachen den Ring, den die Polen um sie gebildet hatten, und sprengten wie ein Rudel Hirsche, das von Hunden verfolgt wird, davon.
Der Knabe, der Pan Kowalski den König zeigen sollte, war verschwunden: aber Pan Roch erkannte Karl-Gustav nach der Beschreibung. Er gab seinem Pferde die Sporen und sauste wie ein Wind hinter ihm her.
Die Entfernung zwischen den beiden wurde immer geringer. Plötzlich jedoch warf ein Schwede sein Pferd herum und stellte sich fest zwischen den König und Pan Roch. Das hinderte aber Kowalski wenig. Bald stürzte der Schwede vom Pferde, und die Verfolgung ging weiter.
Karl-Gustav verlor seinen Hut, schließlich warf er absichtlich seine Börse von sich, in der Hoffnung, dadurch seinen unerbittlichen Verfolger zu ködern. Kowalski trieb sein Pferd immer stärker an.
Da stolperte der Gaul des Königs, und es kostete diesem große Mühe, im Sattel zu bleiben.
Pan Kowalski erhob sich im Steigbügel und holte zu einem Hiebe aus. Er war schrecklich anzusehen. Seine Augen sprangen fast aus den Höhlen, seine weißen Zahne glänzten blendend unter dem rotblonden Schnurrbart. Noch eine Minute, und die Geschicke Schwedens und der Republik waren besiegelt. Doch jäh wandte der König sich um und schoß seine beiden Pistolen ab. Eine der Kugeln zerschmetterte die Kniescheibe von Kowalskis Pferd. Das Tier bäumte sich hoch auf und fiel zu Boden. Karl-Gustav neigte sich tief auf die Mähne seines Pferdes und raste wie ein aus einer tatarischen Armbrust entsandter Pfeil dahin.
Roch sah wie besinnungslos dem dahinsprengenden Könige nach, er schwankte wie trunken und brach in bitterliches Weinen aus.
In diesem Augenblicke sprengten Rochs Kameraden heran. Einer von ihnen hielt die Börse des Königs in der Hand, ein anderer den königlichen Hut, der mit einer schwarzen Straußfeder und einer Brillantschnalle verziert war.
»Nimm, das gehört dir!« rief einer der Reiter. »Du hast es verdient.«
»Weißt du eigentlich, wen du so verfolgt hast?« fragte der andere. »Der König selbst war es. Du hast dich mit großem Ruhme bedeckt!«
Roch sah beide an und brüllte plötzlich los:
»Ich bin Kowalski, und das ist Pani Kowalska. – Schert euch zum Teufel!«