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Es vergingen mehrere Tage, und Kmicic ließ sich nicht in Wodokty sehen; aber drei Laudaer Schlachtschitzen kamen und suchten die Panna auf. Es waren Pakosz Gasztowt aus Pacunele, bei dem Pan Wolodyjowski wohnte, und der durch seinen Reichtum und seine sechs Töchter, von denen drei an Butryms verheiratet waren, weit bekannt war. Kassian Butrym, der älteste Greis in Lauda, und Juzwa Butrym, Pakosz' Schwiegersohn, dem die Kosaken ein Bein weggeschossen hatten. Er war ein kluger, sehr kräftiger Mann, aber mürrisch und händelsüchtig. Es kam nur selten vor, daß er betrunken war, in diesem Zustand aber war er schrecklich gewalttätig.
Die Panna empfing ihre Gäste freundlich, obwohl sie erriet, daß sie sie über Pan Kmicic ausfragen wollten.
»Wir wollten Pan Kmicic unsere Aufwartung machen, aber er ist noch nicht aus Upita zurück,« sagte Pakosz. »Nun wollen wir dich fragen, wann wir ihn wohl treffen können?«
»Ja, er ist bis jetzt noch nicht zurück. Aber er wird sich sehr über euer Kommen freuen. Er hat schon viel Gutes von euch gehört, vom Großvater und jetzt von mir.«
»Wenn er uns nur nicht so empfangen wird wie die Domaszewicz', als sie ihm die Nachricht vom Tode des Großvaters brachten,« sagte finster Juzwa.
»Sie müssen ihm das nicht übel nehmen,« erwiderte lebhaft die Panna. »Man darf nicht vergessen, er kam eben aus dem Kriege, wo er soviel Mühen und Unannehmlichkeiten durchgemacht hatte.«
»Und gefällt er dir, meine Liebe, oder nicht?« fragte Kassian Butrym. »Wir möchten das doch gerne wissen?«
»Vergelt euch Gott eure Fürsorge! Pan Kmicic ist ein heldenmütiger Ritter!«
»Und habt Ihr auch schon über die Hochzeit gesprochen?«
Alexandra senkte die Augen.
»Pan Kmicic möchte möglichst bald –«
»So? – Warum sollte er auch nicht?« brummte Juzwa. »Ist er denn ein Narr? Welcher Bär will nicht Honig aus dem Bienenstock haben? Aber wozu diese Eile? Ist es nicht besser, ihn erst richtig kennen zu lernen, zu sehen, was für ein Mensch er ist? Vater Kassian, sagen Sie doch Ihre Meinung, schlafen Sie doch nicht, wie der Hase zur Mittagszeit.«
»Ich schlummere nicht, – ich denke nur.«
»Nun, so sagen Sie doch, worüber denken Sie?«
»Worüber? – Über Pan Kmicic. – Es ist wahr, er ist ja ein vornehmer Herr, aus einer berühmten Familie – und wir sind nur einfache Leute. Und er ist ein berühmter Ritter Er zog allein gegen den Feind, als andere die Arme herabhängen ließen. Das ist wahr. – Möge Gott dem Lande mehr solche Leute schenken! – Aber sein Gefolge – das sind lauter Taugenichtse! Nachbar Pakosz, was haben Sie nicht alles von Domaszewicz' über seine Offiziere gehört! Es sind alles ehrlose Leute, die vom Strafrichter gesucht werden. Einfach Mörder! Im eigenen Lande sengen sie, sie rauben, sie sind gewalttätig. – Die reinen Tataren! Am ersten Tage ihrer Ankunft in Lubicz schossen sie mit ihren Pistolen – nach den Bildern der Billewicz'. – Das durfte doch Pan Kmicic nicht zulassen!«
Alexandra verdeckte ihre Augen mit den Händen.
»Das kann nicht sein! Das kann nicht sein!«
»Kann schon; denn es ist so! – Und dann schleppten sie die Mädchen herein und verführten sie. – Pfui! – Gleich am ersten Tage solche Geschichten!«
Der alte Kassian geriet in Zorn und stampfte mit seinem Stock auf den Fußboden. Alexandras Gesicht bedeckte sich mit tiefer Röte.
»Und die Soldaten, die er in Upita gelassen hat, sind die etwa besser?« begann Juzwa. »Wie die Offiziere, so die Gemeinen. Dem Pan Sollohub raubt man sein Vieh. Friedliche Bauern prügelt man. Und jetzt sengt und mordet man in Upita! – Wie friedlich lebte es sich hier früher, jetzt aber lädt man die Flinte und muß immer auf der Hut sein. Und das alles, weil Pan Kmicic mit seiner Rotte hierher gekommen ist.«
»Sagen Sie nicht mehr so etwas! O, sagen Sie nichts mehr!« bat Alexandra.
»Was kann ich anderes sagen. Wäre Pan Kmicic besser, so lieferte er diese Leute dem Henker aus. Von den Schandtaten dieser Bande spricht man doch in der ganzen Gegend.«
»Was soll ich tun?« fragte Alexandra. »Es sind vielleicht schlechte Menschen; aber sie waren seine Kameraden im Krieg. Wird er sie auf meine Bitte verjagen?«
»Verjagt er sie nicht, so ist er selbst nicht besser,« brummte Juzwa.
»Gut, – er muß sich von ihnen trennen! – Er soll wählen zwischen mir und ihnen. Mögen sie tun, was sie wollen, aber nicht in Lubicz. Ich danke Ihnen, daß Sie mir die Augen öffneten. Solange ich lebe, soll es nicht so weiter gehen. Schreiben Sie es der Jugend Pan Kmicic' zu und seiner Gesellschaft. Sie verführt ihn zu Ausschweifungen, sie befleckt seinen Namen. – Er ist nicht schlecht!«
Zorn und Entrüstung über Kmicic' Kameraden wuchsen mehr und mehr in Alexandras Herzen. Sie fühlte ihre Liebe und ihr Vertrauen beschmutzt. Sie schämte sich Pan Andreas'! Und ihr verletztes Schamgefühl suchte am allerersten nach Schuldigen. Sie wollte noch etwas sagen, aber plötzlich brach sie in Schluchzen aus.
Vergebens versuchten die Herren sie zu trösten. – Nach ihrer Abreise blieben in Alexandras Seele Gram und Unruhe. Es kränkte die stolze Panna tief, daß sie ihren Bräutigam schützen, seine Vergehen entschuldigen mußte. Und erst seine Kumpane! – Ihre kleinen Händchen ballten sich krampfhaft, und sie begann das ihr bis dahin unbekannte Gefühl des Hasses kennen zu lernen. Sie litt schrecklich unter der Kränkung, die ihr Kmicic zugefügt hatte. – »Es ist eine Schande! eine Schande!« flüsterten ihre bleich gewordenen Lippen. »Von mir aus zu den Mägden, alle Abende! Alle Abende!«
Sie fühlte sich ganz zerschlagen. Eine unerträgliche Last raubte ihr den Atem.
Draußen dämmerte es schon, aber Alexandra lief noch im Zimmer umher; in ihrer Seele kochte es wie früher. Sie war eine Natur, die sich nicht kampflos den Schicksalsschlägen beugen konnte. In ihren Adern floß ritterliches Blut. – Ihre Seele forderte den Krieg gegen jene Bande böser Geister, – sofort den Krieg! – Aber was konnte sie tun? Nichts! – Nur weinen konnte sie und Pan Andreas bitten, daß er seine Freunde nach allen Himmelsrichtungen verjagen solle. »Und wenn er es nicht tun will?«
»Und wenn er nicht will?« – –
Sie wagte nicht, weiter darüber nachzudenken.
Die Panna wurde in ihrem Sinnen durch einen Knaben gestört, der Holz für den Kamin brachte. Plötzlich durchfuhr Alexandra ein neuer Gedanke.
»Kostek!« sagte sie, »reite schnell nach Lubicz. Ist der Pan zurück, so bitte ihn zu mir zu kommen. Wenn nicht, soll der alte Verwalter herkommen. Aber schnell, hörst du!«
Der Junge warf eine Hand voll Kieferspäne auf die Kohlen, legte Holzscheite darauf und lief rasch aus dem Zimmer.
Im Kamin loderte bald ein helles Feuer. Alexandra wurde mit einem Male leichter ums Herz.
»Vielleicht erbarmt sich Gott,« dachte sie. »Vielleicht ist alles nicht so schlimm gewesen, wie die Vormünder erzählten!« – –
Und sie ging nach der Gesindestube, um nach den Spinnerinnen zu sehen und fromme Lieder zu singen.
Zwei Stunden später kam Kostek zurück.
»Der Verwalter ist in der Diele,« bestellte er. »Der Pan ist noch nicht wieder in Lubicz.«
Alexandra sprang schnell von ihrem Platze auf und ging in die Diele. Der Verwalter verbeugte sich bis zur Erde.
Sie ging mit ihm nach dem Eßzimmer, der Verwalter blieb an der Tür stehen.
»Wie geht es bei euch in Lubicz zu? Sag' mir alles offen, es soll dir kein Haar gekrümmt werden. Man sagt, der Pan sei gutherzig, – aber seine Kameraden seien Raufbolde?«
»Ich darf ja nichts sagen. – Ich fürchte, sonst – , man hat es mir doch verboten.«
»Wer hat es dir verboten? – Höre, du kehrst nicht mehr nach Lubicz zurück. Du bleibst hier. Und nun befehle ich dir, mir alles zu sagen, was du weißt!«
Der Bauer fiel in die Kniee.
»Gnädigste Panna, ich danke Euch. Ich will auch nicht zurück nach Lubicz, denn dort ist eine Zucht! Der reine Weltuntergang! Diese Herren, das sind Räuber, – Mörder, – nicht eine Minute ist ein Mensch seines Lebens dort sicher.«
Panna Billewicz wankte, wie von einem Pfeil verwundet. Sie wurde ganz blaß: aber sie fragte ruhig:
»Und haben sie wirklich in die Bilder der verstorbenen Billewicz' geschossen?«
»Gewiß, das taten sie. Sie schleppen täglich die Mägde in ihre Zimmer. Im Dorfe ist ein Gejammer; im Herrenhause – Sodom und Gomorrha. Das Vieh ist alles abgeschlachtet. Einen Stallknecht haben sie totgeschlagen. Und jetzt lassen sie sich auch schon die Mädchen aus dem Dorfe ins Haus schleppen!«
»Wann erwartet man den Pan?«
»Das wissen sie nicht. Sie wollen alle nach Upita und haben schon Pferde bestellt. Von hier wollten sie Pulver holen.«
»Hierher kommen sie? – Gut, – geh jetzt in die Küche, – nach Lubicz brauchst du nicht zurück.« – –
Um nächsten Morgen, ehe noch die Panna zur Kirche abgefahren war, – es war ein Sonntag, – kamen die Offiziere aus Lubicz mit ihrer Dienerschaft angeritten.
Die Schloßherrin trat ihnen kühl und hochmütig entgegen und erwiderte ihre tiefen Verbeugungen nur mit einem kaum bemerkbaren Kopfneigen.
Kokosinski trat hervor:
»Erlauchtigste Panna! Wir entbieten Ihnen unseren ehrfurchtsvollsten Gruß und bitten Sie, Ihrer Dienerschaft zu befehlen, uns zu folgen. Wir werden Upita stürmen und den Kleinbürgern ein wenig Blut abzapfen.«
»Mich wundert,« sagte Panna Billewicz, »daß Sie nach Upita gehen, nachdem ich selbst Pan Kmicic' Befehl gehört habe, in Lubicz still zu sitzen. Ich meine, es wäre ratsamer, daß Sie, als seine Untergebenen, seinen Befehlen gehorchen.«
Die Ritter sahen sich einander verständnislos an.
»Bei Gott!« sagte Kokosinski, »ein Unbeteiligter könnte meinen, Sie sprechen mit Pan Kmicic' Knechten. Es ist wahr, wir sollten still sitzen. Aber Pan Andreas ist schon seit vier Tagen fort, und wir meinen, unsere Schwerter könnten ihm nützlich sein.«
»Pan Kmicic ist nicht in den Krieg gezogen; er ist gegangen, um gewalttätige Soldaten zur Vernunft zu bringen. Und Ihnen könnte es auch so gehen, wenn Sie sich seinen Befehlen nicht unterordnen. Auch würde Ihre Anwesenheit die Unordnung in Upita nur vergrößern.«
»Wir wiederholen unsere Bitte um Ihre Dienerschaft und um Pulver!«
»Weder das eine noch das andere werde ich Ihnen bewilligen. Haben Sie mich verstanden?«
»Wie! – Wa-as!« schrie Kokosinski: »Fürchten Sie nicht für Pan Kmicic?«
»Das größte Unglück, das ihm zustoßen könnte, ist Ihre Anwesenheit.«
Die Augen des jungen Mädchens funkelten. Mit erhobenem Haupte machte sie einige Schritte auf ihre Gäste zu.
»Verräter!« sagte sie. »Ihr seid seine bösen Geister! Ich kenne euch wohl, ich kenne euer liederliches Leben, eure schändlichen Taten. Die Strafrichter verfolgen euch; anständige Menschen wenden sich von euch ab. Und auf wen fällt die Schande? Auf ihn! Ihr ehrlosen Bösewichter!«
Panna Billewicz ging noch einen Schritt vor und wies mit der Hand auf die Tür.
»Hinaus, sage ich!«
Die Ritter wurden bleich; aber keiner sagte ein Wort. Unwillkürlich griffen sie an ihre Säbel, ihre Augen sprühten Funken. – Aber ach! Dieses Haus stand unter dem Schutze des mächtigen Kmicic, und dieses Mädchen war seine Braut. – Es blieb ihnen nichts übrig, als die Beleidigung herunterzuschlucken.
»Wenn man uns hier so liebenswürdig empfängt.« sagte Kokosinski mit vor Wut stockender Stimme, »so bleibt uns – nichts übrig, – als zu gehen, der Hausfrau höflichst für die Gastfreundschaft dankend.«
Er verbeugte sich mit übertriebener Ehrfurcht, und die anderen folgten seinem Beispiele.
Als die Tür sich hinter den Offizieren schloß, fiel Alexandra kraftlos in den Sessel. Mit ihrem Willen und ihrer Stärke war es nun zu Ende.
Die Ritter schlugen den Weg nach Upita ein und machten nach mehreren Stunden in einer Schenke, Doly mit Namen, die zwischen Wolmontowicze und Mitruni lag, Halt. Vor der Schenke standen schon einige Schlitten und gesattelte Pferde. Als die Ritter in die große, finstere Stube eintraten, fanden sie sie schon überfüllt. Die Schlachta der Umgegend saß auf den Bänken oder stand gruppenweise vor dem Schenktisch und trank Bier oder Krupnik, ein Getränk aus Met, Branntwein, Öl und Kräutern. Es waren alles Abkömmlinge der Butryms, lauter kräftige, finstere und ungewöhnlich schweigsame Menschen. Sie trugen graue Halbröcke aus selbstgewebtem Tuch, die mit Schaffellen gefüttert waren, schwarze Ledergürtel und Säbel in schwarzen Scheiden. Zum großen Teil waren es Greise oder halbwüchsige Knaben, die das zwanzigste Jahr noch nicht überschritten hatten; denn die anderen hatten sich alle in Rosien zum Landsturm gestellt.
Beim Anblick der Orszaer Krieger wichen viele vom Schenktisch zurück. Die schöne Kleidung der kriegerischen Schlachta gefiel allen. Und einer von den Anwesenden fragte: »Aus Lubicz? – »Ja.« – »Pan Kmicic' Gesellschaft? – Die also?« – »Ja, – ja, – die!«
Die Ritter tranken Branntwein und Krupnik. Bald erwärmten die Getränke ihr Blut, und das Gefühl der erlittenen Kränkung begann sich allmählich zu legen. – Zend fing an, wie eine Krähe zu schreien: die Ritter lachten; die Edelleute rückten näher heran.
Die am Ofen sitzenden, vermummten Gestalten drehten sich um, und Rekuc erkannte, daß es Frauen waren.
Zend krähte immer weiter. Dann hörte er auf und stöhnte wie ein von Hunden gewürgter Hase. Die Butryms saßen in stummer Begeisterung da.
Plötzlich hörte man Rekuc' piepsende Stimme:
»Elstern sitzen da am Ofen!« Er zeigte auf die Frauen.
»Wirklich,« stimmte Uglik bei.
»Es wäre interessant zu wissen, was die da wollen.«
»Vielleicht sind sie zum Tanzen hergekommen.«
»Wartet 'mal, ich frage,« sagte Kokosinski.
»Schöne Damen, was macht ihr da am Ofen?«
»Wir wärmen uns!« antworteten dünne Stimmen.
»Dafür weiß ich ein besseres Mittel, als am Feuer sitzen. Tanzen, tanzen müßt ihr!« piepste Rehuc.
»Ja, ja, tanzen!« sagte Pan Uglik.
Er holte seine Klarinette hervor, und die Ritter gingen zu den Frauen. Diese sträubten sich, aber nur zum Schein. Wahrscheinlich hätten auch die Edelleute nichts gegen einen kleinen Sonntagstanz gehabt, aber der Ruf der Gesellschaft war ein zu schlechter. Deshalb stand Juzwa Butrym auf, trat vor Pan Kulwiec und sagte grob:
»Wenn Euch ein Tänzchen gefällig ist, so tanzt es mit mir.« »Ich tanze gern mit Mädchen, aber nicht mit Euch.«
Ranicki gesellte sich zu ihnen, er witterte eine Rauferei.
»Wer bist du, Nichtsnutziger?« fragte er und griff zum Säbel.
Uglik hörte auf zu spielen, und Kokosinski rief:
»He, Kameraden, her zu mir, her zu mir!«
Die Butryms sammelten sich auch mit leisem Brummen, wie unwillige Bären.
»Was wollt ihr?« fragte Kokosinski.
»Da gibt's nicht viel zu reden, macht, daß ihr rauskommt!« sagte Juzwa phlegmatisch.
Ranicki schlug Juzwa mit seinem Säbelgriff vor die Brust und schrie: »Schlagt drein!«
Es glänzten die Klingen, die Frauen schrien, ein wüstes Handgemenge begann. Der Hüne Juzwa nahm eine schwere Bank und hob sie wie eine Feder hoch in die Luft.
Bald hüllte eine Staubwolke die Kämpfenden dicht ein; man vernahm nur Geschrei und das Gestöhn der Verwundeten.