Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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2. Kapitel.

Im Herrenhause zu Lubicz, wohin Pan Andreas fuhr, waren alle Zimmer hell erleuchtet, und wüster Lärm ertönte bis auf den Hof hinaus. Beim ersten Klang der Schellen stürzte die ganze Dienerschaft heraus, um ihren neuen Gebieter, Pan Andreas, zu empfangen. Der alte Verwalter stand mit Salz und Brot und machte eifrig tiefe Bücklinge. Kmicic nahm seine Börse und warf sie auf die Schüssel. Erstaunt, daß von seinen Kameraden keiner herausgekommen war, fragte er nach ihnen.

Die aber konnten nicht zu seiner Begrüßung kommen. Seit drei Stunden saßen sie schon am Tische, der mit Bechern und Krügen reich besetzt war. Wahrscheinlich hatten sie bei ihrem Gelage nicht einmal die Ankunft des Schlittens gehört.

Sobald Kmicic das Zimmer betrat, sprangen alle von ihren Plätzen auf und umringten ihn. Er lachte hell auf, als er sah, wie sie es in seiner Abwesenheit in seinem Hause getrieben hatten. Da kam zuerst der Riese, Pan Jaromir Kokosinski, der durch seine Rauf- und Zanksucht bekannt war. Eine fürchterliche Narbe zog sich über sein ganzes Gesicht hin. Es war Kmicic' »guter Kamerad«. Ihm folgte Pan Ranicki, der des Mordes zweier kleiner Adliger wegen ausgewiesen war. Der dritte, Pan Rekuc, hatte sein Vermögen durchgebracht, teils verspielt, teils versoffen. Er aß seit drei Jahren bei Pan Kmicic das Gnadenbrot. Der vierte, Pan Uglik, war wegen Beleidigung des Gerichtshofes zum Tode verurteilt. Seines Klarinettenspieles wegen genoß er Kmicic' Schutz. Außerdem waren noch da: Pan Kulwiec und Zend, der Zureiter, ein Mann von zweifelhafter Abkunft, der eine große Fertigkeit besaß, Tierstimmen nachzuahmen, und andere Ritter mehr.

Sie alle umringten den lachenden Pan Andreas.

Kmicic nahm einen Becher zur Hand und rief:

»Die Gesundheit meiner Braut!«

»Vivat! Vivat!« schrien alle so, daß die Fensterscheiben erzitterten.

Dann ergossen sich über Pan Andreas eine Menge Fragen.

»Wie sieht sie aus, Andreas? – Ist sie hübsch? – Ist sie so, wie du sie dir vorgestellt hast? – Gibt es mehr solche in Orsza?«

»In Orsza!« schrie Kmicic, »ei, zum Teufel! In der weiten Welt gibt es keine zweite so.«

»Und wann soll die Hochzeit sein?« fragte Pan Ranicki.

»Sobald die Trauerzeit zu Ende ist.«

»Unsinn! Trauerzeit. – Zur Hochzeit legt man doch die Trauer ab, und die Kinder kommen auch nicht schwarz, sondern weiß zur Welt. Drum immer zu, Andreas!«

»Meine lieben Lämmer,« unterbrach ihn Kmicic, »wartet 'mal ein bißchen, oder, besser gesagt, schert euch alle zum Teufel, ich will mich 'mal jetzt in meinem Hause umsehen.«

»Um keinen Preis!« widersetzte sich Uglik. »Morgen ist auch noch ein Tag, – jetzt geht's zu Tisch.«

»Die Besichtigung haben wir schon besorgt. Eine Goldgrube ist dies Lubicz,« sagte Ranicki.

»Und was für einen Pferdestall es hat!« fügte Zend hinzu.

»Also alles in Ordnung,« sagte erfreut Kmicic, »nun denn, zu Tisch.«

Kaum waren die Becher gefüllt, als sich Pan Ranicki erhob:

»Auf die Gesundheit des Kammerherrn Billewicz!«

»Dummkopf!« sagte Kmicic, »die Gesundheit eines Toten!«

»Nun denn Eure Gesundheit!«

»Daß ihr in diesen Zimmern gute Tage verlebt!«

Kmicic sah sich unwillkürlich im Zimmer um. Von den vom Alter schwarz gewordenen Kieferwänden sahen Dutzende von finsteren Augen auf ihn herab. Diese Augen gehörten zu den Porträts der Billewicz'. Ringsherum über den Bildern hingen Schädel verschiedenen Wildes.

»Die Jagd muß hier sehr ergiebig sein,« bemerkte Kmicic.

»Du bist ein Glückspilz, Andreas, du hast eine Stätte, dein Haupt niederzulegen,« sagte Kokosinski.

»Nicht wie wir!« seufzte Ranicki.

»Trinken wir eins aus Gram.« sagte Rekuc.

»Laßt nur; was mir gehört, ist auch das eurige.«

Ein Toast folgte dem anderen; alle sprachen auf einmal. Kokosinski stimmte ein Lied an, Uglik zog aus seinem Busen eine Klarinette und begleitete ihn, und Pan Ranicki machte mit seinen nackten Armen Fechtbewegungen.

Der Hüne Kulwiec sah ihn mit großen Augen an.

»Du bist ein Narr! Fuchtele mit deinen Armen herum soviel du willst, Kmicic kannst du doch nicht übertreffen, und schießen tust du auch nicht so gut wie ich.«

»Einen Dukaten für den Schuß!«

»Gut, doch wo ist das Ziel?«

Ranicki sah sich mit seinen schwimmenden Augen um, endlich rief er, auf einen Schädel an der Wand zeigend:

»Hier, zwischen die Hörner! Um einen Dukaten!«

Kmicic fragte nach der Ursache des Streites.

»Einverstanden!« rief Pan Andreas. »Meinetwegen um drei Dukaten. Zend, die Pistolen!«

Es entstand ein wüster Lärm. Zend brachte bald Pistolen, einen Sack mit Kugeln und einen Berg Pulver herein. Es verging keine Viertelstunde, so fielen im Zimmer Schüsse. Der Pulverdampf zog sich in dichten Knäueln zusammen. Und um die Unordnung voll zu machen, begann Zend seine Künste zu zeigen. Er krähte wie eine Krähe, heulte wie ein Wolf und brüllte wie ein wilder Stier. Fast in jeder Minute sauste eine Kugel. Von den Wänden, den Bilderrahmen, den Schädeln flogen Stücke im Zimmer umher. Im Wirrwarr schoß man auch auf die verstorbenen Billewiecz, und Ranicki, der in Raserei verfiel, zerhackte die Bilder mit seinem Säbel.

Die erschrockene Dienerschaft lief zusammen und blieb versteinert stehen beim Anblick dieses Zeitvertreibs, der mehr einem Überfall der Tataren ähnelte. Die Hunde wurden unruhig und bellten und heulten. Alles im Hause kam auf die Beine. Auf dem Hofe standen die Leute in Gruppen. Die Mägde drückten ihre Gesichter an die Fensterscheiben.

Zend bemerkte das.

»Herrschaften, hinter den Fenstern stehen Mädchen!«

»Mädchen! Mädchen!«

»Tanzen! Tanzen wollen wir!«

Die betrunkene Menge stürzte auf den Hof hinaus. Selbst der Frost kühlte um nichts ihre erhitzten Gemüter. Die Mädchen schrien verzweifelt und stoben auseinander, die Offiziere hinter ihnen her. – Bald begann inmitten des Pulverdampfes, der Knochensplitter, der Holzstühle ein wüstes Tanzen um den Tisch herum, der mit Wein begossen war. – – – So zechten Pan Kmicic und seine Gäste in Lubicz.


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