Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Apologie

Meinem Vater

Am 16. Oktober 1823

             

Mein Vater, Vater wie du thronst
    In meinem Herzen hier, –
Denn, welchen Stern du dort bewohnst,
    Wer weiß, wer sagt es mir? –
Kaum hast du heimgelegt dein Herz,
    Dein Auge zugetan,
So prüft man auch schon meinen Schmerz,
    Und legt das Maß daran.
Sie tadeln mir das Kleid am Leib,
    In meinem Aug' den Stern,
Und was ich lasse, was ich treib',
    Es findet seinen Herrn.

Daß ich den herben Feierzug
    Der Leiche mir erspart,
Und keinen Schmerz zu Markte trug
    Bei deiner Grabesfahrt,
Das bringt die Guten außer sich
    Und reizt sie auf zum Hohn;
Mag sein; du Vater siehst in mich
    Und kennest deinen Sohn.
Mein Grabscheit war – verschwiegne Qual,
    Mein Busen war –das Grab,
Da scharrt ich dich, beim Fackelstrahl
    Getäuschten Glücks hinab.

Das ich mich eben lasse sehn,
    Wo sie, nach Modeschnitt,
Sich lispelnd oder wiehernd drehn
    In frechem Faunenschritt,
Das macht sie bös, die frommen Herrn,
    Und ärgert sie gar sehr; –
O kennten sie mich nur von fern,
    Sie täten's noch weit mehr!
Wo fühlt' ich, welch ein Mann verschied,
    Wo fühlt' ich's tiefer wohl,
Als wo mein Aug' ihr Leben sieht,
    So ärmlich, flach und hohl?

Und daß ich gar ins Schauspielhaus
    Mit meiner Trauer geh',
Drob ziehn sie gar die Stirne kraus
    Und jammern Ach und Weh!
Gewiß, mein Vater, gönntest du
    Mir diese karge Lust,
So gut sie manch ein Stündchen Ruh'
    Mir zu verleihn gewußt!
Spielt' ich doch nun ein Trauerspiel,
    Der Held darin war – ich,
Ich half, ich rang, ich stritt, ich fiel, –
    Noch schmerzt die Wunde mich.

Und wenn ich steh' auf freiem Feld,
    Mit Freunden mich erbau',
Und meine Lust hab' an der Welt
    Und auf und nieder schau,
Das nehmen sie mir wieder krumm,
    Und schelten meinen Sinn,
Daß ich nicht lieber, trüb und stumm,
    In meiner Kammer bin.
Mein Vater, was kann ich dafür,
    Daß die Natur so licht?
Daß sie sich tränenlos mit mir,
    Als Trösterin, bespricht?! –

Mein Vater, ja! du schiltst mich nicht!
    Dein milder Wink verzeiht:
Ich sehe dich – das Schloß zerbricht
    Am Tor der Ewigkeit!
Es ist dein Blick, der winkt; dein Haupt,
    Dein teures Haupt, das nickt:
Ein Kranz von Strahlen hat's umlaubt,
    Der ziert, nicht niederdrückt;
Es ist die Hand, die Vaterhand,
    Die mir so wert, so viel –!
Welt, Welt, verdamme mit Verstand;
    Ich halt' an dem Gefühl!

 


 


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