Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Die Schneebraut

            Die Gletschernymphe liebt so heiß
    Den schönen Jägersmann,
Und blickt aus ihrem Haus von Eis
    Ihn oft begehrend an.
Allein des Gemsenjägers Sinn
    Ist rauh wie seine Welt;
Sie schmeichelt ihm, sie warnet ihn, –
    Er bleibt der Felsenheld.

Als Alpenröslein neigt sie oft
    Ihr Blütenhaupt ihm zu:
Als Zephir wiegt sie, unverhofft,
    Ihn still in weiche Ruh';
Oft droht sie wild als Nebelbild
    Vom Schreckhorngipfel ihm:
Durchbrauset oft das Schneegefild
    Mit bösem Ungestüm.

Er aber stehet unverzagt,
    Trotz Schmeicheln und Gefahr,
Ob es ihm gleich sein Ahnen sagt,
    Daß es die Nymphe war.
Sein Spiel ist kühne Gemsenhetz,
    Sein Reichtum keckes Blut;
Er achtet nicht der Nymphe Netz,
    In seinem Übermut.

Drob glühet sie in grauser Glut,
    Er hat ihr's angetan;
Und sei's in seinem roten Blut,
    Sie muß ihn doch umfahn;
Sie muß an seine Brust die Brust
    Anschmiegen weich und warm;
Muß einmal büßen ihre Lust
    In Gemsenjägers Arm!

Drum schmückt sich, wild von Wut erfaßt,
    Mit vollem Schmuck die Maid:
Wirft um den Leib in toller Hast
    Ihr Berglawinenkleid;
Reiht um ihr Haupt das Zackenband
    Mit eisdemantnem Haft:
Bewehrt mit Donnerwucht die Hand,
    Den Fuß mit Schwindelkraft.

Da steht der schöne Jägersmann
    Am hohen Alpensteg:
Die Nymphe schaut's und eilt heran
    Auf schrägem Felsenweg.
Er sieht sie nahn; sie sieht ihn fliehn;
    Flieht nach von Schacht zu Schacht;
Da bückt er sich, da faßt sie ihn
    Mit wilder Liebesmacht.

Da stürzt sie sich mit ihm hinab
    Aufs himmeltiefe Pfühl,
Und treibt im kühlen Felsengrab
    Mit ihm ihr Liebesspiel. –
Manch einer, der dem Jäger gut,
    Weiß nicht, wohin er kam:
Doch in der Schneebraut Armen ruht
    Der Jägerbräutigam!

 


 


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