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Nun halte ich das Glück beim Schopfe fest,
Entschlüpft es mir, so ist es meine Schuld.
Wer mit dem widrigen Geschick gekämpfet hat,
Versteht's am besten, günst'gen Wind zu nützen.
Altes Schauspiel.
Unsere Reisenden erreichten Edinburgh ohne fernere Abenteuer, und der Herr von Ravenswood nahm, wie es verabredet war, seine Wohnung bei seinem edlen Freunde.
Inzwischen war die erwartete politische Krisis eingetreten, und die Torypartei erhielt in dem schottischen wie in dem englischen Rath der Königin Anna ein vorübergehendes Uebergewicht, von dem wir hier Ursache und Wirkungen nicht anzugeben haben. Es genügt zu sagen, daß es die verschiedenen politischen Parteien je nach der Beschaffenheit ihrer Grundsätze bewegte. Viele von der hohen Kirchenpartei in England, mit Harley, später Earl von Oxford, an der Spitze, beeiferten sich, den jacobitischen Grundsätzen zu entsagen, und wurden darum die Launenhaften genannt. Die schottische hohe Kirchenpartei dagegen, oder, wie sie sich selber nannten, die Ritter, waren, wenn auch weniger klug, doch standhafter in ihrer Politik, und sahen Alle die neuen Veränderungen als Voranstalten an, um bei dem Hintritt der Königin den Bruder derselben, den Chevalier de St. George, auf den Thron zu rufen. Diejenigen, welche im Dienst desselben gelitten hatten, nährten nun die überspanntesten Hoffnungen nicht nur auf Schadloshaltung, sondern auch aus Rache an ihren politischen Gegnern, während die Whigfamilien eine Erneuerung der Drangsale, welche sie unter Karl II. und seinem Bruder erfahren hatten, und eine Wiedervergeltung der Gütereinziehungen, womit sie die Jacobiten unter König Wilhelm belegt hatten, voraussahen.
Doch die meiste Unruhe über diese Veränderung herrschte bei dem Haufen jener Pfiffigen, die unter allen Regierungen vorkommen, und während der Provinzialadministration in Schottland sehr häufig waren. Cromwell nennt sie die Nachtreter der Vorsehung, was so viel heißt als Anhänger der jedesmaligen siegenden Partei. Viele derselben beeilten sich, dem Marquis von A– ihre politische Rechtgläubigkeit wissen zu lassen, und da man leicht merkte, daß derselbe an den Angelegenheiten seines Verwandten, des Herrn von Ravenswood, großen Antheil nahm, so waren sie die ersten, um Maßregeln zu treffen, wodurch Ravenswood einen Theil seiner Güter zurückerhielt, und wodurch der Adel seiner Familie wieder hergestellt wurde.
Der alte Lord Turntippet gab sich für einen der eifrigsten Anhänger dieser Maßregeln aus, denn, es thäte ihm in der Seele weh, sagte er, einen so braven jungen Herrn, von so ächtem, altem Adel, und, was mehr als Alles sei, einen Blutsverwandten des Marquis von A– , den, schwur er, er auf Erden am Höchsten schätze, in eine solche Klemme gebracht zu sehen. »Aus seinem eigenen Vermögen,« wie er sagte, »und um zur Wiederherstellung eines solchen alten Hauses etwas beizutragen,« übersandte Lord Turntippet drei Familiengemälde ohne die Rahmen und sechs Stühle mit hohen Rücken und türkischen Kissen, worauf das Wappen Ravenswoods gestickt war, ohne einen Heller vom Kapital oder Interessen, die sie ihn gekostet hätten, zu verlangen, da er sie vor sechszehn Jahren bei dem Verkauf des Hausgeräthes in Lord Ravenswoods Wohnung im Canongate erstanden hätte.
Mehr zu Lord Turntippets Verdruß, als zu seinem Befremden, wiewohl er sich stellte, mehr von diesem, als von jenem erfüllt zu sein, empfing der Marquis dies Geschenk sehr trocken, und bemerkte, »daß die Wiedererstattung, wenn dieselbe dem Herrn von Ravenswood und seinen Freunden annehmbar scheinen sollte, von einem schönen, großen Pachtgut begleitet sein müsse, das für eine sehr geringe Summe an Turntippet verpfändet worden war, und das derselbe während der Verwirrung der Ravenswood'schen Familienverhältnisse und durch Mittel, welche den Rechtsgelehrten jener Zeit wohl bekannt waren, zu seinem unumschränkten Eigenthum gemacht hatte.«
Der alte, pfiffige Lord sträubte sich gewaltig gegen diese Forderung; er betheuerte bei Gott, »daß es jetzt nicht an der Zeit sei, dem jungen Mann das Gut zurückzugeben, da derselbe jetzt mit aller Wahrscheinlichkeit den größeren Theil von Sir William Ashtons Ländereien zurückerhalten würde, wozu er ihm selbst, wie es recht und billig sei, auf alle Weise behülflich sein wolle;« und endlich erklärte er, »daß er gesonnen sei, dem jungen Herrn das Pachtgut auf den Fall seines Ablebens zuzusichern.«
Aber alle diese Ausflüchte halfen nichts, und er war genöthigt, das Eigenthum gegen Rückgabe der Summe, für die es verpfändet worden war, herauszugeben. Da ihm kein anderes Mittel blieb, mit den Gewaltigeren Frieden zu machen, so ging er betrübt und mißvergnügt heim, und klagte seinen Vertrauten, »daß ihm bisher jede Staatsveränderung irgend ein Vortheilchen gebracht hätte, daß aber die gegenwärtige ihm eine der besten Federn aus seinem Flügel koste.«
Aehnliche Maßregeln wurden gegen Andere ergriffen, die von dem Unglück des Hauses Ravenswood Nutzen gezogen hatten, und namentlich wurde Sir William Ashton mit einer Appellation an das Haus der Pairs gegen die richterliche Erkenntniß, nach welcher er das Schloß und die Baronei Ravenswood im Besitz hielt, bedroht. Gegen ihn jedoch hielt sich Ravenswood Luciens wegen und um der von ihm empfangenen Gastlichkeit willen verpflichtet, mit großer Offenheit zu handeln. Er schrieb an den gewesenen Lord Keeper (denn Sir William hatte diese Stelle nicht mehr), er erklärte ihm frei das Versprechen, das zwischen ihm und seiner Tochter bestand, er forderte seine Erlaubniß für diese Verbindung, und erklärte sich geneigt, seine Angelegenheiten mit Sir William so zu ordnen, daß derselbe damit zufrieden sein sollte.
Der nämliche Bote war mit einem Brief an Lady Ashton beauftragt. Ravenswood bat sie darin für Alles, wodurch er sich ohne sein Verschulden ihre Mißfallen hätte zuziehen können, um Vergebung; er sprach weitläufig von seiner Neigung zu Miß Ashton und von der schon langen Dauer derselben, und er beschwor die Lady als eine Douglas von Charakter und von Namen, alte Vorurtheile und Mißverständnisse edelmüthig zu vergessen, und überzeugt zu sein, daß ihre Familie einen Freund und sie selbst einen ehrfurchtsvoll ergebenen Diener erworben hätte in Unterzeichnetem, Edgar, Herrn von Ravenswood.
Ein dritter Brief war an Lucie selbst, und der Bote war beauftragt, ihn auf sicheren und geheimen Wegen in ihre Hände kommen zu lassen. Der Brief enthielt die stärksten Betheuerungen unerschütterlicher Liebe, und verweilte bei dem bevorstehenden Wechsel von des Schreibers Glücksstand, da derselbe von großem Einfluß sein müsse, um die Hindernisse, die ihrer Verbindung im Wege standen, zu beseitigen. Er berichtete die Schritte, die er gethan habe, um die Vorurtheile ihrer Eltern, namentlich die ihrer Mutter zu besiegen, und drückte die Hoffnung aus, daß sich diese Schritte als wirksam erweisen würden. Wenn nicht, so baue er doch darauf, daß während der Zeit, wo er auf einer wichtigen und ehrenvollen Gesandtschaftsreise von Schottland abwesend sein würde, die alten Vorurtheile in Vergessenheit kommen würden, während er glaube und hoffe, daß die Treue von Miß Ashton, auf die er das größte Vertrauen setze, alle Unternehmungen vereiteln würde, die zum Zweck hätten, ihrer Neigung eine andere Richtung zu geben. Manches Andere war noch in dem Briefe, das, wiewohl es den Liebenden selbst wichtig schien, für den Leser weder wichtig noch unterrichtend sein würde. Auf jeden dieser drei Briefe erhielt der Herr von Ravenswood eine Antwort, die ihm auf verschiedenen Wegen zukam, und in einem verschiedenen Tone verfaßt war.
Lady Ashton antwortete auf ihren Brief durch den Boten, der, ihn überbracht hatte, und der nur so lange auf dem Schlosse Ravenswood bleiben durfte, bis sie folgende Zeilen geschrieben hatte.
An Mr. Ravenswood von Wolf's Crag.
»Sir!
Ich habe einen Brief erhalten, unterzeichnet Edgar, Herr von Ravenswood, über dessen Schreiber ich nicht im Klaren bin, da ich weiß, daß eine solche Familie wegen Hochverrats in der Person von Allan, dem letzten Lord von Ravenswood entadelt worden ist. Sir, wenn Ihr die Person seid, die sich so unterschreibt, so gefalle es Euch, zu erfahren, daß ich die volle elterliche Gewalt über Miß Lucie Ashton anspreche, und daß ich über dieselbe unwiderruflich zu Gunsten einer würdigen Person verfügt habe. Auch wenn dies nicht wäre, Sir, so möchte ich nicht auf Euren Vorschlag oder auf den eines Eurer Verwandten hören, da dieselben immer die Hand erhoben haben, um die Freiheit der Unterthanen und der Kirche Gottes zu bekämpfen. Sir, kein flüchtiger Glücksschimmer kann meine unerschütterliche Meinung ändern, denn oft schon habe ich, wie der heilige David, den Ungerechten groß an Macht gesehen und blühend, wie ein Lorbeerbaum, doch ich ging vorüber, und sie waren nicht mehr da, und ihre Stelle kannte sie nicht mehr. Wünschend, daß Ihr dies zu Herzen nehmen möget, um Euretwillen, so weit es Euch betreffen kann, bitte ich Euch, keine weitere Notiz zu nehmen von mir, die ich zu verbleiben wünsche Eure unbekannte Dienerin
Margaretha Douglas,
sonst Ashton.«
Einige Tage später, nachdem er diesen höchst ungünstigen Brief erhalten hatte, fühlte sich der Herr von Ravenswood, während er durch die High Street in Edinburgh ging, von einer Person gestoßen, in welcher er, als der Mann den Hut abgenommen hatte, um sich zu entschuldigen, den vertrauten Diener von Sir William Ashton, Lockhard, erkannte. Der Mann verbeugte sich, gab ihm einen Brief, und verschwand. Der Umschlag enthielt vier enggeschriebene Folioseiten, aus denen jedoch, wie es bei den Schreiben großer Rechtsgelehrten zuweilen der Fall ist, wenig mehr zu entnehmen war, als daß sich der Schreiber in großer Verlegenheit fühle.
Sir William sprach viel von seiner hohen Achtung für seinen lieben, jungen Freund, den Herrn Ravenswood, und von der ganz außerordentlich hohen Achtung für den Marquis von A– , seinen sehr werthen, alten Freund. Er drückte die Hoffnung aus, daß die Maßregeln, die man in Betreff seiner zu nehmen für gut finden würde, mit allen Rücksichten, welche richterliche Entscheidungen und Urtheile in foro contentioso verdienten, ergriffen werden möchten. Er betheuerte vor Gott und Menschen, »daß, wenn das schottische Recht, wie es in den obersten Gerichtshöfen erklärt worden sei, in dem englischen Hause der Lords umgestoßen werden sollte, die Uebel, welche daraus für die Gesammtheit entspringen würden, seinem Herzen eine tiefere Wunde schlagen würden, als der Verlust es könnte, den er durch ein so unregelmäßiges Verfahren erleiden sollte. Er pries Großmuth und gegenseitige Vergebung hoch an, und deutete auf die Unbeständigkeit menschlicher Dinge, den Lieblingsgedanken einer schwachen politischen Partei. Freilich beklagte er, und milde tadelte er die Eile, womit man ihn seiner Stelle als Lord Keeper, die er vermöge seiner Erfahrung zum großen Nutzen der Gesammtheit verwalten konnte, entkleidet habe, ohne ihm Gelegenheit vergönnt zu haben, zu erklären, wie weit seine politischen Grundsätze von denen der jetzigen Machthaber verschieden wären. Er war überzeugt, daß der Marquis von A– so aufrichtig das allgemeine Beste wolle, wie er selbst oder irgend einer, und wenn sie sich bei einer Conferenz über die Mittel hätten verständigen können, dasselbe zu befördern, so würde er mit seinem Eifer und seiner Erfahrung der neuen Verwaltung wohl zur Hand gegangen sein. Ueber das Verhältniß zwischen Ravenswood und seiner Tochter sprach er trocken und unentschieden. Er bedauerte, daß ein so voreiliger Schritt, wie ein Verlöbniß zwischen jungen Leuten, gethan worden wäre, und er beschwor Ravenswood zu bedenken, daß er keine Aufmunterung dazu gegeben habe. Er bemerkte, daß ein Vertrag inter minores, ohne Zustimmung der natürlichen Curatoren seiner Tochter, nichtig und rechtsungültig wäre. Dieser voreilige Schritt,« fügte er hinzu, »habe einen sehr schlimmen Eindruck auf Lady Ashton gemacht, den man für den Augenblick nicht beseitigen könne. Der Colonel Douglas Ashton habe die Vorurtheile seiner Mutter in ihrem ganzen Maße angenommen, und es wäre Sir William unmöglich, ein ihnen mißfallendes Ziel zu verfolgen, ohne mit seiner Familie auf immer zu brechen, woran für jetzt nicht zu denken sei. Die Zeit, dieser große Arzt,« hoffte er, »würde Alles gut machen.«
In einer Nachschrift sagte Sir William etwas deutlicher, »daß, ehe er es zugebe, daß das schottische Recht in Betreff der Baronei Ravenswood eine Demüthigung erlitte durch den Umstoß des Urtheils der obersten Gerichtshöfe Schottlands, und zwar durch Einschreitung eines Appellationsgerichtes, das er als ein fremdes betrachten müsse, er sich lieber außergerichtlich zu den größten Opfern verstehen würde.«
Von Lucie Ashton erhielt Ravenswood auf unbekanntem Wege die folgenden Zeilen: »Ich habe Euer Schreiben erhalten, doch es war mit der größten Gefahr. Versucht es nicht, mir wieder zu schreiben, bis die Zeiten besser sind. Ich bin scharf bewacht, doch ich will meinem Worte treu bleiben, so lange mir der Gebrauch meiner Vernunft vergönnt ist. Daß Ihr glücklich seid, ist ein Trost für mich, dessen meine Lage so sehr bedarf.« Das Briefchen war unterzeichnet L. A.
Diese Zeilen erfüllten Ravenswood mit der äußersten Unruhe. Ungeachtet des Verbotes machte er manchen Versuch, Briefe an Miß Ashton gelangen zu lassen, und eine Zusammenkunft mit ihr zu erlangen; aber seine Pläne wurden vereitelt, und er erkannte es zu seinem Verdrusse, daß scharfe und wirksame Maßregeln getroffen worden wären, um jede Correspondenz zu verhindern. Ravenswood war über diesen Umstand um so mehr betroffen, als er seine Abreise von Schottland auf die wichtige Sendung, die ihm übertragen worden war, nicht länger verschieben konnte. Vor seiner Abreise legte er den Brief von Sir William Ashton in die Hände des Marquis von A– nieder, der lächelnd bemerkte, »daß die Gnadenzeit für Sir William vorbei sei, und daß derselbe nur lernen möge, welche Seite des Zauns die Sonne jetzt beschiene.« Nur mit großer Mühe erpreßte Ravenswood vom Marquis das Versprechen, den Rechtsstreit im Parlamente beilegen zu wollen, wenn sich Sir William geneigt bezeigen sollte, in eine Verbindung zwischen Ravenswood und Lucie Ashton einzuwilligen.
»Ich würde schwerlich zugeben,« sagte der Marquis, »daß Ihr Euer Geburtsrecht so wegwürfet, wenn ich nicht vollkommen überzeugt wäre, daß Lady Ashton oder Lady Douglas, oder wie sie sich nennen mag, auf ihrem Kopf bestehen, und daß ihr Mann es nicht wagen wird, ihr zu widersprechen.«
»Dennoch hoffe ich,« sagte Ravenswood, »daß Ew. Herrlichkeit mein Versprechen als heilig betrachten wird?«
»Verlaßt Euch auf mein Ehrenwort,« sagte der Marquis, »daß ich selbst der Freund Eurer Thorheiten sein möchte. Nachdem ich Euch so meine Meinung gesagt habe, will ich mich bestreben, mich nach den Umständen Eurer Meinung zu bequemen.«
Der Herr von Ravenswood konnte seinem edlen Verwandten und Beschützer nur danken, und er ließ ihm Vollmacht für alle seine Angelegenheiten. Er verließ Schottland, um seine Sendung anzutreten, die, wie man glaubte, ihn einige Monate auf dem festen Lande halten würde.