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Zwölftes Kapitel.

Ei Dame, sprach er, je vous dis sans doute,
Hätt' ich die Leber vom Kapaun allein,
Von Eurem Weißbrod nur ein Schnittchen fein,
Und dann 'nen Ferkelkopf gebraten wohl
(Doch wegen meiner kein Vieh sterben soll);
Dann ließ ich Eure Predigt mir gefallen.

Chaucer.

 

Es war nicht ohne gewisse böse Ahnung, daß Caleb seine Kundschaftsreise antrat. Drei Dinge lagen ihm schwer auf dem Herzen. Er wagte es nicht, seinem Herrn die Beleidigung einzugestehen, die er diesen Morgen zur Ehre der Familie Bucklaw zugefügt hatte, – er wagte es nicht, zu bekennen, daß er in Ablehnung der Börse zu übereilt gehandelt habe, – und drittens, er fürchtete unangenehme Folgen, wenn er mit Hayston zusammenträfe, da derselbe durch die erhaltene Beleidigung und ohne Zweifel auch dermalen durch einen nicht mäßigen Branntweingenuß erhitzt sein mußte.

Caleb war, um ihm Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, kühn wie ein Löwe, wenn es die Ehre der Familie Ravenswood galt; aber es war dieß eine bedächtige Kühnheit, die sich nicht gern unnöthiger Weise aussetzt. Dieß war jedoch ein untergeordnetes Bedenken; die Hauptsache war, die Aermlichkeit des Schloßhaushalts zu verschleiern, und sein Geprahle von den reichen Nahrungsquellen desselben zu bestätigen, ohne Lockhard's Beistand und ohne die Unterstützung seines Herrn. Es war dieß für ihn eine so wichtige Ehrensache, wie für jenen stolzen Elephanten, mit dem wir ihn schon verglichen haben, welcher, da er überladen war, sich das Genick zerbrach durch die gewaltige Anstrengung, die er machte, sich seiner Schuldigkeit zu entledigen, als man einen anderen zu seiner Hülfe herbeiführte.

Das Dorf, dem sie sich nun näherten, hatte dem armen Kellermeister oft aus ähnlichen Verlegenheiten geholfen; aber seine Verbindungen mit ihm hatten sich jüngst geändert.

Es war ein geringer Weiler, der auf einer kleinen, durch die Mündung eines Bachs gebildeten Landzunge zerstreut lag, und wurde von dem Schloß, zu dem es in früheren Zeiten gehörte, wegen eines Erdrückens, der eine Landspitze bildete, nicht gesehen. Es wurde Wolfs Hope (d. h. Wolfszuflucht) genannt, und die wenigen Einwohner gewannen ein ungewisses Stück Brod zu der Häringszeit durch Bemannung von zwei, drei Fischerbooten und während des Winters durch Schmuggeln von Branntwein. Sie hatten für die Herrn von Ravenswood eine Art von angeerbter Ehrfurcht; aber bei den Unfällen dieser Familie hatten die meisten Einwohner von Wolfs Hope darauf gedacht, ihre kleinen Besitzungen, ihre Hütten, Kohlgärten und Gemeinderechte frei zu kaufen, so daß sie der Lehenskette entledigt waren, und die verschiedenen Erpressungen nicht zu fürchten hatten, womit die damaligen schottischen Landedelleute, die selbst in großer Armuth lebten, mit oder ohne Vorwand ihre noch ärmeren Untersassen drückten. Im Allgemeinen mochten sie unabhängig genannt werden, und dieß war ein ärgerliches Ding für Caleb, der gewohnt war, bei ihnen die nämlichen Erpressungen auszuüben, welche in früheren Zeiten in England ausgeübt wurden, wenn »die königlichen Lieferer aus den gothischen Fallthoren herausstürzten, um mit Gewalt und Vorrechten, statt mit Geld Vorräthe einzukaufen, und die Beute von hundert Märkten und Alles, was in einem von Menschen verlassenen Lande aufgegriffen werden konnte, heimbrachten und in hundert Gewölben verwahrten Burke's Speech on Economical Reform, Works vol. III. p. 250.

Caleb liebte das Andenken, und betrübte sich über den Umsturz einer Gewalt, die im Kleinen die Erpressungen großer Lehensherrn nachahmte, und er sich es weis machte, daß der alte Brauch und die Oberherrlichkeit, wornach den Baronen von Ravenswood das Erste und Beste von allen Naturerzeugnissen auf fünf Meilen um das Schloß gebühre, nur schlummere, so gab er dann und wann den Einwohnern ein kleines Beispiel von Erpressung. Die Einwohner des Weilers fügten sich zuerst mit mehr oder weniger Bereitwilligkeit, denn sie hatten den Bedürfnissen des Barons und seiner Familie so lange den Vorzug vor ihren eigenen eingeräumt, daß ihre gegenwärtige Unabhängigkeit ihnen noch nicht das reine Gefühl ihrer Freiheit gab. Sie glichen einem Manne, der lange gefesselt war, und der selbst in der Freiheit den Druck der Bande an seinen Handgelenken zu verspüren wähnt. Doch der Genuß der Freiheit führt bald zur Erkenntniß ihrer Vorzüge, so wie der befreite Gefangene bei der freien Bewegung seiner Glieder bald das Gefühl des Drucks verliert, das er gebunden verspürte.

Die Einwohner von Wolfs Hope begannen zu murren, zu widersprechen, und endlich alle Willfährigkeit für Calebs Erpressungen förmlich zu verweigern. Vergebens hielt ihnen derselbe vor, daß, als Lord Ravenswood XI., von seiner Liebhaberei der Schiffer genannt, den Handel ihres Hafens durch Errichtung des Damms (ein Haufen von Steinen, die roh auf einander gelegt waren,) zum Schutz der Fischerboote begünstigt hätte, dieß unter der Voraussetzung geschehen wäre, daß er von jeder Kuh, die innerhalb der Baronei kalbe, den ersten Butterweck, und von jedem Huhn, das an jedem Montag im Jahre gelegte, und daher Montags-Ei genannte Ei erhalten solle.

Die Sassen hörten's und kratzten sich den Kopf, sie husteten, nießten, und um Antwort gedrängt, erwiderten sie einstimmig – sie wüßten's nicht zu sagen; – die allgemeine Ausflucht des schottischen Bauers, wenn sein Gewissen oder sein Gefühl ihm sagt, daß eine Forderung gerecht sei, die sein Eigennutz zu bekämpfen strebt.

Caleb jedoch überreichte den Notabeln von Wolfs Hope sein Butter- und Eieransuchen schriftlich, das er als Rückstand für die obengenannte Begünstigung oder Hülfeleistung forderte, und das auf die angegebene Art zu entrichten war, und nachdem er ihnen zu erkennen gegeben hatte, daß er nicht abgeneigt wäre, Gut oder Geld zu nehmen, wenn ihnen die Berichtigung in natura nicht anstehen sollte, verließ er sie in der Hoffnung, daß sie die Art und Weise besprechen würden, sich zu diesem Behufe zu schätzen. Aber sie kamen im Gegentheil in dem Entschluß, sich zu widersetzen, überein, und waren nur in Hinsicht der Mittel, ihren Widerstand zu begründen, unentschlossen, als der Küfer, eine sehr wichtige Person in jedem Fischerdorf und einer der Landesväter des Dörfchens, bemerkte, »daß ihre Hühner manchen Tag für die Lords von Ravenswood gelegt hätten, und daß es Zeit wäre, daß sie für diejenigen legten, die ihnen Herberge und Gerste gäben.« Ein einmüthiges Zähneblecken gab den Beifall der Versammlung zu erkennen. »Und,« fuhr der Redner fort, »wenn's euer Wille ist, ich will gerade einen Gang so weit als Dunse thun, nach dem Schreiber David Dingwall, der vom Norden kommt, um unter uns Ordnung zu stiften; er wird diese Sache in's Reine bringen, ich stehe euch dafür.«

Es wurde folglich ein Tag bestimmt, wo in Betreff des Ansuchens eine Versammlung gehalten werden sollte, und Caleb wurde eingeladen, sich in Wolfs Hope einzufinden.

Er machte sich auf den Weg mit offenen Händen und leerem Magen, im Vertrauen, die einen zu seines Herrn, den andern zu seinem eigenen Besten auf Unkosten der Sassen von Wolfs Hope zu füllen. Doch Wehe seinen Hoffnungen! Als er zum östlichen Ende des Weilers herein kam, trabte die ehrwürdige Gestalt von David Dingwald, einem listigen, barschen, bissigen, verschmitzten Landadvokaten, der bereits schon gegen die Familie Ravenswood gehandelt hatte, und ein Hauptagent von Sir William Ashton war, zum westlichen Ende herein, auf einem mit den Urkunden des Weilers ausgestopften ledernen Mantelsack reitend, und hoffend, daß er den Mr. Balderstone nicht habe warten lassen, sintemalen er beauftragt und bevollmächtigt sei, zu zahlen und zu empfangen, zu ersetzen und zu vergüten, und endlich nach Recht und Uebereinkunft zu verfahren in Rücksicht aller gegenseitigen und nicht berichtigten Forderungen, welcher Art sie auch seien, angehend, und belangend den Edlen Edgar Ravenswood, gemeinlich der Herr von Ravenswood genannt – –

»Der Hoch Edle Edgar Lord Ravenswood,« sagte Caleb mit großem Nachdruck, denn wiewohl er wußte, daß ihm aus dem Streite kein Vortheil erwachsen würde, so war er doch entschlossen, von der Ehre kein Pünktchen zu opfern.

»Lord Ravenswood also,« sagte der Sachwalter; »wir wollen nicht wegen Ehrentitel mit Euch streiten – gemeinlich Lord Ravenswood genannt, Erbherr der Lande und Baronei Wolf's Crag einerseits, und den John Whitefish und Andere, Insassen des Fleckens Wolfs Hope in der benannten Baronei andrerseits.«

Caleb war sich aus trauriger Erfahrung bewußt, daß er mit diesem Söldling einen ganz anderen Kampf würde zu bestehen haben, als mit den Sassen in eigener Person, auf deren alte Erinnerungen, Vorurtheile und Denkweise er durch hundert schiefe Beweise eingewirkt haben würde, für die der Stellvertreter völlig gefühllos war. Der Ausgang des Streits rechtfertigte seine Befürchtungen. Vergebens bot er allen Witz und alle Beredtsamkeit auf, und versammelte auf einen Haufen alle Beweise, die aus alter Gewohnheit und angestammter Treue oder von den Gutthaten, welche der Lord von Ravenswood der Gemeinde Wolfs Hope in vorigen Zeiten erzeigt hatte, und in künftigen noch erzeigen möchte, hergeleitet werden konnten. Der Schreiber blieb bei dem Inhalt seiner Urkunden stehen – er konnte es nicht finden – es war nicht in den Schriften. Und als Caleb, entschlossen, zu versuchen, was ein wenig Hitze ausrichten würde, die Folgen schilderte, die entstehen könnten, wenn der Lord Ravenswood dem Flecken seinen Schutz entzöge, ja als er darauf hindeutete, daß scharfe Maßregeln ergriffen werden könnten, so lachte ihm der Mann des Gesetzes in's Gesicht.

»Seine Clienten,« sagte er, »seien entschlossen, ihr Bestes für ihren Flecken zu thun, und er dächte, daß Lord Ravenswood, da er ein Lord wäre, genug zu thun habe, nach seinem eigenen Schlosse zu sehen. Was die Drohung von gewaltthätiger Unterdrückung belange durch Faustrechte oder via facti, wie das Gesetz sie nenne, so wolle er dem Mr. Balderstone bemerken, daß die neuen Zeiten nicht die alten wären, daß man hier auf der Südseite vom Forth und fern von dem Hochlande lebe, daß seine Clienten sich für geschickt hielten, sich selber zu beschützen; doch sollten sie sich hierin geirrt haben, so würden sie zu ihrer Sicherheit von der Regierung einen Corporal und vier Rothröcke erbitten, welche,« sagte Mr. Dingwall mit einem Zähneblöcken, vollkommen hinreichend sein würden, sie gegen den Lord Ravenswood und Alles, was er oder seine Anhänger mit Gewalt ausführen möchten, sicher zu stellen.

Hätte Caleb alle Blitze der Aristokratie in seinen Augen vereinigen können, um diesen Verächter der Lehenspflichten und Vorrechte todt niederzustrecken, er würde sie ihm, ohne der Folgen zu achten, an den Kopf geschleudert haben. Aber so war er gezwungen, seinen Heimweg nach dem Schlosse zu nehmen, woselbst er einen halben Tag lang selbst für Mysie unsichtbar blieb. Er verschloß sich in sein eigenes Gewölbe, wo er sitzend eine zinnerne Schüssel polirte, und sechs Stunden ohne Aufhören Maggy Lauder dazu pfiff.

Der Ausgang dieses unglücklichen Handels hatte Caleb von allen Hülfsquellen abgeschlossen, die ihm sonst von Wolfs Hope und Gebiet zugeflossen waren, wie von einem El Dorado oder Peru, von wo er vormals in allen Nothfällen einige Hülfe ziehen konnte. Er hatte sich wirklich gelobt, daß ihn der Teufel holen solle, wenn er je wieder den Fuß auf die Straße dorthin setze. Bis hieher hatte er sein Wort gehalten, und sonderbar genug, sein Wegbleiben strafte gewissermaßen, wie er erwartet hatte, die widerspenstigen Sassen. Mr. Balderstone war in ihren Augen eine mit höheren Wesen in Verbindung stehende Person, dessen Gegenwart ihre kleinen Feste verherrlichte, dessen Rath ihnen in vielen Fällen nützlich war, und dessen Gesellschaft ihrem Dorfe eine Art von Gewicht gab. Der Ort, bekannten sie, sähe nicht mehr aus wie sonst, und wie er aussehen sollte, seit Mr. Caleb so enge das Schloß hüte – doch was die Eier und die Butter belange, so sei dies gewiß eine höchst unvernünftige Forderung gewesen, wie Mr. Dingwall gar wohl dargethan habe.

Das war der Sachbestand zwischen den Parteien, als der alte Kellermeister, obschon ihm dies Galle und Wermuth war, sich genöthigt sah, entweder vor einem fremden Mann von Stand, und was schlimmer war, vor dem Diener dieses Fremden die gänzliche Unfähigkeit von Wolf's Crag, ein Mittagessen zu gewähren, zu offenbaren, oder sich auf das Mitleiden der Insaßen von Wolfs Hope zu verlassen. Das war eine schreckliche Herabwürdigung, aber die Nothwendigkeit war eben so gebieterisch als gesetzlos. Mit diesen Gefühlen trat er in die Straße des Dorfs.

Da er so bald als möglich seines Begleiters los sein wollte, so schickte er Mr. Lockhard nach der Schenke von Luckie Smatrash, von wo das Getöse, das Bucklaw, Craigengelt und ihre Gesellschaft beim Schmause machten, zur Straße herunterschallte, während das rothe Licht vom Fenster die eintretende Dämmerung erhellte, und einen Haufen von Fässern und Fäßchen beleuchtete, die in des Küfers Hofe, auf der anderen Seite des Weges, aufgeschichtet waren.

»Wenn Ihr, Mr. Lockhard,« sagte der alte Kellermeister zu seinem Begleiter, »nach der Schenke gehen wolltet, wo das Licht herkommt, und wo sie, wie ich glaube, eben singen Cauld Kail in Aberdeen, so könnt Ihr den Auftrag Eures Herrn, wegen des Wildprets ausrichten, und ich will den meinigen wegen Bucklaws Bett besorgen, sobald ich die übrigen Lebensmittel aufgetrieben habe. – Wir hätten gerade das Wildpret nicht sehr nöthig,« fügte er hinzu, indem er seinen Gefährten beim Knopfe zurückhielt, »um ein vollständiges Essen zu machen, aber es ist ein Compliment für die Jäger, wißt Ihr – und, Mr. Lockhard, wenn sie Euch einen Trunk, einen Becher Wein oder ein Glas Branntwein anbieten, so werdet Ihr so gescheid sein, es anzunehmen, für den Fall, daß der Donner unser Getränk im Schlosse sauer gemacht hat, was sehr zu befürchten steht.«

Hierauf entließ er Lockhard, und ging mit einem Fuß, der schwer wie Blei und dennoch leichter als sein Herz war, durch die holperige Straße des zerstreuten Dorfes, mit sich berathschlagend, wo er seinen ersten Angriff machen müsse. Es war nöthig, daß er irgend einen fände, dem alte Unterthänigkeit mehr gälte als neue Freiheit und dem sein Gesuch ehrfurchteinflößend und schmeichelhaft vorkommen möge. Aber in dem ganzen Dorfe gab es keinen Sassen von dieser Beschaffenheit. »Der Pfarrer,« dachte er bei sich selbst, »hat seinen Platz durch den vorigen Lord erhalten, aber sie haben wegen des Zehnten mit einander Streit gehabt; – die Frau des Brauers hat lang geborgt, und ihre Rechnung ist überreicht, und wenn es nicht die Ehre der Familie besonders heischet, so wäre es Sünde, einer Wittwe Schaden zu thun.« Niemand war fähiger, aber auch Niemand weniger aufgelegt, sich in dem gegenwärtigen Falle freundschaftlich zu erweisen als Gibbie Girder, der schon erwähnte Küfer, der den Aufstand in der Butter- und Eiersache geleitet hatte. »Doch Alles hängt, hoff' ich, davon ab, daß man die Leute gescheid anpackt,« sagte Caleb zu sich selbst, »und ich hatte einmal den dummen Einfall, zu sagen, daß er nur ein Hergelaufener in der Gemeinde wäre, und seitdem hat der Schlingel einen Haß auf die Familie geworfen. Doch hat er ein hübsches, junges Weibsbild geheirathet, die Hanne Lightbody, die Tochter vom alten Lightbody, der bei Loup-de-Dyke in Dienst stand, und der alte Lightbody selbst war an Marion verheirathet, die bei Mylady in der Familie lange Zeit diente; ich hatte manchen Tag meinen Spaß mit der Mutter der Hanne, und man spricht, daß sie bei ihnen wohnt. – Der Kerl hat Jakobusse und Georgiusse, wenn man nur daran kommen könnte – wahrhaftig, das wäre eine Ehre für den groben Tölpel, die er von uns gar nicht verdient hat, und wenn er durch uns Alles verliert, so kommt er wohlfeil davon – er kann's leicht entbehren.«

Seine Unentschlossenheit fahren lassend, und sich plötzlich umkehrend, ging Caleb hastig nach dem Hause des Küfers zurück, hob die Klinke ohne Umstände auf, und befand sich in einem Nu auf dem Vorplatz, von wo er ungesehen das Innere der Küche überschauen konnte.

Im Gegensatz zu der stillen Haushaltung zu Wolf's Crag loderte ein lustiges Feuer auf dem Herde des Küfers. Das Weib desselben, mit ihrem Perlenschmuck und Puffärmeln, legte die letzte Hand an ihren Sonntagsputz, während sie ihr recht hübsches und gutmüthiges Gesicht in einem zerbrochenen Spiegel betrachtete, der zu ihrem besonderen Gebrauch auf der Schlüsselbank stand. Ihre Mutter, nach dem einstimmigen Urtheil aller Gevatterinnen, die lustigste Hexe, die auf zwanzig Meilen in der Runde gefunden werden konnte, saß beim Feuer in der vollen Pracht ihres Grogramrocks, ihres Perlenschmucks und ihrer reinen Schürze, ein behagliches Pfeifchen schmauchend, und die Geschäfte der Küche beaufsichtigend. Denn (und dies war für das sehnsuchtsvolle Herz des bekümmerten Hausmeisters ein erfreulicherer Anblick als der einer geputzten und lustigen Frau) bei dem Feuer kochte ein großer Topf oder Kessel mit Rindfleisch und Speck, während vor demselben zwei Bratspieße durch zwei Küferlehrlinge, die einander gegenüber saßen, in Bewegung gesetzt wurden – der eine dieser Bratspieße war mit einem Hammelsviertel und der andere mit einer fetten Gans und ein paar wilden Enten beladen. Der Anblick und der Duft eines solchen Landes der Fülle verursachte Caleb fast eine Ohnmacht. Er wandte sich einen Augenblick um, das Wohnzimmer zu beaugenscheinigen, und er fand hier einen nicht weniger überraschenden Anblick – ein großer runder Tisch, für zehn oder zwölf Personen gedeckt und mit schneeweißem Tischzeug geschmückt, große, zinnerne Kannen, von silbernen Bechern umgeben, deren Inhalt wohl mit der glänzenden Außenseite übereinstimmte, reine Teller, Löffel, scharfe und glänzende Messer und Gabeln – Alles war zu einer besonderen Festlichkeit geordnet.

»Der Küfer hat den Teufel im Leib!« murmelte Caleb vor eifersüchtigem Erstaunen, »es ist eine Schande, daß sich Leute von seinem Schlag so den Gaumen kitzeln. Aber ich will nicht Caleb Balderstone heißen, wenn nicht einige von den guten Bissen da diesen Abend den Weg nach Wolf's Crag finden.«

Mit diesem Entschluß trat er in die Küche, und unter höflichen Begrüßungen küßte er die Mutter und die Tochter. Wolf's Crag war der Hof der Baronei und Caleb erster Minister zu Wolf's Crag, und es ist immer bemerkt worden, daß, obwohl die Männer, welche die Taxen bezahlen, den sie bedrückenden Höflingen zuweilen grollen, dennoch besagte Höflinge dem schönen Geschlechte willkommen sind, weil sie ihm die frischsten Neuigkeiten und die neuesten Moden liefern. Die beiden Frauen hingen alsbald an Calebs Halse, und ließen ihn die Küsse des Willkomms nehmen.

»Ach, seid Ihr's denn gewiß, Mr. Balderstone? – Es macht uns immer Freude, Euch zu sehen – setzt Euch – setzt Euch – der Hausvater wird froh sein, Euch zu sehen, Ihr habt ihn in Eurem Leben nicht so lustig gesehen; aber wir taufen diesen Abend unser kleines Würmchen, und Ihr werdet gewiß hier bleiben und die Handlung ansehen. – Wir haben einen Hammel geschlachtet, und einer unserer Bursche ist mit seiner Flinte im Sumpfe gewesen – Ihr waret sonst ein Liebhaber von wilden Vögeln.«

»Nein – nein, lieb Weibchen,« sagte Caleb, »ich bin nur gekommen, Euch guten Abend zu wünschen, und ich hätte gerne ein Wort mit dem Hausvater geredet, aber« – er wandte sich um, als wollte er gehen.

»Ihr dürft nicht so fort,« sagte die ältere Frau lachend, und ihn mit der Freiheit einer alten Bekannten zurückhaltend, »wer weiß, was es dem Kinde für einen Schaden thun könnte, wenn Ihr es so knapp ansehen wollt?«

»Aber ich habe große Eile, lieb Weib,« sagte der Kellermeister, und ließ sich ohne großen Widerstand nach seinem Sitze ziehen; »und um zu essen« (denn er bemerkte, daß die Hauswirthin für ihn einen Teller auftrug) – »um zu essen – ach Himmel! man tödtet uns oben mit Essen vom Morgen bis in die Nacht – es ist eine schändliche Schwelgerei; doch das haben wir den englischen Pockpuddings zu verdanken.«

»Still – nichts von den englischen Pockpuddings,« sagte Luckie Lighthody, »kostet die unsrigen, Mr. Balderstone – hier ist schwarzer und weißer – versucht, welcher Euch am besten schmeckt.«

»Beide sind gut – beide kostbar – könnten nicht besser sein; aber der Geruch allein macht mich satt, da ich so spät zu Mittag gegessen habe« (der arme Teufel hatte seit Morgen gefastet). »Doch ich möchte Euere Hausmannskost nicht verachten, lieb Weib, und, wenn Ihrs erlaubt, so leg' ich's in mein Tellertuch, denn ich bin der Leckereien von Mysie überdrüssig – Ihr wißt, ländliche Kost war mir immer das Liebste, Marion – und ländliche Dirnen dazu – (nach dem Weibe des Küfers blickend). – Die hier sieht jetzt nicht um ein Weniges besser aus, als die da, als sie Gilbert heirathete, und damals war sie die schönste Dirne in dem Kirchspiel. – Aber lustige Kuh, schönes Kalb.«

Die Weiber lächelten für sich bei diesem Compliment, und sie lächelten einander von Neuem an, als sie sahen, daß Caleb die Würste in ein mitgebrachtes Tellertuch wickelte, gerade so wie ein Dragoner Alles, was ihm vor die Hand kommt, in seinen Proviantsack steckt.

»Und was gibt's Neues auf dem Schlosse?« sagte die Küferin.

»Neues? – das Beste, was man hören kann – der Lord Keeper ist oben mit seiner schönen Tochter, um sie meinem Herrn an den Kopf zu werfen, wenn dieser sie ihm nicht abnimmt; und ich bin gut dafür, er wird ihr unsere alten Ländereien von Ravenswood an die Schleppe ihres Rockes heften.«

»Ei, seht doch – und will er sie haben? – und ist sie schön? – und welche Farbe hat ihr Haar? – und wie ist sie angezogen?« Das waren die Fragen, womit die beiden Weiber den Kellermeister überschütteten.

»Genug, genug! – man braucht einen Tag, um auf alle Eure Fragen zu antworten, und ich habe keine Minute Zeit. Wo ist der Hauswirth?«

»Er ist fort, den Pfarrer zu holen,« sagte Mrs. Girder, »den würdigen Mr. Peter Bidethebent von Mosshead – der rechtschaffene Mann hat sich den Rheumatismus auf den Bergen geholt zur Zeit der Verfolgung.«

»Aha! – ein Whig und einer von den Bergen – nicht wahr?« sagte Caleb mit unverbissenem Aerger, »ich weiß die Zeit, wo der würdige Mr. Cuffcushion und seine Liturgie Euch (zu der älteren Frau) und jedes andere ehrbare Weib befriedigt hätten.«

»Das ist nur zu wahr,« – sagte Mrs. Lightbody, »aber was kann ich machen? – die Hanne muß ihren Psalter singen und ihre Schürze tragen, wie's dem Hausvater beliebt, und nicht wie's Anderen beliebt: denn er ist Herr und Meister im Hause, das kann ich Euch sagen, Herr Balderstone.«

»Soso, und hat er auch das Geld in seinen Händen?« sagte Caleb, für dessen Plan diese Mannesherrschaft wenig versprach.

»Jeden Pfennig – aber er läßt sie rein und sauber daher gehen, wie Ihr seht – also hat sie keine Ursache, sich zu beklagen – wenn es eine besser hat als sie, so haben's zehn andere schlechter.«

»Freilich Mutter,« sagte Caleb niedergeschlagen aber nicht entmuthigt, »indeß dieß war nicht der Weg, den Euch Euer Mann führte, doch ländlich, sittlich. Ich muß fort – ich wollte nur dem Hausvater zuraunen, daß ich sie oben habe sagen hören, Peter Puncheon, der königliche Kellerküfer bei der Timmer Burse zu Leith, sei gestorben – ich dachte also, daß vielleicht ein Wort von meinem Herrn zu dem Lord Keeper dem Gilbert angenehm hätte sein können: da er aber nicht zu Hause ist –«

»Ihr müßt warten, bis er heim kommt,« sagte die Frau; »ich hab's dem Hausvater immer gesagt, daß Ihr ihm wohlwollt, aber er ist über das geringste Wörtchen verdrossen.«

»Gut, ich will bis auf die letzte Minute warten, die ich kann.«

»Also,« sagte die hübsche Ehehälfte von Mr. Girder, »Ihr haltet die Miß Ashton für schön? – freilich sollte das sein, wenn sie das Auge auf einen jungen Lord wirft, der ein Gesicht und eine Hand und einen Anstand zu Pferde hat wie ein Prinz. – Ihr wißt, Mr. Balderstone, daß er immer nach meinem Fenster blickt, wenn er durch den Flecken reitet, also kann ich's wissen so gut als irgend Jemand, wem er gleich sieht.«

»Ich weiß es sehr wohl,« sagte Caleb, »denn ich habe Se. Herrlichkeit sagen hören, daß des Küfers Frau das schwärzeste Auge in der ganzen Baronei habe, und ich sagte: das muß wohl sein, Mylord, denn ihre Mutter hatte es vor ihr, wie ich zu meinem Schaden weiß. – Nun, Marion? Ha, ha, ha! – Ach! das waren mir selige Tage!«

»Wollt Ihr schweigen, alter Sünder,« sagte die alte Frau, »vor jungem Volk solche Possen zu reden. – Aber, Hanne – pfui, Dirne, hörst du nicht das Kindchen schreien? Gib Acht, ob's nicht wieder das verwünschte Fieberchen ist.«

Mutter und Großmutter standen auf, und rannten nach einem entlegenen Winkel des Hauses, wo der junge Held des Abends niedergelegt war. Als Caleb Alles sicher sah, nahm er eine mächtige Prise, um sich zu seinem Werke anzufeuern.

»Soll mich der Henker,« dachte er, »wenn der Bidethebent oder Girder heute Abend diesen Spieß wilde Vögel essen;« und indem er sich an den ältesten Spießdreher, einen etwa elfjährigen Buben, wandte, und ihm einen Pfennig in die Hand steckte, sagte er: »hier sind zwei Pfennige, Dicker, lauf zur Mrs. Smatrash, und laß dir meine Dose mit Schnupftaback füllen, ich will unterdessen den Spieß für dich drehen, und sie wird dir ein Stück Pfefferbrod für deine Mühe geben.«

Kaum war der ältere Knabe fort, als Caleb, indem er dem zurückgebliebenen Spießdreher ernst und fest in's Gesicht sah, den Spieß mit den wilden Enten, auf den er es abgesehen hatte, vom Feuer wegnahm, seinen Hut in den Kopf drückte, und lustig davonschritt. Er hielt sich an der Thüre der Schenke nur so lange auf, um mit kurzen Worten zu sagen, daß Mr. Hayston von Bucklaw diese Nacht kein Bett auf dem Schlosse erwarten dürfe. –

Wenn die Botschaft Calebs ein wenig kurz ausgerichtet war, so wurde sie durch die Vermittelung einer gemeinen Dorfwirthin fast bis zur Grobheit gesteigert, und Bucklaw wurde darüber, was Männern von kühlerem Blute auch wohl begegnet sein würde, äußerst böse. Der Kapitän Craigengelt schlug unter einstimmigem Beifall vor, den alten Fuchs (er meinte Caleb) zu jagen und zu prellen, ehe er seinen Bau erreiche. Aber Lockhard deutete den Dienern seines Herrn und denen von Lord Bittlebrains in einem gebietenden Tone an, daß das geringste Leid, das man dem Diener des Herrn von Ravenswood zufüge, Sir William Ashton auf's Höchste mißfallen würde. Und nachdem er also auf eine Weise gesprochen hatte, die ihnen die Lust benahm, den Streich auszuführen, verließ er das Wirthshaus, von zwei, mit den vorgefundenen Lebensmitteln beladenen Dienern begleitet, und er holte Caleb ein, gerade als derselbe zum Dorfe hinaus ging.

 


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