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Hamlet. Hat dieser Schlingel kein Gefühl bei seinem
Geschäft – er singt beim Grabmachen.
Horatio. Gewohnheit hat ihm das zu einem leichten
Ding gemacht.
Hamlet. Ja so ist's, die Hand, die weniger schafft,
hat das feinere Gefühl.
Hamlet, Act V. Sc. 1.
Der Schlaf von Ravenswood wurde durch widrige und beunruhigende Erscheinungen unterbrochen, und die Zwischenräume, worin er wachte, wurden mit traurigen Rückblicken auf die Vergangenheit und mit peinigenden Betrachtungen der Zukunft hingebracht. Er war vielleicht unter allen Reisenden, die je in dieser erbärmlichen Kneipe schliefen, der einzige, der sich nicht über die Unbequemlichkeiten derselben beklagte, ja ihrer nicht einmal achtete. Denn nur wenn die Seele unbeschäftigt ist, wird der Leib empfindlich. Doch der Morgen fand Ravenswood frühe auf, denn er hoffte, daß ihm die frische Luft die Stärkung gewähren möchte, die ihm die Nacht verweigert hatte. Er nahm seinen Weg zu dem alten Kirchhof, der etwa eine halbe Meile von der Schenke entfernt war.
Ein dünner blauer Rauch, der von der Hütte emporwallte, und die Wohnung des Lebendigen von der des Todten unterschied, verkündete ihm, daß der Bewohner derselben zurückgekehrt und in Bewegung sei. Wirklich fand er, als er in den kleinen Kirchhof trat, daß der alte Mann an einem halbfertigen Grabe arbeitete. »Mein Schicksal,« dachte Ravenswood, »leitet mich zu Bildern des Schicksals und des Todes, doch das sind kindische Gedanken, und sie sollen mich nicht meistern. Ich will's meiner Einbildung nicht mehr verstatten, meine Sinne zu berücken.« Der Alte blieb auf sein Grabscheit gestützt, als Ravenswood sich näherte, und erwartete seine Befehle, und da er nicht gleich sprach, so eröffnete der Küster die Unterhaltung.
»Ich wette, Ihr seid ein Hochzeitskunde, Herr?«
»Warum glaubt Ihr das, Freund?« versetzte Ravenswood.
»Ich lebe von zwei Geschäften, Sir,« versetzte der muntere Alte, »von der Fiedel und vom Spaten, Sir, ich fülle die Welt und leere sie, und ich muß wohl meine beiden Kundschaften am Gesichte kennen nach dreißigjähriger Praxis.«
»Doch für diesmal irrt Ihr Euch,« sagte Ravenswood.
»Wirklich?« sagte der alte Mann, indem er ihn scharf ansah, »das kann wohl der Fall sein, denn so hoch auch Eure Stirne ist, so sitzt doch Etwas darauf, das dem Tode gerade so nahe ist, wie dem Ehestand. Wohl, wohl, Hacke und Schaufel stehen Euch zu Diensten so gut als Geige und Fiedelbogen.«
»Ich wünsche,« sagte Ravenswood, »daß Ihr einem alten Weibe, der Alice Gray, die am Craigfort in Ravenswood Park wohnte, ein anständiges Begräbniß machtet.«
»Alice Gray! die blinde Alice!« sagte der Küster, »ist die endlich fort? das ist ein Glockenschlag, der mich mahnt, mich reisefertig zu halten. Mir gedenkt's noch, als Habbie Gray sie hier in's Land brachte, damals war sie ein hübsches Weibsbild und sah uns Alle mit ihrer südländischen Nase von oben herab an. Ihr Hochmuth ist nun zum Falle gekommen. Aber ist sie wirklich todt?«
»Sie ist gestern gestorben,« sagte Ravenswood, »und sie wünschte hier neben ihrem Manne begraben zu werden; Ihr wißt ohne Zweifel, wo er liegt?«
»Ob ich weiß, wo er liegt?« antwortete der Küster mit volksthümlicher Weitläufigkeit, »ich weiß wo alle Leichen liegen, die hier liegen. Doch Ihr spracht von ihrem Grabe? – Gott helf uns, ein gewöhnliches Grab ist nicht genug, sie zu halten, wenn's wahr ist, was die Leute von Alicen in ihren alten Tagen sagen, und wenn ich's sechs Fuß tief mache – denn ein Hexengrab darf um keinen Zoll weniger haben, wenn nicht die anderen Hexen sie aus alter Bekanntschaft aus dem Leichentuch loswickeln sollen – doch sei es sechs Fuß tief oder nur drei Fuß, wer bezahlt den Macherlohn, mit Eurer Erlaubniß?«
»Ich, mein Freund, und alle anderen Unkosten, die vernünftig sind.«
»Vernünftige Unkosten?« sagte der Küster, »nun da ist der Platz – das Geläute (obgleich die Glocke ohne Zweifel zersprungen ist) – der Sarg – mein Taglohn – mein – Trinkgeld – und dann mein Leichenschnaps und Leichenbier – ich glaube nicht, daß Ihr sie anständig beerdigen könnt unter sechzehn Pfund schottisch.«
»Da ist die Summe, mein Freund,« sagte Ravenswood, »und Etwas drüber. Macht, daß Ihr Euch in dem Grabe nicht irrt.«
»Ich wette, Ihr seid Einer von ihren Verwandten aus England,« sagte der alte Todtengräber, »ich habe gehört, daß sie sich weit unter ihrem Stand verheirathet hat. Es war ganz recht, ihr ein Gebiß anzulegen, so lange sie lebte, und es ist ganz recht, ihr ein anständiges Begräbniß zu geben, nun da sie todt ist, denn das ist eine Ehrensache, die Euch mehr als sie angeht. Man mag seine Verwandten für sich selbst sorgen lassen, so lange sie leben, und die Last ihrer eigenen Verschuldung selber tragen können, aber es ist unnatürlich, sie wie Hunde begraben zu lassen, weil alle Schande davon auf die Verwandten fällt – was weiß ein todter Leichnam davon?«
»Doch würde es Euch nicht freuen, wenn die Leute ihre Verwandten bei einer Hochzeitsgelegenheit vernachlässigten,« sagte Ravenswood, den die beschränkte Philanthropie des Todtengräbers ergötzte.
Der Alte erhob seine lebhaften, grauen Augen mit einem schlauen Lächeln, als wenn er den Scherz verstünde, fuhr aber sogleich mit seinem vorigen Ernste fort: »Hochzeiten – wer wollte Hochzeiten vernachlässigen, wenn's nicht einerlei ist, daß die Erde angefüllt werde? Gewiß, sie sollen gefeiert werden mit gutem Essen und Trinken, mit Zusammenkünften und Musik, mit Harfen, Posaunen, Psaltern oder guten Fiedeln und Pfeifen, wenn jene Instrumente der alten Welt nicht gleich zu haben sind.«
»Die Anwesenheit der Fiedel, behaupte ich,« versetzte Ravenswood, »würde für die Abwesenheit aller anderen Instrumente entschädigen.«
Der Küster sah ihn wieder scharf an, als er antwortete: »Kein Zweifel – kein Zweifel, wenn sie gut gespielt wird. Doch dort,« sagte er, gleich als wollte er dem Gespräch eine andere Wendung geben, »ist das Grab von Halbert Gray, wornach Ihr gefragt habt, gerade der dritte Hügel bei dem großen, sechsbeinigen Grabstein dort, der über irgend einem Ravenswood steht, denn hier liegt mancher ihrer Verwandten und Anhänger, der Teufel hole sie! obgleich es gerade nicht ihr gewöhnlicher Begräbnißplatz ist.«
»Sie haben, scheint es, nicht Eure Gunst, diese Ravenswood?« sagte Ravenswood, den die Weise, womit der Alte seine Familie gesegnet hatte, nicht sehr ergötzte.
»Ich kenne Niemand, bei dem sie in Gunst stehen,« sagte der Todtengräber, »als sie Land und Macht hatten, waren sie schlechte Verwalter von Beidem, und nun ihr Kopf gebückt ist, fragt man wenig darnach, wie lang es währen wird, bis sie ihn wieder erheben.«
»Wahrhaftig,« sagte Ravenswood, »ich habe nie gehört, daß diese unglückliche Familie den Haß von Seiten des Landes verdient hat. Ich gebe ihre Armuth zu – wenn das sie verächtlich macht.«
»Das kann wohl der Fall sein,« sagte der Küster der Einsiedelei, »Ihr mögt mir's glauben – ich wenigstens weiß nichts Anderes, das mich verächtlich machen könnte, und die Leute sind weit davon entfernt, mich so zu achten, als sie es thun würden, wenn ich in einem schönen, zweistöckigen Hause wohnte. Was die Ravenswoods betrifft, so hab' ich drei Generationen gekannt, und die eine taugte immer weniger wie die andere.«
»Ich glaube, sie seien im Lande rühmlich bekannt gewesen,« sagte Ravenswood.
»Rühmlich bekannt! Nun, Ihr seht, Sir,« sagte der Küster, »was den alten Lord Großvater betrifft, ich lebte auf seinem Eigenthum, als ich noch ein ganz kleines Bürschchen war, und ich konnte die Trompete blasen wie Einer, denn ich hatte damals Athem genug – und was den Trompeter Marine anlangt, den ich vor den Lords der Umgegend habe blasen hören, ich hätte nicht mehr aus ihm gemacht als aus einem Kind und seiner Hellerpfeife – ich hätte sehen wollen, ob er » Stiefel und Sattel« oder » Zu Pferd und fort« oder » Reiter und trabt« mit mir geblasen hätte – die Töne fehlten ihm.«
»Aber was hat das Alles mit dem alten Lord Ravenswood zu schaffen, mein Freund,« sagte Ravenswood, der mit einer Aengstlichkeit, die hier nicht unnatürlich war, die Fortsetzung des von dem Musikanten angefangenen Gesprächs erwartete. – »Was hat sein Andenken mit dem Verfall der Trompete gemein?«
»Gerade das, Sir,« antwortete der Küster, »daß ich in seinem Dienst meinen Athem einbüßte. Ihr seht, ich war Schloßtrompeter, und ich mußte bei Anbruch des Tages blasen und zur Mittagszeit und zu anderen Zeiten, wenn Gesellschaft auf dem Schlosse war, und Mylord es haben wollte; und als er seine Mannschaft aushob, um nach Bothwell Brigg gegen die Landesverwüster, die tollköpfigen Whigs zu reiten, da mußte ich, ob ich wollte oder nicht, auch zu Pferd steigen, und mit ihnen davon reiten.«
»Und das war sehr billig,« sagte Ravenswood, »Ihr wart sein Diener und Vasall.«
»Diener sagt Ihr?« versetzte der Küster, »ja das war ich, aber ich war es, um die Leute zu ihrem warmen Mittagsessen zu blasen, oder im schlimmsten Fall zu einem anständigen Begräbniß, und nicht um sie aufzumuntern, sich auf einem Schlachtfelde alle Knochen im Leibe zu zerschlagen. Doch Geduld – Ihr werdet hören, wie das ausging, und wie vielen Dank ich den Ravenswoods schuldig bin. – Seht, wir zogen aus an einem Sommermorgen, den 24. Juni 1679, die Trommeln rasselten, die Flinten prasselten, die Pferde stampften und trappelten. Hackstoun von Rathillet hatte die Brücke mit Musketen, Karabinern, Picken, Schwertern und was weiß ich besetzt, und wir Reiter erhielten Befehl, durch die Furt überzusetzen. Ich habe allezeit einen Haß gegen jede Furt, besonders wenn Tausende von Bewaffneten auf dem anderen Ufer stehen. Der alte Ravenswood war an der Spitze, und schwang seinen Andreas Ferrara, indem er uns zuschrie, zu kommen und zu blasen, als ging's auf einen Jahrmarkt. Caleb Balderstone, der noch lebt, brüllte im Nachzuge, und schwur Gog und Magog, daß er dem sein Schwert in die Eingeweide stoßen würde, der sich unterstände, sein Pferd umzulenken – der junge Allan Ravenswood hielt eine gespannte Pistole – es war ein Glück, daß sie nicht losging – indem er mir zuschrie, mir, der ich kaum Athem genug für meine eigene Lunge hatte: »Blase, Memme! blase, verfluchter, feiger Lump, oder ich blase dir das Gehirn aus dem Schädel!« Und nun freilich blies ich zum Kampfe, daß das Glucken einer Henne Musik dagegen war.«
»Wohl, Sir, doch faßt Euch kurz,« sagte Ravenswood.
»Kurz! – es war nahe daran, daß ich mich kurz gefaßt hätte, und das in der Blüthe meiner Jugend, wie die Schrift sagt, und das ist es gerade, worüber ich mich beklage. Gut! wir platschten alle in's Wasser blindlings, auf Tod oder Leben – ein Pferd drängte das andere, wie's das dumme Vieh zu thun pflegt und Reiter, die eben so wenig Verstand haben – das Gebüsch am Ufer war ganz feurig von Schüssen der Whigs, und mein Pferd hatte kaum den Fuß auf's Land gesetzt, als so ein niederträchtiger Kerl von Westländer – in hundert Jahren werd ich sein Gesicht nicht vergessen – ein Auge hatte er wie ein Falk und einen Bart so groß wie meine Schaufel – mir auf einmal seine lange, schwarze Flinte ganz dicht vor dem Ohr abbrennt. Dem Himmel sei Dank, mein Pferd schwang sich um, und ich fiel von der einen Seite herunter, während die Kugel auf der andern pfiff, und der schlimme alte Lord versetzte dem Whig einen solchen Schlag mit seinem breiten Schwert, daß der Kopf desselben in zwei Stücke zerspalten wurde, und daß der Flegel mit seinem ganzen Gewicht auf mich stürzte.«
»Dafür seid Ihr dem alten Lord Euren Dank schuldig, glaube ich,« sagte Ravenswood.
»Was ich? potz Tausend! erstens dafür, daß er mich in Gefahr brachte, mocht' ich ja oder nein sagen – und dann, daß er mir einen Kerl auf die Rippen lud, der mir all meinen Athem aus dem Leibe drückte – ich habe seit der Zeit immer einen kurzen Athem gehabt, und ich kann keine zwanzig Schritte gehen, ohne wie ein alter Klepper zu schnaufen.«
»Ihr verlort darum Euren Platz als Trompeter?« sagte Ravenswood.
»Ob ich ihn verlor? freilich verlor ich ihn,« versetzte der Küster, »denn wie hätt' ich mit einem ausgedrückten Athem blasen können. Dennoch wär' mir's noch so ziemlich gut gegangen, denn ich hatte meinen Gehalt und freie Wohnung und wenig zu thun, außer die Fiedel zu spielen. Aber der letzte Lord von Ravenswood, Allan, war noch tausend Mal schlimmer als sein Vater.«
»Was,« sagte Ravenswood, »hat Euch mein Vater – ich wollte sagen, der Sohn dieses Vaters – der letzte Lord Ravenswood der Wohlthat beraubt, die Euch sein Vater zugestanden hatte?«
»Freilich hat er's,« antwortete der Alte, »denn er überließ seine Sachen den Hunden, und gab uns in die Gewalt von Sir William Ashton, der nichts für nichts gibt, und der mich und alle arme Tröpfe, die ihr Futter und eine Höhle für ihr Haupt auf dem Schlosse hatten, herauswarf.«
»Wenn der Lord Ravenswood seine Leute versorgte, so lange er die Mittel dazu hatte, so sollten dieselben sein Andenken ehren,« versetzte Ravenswood.
»Das mag Euch so scheinen, Herr,« sagte der Küster, »doch Ihr werdet mir nicht weiß machen, daß er gegen sich selbst und gegen die armen Teufel, die von ihm abhingen, seine Pflicht gethan hat, indem er uns zum Thore hinaus führte. Er war reich genug, einem Jeden von uns lebenslänglich ein Haus und einen Garten zu geben, und jetzt lebe ich als ein alter Mann in der elenden Hütte da, die sich besser für einen Todten als einen Lebendigen schickt, und muß mich vom Rheumatismus tödten lassen, und das Alles darum, weil Ravenswood sein Vermögen wie ein Thor verwaltete.«
»Es ist nur zu wahr,« sagte Ravenswood, in seinem Gewissen betroffen, »die Strafen der Ausschweifung beschränken sich nicht auf die eigenen Leiden des Verschwenders.«
»Doch,« sagte der Küster, »dieser junge Edgar wird mich für Alles rächen.«
»Wirklich?« sagte Ravenswood, »warum glaubt Ihr das?«
»Man spricht, er wolle die Tochter der Lady Ashton heirathen, und wenn ihm diese Lady einmal den Daumen auf's Aug' gesetzt hat, dann werdet Ihr sehen, ob er den Kopf je wieder erheben kann. Ein schlechter Bissen, wenn ich er wäre. – Mag sie für sich bleiben, wenn sie Alles, was ihr nahe kommt, mit kochendem Wasser begießen will! – Seht, das Schlimmste, was ich dem jungen Menschen wünschen kann, ist, daß er sich eine Ehre daraus mache, sich mit den Feinden seines Vaters zu verbinden, die ihm seine großen Güter genommen haben und mir meinen hübschen Kohlgarten.«
Cervantes macht die richtige Bemerkung, daß Schmeichelei selbst im Munde eines Narren gefällt, und Tadel sowohl als Lob machen oft Eindruck auf uns, auch wenn wir die Gründe und Meinungen verachten, worauf sie beruhen. Nachdem Ravenswood nochmals seine Befehle wegen Alicens Bestattung wiederholt hatte, verließ er den Küster mit der schmerzlichen Ueberzeugung, daß die große und kleine Welt über sein Verlöbniß mit Lucien urtheilen würde wie dieser unwissende, selbstsüchtige Bauer.
»Ich habe mich durch meine Herablassung diesen üblen Nachreden ausgesetzt, und man hat mich dessen ungeachtet verschmäht! O Lucie, deine Treue muß fest sein und stark wie der Diamant, um mich für die Unehre zu entschädigen, womit die Meinung der Welt und das Betragen deiner Mutter den Erben von Ravenswood überhäuft!«
Als er seine Augen erhob, gewahrte er den Marquis von A– , der nach seiner Ankunft im Fuchsbau ausgegangen war, um seinen Verwandten aufzusuchen.
Nach gegenseitiger Begrüßung entschuldigte er sich bei Ravenswood, »daß er den vergangenen Abend nicht gekommen wäre. Er hätte,« sagte er, »dies gerne gethan, aber er wäre zur Kenntniß einer Sache gekommen, die ihn bestimmt hätte, sich zu verweilen. Ich finde,« fuhr er fort, »daß ein Liebeshandel hier im Spiele war, und obwohl ich Euch tadeln möchte, daß Ihr mir nichts davon mitgetheilt habt, da ich doch gewissermaßen das Haupt der Familie –«
»Mit Ew. Herrlichkeit Erlaubniß,« sagte Ravenswood, »ich bin Euch für die Theilnahme, die Ihr mir schenket, herzlich dankbar, aber ich bin das Haupt meiner Familie.«
»Ich weiß es – ich weiß es,« sagte der Marquis, »Ihr seid es in einem buchstäblichen, heraldischen, genealogischen Sinn – was ich meine, ist, daß, da Ihr in gewisser Hinsicht unter meiner Obhut – –«
»Ich nehme mir die Freiheit, Euch zu sagen, Mylord,« antwortete Ravenswood – und der Ton, womit er ihn unterbrach, versprach dem Marquis keine lange Freundschaft mit seinem Verwandten, als derselbe ebenfalls von dem kleinen Küster unterbrochen wurde, der ihnen keuchend nachfolgte, um I. Herrlichkeiten zu fragen, »ob sie in dem Wirthshause Musik verlangten, um das knappe Mahl zu verschönern.«
»Wir brauchen keine Musik,« sagte Ravenswood hastig.
»Ew. Herrlichkeit weiß dann nicht, was Ihr verschmäht,« sagte der Fiedler mit der zudringlichen Keckheit seines Standes. »Ich kann spielen ›Willst du's noch einmal thun‹ und ›des alten Mann's Mähr' ist todt‹ sechsmal besser als Pattie Birnie. Ich will meine Fiedel holen, so schnell man eine Sargschraube umdreht. –«
»Geht Eures Weges, Sir,« sagte der Marquis.
»Wenn Ew. Gnaden ein nordländischer Herr ist,« sagte der standhafte Musikant, »was ich nach Eurer Aussprache glaube, ich kann spielen › Liggeram Cosh‹ und › Mullin Dhu‹ und ›die Gevatterinnen von Athole.‹«
»Macht, daß Ihr fortkommt, Freund, Ihr stört unser Gespräch.«
»Oder wenn Ihr, Ew. Herrlichkeiten müssen mir's nicht übel nehmen, vielleicht eine ehrliche Meinung habt (er sagte dies in einem leisen und geheimen Tone), ich kann spielen › Killicrankie‹ und ›König zum Lande herein‹ und ›die alten Stuarts kehren wieder‹. Die Schenkwirthin ist eine kluge, verschwiegene Person, kein Mensch erfährt's, was für Toaste getrunken worden, und was für Musik gespielt wird in ihrem Hause – sie ist für Alles taub, außer für das Klingling des Silbers.«
Der Marquis, der manchmal im Verdachte des Jakobitismus stand, konnte sich nicht enthalten, zu lachen; er gab dem Kerl einen Thaler, und hieß ihn, wenn er Lust hätte, seinen Dienern spielen, und seines Weges zu gehen.
»Ganz wohl, Herr,« sagte der Fiedler, »ich wünsche Ew. Gnaden einen guten Tag. Ich bin um einen Thaler reicher, und Ihr seid um meine Musik ärmer, das sag' ich Euch. Doch ich will heim gehen, mein Grab so schnell fertig machen, als man eine Fiedelsaite stimmt, und dann nehme ich meinen andern Brodgewinner, und suche Eure Leute auf und da will ich sehen, ob sie bessere Ohren als ihre Herren haben.«