Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Was flammt dort oben, was schießt aus der Ferne
Heißglühende Asche wie fallende Sterne? –
Ein feuriger Regen das Dunkel erhellt,
Er sprüht durch das All zum Verderben der Welt.

Campbell.

 

Die Umstände, deren wir am Ende des letzten Kapitels gedacht haben, werden uns die bereitwillige und verschwenderische Aufnahme erklären, welche der Marquis von A– und der Herr von Ravenswood in dem Dorfe Wolf's Hope fanden. Caleb hatte kaum den Brand des Thurmes angekündigt, als sich der ganze Weiler aufmachte, um das Feuer zu löschen. Und wiewohl der treue Diener ihrem Eifer durch Erwähnung des furchtbaren Inhalts der unterirdischen Gewölbe entgegenarbeitete, so bekam durch diesen Stoß ihr Eifer nur eine andere Richtung. Nie hatte man so viele Kapaune, fette Gänse und zahmes Geflügel geschlachtet, nie so viele geräucherte Schinken gekocht, nie so viele Karkuchen, Swentscones, Selkirkkuchen, Cookies und Aockschleppen, Süßigkeiten, die man heute nur wenig kennt, gebacken. Nie hatte man so viele Fässer angesteckt, nie den Stöpsel aus so vielen Bierkrügen gezogen. Alle geringeren Häuser wurden für die Diener des Marquis offen gehalten, der, wie man glaubte, als Vorbote des Aemtersegens kam, welcher in Zukunft das übrige Schottland trocken lassen, und sich in reichlichen Strömen über das Dorf Wolf's Hope unter Lammermoor ergießen würde. Der Geistliche nahm die Gäste von Auszeichnung für das Pfarrhaus in Anspruch, er hatte, glaubte man, ein Auge auf eine benachbarte Pfarrei, deren Verwalter kränklich war, aber Mr. Balderstone bestimmte die vornehmen Gäste für den Küfer, sein Weib und Schwiegermutter, und diese tanzten vor Freude über den erhaltenen Vorzug.

Die vornehmen Gäste wurden mit manchem Kopfnicken unter mancher Verbeugung bewillkommt, und die Bewirthung war so gut, als man von Personen niederen Standes bei einem solchen Besuch erwarten konnte. Die alte Frau, die vormals in Ravenswood Castle gelebt hatte, und, wie sie sagte, die Wege der Aristokratie kannte, war keineswegs verlegen, Alles, so weit es die Umstände erlaubten, den Regeln der Etikette gemäß anzuordnen. Das Haus des Küfers war so geräumig, daß jeder Gast sein abgeschiedenes Zimmer hatte, wohin sie mit allen geziemenden Ehren geführt wurden, während man Anstalten machte, die reichliche Mahlzeit aufzutragen.

Ravenswood war kaum allein, als er, von tausend Gefühlen bewegt, Stube, Haus und Dorf verließ, und nach der Höhe des Hügels eilte, der zwischen dem Dorf und dem Thurme lag, um den Einsturz der Wohnung seiner Väter zu sehen. Einige müßige Knaben hatten aus Neugier die nämliche Richtung genommen, nachdem sie zuvor der Ankunft der sechsspännigen Kutsche und ihres Gefolges beigewohnt hatten. Als sie hintereinander an Ravenswood vorbeiliefen, und Einer dem Andern zurief, zu kommen und den alten Thurm wie eine Kastanienschale auffliegen zu sehen, konnte er sich einer zornigen Aufwallung nicht erwehren. »Und das sind die Söhne von meines Vaters Vasallen,« sagte er, »die verpflichtet waren, uns durch Blut und Feuer und Wasser zu folgen, und jetzt ist die Zerstörung des Hauses ihres Lehensherrn nur ein Festgenuß für sie!«

Diese verdrießliche Ueberlegung äußerte sich zum Theil in der Bitterkeit, womit er, als er sich auf einmal am Kleid gezupft fühlte, ausrief: »Was wollt Ihr von mir, Hund?«

»Ich bin ein Hund, und dazu ein alter Hund,« sagte Caleb, denn er war es, der sich diese Freiheit genommen hatte, »und es scheint mir, daß ich den Lohn eines Hundes haben werde – doch ich mache mir so viel daraus, wie aus einer Prise Tabak, denn ich bin ein zu alter Hund, um neue Kunststücke zu lernen, und einem neuen Herrn zu folgen.«

Während er sprach, erreichte Ravenswood die Höhe, von wo Wolf's Crag sichtbar war; die Flamme war gänzlich versunken, und man sah nur eine dunkle Röthe auf den Wolken über dem Schlosse, der Widerschein der Gluth des eingesunkenen Feuers.

»Der Thurm kann nicht aufgeflogen sein,« sagte Ravenswood, »wir müßten den Knall gehört haben – wenn nur der vierte Theil des Pulvers, von dem Ihr sprecht, dort gewesen wäre, so hätte man den Knall auf zwanzig Meilen gehört.«

»So scheint es,« sagte Caleb gelassen.

»Dann hat das Feuer die Gewölbe nicht erreicht?«

»Es scheint nicht,« antwortete Caleb mit demselben unergründlichen Ernst.

»Hört, Caleb,« sagte sein Herr, »das geht ein wenig über meine Geduld. Ich will gehen und selbst zusehen, wie sich die Dinge in Wolf's Crag verhalten!«

»Ew. Gnaden darf diesen Gang nicht thun,« sagte Caleb fest.

»Warum nicht?« sagte Ravenswood strenge, »wer oder was kann mich hindern?«

»Ich selbst,« sagte Caleb mit derselben Entschiedenheit.

»Ihr, Balderstone!« versetzte sein Herr, »Ihr vergeht Euch, scheints mir.«

»Und mir scheints nicht,« sagte Balderstone, »denn ich kann Euch hier auf der Stelle so viel wissen lassen, als Ihr erfahren würdet, wenn Ihr dort wäret. Nur kommt nicht aus dem Häuschen, und macht, daß die Buben da nichts erfahren oder der Marquis, wenn Ihr unten seid.«

»Sprecht, alter Thor,« versetzte sein Herr, »und laßt mich das Beste und Schlimmste auf einmal wissen.«

»Nun, das Beste und Schlimmste ist gerade das, daß der Thurm grade so unversehrt und so leer dasteht, wie ihr ihn verlassen habt.«

»Gewiß? – und das Feuer?« sagte Ravenswood.

»Keine Kohle Feuer, außer etwas glühendem Torf, und, es kann sein, ein Köhlchen aus Mysies Pfeife,« versetzte Caleb.

»Aber die Flamme?« fragte Ravenswood, »die dicke Feuersäule, die man hätte auf zehn Meilen sehen können – woher kam die?«

»Ei was! es ist ein altes und wahres Sprüchwort:

Licht noch so klein
Bei dunkler Nacht wirft großen Schein.

Ein wenig Farrnkraut und Stallstroh, das ich im Hofe anzündete, nachdem ich den Boten zurückschickte. Und, um die Wahrheit zu sagen, wenn Ihr wieder Jemand schickt oder mitbringt, laßt es nur die nächsten Verwandten sein, ohne fremde Diener, wie diesen Lockhard, die Alles ausschnüffeln und ausgucken, und das Auge immer nach der schwachen Seite des Haushaltes richten, um die Familie in üblen Ruf zu bringen, und um einen zu zwingen, so viel Lügen auf seine Seele zu laden, daß man kaum Zeit hat, sie zu erfinden. Ich wollte lieber das Feuer ganz im Ernste an den Thurm legen, und als Dreingabe selber mitverbrennen, als auf diese Weise die Familie verunehrt sehen.«

»Auf mein Wort, ich bin Euch für Euren Vorschlag unendlich verbunden, Caleb,« sagte sein Herr, der kaum das Lachen halten konnte, obgleich er zugleich verdrossen war. »Doch das Pulver? – ist so was im Thurme? – Der Marquis schien darum zu wissen.«

»Das Pulver – ha! ha! ha! ha! – Der Marquis – ha! ha! ha!« versetzte Caleb, »wenn mir Ew. Gnaden den Schädel einschlüge, so müßte ich lachen – der Marquis – das Pulver! – war's da? freilich war's da. Ob er davon weiß? – gewiß, der Marquis wußte davon, und das war das Beste bei dem Spaß, denn als ich mit Allem, was ich sagte, bei Ew. Gnaden nichts ausrichten konnte, so ließ ich ein Wort von dem Pulver fallen, und zwang den Marquis, mir meine Last abzunehmen.«

»Ihr habt auf meine Fragen nicht geantwortet,« sagte Ravenswood ungeduldig, »wie kam das Pulver dorthin, und wo ist es nun?«

»Nun, es kam dahin, wenn ihr es durchaus wissen wollt,« sagte Caleb flüsternd, indem er sich geheimnißvoll umsah, »als man eine kleine Verschwörung im Werk hatte. Der Marquis und alle die großen Lords im Norden waren dabei, und außer dem Pulver wurde manche Flinte und mancher Säbel von Dünkirchen herüber gebracht. Es war eine schreckliche Arbeit, das Alles bei dunkler Nacht in den Thurm zu bringen, denn Ihr könnt denken, daß man nicht Jedem die Sache anvertrauen konnte. Doch wenn Ihr zum Nachtessen hinunter gehen wollt, ich will Euch auf dem Wege Alles erzählen.«

»Und diese bösen Buben,« sagte Ravenswood, »macht es Euch Spaß, sie die ganze Nacht hier warten zu lassen, um den Thurm auffliegen zu sehen, der gar nicht brennt?«

»O nein, wenn's Ew. Gnaden beliebt, daß sie heim gehen sollen. Indeß,« fügte Caleb hinzu, »es würde ihnen gar nicht schaden, sie würden morgen weniger Lärm machen, und des Abends besser schlafen. Doch wie es Ew. Gnaden gefällt.«

Er ging hierauf zu den Buben, die in ihrer Nähe die Erhöhungen besetzt hatten, und machte ihnen feierlich bekannt, daß I. Gnaden der Lord Ravenswood und der Marquis von A– Befehl gegeben hätten, daß der Thurm erst den folgenden Mittag auffliegen sollte. Die Knaben zerstreuten sich auf diese tröstliche Versicherung. Ein Paar von ihnen jedoch folgten Caleb, um genauere Auskunft zu erlangen, namentlich der Bube, welcher als Spießdreher in des Küfers Küche betrogen worden war. Dieser schrie: »Mr. Balderstone! Mr. Balderstone! das Schloß ist also ausgegangen wie der Zunder von einer alten Frau?«

»Freilich, Junge,« sagte Caleb, »glaubt ihr, daß das Schloß von einem so großen Herrn, wie Lord Ravenswood, sich unterstehen wird, fortzubrennen, wenn er dabei steht, und es mit seinen eigenen Augen ansieht? – Es ist recht,« fuhr Caleb fort, nachdem er sich von den zerlumpten Pagen losgemacht, und seinem Herrn zugesellt hatte, »die Kinder in dem Wege zu erziehen, den sie gehen sollen, und ihnen vor allen Dingen Ehrfurcht gegen ihre Vorgesetzten einzuflößen.«

»Aber Ihr habt mir noch nicht gesagt, Caleb, was aus den Waffen und dem Pulver geworden ist,« sagte Ravenswood.

»Nun, was die Waffen betrifft,« sagte Caleb, »so war's damit, wies in dem Kinderreim heißt –

Eins nach Ost und eins nach West,
Ein anderes in das Krähennest.

Und das Pulver, ich hab's vertauscht, wenn sich Gelegenheit darbot, bei holländischen und französischen Schiffern für Wachholder und Branntwein, und das diente dem Haus mehr als ein Jahr. Es war ein guter Tausch, das Getränk war ein Mittelding von dem, was die Seele des Menschen erfreut, und dem, was sie aus dem Leibe hinaustreibt. Ueberdies hab' einige Pfunde für Euch aufgehoben, wenn Ihr zum Schießen einiges nöthig haben würdet, und schwerlich hätte ich in der letzten Zeit auf eine andere Art Pulver zu Eurem Vergnügen haben können. Und nun, da Euer Zorn vorüber ist, Herr, sagt, hab' ich's nicht gut gemacht, und seid Ihr dort unten nicht weit besser aufgehoben, als Ihr es in Euren eigenen Trümmern gewesen sein würdet, so wie die Sachen leider Gottes daselbst nun stehen.«

»Ihr könnt recht haben, Caleb, doch bevor Ihr mein Schloß im Spaß oder im Ernste niederbrennt, sollte ich, denke ich, in dem Geheimniß sein.«

»Pfui der Schande, Ew. Gnaden!« versetzte Caleb. »Einem alten Kerl, wie mir, steht's gut genug, für das Ansehen der Familie Lügen zu sagen, aber mit Eurer Ehre würde es sich nicht so gut vertragen. Ueberdieß, junge Leute sind nicht klug genug, sie wissen aus einer kleinen Erdichtung keinen großen Vortheil zu ziehen. Dies Feuer – denn ein Feuer soll es sein, und müßte ich zur Beglaubigung den alten Stall verbrennen – dies Feuer, abgesehen davon, daß es uns einen Vorwand gibt, im Lande und unten im Hafen alle Dinge, die uns fehlen, zu verlangen – dies Feuer wird Alles auf einen besseren Fuß bringen, und namentlich das Ansehen der Familie, das mich täglich zwanzig Lügen kostete, die, was das Schlimmste ist, keinen Glauben fanden.«

»In der That, das war hart, Caleb, doch ich sehe nicht ein, wie dies Feuer Eurer Glaubwürdigkeit und Eurem Zutrauen nützen kann.«

»Da haben wir's ja!« sagte Caleb, »Hab' ich's nicht gesagt, daß junge Leute ein unreifes Urtheil haben? – Was es mir nützen soll, fragt Ihr? – es wird eine glaubwürdige Entschuldigung für das Ansehen der Familie auf zwanzig Jahre sein, wenn es gut angewandt wird. Wo sind die Familiengemälde?« fragt ein Naseweiser. »Das große Feuer zu Wolf's Crag,« antworte ich. »Wo ist das Silberzeug der Familie?« sagt ein Anderer. »Das große Feuer,« sagte ich, »wer dachte an Silber, als Leib und Leben in Gefahr waren?« »Wo sind die Kleider, das Leinengeräth? wo die Teppiche und der Zierrath? – die Prunkbette, Decken, Vorhänge, Betthimmel, das Tischgebilde, die Stickereien?« »Das Feuer – das Feuer – das Feuer. Bewahrt das Feuer wohl, und es wird Euch zu Allem dienen, was Ihr haben solltet und nicht habt – und, wenn man will, so ist eine gute Ausrede besser als die Dinge selbst, denn diese zerbrechen und zerreißen, und werden mit der Zeit abgenutzt, während eine Ausrede, klug und geschickt angewandt, einem Edelmann und seiner Familie, Gott weiß, wie lange dienen kann.«

Ravenswood kannte zu gut die Halsstarrigkeit und den Eigendünkel seines Kellermeisters, als daß er sich in weitere Erörterung mit ihm eingelassen hätte. Er überließ Caleb also der Freude über seine glückliche Erfindung, und kehrte nach dem Dorfe zurück, wo er den Marquis und die Wirthinnen des Hauses in einiger Unruhe antraf – den ersten wegen seiner Abwesenheit, die letzteren wegen des Tadels, der ihre Kochkunst in Folge des Aufschubs der Mahlzeit treffen könnte. Alle waren nun zufrieden, und hörten mit Freude, daß das Feuer in dem Schlosse von selbst ausgegangen sei, ohne die Gewölbe zu erreichen, und dies war der einzige Aufschluß, den Ravenswood über den Streich seines Kellermeisters öffentlich zu geben für gut fand.

Sie setzten sich zu einem vortrefflichen Abendessen nieder. Keine Einladung konnte Mr. oder Mrs. Girder dazu bringen, selbst in ihrem eigenen Hause mit so vornehmen Gästen zu Tische zu sitzen. Sie verweilten stehend im Zimmer, und betrugen sich wie ehrerbietige und aufmerksame Diener der Gesellschaft. So war die Sitte der Zeit. Die ältere Frau, die wegen ihres Alters und ihrer Bekanntschaft mit der Familie Ravenswood vertraulicher war, zeigte sich weniger förmlich. Sie spielte eine Mittelrolle zwischen einer Gastwirthin und einer Hausfrau, die vornehmere Gäste empfängt. Sie empfahl die besten Speisen, ja sie drang sie den Gästen auf, und wurde leicht bewegt, an dem guten Mahle einigen Antheil zu nehmen, um den Gästen ein gutes Beispiel zu geben. Oft unterbrach sie ihr Mahl, um ihr Leid darüber auszudrücken, daß der Marquis nicht äße, daß der Herr von Ravenswood einen kahlen Knochen nage, daß leider nichts da wäre, was man I. Herrlichkeiten mit Anstand vorsetzen könne, und sie fügte dann hinzu, daß der in Gott ruhende Lord Allan die eingepöckelten Gänse geliebt habe, weil sie zu einem Glas Branntwein Lust machten, daß der Branntwein direkt aus Frankreich komme, denn trotz aller englischen Gesetze und Aicher Hütten die Schiffe von Wolf's Hope den Weg nach Dünkirchen nicht vergessen.

Hier stieß der Küfer seine Schwiegermutter mit dem Ellenbogen, was sie veranlaßte, folgenden Zusatz zu ihrer Rede zu machen:

»Ihr braucht mich nicht so zu stoßen, John, Niemand sagt, daß Ihr es wißt, wo der Branntwein herkommt, und das würde sich für Euch, als Küfer der Königin, auch nicht schicken. Und was liegt,« fuhr sie fort, zu Lord Ravenswood sich wendend, »was liegt dem König, der Königin und dem Kaiser daran, wo eine alte Frau ihren Schnupftaback und ihren Branntwein kauft, um sich das Herz zu stärken?«

Nachdem sie sich also aus der Verlegenheit geholfen hatte, fuhr Frau Loupthedyke, trotz der Schweigsamkeit ihrer Gäste, mit großem Eifer fort, den ganzen Abend das Gespräch zu unterhalten, bis ihre Gäste, die fernere Umkreisung ihres Glases ablehnend, um Erlaubniß baten, sich in ihre Gemächer zurückzuziehen.

Der Marquis nahm die Staatsstube ein, die sich in jedem nicht ganz geringen Hause befand, und bei Gelegenheiten, wie die jetzige war, diente. Die heutige Mode, die Wände zu tünchen, war damals unbekannt, und die Tapeten fanden sich nur in adeligen und vornehmen Häusern vor. Darum hatte der Küfer, der einige Eitelkeit und einigen Reichthum besaß, die Sitte der kleinen Gutsbesitzer und der Geistlichkeit nachgeahmt, die ihre Staatszimmer mit niederländischen, von geprägtem Leder verfertigten Gehängen, welche mit Bäumen und Thieren, und mit manchem moralischen Kernspruch (die, obgleich sie holländisch waren, dennoch so gut befolgt wurden, als wenn sie schottisch gewesen wären) in Kupfergold versehen waren, zu verzieren pflegten. Das Ganze hatte einen etwas düsteren Anschein, aber ein Feuer von gepichten Faßdauben flackerte lustig im Kamin, und das Bett war mit einer frischen und blendend weißen Leinwand geschmückt, die noch nie gedient hatte, und vielleicht ohne die heutige Gelegenheit nie gedient hätte. Auf dem Nachttisch daneben stand ein altmodischer Spiegel mit goldenem Rahmen, eines der zerstreuten Putzstücke des benachbarten Schlosses. Daneben stand eine langhalsige Flasche Florenzer mit einem fast eben so großen Glase, wie sich Teniers gewöhnlich eins in die Hand gibt, wenn er sein Bild bei einem Dorfschmause erscheinen läßt. Im Gegensatz zu diesen zwei fremden Schildwachen standen auf der andern Seite des Spiegels zwei ächt schottische Wächter, nämlich ein Krug Doppelale, der eine schottische Pinte hielt, und ein Quegh oder Bicker von Elfenbein und Ebenholz in Silber gefaßt, ein Werk von John Girders eigener Hand und der Stolz seines Herzens. Außer diesen Mitteln gegen den Durst war noch hier ein stattlicher süßer Kuchen. Mit diesen Vorräthen hätte das Zimmer wohl eine Belagerung von zwei oder drei Tagen aushalten können.

Wir haben nur noch zu sagen, daß der Kammerdiener des Marquis den brokatenen Schlafrock seines Herrn und dessen reichgestickte, mit Brüsseler Spitzen besetzte Nachtmütze von Sammt auf einen gepolsterten, ledernen Sessel legte, der so gegen das Feuer gerollt war, daß man auf ihm den vollen Genuß desselben hatte. Wir überlassen diese wichtige Person der Ruhe, indem wir hoffen, daß er die bequemen Anstalten, die wir so genau beschrieben haben, weil sie uns die alten schottischen Sitten erklären, zu seinem Nutzen anzuwenden verstand.

Es ist unnöthig, auch das Schlafgemach des Herrn von Ravenswood im Einzelnen zu beschreiben; der Hausherr und sein Weib pflegten dasselbe gewöhnlich einzunehmen. Es war mit einem hochgefärbten, schottischen, dem Rasch ähnlichen Zeuge von Kammwolle wohl behangen. Das Brustbild von John Girder schmückte dies Gemach, es war von einem hungrigen Franzosen gemalt, der, Gott weiß wie und warum, auf einer Schmugglerbarke von Vlissingen oder Dünkirchen nach Wolf's Hope herüber kam. In der That, es waren dies die Züge des rohen, eigensinnigen und doch verständigen Handwerkers, aber Monsieur hatte sich bemüht, in Blick und Haltung die französische Artigkeit zu legen, was mit dem mürrischen Ernst des Originals so wenig übereinstimmte, daß man das Bild nicht ansehen konnte, ohne zu lachen. John und seine Familie bildeten sich nicht wenig auf das Gemälde ein, und wurden dafür von den Nachbarn getadelt, welche behaupteten, daß der Küfer, indem er zu seinem Bilde gesessen, und dasselbe in seiner Schlafstube aufgehangen habe, über das Vorrecht des Reichsten im Dorfe hinausgegangen sei, daß er nicht nur die Schranken seines Standes übersprungen, sondern sich auch in einen höheren Stand eingedrängt habe, und daß er sich dadurch eine große Anmaßung und Vermessenheit habe zu Schulden kommen lassen. Aus Achtung für das Andenken meines verstorbenen Freundes Mr. Richard Tinto habe ich diesen Gegenstand etwas weitläufiger besprochen, aber ich erspare dem Leser seine ausgedehnten, wiewohl wichtigen Bemerkungen über den Charakter der französischen Schule, und über den Zustand der Malerei in Schottland im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts.

Die übrigen Anstalten in dem Schlafzimmer des Herrn von Ravenswood waren die nämlichen wie im Staatszimmer.

Zu der damals üblichen Frühstunde schickten sich der Marquis von A– und sein Verwandter zur Fortsetzung ihrer Reise an. Dies ließ sich nicht thun, ohne ein volles Frühstück, wobei kalte und warme Speisen und Haberbrei, Wein und starke Getränke und Milchspeisen in allerlei Gestalt den Gästen zeigten, daß die Wirthe des Hauses ihnen keine schlechtere Ehre anthun wollten als am gestrigen Abend. Die Abreise brachte ganz Wolf's Hope in Bewegung. Man zahlte Rechnungen, schüttelte sich die Hände, sattelte die Rosse, bespannte die Wagen, und theilte Trinkgelder aus. Der Marquis ließ einen Jacobus für das Gesinde, und John Girder wollte dies Goldstück für sich behalten, da der Schreiber Dingwall ihm sagte, daß er dies rechtlicher Weise thun könne, angesehen er den Aufwand, für welchen die Entschädigung gegeben worden sei, zu tragen habe. Aber dieses rechtlichen Anspruchs ungeachtet, hatte John kein Herz, den Glanz seiner Gastlichkeit durch das Einstecken einer Bezahlung zu trüben. Er erklärte nur seinen Leuten, daß er sie als ein verdammtes, undankbares Pack betrachten würde, wenn sie ein Kännchen Branntwein anderswo als in seinem Keller kauften, und da das Trinkgeld wahrscheinlich zu seinem natürlichen Zweck verwandt werden mochte, so tröstete sich der Küfer, daß das Geschenk des Marquis am Ende in seinen Besitz kommen müsse, ohne daß er seinem Charakter etwas zu vergeben brauche.

Während die Anstalten zur Reise gemacht wurden, erfreute Ravenswood das Herz seines alten Dieners durch die Mittheilung, (die jedoch vorsichtig gegeben wurde, denn er kannte Calebs warme Einbildungskraft) daß eine wahrscheinliche Veränderung ihres Glückstandes bevorstände. Er gab Balderstone den größeren Theil seiner geringen Baarschaft unter der wiederholten Versicherung, daß er gewisse Aussichten auf hinreichende Mittel habe. Darum gebot er Caleb, sich, so lieb ihm seine Gunst sei, aller ferneren Ansprüche an die Einwohner von Wolf's Hope, an die Keller, Hühnerställe und anderes Eigenthum derselben zu enthalten. Der alte Diener fügte sich diesem Verbote williger, als sein Herr erwartet hatte.

»Sonder Zweifel,« sprach er, »es wäre eine Schmach und Schande, die armen Geschöpfe zu quälen, wenn die Familie in der Lage ist, anständig von eigenen Mitteln zu leben, und es kann klug sein,« fügte er hinzu, »wenn man sie sich ein wenig verschnaufen läßt, damit sie bei künftigen Gelegenheiten desto bereitwilliger sein mögen.«

Nachdem diese Sache abgemacht war, und nachdem Ravenswood seinem alten Diener freundlich Lebewohl gesagt hatte, gesellte er sich zu seinem edlen Verwandten, der in den Wagen zu steigen bereit war. Die alte und junge Wirthin, von denen jede beim Abschiedsgruß einen Kuß von den edlen Gästen empfangen hatte, standen lächelnd an der Hausthüre, als die sechsspännige Kutsche, von glänzenden Reitern umgeben, zum Dorfe hinausrollte. Auch John Girder stand auf seiner Schwelle, und blickte bald auf seine rechte Hand, die eben erst von einem Marquis und einem Lord geschüttelt worden war, bald in das Haus, woselbst sich überall die Spuren des letzten Mahles zeigten, gleich als wollte er die ihm zu Theil gewordene Ehre mit dem Aufwande der Bewirthung abwiegen.

Endlich that er seinen rednerischen Mund auf. »Laßt Manns- und Weibsleute jetzt an ihre Arbeit gehen, als wenn kein Marquis, kein Lord und kein Herzog in der Welt wäre. Laßt das Haus aufräumen, die angebrochenen Speisen aufheben, und wenn etwas gar nicht mehr zu genießen ist, laßt es den Armen geben. Und Ihr, Schwiegermutter und Weib, ich hab' Euch ein Ding anzubefehlen, daß Ihr mir mit keinem Wort, gut oder schlecht, von den Dummheiten da redet. Behaltet Eure Prahlereien für Euch und Eure Gevatterinnen, denn mein Kopf ist mir schon ganz verrückt davon.«

Da Johns Macht ziemlich unumschränkt war, so verfügten sich Alle an ihre gewöhnlichen Verrichtungen, und ließen ihn nach Lust Luftschlösser bauen, die er auf Kosten seiner materiellen Habe gewonnen hatte.

 


 << zurück weiter >>