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3. Kapitel.

§ 53. Die Mittel für den Erwerb von Vermögen.

Wenn nun so der Geliebte in Hingebung lebt, lasse sie sich von ihm Reichtümer geben. Das erreicht sie aber nicht ohne Hilfsmittel, wie oben gesagt wurde: darum wird jetzt über die Mittel über den Erwerb von Vermögen gehandelt. Dieses Erlangen von Geld geschieht auf zweierlei Art, auf natürliche und andere Weise. So sagt (der Verfasser):

Das Erlangen von Reichtümern von dem Hingegebenen geschieht auf natürliche und listige Weise. Hier lehren die Meister, wenn sie auf natürliche Weise oder gar über ihre Berechnung hinaus Geld bekommt, solle sie keine Listen anwenden. Vāsyāyana aber meint: er wird das bekannte, durch Listen vermehrt, doppelt geben.

»Von dem Hingegebenen«, dessen Merkmale genannt worden sind. – »Auf natürliche Weise«, was keine Hilfsmittel erfordert, indem ein hingegebener Liebhaber auf das Geld keine Rücksicht nimmt. – »Auf listige Weise«; was von einem Liebhaber einkommt, der nicht hingegeben ist, erfordert Mühe. »Hier, wenn sie auf natürliche Weise oder gar über ihre Berechnung hinaus Geld bekommt«: Berechnung, wie sie es sich berechnet hat; also was mehr ist als das, was sie berechnet hat. In diesem Falle »solle sie keine Listen anwenden«, da es leicht zu gewinnen ist. Danach erstreckt sich die Praxis auf das Unberechnete und das Berechnete. – »Er wird das bekannte«, so weit es auf natürliche Weise und als Überschuß über die Berechnung hinaus unverkürzt ihr zukommt, »durch Listen vermehrt«, verstärkt, »doppelt geben«: darum ist hier die Anwendung von List angebracht.

Nun gibt der (Verfasser) die Mittel an, durch die sie sich Geld geben lassen kann, ohne daß der Liebhaber merkt, daß sie im Gelde aufgeht:

Das rechtzeitige Beschaffen von Schmucksachen, fester Speisen, flüssiger Nahrung, Getränken, Kränzen, Kleidern, Wohlgerüchen usw., bei den Geschäftsleuten gegen Einzahlung von Geld; das Rühmen seines Vermögens in seiner Gegenwart; das Vorgeben von Gelübden, Bäumen, Gärten, Göttertempeln, Teichen, Lusthainen, Festen und Liebesgaben; Entwendung ihres Schmuckes durch die Wächter oder Diebe, gelegentlich eines Liebesbesuches bei ihm; Verlust ihres Vermögens durch Brand, Durchbrechung einer Wand oder Unachtsamkeit in der Behausung; ebenso der erbetenen Schmucksachen und der Schmucksachen des Liebhabers; Mitteilung durch Kundschafter über den Aufwand für die Liebesbesuche bei ihm; Schuldenmachen um seinetwillen; Streit mit ihrer Mutter wegen des Aufwandes, den er verursacht hat; Meiden der Veranstaltungen der Freunde, da sie keine Gegengaben zu bieten hat; Vorholung der von diesen früher gebrachten wertvollen Gaben und vorherige Erwähnung; Unterlassung der gewohnten Handlungen; Arbeit für die Handwerker um des Liebhabers willen; Dienstleistungen an Ärzte und Minister aus bestimmten Gründen; Unterstützung dienstbereiter Freunde bei Mißhelligkeiten; häusliche Verrichtungen; Ausstattung des Sohnes einer Freundin; Schwangerschaftsgelüste; Krankheit; Beseitigung des Unglückes eines Freundes; Verkauf eines Teiles ihrer Schmucksachen zum Besten des Liebhabers; sie biete einem Kaufmanne die besten Schmucksachen, Geräte und Geschirre zum Verkaufe an; bei einem Vertauschen mit dem gleichen Geräte der anderen Hetären Wahl des ausgezeichneteren; Erinnern und Anpreisen früherer Leistungen; durch Kundschafter lasse sie den außerordentlichen Gewinn anderer Hetären wissen; sie beschreibe ihnen in Gegenwart des Liebhabers ihren außerordentlichen großen Gewinn, tatsächlichen oder erdichteten, verschämt; offene Ablehnung der früheren Bewerber, die mit außerordentlichen Geldern vereint sich wieder bemühen; Hinweisung auf seine freigebigen Nebenbuhler und die Bitte eines Kindes: »Er soll nicht wiederkommen«: das sind die Mittel für den Erwerb von Vermögen.

»Feste Speisen«, Backwerk usw. »Flüssige Nahrung«: fertige und unfertige Reis-Speisen usw. – »Getränke«, Schnaps usw. – »Kleider«: viererlei Art: von Fellen, Früchten, Seidenraupen und Federn stammend. – »Wohlgerüche«, Sandel usw. – »Kränze«, gewundene Blumen usw. – Das Wort »usw.« bedeutet Betel, Früchte, Arekanüsse, Tiere, Geschirr, Geräte usw. Das alles ist zu beschaffen, so ist der Zusammenhang. »Bei den Geschäftsleuten«, den Kaufleuten, ist das zu haben. – »Rechtzeitig«, zur rechten Zeit zu holen. – »Beschaffen«, d. h. zuerst. – »Gegen Einzahlung von Geld«, durch Zahlung des vollen Preises, nicht aber durch die bloße Besorgung der Ware selbst. »In seiner Gegenwart«, in Gegenwart des Liebhabers. Denn wenn er selbst sieht, daß sie an dem Seinigen Gefallen findet und es preist, spendet er auch. – »Gelübde«: ›Am künftigen achten habe ich ein Gelübde: dabei brauche ich es!‹ – ›Ich habe einen »Baum« gepflanzt; dessen Richtfest steht bevor!‹ – ›Ich will einen »Garten« von Mangobäumen oder von Bassia latifolia anlegen‹. Oder: ›Ich muß die Ohrendurchbohrungszeremonie vornehmen‹. (?) ›Ein »Göttertempel« ist zu errichten oder der errichtete einzuweihen‹. ›Ein »Teich« – Lotusteich usw. – ist zu graben oder der gegrabene einzuweihen‹'. – ›Ein »Fest« wird übermorgen stattfinden; dabei brauche ich es‹. – ›Da ist ein lieber Besuch gekommen: dem muß ich notwendigerweise eine »Liebesgabe« spenden‹. – Derlei schütze sie vor. – »Liebesbesuch bei ihm«: gelegentlich eines Liebesbesuches bei dem Liebhaber muß ihr von den »Wächtern«, befreundeten, im Einverständnis mit ihr handelnden Polizeidienern, »oder durch Diebe«, die ebenfalls im Einverständnis mit ihr handeln, ihr »Schmuck entwendet werden«, damit er, wenn er sie betrübt kommen sieht, ihr einen (neuen) Schmuck schenkt. – »Durch Brand«, indem (angeblich) durch Unachtsamkeit Feuer ausgebrochen ist, ist das verbrannt: so muß sie ihren Verlust ankündigen. Nicht aber darf sie selbst Feuer anlegen, weil dabei sündhafterweise viele lebende Wesen untergehen könnten. – »Durch Durchbrechung einer Wand«: Verlust durch Räuber, die es geraubt haben, indem sie einbrachen. Oder es ist auch verloren gegangen durch Einbruch seitens nur angeblicher Diebe. – »Durch Unachtsamkeit« meiner selbst oder der Mutter ist daheim das Vermögen verloren gegangen‹. – »Ebenso«: wie das Vermögen durch Brand usw. verloren gegangen ist, ebenso »die erbetenen Schmucksachen«, die sie aus irgend einem Grunde von anderen geborgt hat »und die Schmucksachen des Liebhabers«, die er dort niedergelegt hat; wenn sie verkündet, daß diese durch Brand usw. verloren gegangen sind, gibt er notgedrungen Geld her; nach seinen eignen fragt er nicht. – »Durch Kundschafter«, durch die ersten Diener, die der Liebhaber abgeschickt hat, lasse sie in Gegenwart des Liebhabers den »Aufwand« für ihn in übertriebener Weise schildern: ›Um dich besuchen zu können, ist ihr an Rum, Betel usw. ein solcher Aufwand erwachsen!‹ – »Um seinetwillen«, um den Aufwand für den Liebhaber bestreiten zu können, »Schuldenmachen«: nämlich in seiner Gegenwart. – »Mit ihrer Mutter«: ›Warum machst du Schulden? Wie willst du die wieder bereinigen?‹ So rede die Mutter, mit der sie »Streit« habe »wegen des Aufwandes, den er verursacht hat«, der den Liebhaber betrifft; nicht um ihres eignen Aufwandes willen: ›Was habe ich mit dir zu schaffen? Ich werde mich selbst verkaufen und davon die Schulden bereinigen!‹ – Der Sinn ist: wenn er derlei sieht, spendet er sicherlich. – »Meidung der Veranstaltungen der Freunde«, Feste usw., die die Freunde des Liebhabers geben: ›Trotz der Einladung gehe ich nicht hin!‹ – (Der Verfasser) gibt den Grund an, den sie dazu hat, wiewohl sie von dem Liebhaber unterhalten wird: »Da sie keine Gegengaben zu bieten hat«: ›Ich habe keine »Gegengabe«, keine Geschenke zum Entgelt‹. – »Der von diesen früher gebrachten«: ›Zu dem Feste, welches ich gab, haben die Freunde bedeutende Gegengaben gebracht!‹ – »Vorholung«, vor den Liebhaber; »und vorherige Erwähnung«, bevor das Fest der Freunde stattfindet. Wenn sie nämlich vorher bittet, gibt er zur Festzeit, spendet er nichts, dann geht sie sicherlich nicht (zu ihm) hin. »Unterlassung der gewohnten Handlungen« ist zu üben, der täglich ausgeführten Taten zur Pflege des Körpers, damit er spendet, in dem Gedanken: ›Jetzt unterläßt sie sogar die Körperpflege!‹ – »Um des Liebhabers willen«, wobei von dem Liebhaber das Geld kommt. – »Arbeit für die Handwerker«: zu ergänzen ist: soll sie anweisen: ›Dieser vorzügliche Handwerker verlangt für seine Arbeit viel: das habe ich nicht! Wenn du es spenden willst, kann die Arbeit ausgeführt werden; sonst muß ich sie sein lassen‹. – »Dienstleistungen«, Diensterweisungen. – »Aus bestimmten Gründen«: der Grund ist der, daß »Ärzte« bei einer Dienstleistung den Liebhaber unter dem Vorwande von Arzneien zum Spenden bringen; und ein »Minister«, dem ein Dienst erwiesen worden ist, bringt ihn, selbst wenn er keine Lust zum Geben hat, mit Gewalt dazu. – »Freunde«: Angehörige des Liebhabers, deren Gewohnheit es ist, »hilfsbereit« zu sein, keine anderen. – »Bei Mißhelligkeiten«, die von den Göttern und den Menschen kommen. »Unterstützung«, Freundesdienste. Denn sie kommen ja auch dem Liebhaber zur Zeit des Mißgeschickes hilfreich entgegen und unterstützen ihn. – »Häusliche Verrichtungen«: Decke, Backsteine usw. sind anzufertigen. – »Ausstattung des Sohnes einer Freundin« von ihr, was bekannt ist als utsavanikā. Das ist für Ausführung und Zeit elliptisch gesagt: das erste Speisen des Kindes mit Reis oder die Zeremonie des Scheitelziehens usw. ist vorzunehmen. – »Schwangerschaftsgelüste«, wobei die Freundin Verlangen hat. »Krankheit«: eine unerwartet aufgetretene ist zu heucheln. – »Beseitigung des Unglücks eines Freundes«: ›Durch den Tod des Sohnes usw. deines Freundes bin ich unglücklich geworden: das muß ich durch … Text verderbt! lindern‹. – Hier ist bei den »häuslichen Verrichtungen« usw. zu ergänzen: ist vorzuschützen. – »Verkauf eines Teiles der Schmucksachen«: ein Teil ihrer eignen Schmucksachen ist auszuwählen und in seiner Gegenwart zu verkaufen, damit er denkt: ›Sie verkauft es zu meinem Besten‹ und Geld hergibt. – »Sie«, die Liebhaberin, »zeige einem Kaufmanne«, der mit ihr im Einverständnis ist, »zum Verkaufe«, in Gegenwart des Liebhabers »die besten Schmucksachen«, die am meisten gefallen oder ebensolches »Geräte und Geschirr«, damit er denkt: ›Sie hat gar nichts mehr, so daß sie anfängt, sogar ihre besten Sachen zu verkaufen‹ und Geld hergibt. – (Der Verfasser) gibt nun den Lehrsatz des Dattaka: ›Bei einem Zusammenfluß des Gerätes Auswahl von vorzüglicherem‹ mit deutlichem Sinne in einem neuen Lehrsatze wieder, indem er sagt: »Bei einem Vertauschen mit dem gleichen Geräte der anderen Hetären«: wenn infolge der Ähnlichkeit des Gerätes mit ihrem eignen ein Vertauschen stattgefunden hat, dann nehme sie, damit das nicht wieder geschieht, an Größe und Aussehen ausgezeichnetes, vor jenem abstechendes Geräte aus der Hand eines Kaufmannes nach und nach, in Gegenwart des Liebhabers, damit dieser es kauft und Geld hergibt. Gewöhnlich borgen Hetären von gleichem Range bei besonderen Veranlassungen gegenseitig Hausgerät: daher das Wort »andere Hetären«. – »Erinnern«: denn, wenn es vergessen würde, was sollte sie dann entgegnen, wenn er zu ihr sagte: ›Damit habe ich dich unterstützt?‹ – »Anpreisen« in seiner Gegenwart: damit er abermals Geld hergibt in dem Gedanken: ›Meine Leistungen hier sind nicht umsonst!‹ – »Durch Kundschafter«, Späher, »lasse sie ihn den außerordentlichen Gewinn anderer Hetären wissen«, der mit ihrem eignen verglichen ungleich ist: in Gegenwart des Liebhabers: ›Aus deiner Wohnstätte hat die Viṣṇumitrā dies viel Bedeutendere bekommen!‹ usw. – »Ihnen«, den anderen Hetären; den »Gewinn«, der noch größer ist als jener. So ist zu verbinden; »tatsächlichen«, den der Liebhaber gespendet hat; »oder erdichteten«, den er nicht gespendet hat; »verschämt«, gleichsam verlegen, »beschreibe sie« ihn, damit auch er verlegen wird und Geld hergibt. – »Frühere Bewerber«, die früher mit ihr gelebt haben und zugrunde gerichtet worden waren, »die mit außerordentlichen Geldern«, noch größeren Spenden, »vereint sich wieder bemühen«, sich Mühe geben. »Offne«, deutliche »Ablehnung« derselben ist vorzunehmen, damit er, wenn er davon hört, denkt: ›Sie ist mir zugetan!‹ und Geld hergibt. – »Hinweisung« durch Kundschafter »auf seine – des Liebhabers – freigebigen Nebenbuhler«. Der Sinn ist: um anzudeuten, daß er nicht allein da ist, damit er, wenn er das hört, mit vollen Händen gibt. Er spendet in dem Gedanken, daß die Betreffende keinen Nachteil hat. (?) »Er soll nicht wiederkommen«: er soll das Haus nicht wieder betreten; so muß von einem angestifteten Kinde gebeten werden: ›Gib mir was!‹ – Oder es ist gemeint, sie soll wie ein Kind ihre Scham aufgeben und bitten. – Diese Mittel für den Erwerb von Vermögen sind unter Berücksichtigung von Ort, Zeit und Gelegenheit anzuwenden.

*

§ 54. Das Erkennen der Gleichgültigkeit.

Wie die Hetäre von dem hingegebenen Liebhaber durch listige Mittel Geld bekommt, das ist besprochen worden; was soll aber mit einem gleichgültigen geschehen? – So wird nun von dem Erkennen der Gleichgültigkeit gehandelt, und zwar nennt (der Verfasser nun) die Merkmale des Gleichgültigen:

Den Gleichgültigen erkenne sie stets an der Veränderung seines Wesens und dem Aussehen seines Gesichtes.

»Stets«, indem das überall bei seinen Handlungen zutage tritt. – »An der Veränderung seines Wesens«, d. h., indem seine Natur eine andere wird. Damit deutet (der Verfasser) an, daß die Gebärden anders aussehen lernen. – »Und an dem Aussehen seines Gesichtes erkenne sie« das, d. h. an der Gesichtsfarbe. Mancher offenbart in seiner Gesichtsfarbe noch Neigung: darum erkenne sie an Gebärden und am Äußeren den Gleichgültigen wie den Verliebten; das ist gemeint.

Dieses Anders werden beschreibt (der Verfasser nun)«.

Er gibt zu wenig oder zu viel; er hat Beziehungen zu den Gegnern; er gibt etwas an und tut etwas anderes; er vernachlässigt seine Gepflogenheit; er vergißt sein Versprechen oder führt sie anders aus; er spricht mit seinen Leuten vermittelst Zeichen; er schläft anderswo, indem er das Geschäft eines Freundes vorschützt; er verhandelt zusammen mit der Dienerschaft der (Hetäre), mit der er früher gelebt hat.

»Oder zu viel«, im Vergleiche zu dem, was gegeben werden soll. – »Er hat Beziehungen zu den Gegnern«, er schließt Freundschaft mit den Widersachern der Geliebten. – »Er gibt etwas an«, daß er baden wolle, »und tut etwas anderes«: wenn die Zurüstungen zum Bade fertig sind, ißt er. – »Er vernachlässigt seine Gepflogenheit«, er spendet die täglichen Gaben nicht mehr. – »Er vergißt sein Versprechen«, daß er das und das geben wollte; und wenn sie ihn fragt, ob er es nicht versprochen habe, »führt er es anders aus«, nicht aber jenes. »Er spricht mit seinen Leuten«, Freunden usw., »vermittelst Zeichen«, nicht aber mit Worten, damit sie es nicht hört. – »Er schläft anderswo«, in einem anderen Hause als dem der Liebhaberin, »indem er das Geschäft eines Freundes vorschützt«, was er heute ausführen muß. – »Er verhandelt zusammen«, heimlich, »mit der Dienerschaft«, den Leuten der Geliebten, »mit der er früher gelebt hat«, Dinge, die sich früher zugetragen oder auf die gegenwärtige Liebhaberin Bezug haben.

Nun gibt (der Verfasser) das Verfahren einem solchen gegenüber an, der als gleichgültig erkannt ist:

Bevor er es merkt, bringe sie unter einem Vorwande seine wertvollen Sachen in ihre Gewalt. Diese nehme ein Gläubiger mit Gewalt aus ihrer Hand. Wenn er sich widersetzt, verhandele er an Gerichtsstätte mit ihm. – Das ist das Erkennen der Gleichgültigkeit.

»Bevor er es merkt«: ehe er einsieht, daß sie ihn als Gleichgültigen durchschaut hat; sonst würde er auf besondere Gegenmaßregeln sinnen. – Auch hier »unter einem Vorwande«, d. h., indem sie irgend einen Schein heuchelt. – »Diese«, die Wertsachen. – »Aus ihrer Hand«, aus der Hand der Liebhaberin. »Ein Gläubiger«: aus den Händen dieses Gläubigers bekommt sie später die weggenommenen Sachen des Liebhabers wieder. Im Einverständnis mit ihr »nehme er mit Gewalt«, indem er sie demütigt, diese Sachen. – »Wenn er sich widersetzt«, wenn der Liebhaber Streit anfängt und sagt: ›Das gehört mir: was nimmst du das weg?‹ »verhandele er«, der Gläubiger, »an Gerichtsstätte«, vor dem Richter usw. »mit ihm«. Wenn er sich aber nicht widersetzt, dann ist die Sache geglückt.

*

§ 55. Das Verfahren bei dem Fortjagen.

Bei einem Gleichgültigen ist von einem Fortjagen keine Rede, da er sich selbst entfernt. Wer aber nicht freiwillig geht, da er hingegeben ist, für den wird nun »das Verfahren bei dem Fortjagen« beschrieben. Da ist denn das erste Mittel, daß er nicht beachtet wird. So sagt (der Verfasser):

Einen Hingegebenen, der zwar früher dienstbereit gewesen, aber nun nur noch wenig Gewinn bringt, umgebe sie mit Übeltaten. Einen aber, der nichts mehr hat, entferne sie auf listige Weise ohne Umstände, indem sie sich auf einen anderen stützt.

Wenn er auch nur wenig noch gibt, »umgebe sie ihn mit Übeltaten«, Vergehungen, da er ja hingegeben ist; d. h., wenn er auch früher vielfach Dienste erwiesen hat und eine andere liebt, jage sie ihn doch nicht gleich fort. »Einen aber, der nichts mehr hat«, kein Geld mehr besitzt, »entferne sie«, jage sie fort. Wenn man einwendet: ›Mag es auch immerhin so sein: soll das geschehen, ohne vorher die gegenwärtige Lage zu bedenken?‹ – so antwortet (der Verfasser): »Ohne Umstände«, d. h. ohne Besinnen. Wenn man einwendet: ›Wie darf sie ihn doch wohl fortjagen, da er ihr Wollust und Gewinn gebracht hat?‹ – so antwortet (der Verfasser): »Indem sie sich auf einen anderen stützt«: da sie beides von einem anderen bekommt. Es ist so zu verbinden: indem sie einem anderen als dem gegenwärtigen Liebhaber anhängt, den sie früher verstoßen und ruiniert hat, jage sie jenen fort, da sonst kein Widerpart vorhanden ist und bei Vorhandensein des Genusses ein hingegebener Liebhaber nicht fortgejagt wird.

Diese Mittel, um den Liebhaber fortzujagen, sind nun offne oder versteckte. Mit Bezug auf die ersten sagt (der Verfasser):

Tun, was ihm unerwünscht ist; wiederholt tun, was er tadelt; Zusammenkneifen der Lippen; Stampfen des Bodens mit dem Fuße; Erzählen von unbekannten Dingen; bei Sachen, die ihm bekannt sind, Mangel an Interesse und Schmähungen; Demütigung seines Stolzes; Verkehr mit Leuten, die ihm überlegen sind; Mißachtung; Tadeln derjenigen, die die gleichen Fehler haben; Verweilen an einsamen Orten.

»Was ihm«, dem Liebhaber, »unerwünscht ist«, das soll sie »tun«, damit er sich von ihr abwendet mit der Überzeugung: ›Früher handelte sie nach meinem Willen, jetzt aber ist sie aus irgend einem Grunde mir abgeneigt!‹ – »Was er tadelt«, verabscheut, Grasschneiden, Lehmkneten usw., das soll sie in seiner Gegenwart »wiederholt tun«, immer wieder treiben, damit er merkt, daß sie ihm Ärger zu bereiten trachtet. – »Zusammenkneifen der Lippen«: sie lasse die Furcht fahren, indem sie ihn ansieht und ihre Lippen kräuselt. – »Stampfen des Bodens mit dem Fuße«: mit den Füßen auf den Erdboden stoßen: das beides tue sie, um ihren beständigen Zorn anzudeuten. – »Erzählen von unbekannten Dingen«: von welchen Dingen der Liebhaber keine Kenntnis hat, darüber unterhalte sie sich mit ihm zusammen: ›Kennst du diese schöne Sache?‹ – damit er vor den Leuten beschämt wird. – »Bei Sachen, die ihm bekannt sind, Mangel an Interesse«, um ihre Abneigung anzudeuten; »und Schmähungen«, daß er schlecht erzogen ist. – »Demütigung seines Stolzes«, Beseitigung seines Stolzes auf seinen Heldenmut usw., indem sie einen andern aufstachelt, damit er beschämt wird. – »Verkehr mit Leuten, die ihm überlegen sind«, damit er aus Furcht vor diesen fern bleibt. – »Mißachtung«: um anzudeuten, daß sie auf die Dinge, die ihm erwünscht oder nicht erwünscht sind, keine Rücksicht nimmt. – »Tadeln derjenigen, die die gleichen Fehler haben«: damit er merkt, daß sie ihn auf diese Weise selbst tadeln will. – »Verweilen« oder Unterhalten »an einsamen Orten«.

Nun sagt (der Verfasser) mit Bezug auf den Liebesgenuß: Bei seinem Verhalten während des Liebesgenusses Unruhe; Verweigern des Mundes; Verhüllen der Scham; Abscheu vor den Nägel- und Zahnwunden; bei der Umarmung Hindern durch die in den Armen bestehende Nadel; Unbeweglichkeit der Gliedmaßen; Kreuzung der Schenkel; Verlangen nach Schlaf; Auffordern, wenn sie merkt, daß er ermattet ist; bei Unfähigkeit Lachen; bei Fähigkeit Mangel an Entzücken; selbst am Tage; wenn sie seine Neigung bemerkt, Besuch großer Gesellschaften.

»Bei seinem Verhalten« in Gestalt von Rum, Betel usw. gebrauchen zum Zwecke des »Liebesgenusses Unruhe«: Verweigerung der Annahme; oder, wenn sie es annimmt, unfreundliches Wesen. – »Verweigern des Mundes«: nicht zugeben, daß er ihren Mund küßt. – »Verhüllen der Scham«: sogar bloße Berührung ist nicht zu dulden. – »Abscheu vor den Nägel- und Zahnwunden«, die er beibringt … – »In den Armen bestehend«: sie kreuze die beiden Arme und lege sie auf ihre Schultern, dann verhindert sie dadurch die Umarmung, durch diese »Nadel«, indem die vereinigten Arme gleichsam eine Nadel bilden. – »Unbeweglichkeit der Gliedmaßen« ist zu beobachten, d. h., sie leide nicht, daß er sie an sich zieht. – »Kreuzung der Schenkel«: sie lasse die Schenkel sich kreuzen; d. h., bei der (beabsichtigten) Einführung des Penis lege sie die Schenkel übereinander, um dieselbe zu vereiteln. – »Verlangen nach Schlaf« muß sie ihrerseits andeuten. – »Wenn sie merkt, daß er ermattet ist«: wenn er mit genauer Not sich anschickt, den Koitus auszuführen, dann soll sie den Ermatteten antreiben, zu beginnen und ihm nicht beispringen durch Ausübung des umgekehrten Liebesgenusses. – »Bei Unfähigkeit« des also Aufgeforderten »Lachen«: indem sie ihn mit der Ferse stößt, damit er Abneigung empfindet. – »Bei Fähigkeit Mangel an Entzücken«, um ihren Ekel auszudrücken. – »Selbst am Tage«: es gibt nämlich manchen Geiling Das Original hat den drastischen Ausdruck Liebesesel, kāmagardabha., der sogar am Tage, wo es doch verboten ist, den Koitus ausübt. – »Wenn sie seine Neigung«, sein Verlangen nach geschlechtlicher Vereinigung, »bemerkt«, an Gebärden und Äußerem, »Besuch großer Gesellschaften«, indem sie das Schlafgemach verläßt, um sein Verlangen zu verhindern.

Mit Bezug auf die Unterhaltung sagt (der Verfasser):

Beim Sprechen Wortverdrehungen; wo es nichts zu lachen gibt, Lachen; wo es etwas zu lachen gibt, Lachen aus einem anderen Grunde; während er spricht, Anblicken der Dienerschaft von der Seite und Anstoßen; unter Abbrechung seiner Erzählung Beginnen anderer; Erwähnen seiner Versehen und Beschäftigungen, die er nicht unterlassen kann; Besprechen seiner schwachen Seite durch eine Dienerin Der Kommentar faßt die Stelle anders auf. Vgl. Beiträge zur indischen Erotik, p. 804, Anm.; wenn er kommt, Nichtansehen; Bitten um Dinge, um die man nicht bitten soll; schließlich erfolgt von selbst Befreiung: so ist die Behandlung nach Dattaka.

»Beim Sprechen«: das gilt als häßlich. – »Wo es nichts zu lachen gibt«: selbst bei einer Unterhaltung, die nichts Scherzhaftes an sich hat, muß sie ohne Grund in »Lachen« ausbrechen, damit er denkt: ›Ohne daß ich einen Scherz gemacht habe, spottet sie über mich!‹ – Wenn er einen Scherz gemacht hat und »während er spricht«, der Liebhaber, »Lachen aus einem anderen Grunde«, indem sie eine andere Sache als die in Rede stehende meint. – »Anblicken der Dienerschaft von der Seite« muß sie treiben »und Anstoßen« mit der Hand unter Lachen, damit er merkt, daß sie sich an der Erzählung aus einem ganz besonderen Grunde ergötzt. – »Unter Abbrechung«: indem sie die von ihm vorgetragene Erzählung fallen läßt, soll sie »andere« beginnen. – »Seiner Versehen«, der Vergehungen des Liebhabers. – »Beschäftigungen«, Spiele usw., »die er nicht unterlassen kann«. Dies beides, was zu unterlassen unmöglich ist, soll sie erwähnen, um Ekel zu erregen. – Erwähnung »seiner schwachen Seite«, durch deren Besprechung er sich unglücklich fühlt. – »Besprechung durch eine Dienerin«: sie lasse alles erwähnen, indem sie eine Dienerin anstiftet. – Wenn er durch diese Mittel zu der Erkenntnis gekommen ist, daß seine Entfernung angebracht ist, gibt es zwei Mittel, die bewirken, daß er nicht wiederkommt: diese nennt (der Verfasser): »Wenn er kommt, Nichtansehen«: so oft er kommt, zeige sie sich nicht. Wenn er sie aber zu sehen bekommt, bitte sie »um Dinge, um die man nicht bitten soll«: sie verlange etwas, was man nicht verlangen kann. – »Schließlich«, am Ende, »erfolgt von selbst Befreiung«, soll sie ihn aufgeben, indem er gewöhnlich durch diese Mittel abgewehrt wird. – »So ist die Behandlung«: die Aufnahme des Besuchers einer Hetäre ist nach ihren Regeln soweit von Dattaka gelehrt, nicht von mir (Vātsyāyana) vorgebracht, indem dieser auf eine Aufforderung der Hetären hin den Plan faßte, das in gedrängter Darstellung zu beschreiben. Was aber von Bābhravya gelehrt worden ist und hierfür zweckdienlich ist, Wiederannahme eines Ruinierten usw., das werde ich nun besprechen. Das ist seine Meinung … Wann eine freundliche Aufnahme stattzufinden hat, wird durch diesen Abschnitt gelehrt.

Warum heißt er der Abschnitt über das Treiben der Hetären? – Darauf antwortet (der Verfasser):

Es gibt hier zwei Verse:

Vereinigung mit den Besuchern auf Grund einer Prüfung, Ergötzen des Vereinten, Geldnehmen von dem Verliebten, und schließlich Befreiung von ihm, das ist das Treiben der Hetären.

Eine Hetäre, die so nach dieser Lehre mit der Aufnahme der Besucher verfährt, wird von diesen nicht betrogen und erwirbt glänzende Reichtümer.

»Auf Grund einer Prüfung«: d. h., nachdem sie die Prüfung der Freunde, derer, die zu besuchen und die nicht zu besuchen sind, sowie der Gründe des Besuches vorgenommen hat. – »Vereinigung mit den Besuchern«, durch das Gewinnen der Besucher. – »Ergötzen des mit ihr Vereinten«, – durch Hingebung an den Geliebten. »Geldnehmen von dem Verliebten«, durch jene Mittel dafür. – »Befreiung« von ihm, durch das Verfahren bei dem Fortjagen. Alles das kommt den Hetären zu, nicht aber anständigen Frauen. Darum führt das die Bezeichnung »Treiben der Hetären«. So sagt Kātyāyana: »Prostitution ist das, was dem Hetärenvolke zukommt, sein Ergebnis ist das Treiben der Hetären«. – (Der Verfasser) nennt nun das Ergebnis solcher Prostitution: »So nach dieser Lehre«; die den Namen »Treiben der Hetären« führt. – »Wird nicht betrogen«, nicht allzusehr mitgenommen (hintergangen); »und erwirbt glänzende Reichtümer«, d. h. viele.

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