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So folgt nun für die glückliche Erlangung der anerkannten drei Lebensziele das erste Hilfsmittel: die Erfassung des Wissens, indem einer, der noch nicht in den Besitz des Wissens gelangt ist, die unmittelbar darauf folgenden Taten nicht vollbringen kann. Darum wird nun eine »Darlegung des Wissens« gegeben: Darlegung ist hier gedrängte Übersicht: die näheren Angaben sind aus einem anderen Lehrbuche und aus mündlichem Unterrichte zu entnehmen.
Wie man nun jene Wissensgegenstände sich aneignen müsse, zeigt (der Verfasser), indem er sagt:
Der Mann soll das Lehrbuch der Liebe und dessen Nebenzweige studieren, ohne die richtigen Zeitpunkte für die Wissenschaften des Dharma und Artha, sowie deren Nebenzweige zu verpassen.
»Des Dharma« usw.: hier sind die Wissenschaften des Dharma die heilige und profane Überlieferung; die Wissenschaft des Artha das Lehrbuch des Gewerbes; deren beider Nebenzweige die Gerechtigkeitslehre, indem dadurch Erwerbung und Erhaltung des Vermögens gewährleistet wird; Logik aber, weil sie zur Erkenntnis über das philosophische Denken verhilft. »Ohne die richtigen Zeitpunkte« für das Studium dieser Hauptsachen, einer jeden einzelnen, »zu verpassen«, zu versäumen, soll der Mann in der Zwischenzeit »das Lehrbuch der Liebe«, das vorliegende eben, und dessen Nebenzweige, Gesang usw., »studieren«, durch Lesen und Hören.
Die Frau vor der Jugendzeit, und, wenn hingegeben, nach der Meinung des Gatten. – Da die Frauen ein Lehrbuch nicht erfassen können, ist auch der Unterricht der Frauen in diesem Lehrbuche hier unnütz, sagen die Lehrer.
»Vor der Jugendzeit« soll die Frau das Lehrbuch der Liebe und dessen Nebenzweige studieren, und zwar im Vaterhause. Wie soll die Schöne, wenn sie infolge ihrer Verheiratung keinen eignen Willen mehr hat, noch studieren? – Eine andere Lesart hat »als Jungfrau«: darin hat man ein Synonym für Frau zu sehen. »Und wenn hingegeben«: mit besonderer Feierlichkeit hingegeben … Der Sinn ist, wenn sie verheiratet ist. Das Hingeben geschieht auf dreierlei Art: in Gedanken, mit Worten und mit der Tat. – »Nach der Meinung des Gatten«: wenn der Gatte es erlaubt, soll sie das Lehrbuch studieren; sonst dürfte sie als Emanzipierte zu beargwöhnen sein. – »Da die Frauen ein Lehrbuch nicht erfassen können«: weil es für sie nicht berechnet ist und es (ihnen) auch unmöglich ist, ein Lehrbuch zu erfassen. »Hier«: die auf die Frauen abzielende Unterweisung in dem Lehrbuch der Liebe, in der Form: »das ist erlaubt, das ist nicht erlaubt«. Die ist als Unterrichtsmittel unnütz, meinen die Lehrer.
Aber die Praxis können sie erfassen; die Praxis aber beruht auf dem Lehrbuche. – So lehrt Vātsyāyana.
»Die Praxis können sie erfassen«. Das, was praktisch geübt wird ( prayujyate), heißt Praxis ( prayoga), Wirklichkeit; die Erfassung derselben steht bei ihnen. Wer diese kennt, braucht das Lehrbuch nicht zur Hand zu nehmen. Wie aber soll diese für die Weiber nützliche, aus dem Lehrbuche gelernte Praxis von anderen gelehrt werden? Die Unterweisung der Frauen ist also nicht unnütz.
Das geschieht nicht nur hier: denn überall in der Welt gibt es nur wenige, die das Lehrbuch kennen; die Praxis aber gehört allen Menschen.
»Das geschieht nicht nur hier«: jene Erfassung der Praxis geschieht nicht nur hier, in diesem Lehrbuche der Liebe: »denn überall« – denn bedeutet den Grund – sieht man das bei allen Lehrbüchern, der Grammatik, der Astrologie usw. Das zeigt der Verfasser: »in der Welt« usw. »Nur wenige, die das Lehrbuch kennen«, die fähig sind, dasselbe zu erfassen: von denen lernen Fähige und Unfähige die Praxis: so »gehört sie allen Menschen«. Die Erfassung der Praxis ist auch wichtiger als die Erfassung des Lehrbuches, weil die Erkenntnis der Praxis einem Lehrbuche, wenn es auch erfaßt ist, doch erst die Krone aufsetzt.
Auch ist für die Praxis selbst ein fernstehendes Lehrbuch noch die Ursache.
Denn ein Lehrbuch, »selbst ein fernstehendes«, bildet, nachdem es einmal erfaßt worden ist, die Stütze für die Leute, die das Lehrbuch kennen. Selbst ein weitentferntes Lehrbuch bildet die Ursache in einer langen Reihe: ein Kenner des Lehrbuches erfaßt die Praxis, von diesem lernt sie ein anderer, von diesem wieder ein anderer usw.
Dafür gibt (der Verfasser) Beispiele:
Es gibt Grammatik: dabei wenden die Kenner des Opfers, die doch keine Grammatiker sind, bei den Opferhandlungen den ūha an.
Ūha ist die angemessene, wohl bedachte Festsetzung eines dem lautlichen Bestande nach nicht bestimmten Wortes. Er wird in der Grammatik behandelt mit Erwähnung des Nominalthemas, des Geschlechtes und der besonderen Aussprache. Das ist die Grammatik. Weil dieser ūha nun von da aus durch eine lange Reihe von Mittelgliedern gegangen ist, so wenden ihn auch Nichtgrammatiker, nämlich die Kenner des Opfers, bei den Opferhandlungen an. Z. B. »Dem Feueropfer entsprechend opfere man Opferkuchen in acht Schalen verteilt«. Das ist die natürliche Anwendung. »Der Sonne entsprechend opfere man Opferspeise als Freund des brahmacarya«. Das ist die modifizierte Anwendung. Hier bezieht sich der ūha auf die Sonne. Der Sonne entsprechend opfere man Opferspeise, wie dem Feueropfer entsprechend.
Es gibt Astrologie: und doch vollbringen an den geeigneten Tagen (auch Nichtastrotogen) ihre Werke.
»Es gibt Astrologie«: aber auch Nichtastrologen, die sie irgendwoher erlernt haben, vollbringen an den glückverheißenden Tagen ihre Werke. Da ist das Lehrbuch eben die Ursache.
Ebenso verstehen Rosse- und Elefantenlenker, die doch die Lehrbücher darüber nicht studiert haben, mit Pferden und Elefanten umzugehen.
»Die die Lehrbücher darüber nicht studiert haben«, die Heilkunde für Elefanten und Pferde und die Dressur des Elefanten nicht aus Texten gelernt haben, vollbringen doch die Handlung des Fütterns, des Zähmens usw. Auch hier ist das Lehrbuch die Ursache.
Aber nicht nur bei dem Lehrbuche ist es so, daß auch ein Entferntes wirkt, sondern auch im gewöhnlichen Leben. So sagt (der Verfasser):
Ebenso gibt es Könige: aber selbst weit entfernte Völker überschreiten die Schranken nicht: das ist ebenso.
»Weit entfernte«, indem sie den König nicht zu sehen bekommen. Er ist der Bestimmende, von dem dieser oder jener Zustand herrührt: aus Furcht vor ihm überschreiten sie die Schranken nicht. »Das ist ebenso«: es paßt in diese Erläuterung durch Beispiele.
Jedoch gewisse Frauen erfassen auch das Lehrbuch: so sagt (der Verfasser):
Es gibt freilich auch Frauen, deren Geist von dem Lehrbuche getroffen wird: die gaṇikā(-Hetären), die Töchter von Königen und die Töchter von hohen Beamten.
»Deren Geist von dem Lehrbuche getroffen«, hart geübt, »wird«. »Hohe Beamte«, deren Befugnis eine große ist, Vasallen oder Hauptvasallen. Oder man muß in der hastiśikṣā »Dressur des Elefanten.« Titel bestimmter Werke? deren Merkmale nachsehen Mahāmātra auch = Elefantenführer!.
Von einer solchen Vertrauensperson lerne die Frau heimlich die Praxis, das Lehrbuch oder nur einen Teil.
»Von einer solchen«, durch welche beides, die Erlernung der Praxis und die Erlernung des Lehrbuches, ermöglicht wird. »Vertrauensperson«, die Vertrauen verdient: um der Scham keinen Raum zu geben. Die »Praxis« lerne eine Frau, die das Lehrbuch zu erfassen unfähig ist; eine von geringem Verstande; das ganze »Lehrbuch« eine, die das zu erfassen fähig ist, eine verständige, »oder nur einen Teil« des Lehrbuches, den Abschnitt über die fleischliche Vereinigung, eine von mäßigen Geistesgaben.
Als Mädchen lerne sie die zu den vierundsechzig Künsten in Beziehung stehenden und wiederholt anzuwendenden Werke in der Einsamkeit und allein.
»Die zu den vierundsechzig Künsten in Beziehung stehenden«, in den vierundsechzig Künsten bestehenden. »Als Mädchen«, das damals Erlernte wird in der Jugendzeit angewendet. »In der Einsamkeit«, um der Scham keinen Raum zu geben. »Allein«, ohne einen Lehrer zu gebrauchen.
Wer ist nun aber Vertrauensperson? Da sagt (der Verfasser):
Die Lehrer aber der Mädchen sind: die zusammen aufgewachsene Milchschwester, die sich bereits mit einem Manne fleischlich vermischt hat; oder eine ebensolche Freundin, mit der man gefahrlos reden kann und eine gleichaltrige Tante; an deren Stelle eine vertraute alte Dienerin oder eine von früher her bekannte Bettelnonne und eine Schwester, wenn man ihr trauen kann.
»Die Lehrer aber«. Das Wort aber bedeutet das Spezialisieren: für die Männer, die sich ungehindert bewegen können, sind Lehrer leicht zu finden. – »Die sich bereits mit einem Manne fleischlich vermischt hat« und infolge der schon früher genossenen Leidenschaft erfahren ist. »Die Milchschwester«, das Kind der Amme. Diese ist nämlich vertrauenswürdig, weil sie zusammen aufgewachsen sind. Das ist die eine Lehrerin. – »Oder eine ebensolche Freundin«, die sich bereits mit einem Manne fleischlich vermischt hat. »Gefahrlos«: sie ist vertrauenswürdig, weil man ohne Schädigung mit ihr reden kann. Das ist die zweite. – »Gleichaltrig«: eine Frau ähnlichen Alters ist ein Gegenstand der Liebe und des Vertrauens. Das Wort »und« bedeutet, daß das »eine ebensolche« auch hier gilt. »Tante«, Mutterschwester. Das ist die dritte. – »Vertraut«, vertrauenswürdig. »An deren Stelle«, der Tante gleich, eine als Mutterschwester genommene alte Dienerin, die viele Erlebnisse (zu berichten) weiß. Das ist die vierte. – »Eine von früher her bekannte«, mit der man früher Freundschaft geschlossen hat; die ist vertrauenswürdig. »Bettelnonne«, irgend eine Frau, die umherbettelt und sich auf das Durchwandern des Landes versteht. Das ist die fünfte. – »Und eine Schwester«, die älteste Schwester, »wenn man ihr trauen kann«: wenn sich das durch Zutrauen deutlich ergibt, dürfte sie mit einem fremden Manne vereint sein, andernfalls belehrt keine Schwester die andere, aus Eifersucht. Das ist die sechste. –
Es hieß, man müsse das Lehrbuch der Liebe und dessen Nebenzweige erlernen: hier folgt nun eine kurze Aufzählung dieser Nebenwissenschaften; in einem anderen Lehrbuche sind die vierundsechzig Grundkünste genannt. – Da gibt es denn vierundzwanzig Künste, die in (ernsten) Handlungen bestehen, nämlich: Gesang, Tanz, Instrumentalmusik, Schreibkunst, edle Ausdrucksweise, Malen, Bossieren, Blattschneiden, Kranzbinden, Bereitung von Leckerbissen, Juwelenkunde, Nähen, Bühnenkunde, Werkzeugkunde, Meßkunde, Kenntnis des Lebensunterhaltes, Tierheilkunde, Kenntnis der ketzerischen Lehren, Erfahrenheit in den Spielen, Weltkenntnis, Geschicklichkeit, Massieren, Körperpflege und spezielle Erfahrenheit. – Zwanzig, die sich auf Spiele beziehen; darunter fünfzehn leblose, nämlich: Lebenerlangen, Würfeln, Schönheitnennen, Opferweg, Körnergreifen, Staatskunde, Grundangeben, Bunt und Nichtbunt, geheime Zahl, Ähnliches herbeibringen, Schnellgreifen, Erinnerung an Geschriebenes, Feuerschritt, Listverblendung und Planetengeben. – Lebende fünf: Aufwarten, Kämpfen, Schreien, Gehen und Tanzen. – Sechzehn, die sich auf die Besorgung des Lagers beziehen, nämlich: Würdigung der Gesinnung des Mannes, Offenbaren der eigenen Leidenschaft, Darreichung jedes einzelnen Körperteiles, Prüfung der Nägel und Zähne, Lösen des Unterkleides, Berührung der Schamteile in der richtigen Ordnung, Erfahrenheit in der höchsten Wahrheit = Koitus., geschlechtliche Erregung, Zufriedenheit über die Ebenbürtigkeit, Aufstacheln, Zurschautragen von mäßigem Zorn, Vermeidung von wirklichem Zorn, Versöhnung des Zornigen, Verlassen des Schlafenden, zuletzt Einschlafen und Verhüllung der Scham. – Vier hohe Künste, nämlich: Beschwören des Geliebten unter Tränen, sich selbst Verwünschen, dem Aufbrechenden nacheilen, wieder und wieder ansehen. – Das sind die vierundsechzig Grundkünste. Die unter diesen fallenden Sonderkünste zählen fünfhundert, vermehrt um achtzehn. Hierbei gehen die auf ernste Tätigkeit und Spiel bezüglichen gewöhnlich bis auf die Kinder herab. Diese sind es, welche hier in anderer Verteilung die Vierundsechzig genannt werden. Die Künste aber, die sich auf die Bereitung des Lagers beziehen und die höheren Künste bilden gewöhnlich den Anhang des Lehrbuches. So muß man die besonderen Künste innerhalb der Vierundsechzig des Pāñcāla kennen lernen, und diese werden bei der passenden Gelegenheit behandelt werden.
Nun nennt der Verfasser die angemessenen vierundsechzig Künste:
Gesang, Instrumentalmusik, Tanz, Zeichnen, das Einritzen von Zeichen, Verfertigen mannigfacher Linien aus Reis und Blumen, (kunstgerechtes) Blumenstreuen, Zähne und Gewänder zu färben, Auslegen des Bodens mit Juwelen, Herstellung des Lagers, Wassermusik, das Schlagen mit Wasser, wunderbare Kniffe, die verschiedenen Arten Kränze zu winden, die Anordnung von Diademen und Kronen, Toilettenkünste, die verschiedenen Arten die Ohren zu schmücken, das Mischen von Wohlgerüchen, das Anlegen von Schmucksachen, Zauberei, die Kniffe des Kucumāra, Geschicklichkeit der Hände, die Verfertigung der verschiedenen Arten von Gemüse, Brühen und Speisen, die Herstellung von Getränken, Fruchtsäften, Würzen und Likören, die Arbeiten des Webens mit der Nadel, das Fadenspiel, das Musizieren auf der Laute und der Trommel, Rätselspiel, Versespiel, das Hersagen schwerer Worte, das Vorlesen von Büchern, Kenntnis des Schauspieles und der kleinen Erzählungen, Ergänzung eines gegebenen Verses eines Gedichtes, die verschiedenen Arten, Zeug und Rohr zu flechten, Drechslerarbeiten, Behauen, Baukunst, Prüfen von Silber und Edelsteinen, Metallurgie, Kenntnis des Färbens und der Herkunft der Juwelen, Anwendung der Lehre von der Pflege der Bäume, Einrichtung der Kämpfe von Widdern, Hähnen und Wachteln, Sprechenlehren der Papageien und Predigerskrähen, Erfahrung im Frottieren, Massieren und Frisieren des Haares, das Erzählen vermittelst der Fingersprache, die verschiedenen Arten verabredeter Sprachen, Kenntnis der Dialekte, die Kunst der Blumenwagen, Kenntnis der Vorzeichen, Alphabet der Diagramme, Kenntnis des Abc der Gedächtniskunst, Zusammendeklamieren, Geistspiel, Anfertigung von Gedichten, Kenntnis des Lexikons, Kenntnis der Metrik, Kenntnis der literarischen Arbeit, Vortrag von Liedern unter Gestikulationen, das Verstecken in Kleidern, die verschiedenen Glücks-Spiele, das Würfelspiel, die Spiele der Kinder, und die Kenntnis der Wissenschaft des guten Tones, der Strategie und der körperlichen Übungen: das sind die vierundsechzig einzelnen Nebenzweige des Lehrbuches der Liebe.
Die vier Gegenstände: Gesang, Instrumentalmusik, Tanz und Zeichnen werden gewöhnlich in den sie betreffenden Lehrbüchern ausführlich behandelt; trotzdem werden sie auch in knappen Worten gekennzeichnet: »Unter Gesang versteht man ein Vierfaches, welches Stimme, Rhythmus, ferner Tempo und Aufmerken des Geistes erfordert. – Instrumentalmusik besteht aus Schlaginstrumenten aus Metall, Schlaginstrumenten aus Fell, Saiteninstrumenten und Blasinstrumenten und daher in entsprechender Reihenfolge aus Messing, Trommeln, Saiten und Rohr. – Stellungen, Gestikulationen, künstlerische Darstellung und Effekt, Symptome der Gemütsverfassung und die Geschmacksarten: das ist in Kürze alles, was der Tanz enthält.« Er ist von zweierlei Art: mimisch und nichtmimisch. So heißt es denn: »Die Nachahmung der Taten der Bewohner des Himmels oder der Welt der Sterblichen oder der Unterwelt, mimischer und nichtmimischer Tanz, kommt den Tänzern zu.« In dem besonderen Lehrbuche aber ist, um die verschiedenen Arten des Tanzes kenntlich zu machen, die Kunst des mimischen Tanzes besonders behandelt, wie man wissen muß. – »Zeichnen«: »Die sechs Erfordernisse des Gemäldes sind: die verschiedenen Erscheinungsformen, Proportionen, Darstellung der natürlichen Schönheit, Ähnlichkeit, Farbentreue und Richtigkeit der Tracht (?).« Diese Künste dienen dazu, bei anderen Leidenschaft zu erwecken und sich selbst zu unterhalten. – »Das Einritzen von Zeichen«: ein Zeichen ist das Mal, welches man sich auf die Stirn zeichnet; das mannigfach geartete Schneiden dieses aus dem Blatte der Birke usw. bestehenden Zeichens ist eben das Einritzen. »Blatteinritzen« muß man eigentlich sagen. Der Verfasser sagt ja später (p. 281; nicht genau zitiert!): »Sie schicke eingeritzte Blätter mit den Darstellungen verschiedener Gedanken«. Mit Recht! Das Erwähnen des Zeichens bedeutet zarte Rücksicht, weil es den Schönen außerordentlich lieb ist. »Das Verfertigen mannigfaltiger Linien aus Reis und Blumen«: die Darstellung mannigfaltiger Streifen aus ganzen Reiskörnern von verschiedenen Farben auf dem Edelsteinestrich im Tempel der Sarasvatī oder des Liebesgottes. Ebenso die Darstellung mannigfaltiger Streifen aus zusammengebundenen, verschiedenfarbigen Blumen zum Zwecke der Verehrung des Śiva, des Phallus usw. Hierbei ist das Zusammenbinden in dem Kränzebinden enthalten; das Darstellen verschiedener Streifen ist aber eine besondere Kunst. – »(Kunstgerechtes) Blumenstreuen«: damit ist gemeint, wenn verschiedenfarbige, durch Nähen, Weben usw. verbundene Blumen hingeworfen werden. Eine andere Bezeichnung dafür ist »Blumenlager«, im Schlafgemach, Saal, Pavillon usw. – »Zähne und Gewänder zu färben«: das Wort »färben« bezieht sich auf jedes einzelne. Das Färben, Einreiben geschieht hierbei mit Safran usw. Während man von »Vornahme des Färbens« reden sollte, geschieht die Erwähnung der Zähne usw. aus zarter Rücksicht, weil den Schönen das Schmücken der Zähne usw. außerordentlich erwünscht ist. – »Das Auslegen des Bodens mit Juwelen«. Ein Juwelenboden ist ein Fußboden, der aus (Edelstein-)Estrich besteht, indem er mit verschiedenen Edelsteinen, Smaragden usw. eingelegt ist, um in der heißen Jahreszeit darauf ruhen und Trinkgelage abhalten zu können. – »Herstellung des Lagers«: Einrichtung der Lagerstätte unter Berücksichtigung der Zeit, ob Verliebtheit, Gleichgültigkeit oder Unentschiedenheit vorhanden ist und Neigung zum Essen sich zeigt. – »Wassermusik«: Musik im Wasser wie von Trommeln usw. – »Das Schlagen mit Wasser«: das Bespritzen mit dem aus den Händen wie aus Maschinen geschleuderten Wasser. Dies beides bildet ein Glied des Wasserspiels. – »Wunderbare Kniffe«: Bewirkung mannigfachen Mißgeschickes, machen, daß jemand nur ein Organ hat, grau wird usw. Sie dienen dazu, aus Eifersucht jemand zu schädigen. (Der Verfasser) wird sie in dem Upaniṣad-Abschnitte nennen. Sie fallen nicht unter die Kniffe des Kucumāra und sind darum besonders namhaft gemacht, weil sie von Kucumāra nicht behandelt werden. »Die verschiedenen Arten, Kränze zu winden«: die verschiedenen Arten des Windens von Kränzen, Kränzen für Kahlköpfe usw., zur Verehrung der Götter und zur Toilette. – »Die Anordnung von Diademen und Kronen«: das ist eine bestimmte Art des Windens: die Anordnung hingegen ist eine besondere Kunst, weil hierbei das Diadem so umgelegt wird, daß es auf dem Scheitel schwebend befestigt wird, und ebenso die Krone, in Gestalt eines Kreises gewunden, so angetan wird, daß man wie ein Holzträger aussehen lernt. Verfertigung, Anordnung aus verschiedenfarbigen Blumen. Das nochmalige »Verfertigung« deutet die besondere Rücksicht an. Beides bildet für den Elegant den Hauptbestandteil der Toilette. – »Toilettenkünste«: die Weisen, unter Berücksichtigung von Ort und Zeit den Körper der Verschönerung halber mit Kleidern, Kränzen, Schmucksachen usw. zu schmücken. – »Die verschiedenen Arten, die Ohren zu schmücken«: verschiedene Sorten des Ohrschmuckes vermittelst Elfenbeins, Muscheln usw.; ein Gegenstand der Toilette. – »Das Mischen von Wohlgerüchen«, ausführlich in den betreffenden Lehrbüchern behandelt und von bekannter Anwendung. – »Das Anlegen von Schmucksachen«: der Gebrauch des Schmuckes. Dieser ist zweifach: zusammengesetzt und nicht zusammengesetzt. Darunter besteht der zusammengesetzte in der Verbindung von Halsketten, Perlenschnüren usw. mit Edelsteinen, Perlen, Korallen usw., der nicht zusammengesetzte in der Verfertigung, Anlegung von Armbändern, Ohrringen usw. Beides bildet einen Teil der Toilette. Nicht hierher gehört jedoch das Anlegen des Schmuckes an den Leib, da das schon bei den »Toilettekünsten« abgetan ist. – »Zauberei«: die Kniffe, die aus dem Lehrbuche über das Zaubern stammen usw.: Dinge, die infolge des Zeigens von Heeren, Tempeln usw. Selbstbewußtsein und Staunen erregen. »Die Kniffe des Kucumāra«: das sind die dem Kucumāra angehörenden Dinge, die durch andere Mittel sonst Unerreichbares erlangen machen, wie z. B. das Gewinnen der Frauen. »Geschicklichkeit der Hände«: in allen Dingen eine leichte Hand haben, um Verzögerungen zu verhüten; oder bei dem Verschwindenlassen von Gegenständen Leichtigkeit, des Spieles und der Staunenerregung halber. – »Die Verfertigung der verschiedenen Arten von Gemüsen, Brühen und Speisen, die Herstellung von Getränken, Fruchtsäften, Würzen und Likören.« Das Essen ist ein vierfaches: feste Speisen, lockere Speisen, Speisen, die geleckt werden und trinkbare Speisen. Davon (zunächst) die lockeren Speisen: Daß von den Speisen und ihren Zutaten die Bereitung der Zutaten gewöhnlich nicht leicht zu erkennen ist, beweist (der Verfasser) damit, daß er das Gemüse, die vorzüglichste unter den Zutaten, erwähnt. Das Gemüse nun ist von zehnerlei Art, wie es denn heißt: »Wurzeln, Blätter, Schößlinge, Spitzen, Früchte, Stengel, Ausläufer, Schalen, Blüten und Stacheln: dies Zehnfache gilt für Gemüse.« – Das Trinkbare ist von zweierlei Art: das am Feuer herzustellende und das übrige. Das erste davon nennt man Brühe, und diese ist auch von zweierlei Art: die eine, hergestellt aus dem ausgepreßten Safte von Bohnen usw., die andere aus Abkochungen. Feste Speisen sind Naschwerk usw. Die Herstellung dieser verschiedenartigen Speisen, die Fertigstellung durch die Vorrichtung des Kochens. – Das Trinkbare, welches ohne Anwendung von Feuer hergestellt wird, ist von zweierlei Art: eins, was durch Mischen bereitet wird und das andere. Da ist nun das erste tropfbar oder nicht tropfbar. Was dabei unter Beifügung von Zucker-, Tamarinden- und anderem Wasser bereitet wird, dieses Tropfbare heißt Getränk. Was man bereitet unter Vermischung von Weinpalmenfrüchten und Bananen mit einem nichtflüssigen Kräuterstoffe, dieses Nichttropfbare heißt Fruchtsaft. – Mit der Wahl des Wortes »Likör« deutet (der Verfasser) elliptisch ein Mischen an. Er wird in der Weise eben hergestellt, daß man Mischungen von Mildem, Mittlerem und Scharfem vornimmt. – Die Wahl des Wortes »Würze« deutet an, daß das Betreffende durch Lecken genossen werden muß, da es dreifach ist. So heißt es denn: »Würze gilt bei denen, die sie zu bereiten verstehen, als durch Lecken zu genießen, feinkörnig und flüssig; der Geschmack ist salzig, sauer oder bitter, mit wenig Zucker versehen.« – Diese vierfache, mannigfaltige Kochkunst dient dazu, den Leib zu erhalten. Die Sonderung nach der Anwendung zeigt, daß die Speisen entweder mit oder ohne Feuer hergestellt werden: durch Kochen stellt man Gemüse usw. her, ohne Kochen Getränke usw. Sonst wäre gesagt worden »Kochkunst«. Auf Grund dieser Verschiedenheit der Handlung ergibt sich, daß einer, der die Kochkunst versteht, zweierlei kann. Infolgedessen ist diese eine Kunst auch in zwei Teilen behandelt. – »Die Arbeiten des Webens mit der Nadel«: das Werk des Zusammenfügens vermittelst der Nadel ist »Weben mit der Nadel«, und das ist von dreifacher Art: Nähen, Weben und Wirken. Das erste davon bezieht sich auf Mieder usw., das zweite auf durchbrochene Gewänder, das dritte auf Decken usw. Diese Kunst ist wohlbekannt. – »Das Fadenspiel«: das bald so, bald so Zeigen von Fäden, von Lotusstengeln usw. begleitet von scherzhaften Rätselreden. Man zeigt als nichtzerschnitten und nichtverbrannt, was man zerschnitten und verbrannt hat; und zwar geschieht das durch Fingerstellung. Man zeigt auch Göttertempel usw. Diese also beschaffene Kunst ist ein Gegenstand des Spieles. – »Das Musizieren auf der Laute und der Trommel«: wiewohl es zu einem Musikchore gehört, ist doch das Musizieren auf den Saiteninstrumenten das vorzüglichste. So gibt es denn auch ein besonderes Musizieren auf der Laute: das auf der Trommel gehört notwendig dazu, indem dann die Kinder herbeikommen und (die Musik sonst) schwer zu verstehen wäre. Denn dann hört man einen deutlich erklingenden Rhythmus. – »Rätselspiel«: weltbekannter Gegenstand des Spieles und des Wettstreites. – »Versespiel«: auch bekannt unter dem Namen »Endbuchstabenspiel«. Es ist Gegenstand des Spieles und des Wettstreites. – So heißt es: »Wenn zwei Leute gegenseitig Verse hersagen, indem sie der Reihe nach bei jedem Verse mit dem Endbuchstaben des letztgenannten beginnen, so nennt man dies das »Versespiel«. – »Das Hersagen schwieriger Worte«: was sich hinsichtlich der Lautform und der Bedeutung schwer aussprechen läßt, das nennt man schwierige Worte. Man wendet sie an beim Spiele und beim Wettstreite. So heißt es im Kāvyādarśa: In welchem? Nicht in dem von Daṇḍin verfaßten!
daṃṣṭrāgrarddhyā prāg yo drāk kṣmām ambvantaḥsthām uccikṣepa
devadhruṭkṣid dhy ṛtvikstutyo yuṣmān so'vyāt sarpātketuḥ.
Der Sinn ist: Der durch die übernatürliche Kraft seiner Fangzahnspitze prāg, einst, drāk, schnell, kṣmām, die Erde, ambvantaḥsthām, die in dem Wasser sich befand, uccikṣepa, emporhob, der devadhruṭkṣid: sie schädigen die Götter, also Götterschädlinge, Dämonen; er vernichtet sie, also: – der Götterfeindvernichter. Das Wort dhy soll nur den Vers füllen. Der von den Priestern zu preisende. Er verzehrt Schlangen, also Schlangentöter, Garuḍa: der diesen als ketu, als Flagge führt, der ist gemeint. (Viṣṇu: der möge euch schützen.) – »Das Vorlesen von Büchern«: das unter Berücksichtigung der Affekte der Liebe usw. stattfindende singende Hersagen der in den Büchern stehenden Gedichte, wie des Bhāratam usw., um Leidenschaft zu erwecken und um der eignen Unterhaltung halber. – »Kenntnis des Schauspiels und der kleinen Erzählungen«: da das Schauspiel unter den in Prosa und Versen abgefaßten Dichtungen außerordentlich stark vertreten und die kleine Erzählung das Hauptwerk in Prosa ist. Kenntnis, Erfahrenheit. Mit besonderer Rücksicht sind die Sondernamen gewählt, und es heißt nicht »Kenntnis der Dichtungen«. Das Schauspiel hat nun zehn Unterarten, wie es denn heißt: »nāṭaka, aṅka, vīthī?, prakaraṇa, īhāmṛga, ḍima, bhāṇa, vyāyoga, samavakāra und prahasana: das sind die verschiedenen Arten des Schauspieles.« – »Ergänzung eines gegebenen Verses eines Gedichtes«: Ergänzung, weil das Betreffende zu ergänzen ist, nur knapp angegeben wird … Der Sinn ist, das zu Ergänzende bei einem Verse eines Gedichtes ist ein Versfuß. Das Ergänzen desselben ist Gegenstand des Spieles und des Wettstreites. Darüber heißt es im Kāvyādarśa: In welchem? Nicht in dem von Daṇḍin verfaßten! »āśv āsaṃ janayatirājamukhyamadhye«. Dieser Versteil aus dem Udyogaparvan, aus der Reise des Viṣṇu, muß mit drei anderen Versteilen verknüpft werden: so ist also das zu Ergänzende gegeben. Hier sind diese drei Versteile:
dautyena Dviradapuraṃ gatasya Viṣṇor
bandhārthaṃ prativihitasya Dhārtarāṣṭraiḥ
rūpāṇi trijagati bhūtimanti roṣād
āśv āsaṃ janayatirājamukhyamadhye.
Hier ist von Duryodhana usw. ein Anschlag verabredet, Viṣṇu gefangen zu nehmen. Die in den drei Welten glückbringenden Gestalten waren schnell, kamen zum Vorschein. Unter den Leuten in der Versammlung, den Büßern, Rāma, Karṇa usw. und den ersten unter den Königen, den Bālhīkās usw. – Diese sechs, auf der Gewandtheit im Sprechen beruhenden Künste, Rätselspiel usw., sind hier zusammengefaßt, weil sie gewöhnlich zur Anwendung gebracht werden. – »Die verschiedenen Arten, Zeug und Rohr zu flechten«. Die verschiedenen Arten, Zeug zu weben und die verschiedenen Arten, aus Rohr Bettstellen und Sitze zu flechten, sind bekannte Dinge. – »Drechslerarbeiten«, Arbeiten auf der Drehscheibe zur Herstellung von künstlichen Phalli. – »Behauen«, Arbeiten des Zimmermannes, zur Herstellung des Lagers, der Stühle usw. »Baukunst«: die beim Bau des Hauses in Anwendung kommt. – »Prüfen von Silber und Edelsteinen«: Silber ist geprägtes Geld, Denare usw., Edelsteine sind Diamanten, Juwelen, Perlen usw. Deren Prüfen nach guten oder schlechten Eigenschaften, dem Preise usw. bildet einen Teil des Geschäftsverkehres. – »Metallurgie«: Geologie. Diese ist Gegenstand des Artha, da sie die Kenntnis des Fällens, Reinigens, Vermischens usw. des Lehmes, der Steine, Juwelen und Erze vermittelt. »Kenntnis des Färbens und der Herkunft der Juwelen«: die Kenntnis des Färbens der Bergkristalle dient zum Erwerbe und als Schmuck; die Kenntnis der Fundorte der Rubine und anderer Edelsteine dient zum Erwerbe. – »Anwendung der Lehre von der Pflege der Bäume«: sie betrifft den Hausgarten und ist vielfach gegliedert in das Pflanzen, Pflegen und Heilen. – »Einrichtung der Kämpfe von Widdern, Hähnen und Wachteln«: das ist die Veranstaltung eines Spieles mit lebenden Wesen. Die Einrichtung dieses Kampfes nun in vier Gliedern, Anmarsch usw. dient als Spiel und zum Wettstreite. – »Das Sprechenlehren von Papageien und Predigerskrähen«: nämlich Papageien und Predigerskrähen sagen, wenn sie nach der menschlichen Sprache sprechen gelernt haben, schöne Sprüche her und rufen Befehle. – »Erfahrung im Frottieren, Massieren und Frisieren des Haares«. Es gibt zweierlei Arten von Reiben: mit den Füßen und mit den Händen. Das Reiben mit den Füßen nennt man Frottieren, die Vornahme des Salbens des Kopfes mit den Händen ist das Frisieren des Haares. Da dieses dabei geschmeidig wird, so ist daher die Bezeichnung genommen keśamardanam: keśāntāṃ tatra mṛdyamānatvāt!. Das Reiben an den übrigen Gliedern ist Massieren. Die Erwähnung des Haares geschieht hier aus besonderer Rücksicht: Erfahrung auf diesem Gebiete dient dazu, andere für sich zu gewinnen. – »Das Erzählen vermittelst der Fingersprache«: Fingersprache ist Geheimhaltung, gleichsam eine Handvoll Buchstaben. Sie ist ohne falschen Schein oder mit falschem Scheine begleitet. Da heißt denn die letztere akṣaramudrā, Buchstabensiegel. Vermittelst derselben berichtet man den Inhalt geheimer Beratungen und gibt in Kürze den Inhalt eines Buches an. Der Meister Ravigupta hat darüber in seinem Gedichte »Candraprabhāvijaya« einen besonderen Abschnitt. So heißt es: »In dem Meere der Unterhaltung umhergeschlagen wird der, welcher diese akṣaramudrā nicht studiert hat, die alles in undurchdringliches Dunkel hüllt, etliche Lehren und unendlich viele Mundöffnungen hat.« Dafür ein Beispiel:
mevṛmikasiṃkatuvṛdhamakuṃmī,
mūdhasabāṃsuśakanidhakaāvyāḥ,
phācaivaijyeāśrābhāākāmāpaumā caiva.
Der Sinn dieser Strophe ist dieser: In der ersten Verszeile sind die Zodiakalbilder genannt, meṣa (Widder) usw.; in der zweiten die besonderen Bezeichnungen derselben, anfangend vom Ausgangspunkte der Sonne: mūrti, dhana, sahaja, bāṃdhava, suta, śatru, kalatra, nidhana, dharma, karma, āya und vyaya; in der anderen Hälfte die Monate, phālguna usw. – Die Geheimsprache »ohne falschen Schein« heißt bhūtamudrā: vermittelst dieser berichtet man über geheim zu haltende Beratungen. So heißt es denn: »Faust, Knospe, Klumpen, Hand mit drei ausgespreizten Fingern, Fahne, Haken und Ring: diese sieben Gruppen bilden die mudrā-Geheimsprachen. Die Finger sind die Buchstaben derselben, die Vokale befinden sich in den Fingergelenken: der Buchstabe wird in der Vereinigung angefügt – das nennt man bhūtamudrā.« So ist auch noch eine andere bhūtamudrā, mit Namen kāvya, zu betrachten. – »Die verschiedenen Arten verabredeter Sprachen«: was zwar aus richtigen Worten besteht, aber infolge einer (bestimmten) Reihenfolge der Buchstaben keinen deutlichen Sinn gibt, das heißt eine verabredete Sprache und dient bei geheimen Beratungen. Ihre zahlreichen Arten sind von früheren Meistern behandelt worden, z. B.: »Die (Geheimsprache) des Kautilya besteht in (der Vertauschung der Konsonanten von) d – kṣ (mit denen von k – th) Beiträge zur indischen Erotik S. 144.; die »schwer zu verstehende« nennt man es, wenn die langen und kurzen Vokale sowie die Nasale und Sibillanten vertauscht werden; man spricht von ›der des Mūladeva‹, wenn a und k, kh und g, gh und ṅ, ebenso c und ṭ, t und p, y und ś verwechselt werden, der Rest aber bestehen bleibt; die schwer zu lesende ›Geheimschrift‹ ist es, wenn dabei Planeten (9), Augen (2) und Götter (8) sind, die Namen des Sechsmündigen (1), Meere (4), Heilige (7), Feuer (3), Glieder (6), tuka und Hörner (?) sind.« So sind auch noch andere Arten zu beachten. – »Kenntnis der Dialekte«: behufs Mitteilung von Dingen, die nicht ausposaunt werden sollen und wegen des Handelsverkehrs mit den betreffenden Provinzialen. – »Die Kunst der Blumenwagen«: Blumen sind daran schuld, daß ich überbracht worden bin (?). – »Kenntnis der Vorzeichen«: Vorzeichen sind die Vorbedingung zur Kenntnis glück- oder unglückverheißender Wahrsagungen und gehören der Klasse der Frömmigkeit und Geduld an(?). Sie dienen auch zur Erkennung des Fragenden. »Mit einer solchen Frau wirst du dich vereinigen«: so lauten die Wahrsagungen, deren der Liebesgott gewöhnlich lacht. »Kenntnis der Vorzeichen« ist ganz allgemein gesagt. – »Kenntnis des Alphabetes der Diagramme«: Viśvakarma hat ein Lehrbuch über die Verschaffung der lebendigen und leblosen Diagramme für Reisen, Wasser und Kampf geschrieben. – »Kenntnis des Abc der Gedächtniskunst«: ein Lehrbuch, welches lehrt, wie man einen vernommenen Text behalten kann. So heißt es denn: »Gegenstand, Wortschatz, ebenso Stoff, Ziel und Erkenntnis: das sind die Lehren der Gedächtniskunst, ein Leib geziert mit fünf Gliedern.« – »Zusammendeklamieren«: geschieht vereint des Spieles und der Unterhaltung halber. Hierbei sagt einer einen früher memorierten Text her, der andere, der diesen noch nicht gehört hat, spricht jenem nach. – »Geistspiel«: ein im Geiste entstehendes Nachdenken. Es ist von zweierlei Art, je nachdem es sich auf Sichtbares oder Unsichtbares bezieht. Hierbei schreibt jemand einen Vers auf, ohne dessen Sinn anzugeben, indem er nur die Konsonanten in der Gestalt von padma- und utpala-Lotusblüten usw. setzt und sie in der gehörigen Weise mit Nasal- und Hauchlauten versieht; der andere bemüht sich, ihn richtig zu lesen, indem er die Moren, die euphonischen Regeln, Vereinigung, Abtrennung, Versmaß usw. angibt. Das bezieht sich auf Sichtbares. Wenn man aber in derselben Weise etwas der Reihe nach vortragen hört und es dann wie vorher herauskriegt und vorliest, dann bezieht es sich nicht auf Sichtbares: dieses heißt auch »Luft-Geistspiel«. Beides dient als Spiel und zur Unterhaltung. – »Anfertigung von Gedichten«: die Herstellung von Gedichten in Sanskrit, Prākrit und Apabhraṃśa ist eine bekannte Sache. – »Lexikon«: die Utpalamālā usw. – »Kenntnis der Metrik«: Kenntnis der von Piṅgala u. a. verfaßten Metrik. – »Kenntnis der literarischen Arbeit«: die Mache der Dichtungen, d. h. der Redeschmuck der Kunstgedichte. Eine Dreizahl bilden die Teile der Herstellung eines Gedichtes und dienen zum Verständnis eines fremden Erzeugnisses. – »Vortrag von Liedern unter Gestikulationen (chalita)«: dienen dazu, andere zu verblenden. So heißt es: »Ein Maskenscherz, wobei man seine Gestalt in der eines andern zeigt, unter Vorführung von Göttern und anderen, ist als chalita anzusehen …« »Das Verstecken in Kleidern«: Verbergung einer nicht zu enthüllenden Stelle mit dem Kleide, so daß dieses, auch wenn es heftig bewegt wird, sich davon nicht entfernt; Umlegen eines zerrissenen Gewandes, als sei es nicht zerrissen; Großes durch Verhüllen mit dem Gewande usw. klein machen: das sind die verschiedenen Arten des Verbergens. – »Die verschiedenen Glücks-Spiele«: dies ist die Veranstaltung von Spielen mit Leblosem. Hierher gehören die bekannten mannigfaltigen Spiele, muṣṭi, kṣullaka usw., die in fünfzehn Gliedern, Erlangung usw. bestehen. – »Das Spiel des Würfelns«: Würfelspiel. Wiewohl das eine besondere Art des Glücksspieles ist, wird es doch aus bestimmten Rücksichten nach besonders genannt: weil es zur Liebe gehört oder schwer zu kalkulieren ist. Bei der Unkenntnis der Würfelherzen nämlich wurden Nala und Yudhiṣṭhira besiegt. – »Die Spiele der Kinder«: die Spiele der Kinder mit Häuser(bauen), Bällen, Puppen usw. werden gespielt, wenn Kinder zu Besuch kommen. – Damit sind einundsechzig Künste genannt. – »Kenntnis der Wissenschaft des guten Tones«: Wissenschaft des guten Tones wegen der Anwendung auf den eignen und fremden Wandel; Lehrbücher des gesitteten Benehmens. Auch Dressur der Elefanten usw. – »Wissenschaft der Strategie«: die zum Siege verhelfende Wissenschaft ist Strategie: eine göttliche und eine menschliche: die göttliche umfaßt die Unbesieglichkeit usw., die menschliche die Kunde des Kampfes, Waffenlehre. – »Wissenschaft der körperlichen Übungen«: körperliche Übungen, Jagd usw., die in körperlichen Anstrengungen bestehen. Diese drei bilden den Kern des Lebens und dienen ganz besonders zur Erhaltung des eignen Ichs. – Das sind die vierundsechzig Nebenzweige, die »einzelnen« des Lehrbuches der Liebe; sie bilden seine Glieder. Wenn sie nicht da sind, kann auch das Lehrbuch der Liebe nicht vonstatten gehen.
Die Vierundsechzig nach Pāñcāla sind anders. Deren Anwendungen werden wir in dem Abschnitte über den Liebesgenuß besprechen, indem wir ihnen nachgehen; denn die Liebe besteht ihrem Wesen nach aus ihnen.
»Nach Pāñcāla«: von Pāñcāla herrührend oder weil sie von diesem erwähnt werden. – »Die Vierundsechzig«, die Nebenzweige (sind anders), da sie auch neben den anderen zur Geltung kommen. »Deren«, der Künste nach Pāñcāla, (Anwendungen) werden wir in dem Abschnitt über den Liebesgenuß besprechen, »indem wir ihnen nachgehen«, indem wir jeden einzelnen Gegenstand der Reihe nach begleiten. – »Denn die Liebe besteht aus ihnen«: weil ihr Wesen auf den vierundsechzig Künsten beruht. – Da die vorher erwähnten Vierundsechzig aber in einem anderen Leitfaden in ihrer Anwendung gezeigt werden, ist hier, um die Erkenntnis zu ermöglichen, daß sie hierher gehören, nur eine kurze Aufzählung gegeben worden.
Nun nennt der Verfasser den Lohn, der auf das Erfassen der Künste folgt:
Eine Hetäre, die sich durch diese auszeichnet und mit Charakter, Schönheit und Vorzügen begabt ist, bekommt den Titel gaṇikā und eine hohe Stellung im Kreise der Leute.
Geehrt ist sie stets bei dem Könige und bei den Trefflichen gepriesen; begehrenswert ist sie, des Besuchens würdig und ein Vorbild.
Die Tochter eines Königs und ebenso eines hohen Beamten, die sich auf (jene) Praktiken versteht, macht den Gatten sich geneigt, auch wenn er tausend Frauen im Harem hat.
Ebenso kann eine Frau während der Trennung von dem Gatten und wenn sie in schweres Mißgeschick geraten ist, sogar im fremden Lande von (diesen) Wissenschaften bequem leben.
»Durch diese« Künste »ausgezeichnet«, den Vorrang einnehmend. – »Eine Hetäre«, um anzudeuten, daß diese in erster Linie (die Künste) erlernt. – »Charakter«, gute Eigenart. – »Schönheit«, Gestalt und Aussehen. »Vorzüge«, der Liebhaberin, die in dem Abschnitte über die Hetären beschrieben werden sollen. – »Den Titel gaṇikā«, das heißt: die Hetäre, die sonst diesen gewöhnlichen Titel führt, erhält den auserlesenen Namen einer gaṇikā, indem diese eben so gekennzeichnet wird. – »Hohe Stellung im Kreise der Menschen«: sie bekommt in der Gesellschaft einen Sitzplatz und wird nicht als Hetäre verachtet. – »Bei dem Könige geehrt«, durch Darreichung eines Sonnenschirmes, Wasserkruges usw. – »Bei den Trefflichen gepriesen«, gelobt, weil ihre Erfahrenheit in den Künsten keine alltägliche ist. »Begehrenswert«, würdig des Aufsuchens seitens der Leute, die nach dem Unterrichte in den Künsten verlangen. Für Unterrichtete, nach Liebesgenuß Begehrende »ein Vorbild«, Beispiel, wie Devadattā. – »Die sich auf (jene) Praktiken versteht«, auf die Anwendung von Gesang usw. »Auch wenn er tausend Frauen im Harem hat«: eine elliptische Bezeichnung für viele Weiber. – »Sich geneigt«, dem eignen Ich geneigt. – »Ebenso während der Trennung von dem Gatten«: wenn der Gatte in die Fremde gegangen ist. Ferner »wenn sie in schweres Mißgeschick«, bestehend in Witwenschaft, »geraten ist« und aus Kummer ihre Heimat verlassen hat, kann sie sogar in einem anderen Lande »bequem leben«; indem sie Unterricht in den Wissenschaften erteilt.
Mit Bezug auf den Mann sagt der Verfasser:
Ein Mann, der in den Künsten erfahren, gesprächig und Schmeichler ist, findet das Herz der Frauen schnell, auch wenn er nicht bekannt ist.
Infolge der Erlernung der Künste eben entsteht das Glück; je nach Ort und Zeit aber soll ihre Anwendung stattfinden oder nicht.
»Gesprächig«, nur infolge der Vertrautheit mit den Künsten viel sprechend; nicht anders: um keine Gelegenheit zu geben, als Nicht-Elegant zu erscheinen. – »Schmeichler«, einer der Liebes tut; indem durch die Erlernung der Künste nämlich korrektes Wesen erzielt wird. »Auch wenn er nicht bekannt ist«: nicht vertraut. »Findet das Herz«, gewinnt es. »Schnell«, ohne lange Zeit zu gebrauchen. – Infolge des Liebesgenusses von Mann und Frau, »infolge der Erlernung eben« entsteht das Glück. Geld ist die Abwehr der Armut, Liebe ist Ruhm, so ist der Sinn. Auch hier ist Ort und Zeit zu berücksichtigen. In dem einen Lande sind die Elegants in den Künsten erfahren, oder es herrscht das Verlangen nach der Abhaltung von Prozessionsfesten usw.: darum Anwendung der Künste! Oder das Land ist leer von Elegants, oder die Bewohner hassen Vorzüge, oder für die Elegants ist eine unglückliche Zeit, oder sonst etwas: darum keine Anwendung der Künste, sonst könnte ihre Kenntnis zum Schaden ausschlagen!
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