Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Teil.
Über den Liebesgenuß.


1. Kapitel.

§ 6. Darstellung des Liebesgenusses nach Maß, Zeit und Temperament.

Mit den (eben ausgesprochenen) Worten: »Er erlangt ein Weib« ist die Erlangung der Weiber, eine Hauptsache, angegeben: da aber diese Hauptsache einem, der das Lehrbuch nicht kennt, unmöglich ist, so wird vor der Hauptsache erst der Leitfaden über den Liebesgenuß gegeben. Hierbei ist Liebesgenuß gleich Beischlaf. Da nun bei diesem, dessen Wesen man nach den Maßen usw. erkennt, die zum Liebesgenusse gehörigen Dinge, Umarmungen usw., jedes an seinem Platze, in Anwendung kommen, so wird jetzt über die Wollust nach Maß, Zeit und Temperament gehandelt …, d. h. nach den Maßverhältnissen usw. findet ihre Darstellung statt. Im Zusammenhange mit der Einführung des Zeugungsgliedes stehen dabei Zeit und Temperament. Vor diesen beiden noch stellt (der Verfasser) den Liebesgenuß dar nach den Maßen und sagt:

Die verschiedenen Arten der Liebhaber sind mit Rücksicht auf das Geschlechtsglied: Hase, Stier, Hengst; die der Liebhaberinnen dagegen Gazelle, Stute, Elefantenkuh.

»Mit Rücksicht auf das Geschlechtsglied«: es heißt Geschlechtsglied, weil damit weibliche und andere Wesen ihrem Geschlechte nach bestimmt werden. In der alltäglichen Sprache heißt das Geschlechtsglied Harnorgan. Das der Männer steht empor, das der Frauen liegt vertieft, wie Lehrbuch und Erfahrung zeigen. Ist das männliche Glied klein, wie bei einem Hasen, dann heißt der Betreffende Hase; ferner, ist es mittelmäßig, dann heißt er Stier; ist es groß, Hengst. Das sind die verschiedenen Arten der Liebhaber; »die der Liebhaberinnen dagegen«: das Wort, ›dagegen‹ bedeutet den Gegensatz. Nach der Verschiedenheit des Geschlechtsgliedes werden ebenfalls besondere Bezeichnungen gewählt: so werden sie von den alten Meistern mit »Gazelle« usw. vergleichsweise bezeichnet, nicht mit »Hase« usw. Und so gaben sie die Kennzeichnung: »Dreifach ist die Größe des Penis bei den in die Arten »Hase« usw. geteilten Männern, in dem Verhältnis von sechs, neun und zwölf, der Reihe nach entsprechend. Nach seinem Umfange sei er entsprechend dem Längenmaße; einige aber lehren, der Umfang sei nicht festgesetzt. Der Zeugungsweg bei den Frauen wird ebenso eingeteilt: nach Länge und Umfang zerfallen sie in »Gazelle« usw. wie dort in »Hase« usw.

Hierbei gibt es, bei entsprechender Vereinigung, drei gleiche Liebesgenüsse.

»Hierbei«, bei den besonderen Arten von Liebhabern und Liebhaberinnen. – Die Vereinigung kann entsprechend und nicht entsprechend sein: deshalb sagt (der Verfasser): »bei entsprechender Vereinigung«; des Hasen mit der Gazelle; des Stieres mit der Stute; des Hengstes mit der Elefantenkuh. Das ist die entsprechende Vereinigung, gekennzeichnet durch das Zusammenpassen von Vulva und Penis, indem die kleinen Glieder sich entsprechen usw. Bei dieser Art der Vereinigung ergeben sich »drei gleiche Liebesgenüsse«, wegen der Gleichheit der Werkzeuge, der Vulva und des Penis, in dem Zustande des Aufnehmenden und des Aufgenommenen.

Infolge von Vertauschung ergeben sich sechs ungleiche Liebesgenüsse. Wenn bei den ungleichen der Mann der stärkere ist, gibt es bei der engen Vereinigung zwei hohe Liebesgenüsse, bei der weiten einen höheren. Ist es aber umgekehrt, dann gibt es zwei niedrige Liebesgenüsse und bei der weiten einen niedrigeren. Unter diesen sind die gleichen die besten, die zwei durch den Komparativ bezeichneten die schlechtesten, die übrigen die mäßig guten.

Eine »ungleiche« Vereinigung ist die des Hasen mit der Stute und Elefantenkuh; des Stieres mit der Gazelle und der Elefantenkuh und des Hengstes mit der Gazelle und der Stute, weil dabei die Zeugungsglieder ungleich sind. Wenn das also vorliegt, dann ergeben sich sechs »ungleiche Liebesgenüsse«, wegen der Ungleichheit der Werkzeuge. Zu diesen ungleichen Liebesgenüssen gibt der Verfasser, um der Praxis willen, die besonderen Bezeichnungen: »Wenn der Mann der Stärkere ist«: wenn der Mann mit Rücksicht auf das Zeugungsglied der Stärkere, die Frau aber die Schwächere ist, dann kann die Vereinigung eine nahe oder eine weite sein. So ist die Vereinigung des Hengstes mit der Stute und des Stieres mit der Gazelle, in dieser Verkehrung der Ordnung, eine nahe. Hierbei ergeben sich, gegenüber dem gleichen Liebesgenusse, »zwei hohe«, indem der Penis infolge seiner Höhe in die Vulva nur unter heftigem Drängen eingeführt werden kann. – Die »weite« Vereinigung: die Vereinigung des Hengstes mit der Gazelle ist eine weite, wegen der Unterbrechung (der Reihenfolge) durch die Stute. Wenn diese stattfindet, so ergibt sich »ein höherer«, anstatt des hohen Liebesgenusses, indem der Penis infolge seiner außerordentlichen Höhe nur mit Mühe und unter heftigem Drängen eingeführt werden kann. – »Ist es aber umgekehrt, dann zwei«: Das Wort ›aber‹ bedeutet den Gegensatz. Ist die Frau aber die Stärkere, dann ergeben sich bei der nahen Vereinigung, des Hasen mit der Stute und des Stieres mit der Elefantenkuh, in dieser geraden Reihenfolge, »zwei niedrige Liebesgenüsse« statt des gleichen, indem der Penis bei seiner geringen Größe in der Vulva arbeitet, ohne sie ganz auszufüllen. Bei der weiten Vereinigung, bei der die Stute die Reihe unterbricht, also des Hasen mit der Elefantenkuh, hat man »einen niedrigeren« statt des niedrigen Liebesgenusses, indem der Penis dabei ohne jegliche Ausfüllung der Scheide arbeitet. – Unter diesen nennt (der Verfasser) die besten usw.: »unter diesen«, den neun Liebesgenüssen sind vor den sechs ungleichen »die gleichen die besten«, die gepriesenen; weil hierbei, bei der Gleichheit der Werkzeuge, die gegenseitige Wonne beider außerordentlich ist. »Die zwei durch den Komparativ bezeichneten (sind) die schlechtesten«: die mit den Worten ›höher‹ und ›niedriger‹ bezeichneten die untersten, weil hierbei infolge des allzuheftigen Drängens des Zeugungsgliedes und (andererseits) der übermäßigen Schlaffheit keine wollüstige Berührung stattfindet. – »Die übrigen« vier, zwei hohe und zwei niedrige Liebesgenüsse, sind »die mäßig guten«, da es weder die besten noch die schlechtesten sind, indem hierbei infolge des nicht übermäßigen Drängens und der nicht übermäßigen Schlaffheit die wollüstige Berührung eine mittelmäßige ist.

Hier gibt (der Verfasser) noch den Unterschied zwischen den mäßig guten Liebesgenüssen an:

Auch bei Gewöhnlichkeit ist der mit ›hoch‹ bezeichnete (Liebesgenuß) vorzüglicher als der mit ›niedrig‹ bezeichnete. – Das sind die neun Liebesgenüsse, mit Rücksicht auf die Maße.

»Auch bei Gewöhnlichkeit« des Liebesgenusses, unter Ausschluß des besten und des schlechtesten, d. h. auch bei dem mäßig guten, »ist der mit ›hoch‹ bezeichnete (Liebesgenuß) vorzüglicher als der mit ›niedrig‹ bezeichnete.« Bei dem hohen Liebesgenusse nämlich findet das Weib wegen der außerordentlichen Größe des Penis ganz besondere Befriedigung ihrer Geilheit, wenn sie sich, ihre Schamgegend vorstreckend, zu dem Koitus ›utphullaka‹ usw. hinlegt. Bei dem niedrigen Liebesgenusse aber findet sie diese Befriedigung nicht, auch wenn sie, bei dem Koitus ›saṃpuṭaka‹ usw., ihre Schamgegend verengert. So heißt es denn: »Nicht heißt ein Liebhaber mit kleinem Penis, oder auch ein Mann, der langsam zu Werke geht, ein außerordentlicher Freund der Frauen, da er ihre Geilheit nicht befriedigt«. Das ist richtig.

Nun erörtert (der Verfasser) den Liebesgenuß mit Rücksicht auf das Temperament:

Wer zur Zeit der geschlechtlichen Vereinigung gleichgültige Liebe und schwache Kraft besitzt und Schläge nicht verträgt, der besitzt geringes Feuer.

Indem nämlich die Zeit im Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Temperamente steht, kann keine genaue Unterscheidung gemacht werden, wenn der Bestand des Ergebnisses fehlt. Es ist nämlich so: Je nach Ursache und Wirkung ist das Temperament ein zweifaches: dabei ist die Ursache das, was man Verliebtheit nennt, weil bei deren Vorhandensein die geschlechtliche Vereinigung stattfinden kann; die Wirkung aber ist der Zustand am Ende des Koitus. Darum findet die Erörterung des Liebesgenusses statt nach diesen beiden Formen. Jenes Temperament nun ist ein dreifaches, indem man unterscheidet zwischen Matten, Mittleren und Übermäßigen. Also »Wer zur Zeit der geschlechtlichen Vereinigung gleichgültige Liebe besitzt«, nur in geringem Maße nach dem Koitus verlangt oder Liebeslust zeigt und »schwache Kraft besitzt«, bei dem Koitus nur langsam zu Werke geht oder dessen Same nur spärlich ist und der »Verwundungen nicht erträgt«, die die Geliebte mit Zähnen und Nägeln schlägt, und, da das eine elliptische Bezeichnung ist, auch Schläge nicht erträgt. So ist dem Sinne nach die Reihenfolge innerhalb der Teilung. Ein solcher Mann »besitzt geringes Feuer« infolge seines matten Temperaments; d. h. er ist von matter Leidenschaft.

Im Gegensatz dazu stehen die Mittleren und die Feurigen; ebenso ist es bei der Liebhaberin.

»Im Gegensatz dazu«, zu dem eben Beschriebenen. Wer bei der geschlechtlichen Vereinigung mäßige Liebe und mäßige Kraft besitzt und die Verwundungen aushält, der ist infolge seines mittleren Temperamentes »ein Mittlerer«. Das ist der eine Gegensatz. Wer bei der geschlechtlichen Vereinigung außerordentliche Liebe und gewaltige Manneskraft besitzt und die Verwundungen getrost aushält, der ist infolge seines übermäßigen Temperamentes ein »Feuriger«. Das ist der zweite Gegensatz. – »Ebenso«, wie bei den Männern. »Wer bei der geschlechtlichen Vereinigung« usw.: danach gibt es drei Arten Liebhaberinnen: matte, mittlere und feurige.

Auch hierbei gibt es neun Liebesgenüsse, ganz wie (bei der Betrachtung) nach den Maßen.

»Wie (bei der Betrachtung) nach den Maßen« gibt es bei der entsprechenden Vereinigung drei gleiche Liebesgenüsse, bei der nichtentsprechenden sechs ungleiche.

Ebenso ergeben sich, mit Rücksicht auf die Zeit, drei Arten Liebhaber: schnelle, mittlere und langsame.

Wie es (bei der Betrachtung) nach Temperament und Maß war, ebenso ergeben sich mit Rücksicht auf die Zeit neun Liebesgenüsse, indem die Zeit, die Ursache des Erscheinens des Temperamentes, in dreifacher Weise geteilt ist, je nachdem sie kurz usw. ist. So sagt (der Verfasser): »schnelle, mittlere und langsame«: dessen Wollustgefühl in kurzer Zeit entsteht (ist ein schneller); ebenso ist es mit den mittleren und langsamen. – »Liebhaber«, Liebhaber und Liebhaberinnen: nach der Regel Pāṇini I, 2, 67.

Hier ist ein Streit über die Frau.

Unter den Liebhabern und Liebhaberinnen, also bei Mann und Frau, »ist ein Streit über die Frau«, d. h. eine Meinungsverschiedenheit betreffs der Frau.

Hier die Ansicht des Auddālaki:

Die Frau gelangt nicht in den Zustand wie der Mann.

Die Frau genießt nicht ebensolche Wollust, wie es der Mann infolge der Samenergießung tut. Die Frau hat nämlich keinen Samen.

Warum hat sie dann also geschlechtlichen Umgang mit dem Manne? Darauf antwortet er:

Fortwährend aber wird von dem Manne ihre Geilheit gestillt.

Da die Vulva von Natur von Würmern bewohnt wird, so ist der geile Kitzel daselbst auf natürliche Weise zu erklären. So heißt es: »Im Blute entstandene kleine Würmer von schwacher, mittlerer und heftiger Gewalt erzeugen jeder nach seinen Kräften in den Behausungen des Liebesgottes den geilen Kitzel«. – Dieser aber wird bei ihr von dem Manne beseitigt. »Fortwährend«, d. h., durch ununterbrochene Tätigkeit des Penis. Sonst, wenn das unterbleibt, dürfte der Kitzel außerordentlich heftig werden.

Sie selbst befriedigt doch aber den Kitzel auch durch künstliche Mittel? Darauf entgegnet er:

Sie erzeugt, wenn sie von der Wonne des Selbstbewußtseins begleitet ist, einen ganz besonderen Genuß. Dabei hat sie Erkenntnis der Wonne. Da nun die Erkenntnis des Mannes das nicht erfassen kann, da er nicht fragen kann: »Worin besteht deine Wollust?« – wie wird das dann also ergründet! Nun, wenn der Mann nämlich die Liebeslust genossen hat, hört er nach Belieben auf, ohne auf die Frau Rücksicht zu nehmen; die Frau aber macht es nicht so, sagt Auddālaki.

»Sie«, die Geilheit, wenn sie gestillt wird, wie das Jucken im Ohre vermittelst eines Stäbchens. – »Die Wonne des Selbstbewußtseins«: Küsse usw., wird (der Verfasser) noch schildern. Davon »begleitet«, gefolgt »erzeugt sie einen ganz besonderen Genuß«, ganz besondere Wonne, da es ein besonderer Genuß ist, wenn das, was die Wonne der Stillung der Geilheit bildet und das, was die Wonne der Küsse usw. ausmacht, dieses beides zusammentrifft. »Dabei«, bei diesem besonderen Genusse, »hat sie Erkenntnis der Wonne«, sie sagt: »Ich bin selig!« Bei der bloßen Stillung der Geilheit aber hat sie keine Erkenntnis der Wonne, da das nicht die Hauptsache ist. So liegen hier ähnliche besondere Kennzeichen vor, wie in dem Worte (oben S. 14): »Das erfolgreiche, aus besonderer Berührung entstehende, von der Wonne des Selbstbewußtseins begleitete richtige Verständnis ist besondere Liebe«. Der Unterschied ist nur der, daß hierbei kein Ergebnis ist, da (die Frau) keinen Samen hat. Jener besondere Genuß nun entsteht vom Beginne an in ununterbrochener Folge durchaus durch das Befriedigen der Geilheit, die Wollust des Mannes aber steht im Zusammenhange mit der Samenergießung. Darum also besteht zwischen den beiden ihrem Wesen und der Zeit nach keine Ähnlichkeit, und es gibt deshalb auch keine neun Liebesgenüsse nach Zeit und Zustand. Woher ergründet man also, daß die Frau nicht solche Wonne wie der Mann findet? Denn »die Erkenntnis des Mannes«, die ja als Gegenstand des Geistes über die Sinnenwahrnehmung hinausgeht, »kann das« greifbar »nicht erfahren«. Der Sinn ist: welcher Mann will das wissen können? – Das ›und‹ bedeutet, »auch die Empfindung der Frau«. Wenn die Frau die Rolle des Mannes übernimmt und durch dessen Funktion sich selbst Lust bereitet, wie soll man dann, wenn das nicht mitgeteilt wird, ergründen, wie ihre Empfindung ihrem Wesen nach ist? Es ist auch nicht möglich, dies durch eine Frage zu erfahren: denn (der Verfasser) sagt: »Worin«. »Worin«, auf welche Weise, »besteht deine Wollust? Etwa in der Samenergießung wie bei uns oder in etwas anderem?« Da hierbei die Frau die Wonne der Samenergießung nicht erkennen läßt und auch der Mann die Wonne eines andersartigen Genusses nicht erfährt, so kann man auch nicht fragen. Und wenn sie es sagte, wäre das denn wirklich eine Erkenntnis? »Wie wird das aber ergründet«, daß die Frau nicht in den Zustand gelangt wie der Mann? In diesem Zweifel hilft sich Auddālaki mit einem Erfahrungsgrunde: »der Mann nämlich«. »Wenn der Mann die Liebeslust genossen hat, »hört er nach Belieben«, da er befriedigt ist, mit seiner Beschäftigung »auf, ohne auf die Frau Rücksicht zu nehmen«, wenn sie auch noch mitten in der Aktion begriffen ist. »Die Frau aber macht es nicht so.« Wenn sie wie der Mann die Wonne der Samenergießung erlangte, dann würde sie nach Erreichung derselben ohne Rücksicht auf den Mann nach Belieben die Geschlechtsteile trennen und aufhören. So ist es aber nicht: vielmehr hört der Mann auf und sie verlangt, auch wenn der Mann fertig ist, nach einem anderen. So sieht man denn manche Frau, die sich mit einem Manne begattet hatte, sich mit noch anderen, die sich dort befinden, darauf begatten. Daher sagt man: »Das Feuer sättigt sich nicht an dem Holze, das Meer nicht an den Flüssen, der Tod nicht an allen Wesen, die Schönäugige nicht an den Männern«. Darum, da sie nicht nach Belieben aufhört, empfindet sie nicht die Wonne der Samenergießung wie der Mann vor der Samenergießung.

Hier kann jemand einwenden: »Bei einem Liebhaber von mattem Temperamente haben die Frauen Genuß, bei einem feurigen erlangen sie den Zustand der Wollust nicht und sind unwillig, wenn er aufhört: das alles ist das Kennzeichen der Erlangung oder Nichterlangung jenes Zustandes.«

Bei den Frauen mag die Vorstellung der Wonne der Samenergießung fehlen, wie man sie aus dem Aufhören nach Belieben erschließen kann; nach der (augenscheinlichen) Befriedigung aber, (die man in bestimmten Fällen bei den Frauen wahrnimmt), dürfte sie doch vorhanden sein. Damit verhält es sich so: »Bei einem Liebhaber von mattem Temperamente«, der erst aufhört, nachdem er nach langen Anstrengungen die Wonne der Samenergießung erlangt hat, »haben die Frauen Genuß«, d. h. werden sie feucht. »Bei einem feurigen« Liebhaber, der aufhört, nachdem er nach kurzer Anstrengung die Wonne erlangt hat, sind die Frauen am Ende des Liebesgenusses »unwillig«, fühlen Abneigung. »Das alles«: die Befriedigung und die Nichtbefriedigung, beides »ist das Kennzeichen«, d. h. das Erkenntnismittel. Wovon? »Der Erlangung oder Nichterlangung jenes Zustandes.« Dabei bedeutet die Befriedigung der Frauen die Erlangung der Wonne, und Nichtbefriedigung bedeutet Nichterlangung der Wonne infolge der Erreichung von Unbehagen; denn Nichtbefriedigung ist Hemmung der Erreichung des Zieles. Befriedigung und Nichtbefriedigung als Ursache von Wonne und Unbehagen sind auch mit den Männern als Beispielen zu erhärten: denn auch sie, und zwar die mit mattem Temperament, empfinden Befriedigung, indem sie die Wonne erlangt haben, wenn die Frau bei dem umgekehrten Liebesgenusse aufhört, nachdem sie lange geschäftig gewesen ist; wenn sie aber im Nu aufhört, dann sind sie unbefriedigt, da sie infolge der Erlangung von Unbehagen die Wonne der Liebeslust nicht gekostet haben. Darum also schließt man aus der Wahrnehmung der Befriedigung des Weibes, daß es, gerade wie der Mann, die Wonne der Samenergießung kennt.

Es ist nicht an dem! Auch die Befriedigung der Geilheit nämlich ist willkommen, wenn sie lange Zeit gebraucht. Das ist ganz natürlich. Darum ist das, bei der Zweifelhaftigkeit, kein Merkmal.

»Es ist nicht an dem!« Die Behauptung, daß die Befriedigung das Zeichen für die Erlangung jenes Zustandes sei, ist nicht richtig, weil sie allgemein vorkommt. Das beweist er: »Die Befriedigung der Geilheit nämlich«: so ist die Stillung, die Beseitigung der Geilheit durch einen Mann von mattem Temperamente, die »lange Zeit braucht«, außerordentlich lange währt, gerade sie den Frauen auch »willkommen«; nicht bloß die Erzeugung der Wonne der Samenergießung. Mit den Worten »das ist ganz natürlich« zeigt (der Verfasser), daß das auch auf unsern Fall von der Unterbrechung der (fleischlichen) Vereinigung paßt. Sonst würde, selbst bei dem Genusse der Wonne der Samenergießung, dort keine Befriedigung eintreten, wenn die Geilheit nicht gestillt ist. Da entsteht nun der Zweifel: kommt ihre Befriedigung aus dem Genusse der Wonne der Samenergießung oder entsteht sie aus der Stillung der Geilheit? Man kann ja darüber nichts in Erfahrung bringen! Bei einem Manne von feurigem Temperamente ergibt sich Nichtbefriedigung! »Darum ist das« beides »bei der Zweifelhaftigkeit« ein Merkmal, welches für die Erlangung oder Nichterlangung der Wonne der Samenergießung gar nichts beweist, indem es an beiden Orten sich findet. Darum ist beweisend das nach Belieben Aufhören oder Nichtaufhören: diese gelten für die Frau, also ist bewiesen, daß sie nicht wie der Mann zur Liebeslust gelangt.

Dieselbe Ansicht gibt (der Verfasser) in einem von Auddālaki vorgetragenen Verse:

In der geschlechtlichen Vereinigung wird von dem Manne die Geilheit der Frau vertrieben; und das nennt man, wenn es mit Selbstbewußtsein gepaart ist, Wonne.

Das aus der Vertreibung der Geilheit entstehende Lustgefühl der Berührung, »gepaart mit Selbstbewußtsein«, infolge der Aufwartung des Subjektes gegenüber dem Objekte mit dem Glücke des Selbstbewußtseins versehen, wird von den Frauen »Wonne« genannt.

Nun gibt (der Verfasser) die Ansicht des Bābhravya wieder:

Beständig, von Anfang an, empfindet die Frau jenen Zustand, der Mann wiederum nur am Ende. Das ist durchaus natürlich. Denn gerade bei der Erlangung des Zustandes findet die Empfängnis statt. So lehrt die Schule des Bābhravya.

Alle beide erlangen die Wonne der Samenergießung, die Frau jedoch »von Anfang an«, von der Einführung des Penis an, »beständig«, ohne Unterbrechung. Denn es ist durch den Augenschein bekannt, daß, wenn sie von dem Manne begattet wird, ihre Vulva langsam feucht wird wie ein zersprungenes Wassergefäß. So erlangt sie von Anfang an jenen Zustand, eine Wonne wie die des Mannes, begleitet von der Samenergießung. »Der Mann wiederum« erlangt jenen Zustand »am Ende«, indem hier die Ausspritzung des Samens erfolgt. »Das«, wie gesagt worden, »ist durchaus natürlich«, indem es durch Beweise erhärtet ist. – Da nun also beide Teile der Zeit nach unähnlich sind, so gibt es keine neun Liebesgenüsse mit Rücksicht auf die Zeit, wohl aber rücksichtlich des Zustandes, wegen der Ähnlichkeit der Wonne der Samenergießung. – Wird nicht die Vulva feucht, wenn sie von dem Penis gerieben wird, da sie das Wesen einer Wunde besitzt? Dazu sagt er: »Denn gerade«. Denn bei der Erlangung des Genusses, der Erlangung der Wonne der Samenergießung, ist die Frau befriedigt und empfängt. So sagt der Verfasser des Caraka: »Ausspucken, Schwere, Schwund des Körpers, Mattigkeit, Freude, Herzklopfen, Befriedigung und Aufnahme des Samens in dem eignen Schoße – das sind die Anzeichen der eben empfangenen Frucht«. Die Befriedigung ist eben jener Zustand. Die Meinung ist nun, daß dieser nicht ohne Samenergießung denkbar ist. Einige sagen, die Frau läßt Brunstsaft (ārtava) entströmen, keinen Samen. So sagt man: »Wie aus dem Reibholze und dem Stößel Feuer entsteht, so aus dem Vermischen von Samen und Brunstsaft (der Fötus), infolge der gegenseitigen Vereinigung der Leiber von Mann und Frau, deren Herzen von dem Feuer der Liebe verbrannt sind«. – Es gibt also eine Grundursache der Befriedigung: was ist das denn nun? So muß man überlegen. Wenn es der Same nicht ist, wie kann das Weib dann empfangen? Denn so gut wie die Frau in der Vereinigung mit dem Manne empfängt, ebenso gut auch infolge der Vermischung mit einer anderen Frau: so heißt es im Suśruta: »Wenn Frau und Frau zur Begattung schreiten, lassen sie gegenseitig Samen entströmen, woraus ein knochenloses Wesen entsteht«. Also der Blutstoff, der aus dem Chylusstoffe entsteht, wird bei bestimmten Gelegenheiten zum Brunstsafte, der Samenstoff aber entsteht aus dem Marke.

Auch hierbei sind jene beiden wieder keine Zweifelbeseitiger.

»Auch hierbei«, in der Meinung des Bābhravya, »sind jene beiden«, vorher genannten (S. 106), wieder keine Zweifelsbeseitiger zu nennen. Wenn hier von Anfang an jener Zustand erreicht wird, dann gilt jener Unterschied nicht, daß die Frauen »bei einem Liebhaber von mattem Temperamente Genuß haben, bei einem feurigen aber unwillig sind, wenn er aufhört«; hier, wo man aus der Erlangung jenes Zustandes einen Unterschied bei ihnen ersieht. Weil sie Befriedigung zeigen, daher haben sie am Ende, wie bei dem Manne, die Erlangung des Zustandes; weil sie unwillig ist, deshalb wird der Zweifel darüber, ob sie »von Anfang an« (Genuß haben oder nicht), beseitigt? Nicht so! »Die Befriedigung der Geilheit ist willkommen, wenn sie lange Zeit gebraucht«: also findet Haß gegen den feurigen Liebhaber statt, da er die Geilheit nicht vertreibt; denn, wenn auch jener Zustand erreicht wird, so findet doch keine Stillung der Geilheit statt, da diese außerordentlich lange anhält. Oder vielmehr muß man sagen: eine außerordentlich lange Erzeugung des Zustandes ist willkommen, indem dieser ja die Hauptsache ist. Bei einem feurigen Liebhaber finden sie keine Befriedigung, weil hierbei der Zustand nicht auf lange Zeit erzeugt wird. Die Weiber nämlich wünschen, daß bei ihnen ein Zustand hervorgerufen werde, welcher sich weithin erstreckt, indem ihr Liebesverlangen ein achtfaches ist. Unter solchen Umständen ist es ganz richtig, daß die Schönäugigen an den Männern sich nicht sättigen können, weil deren Liebesverlangen nur ein einfaches ist, nicht aber wegen des Mangels der Wonne der Samenergießung. – »Wieder keine Zweifelbeseitiger«, wiederum keine.

Dazu sagt (der Verfasser):

Hier könnte einer einwenden: Wenn ununterbrochen die Erlangung der Liebeslust stattfindet, so ist es (nicht) Im Texte steht upapannam, in der Anmerkung und im Kommentare richtig anupapannam, was auch die Mss. lesen. in der Ordnung, wenn zur Zeit des Beginnes Gleichgültigkeit und die Unmöglichkeit des Aushaltens, im weiteren Verlaufe außerordentliche Leidenschaft und Mißachtung gegenüber dem Leibe, und am Ende das Verlangen nach Aufhören vorhanden ist.

»Zur Zeit des Beginnes« des Koitus »Gleichgültigkeit«, Nichtanwendung von Nägelwunden usw. »und die Unmöglichkeit des Aushaltens«, die Unfähigkeit, dem Beibringen der Nägelmale usw. standzuhalten. »Im weiteren Verlaufe«, in der Zeit nach dem Beginne je nach der Beschaffenheit mehr oder minder »außerordentliche Leidenschaft«, das Gegenteil der Gleichgültigkeit; »und Mißachtung gegenüber dem Leibe«, außerordentliche Fähigkeit im Ertragen. »Und am Ende das Verlangen nach dem Aufhören«, der Wunsch, von der Vereinigung abzustehen. Alle diese besonderen Zustände der Frau sind, »wenn ununterbrochen die Erlangung der Liebeslust stattfindet, nicht in der Ordnung«, weil bei ihr die Wonne der Samenergießung von Anfang an als ein Ganzes, ununterbrochen, besteht; bei dem Manne (dagegen) sieht man diese (Wonne) als einen besonderen Zustand im Augenblicke der Samenergießung.

Es ist nicht an dem! Wenn auch bei der Töpferscheibe oder dem Brummkreisel die Zurüstung des Drehens eine gleichartige ist, so ist es doch ganz richtig, daß sie, in der Drehung begriffen, zu Anfang nur eine mäßige Geschwindigkeit zeigen und dann (erst) im weiteren Verlaufe den Höhepunkt der Schnelligkeit erreichen. Das Verlangen nach dem Aufhören entsteht infolge Mangels an Stoff. – So ist das also kein (stichhaltiger) Einwand.

Es ist sehr wohl in der Ordnung: es geht dabei ebenso richtig zu, wie bei der Töpferscheibe usw. – Der »Brummkreisel« ist ein hölzernes Spielzeug, welches die Knaben zum Laufen bringen, indem sie es mit einem langen Faden versehen. Also wenn auch deren »Zurüstung des Drehens« in Gestalt eines Stockes mit einem Faden daran am Anfang, im weiteren Verlaufe und am Ende »eine gleichartige ist«, solange sie in der Drehung begriffen sind – wie sollte man sonst, wenn keine Drehung stattfindet, erkennen, daß jene Zurüstung vorliegt? – so herrscht dabei doch »zu Anfang nur mäßige Geschwindigkeit«, langsames Drehen; »im weiteren Verlaufe« je nach der Art mehr und noch mehr »Erreichung des Höhepunktes der Schnelligkeit«; und wie diese Töpferscheibe oder der Brummkreisel gleichsam ganz unbeweglich steht, so ist auch bei der Frau, wenn auch die von dem Manne durch die Bewegungen bei dem Koitus usw. und andere Gründe hervorgerufene Wonne der Samenergießung zu Anfang, im Verlaufe und am Ende gleichartig bleibt, zur Zeit des Beginnes doch nur mäßige Geschwindigkeit, leise Liebeslust: dabei besteht »Gleichgültigkeit und die Unmöglichkeit des Aushaltens«; im weiteren Verlaufe erreichen sie dann den Höhepunkt der Schnelligkeit, das Übermaß der Wollust, wobei infolge der außerordentlichen Erregung »Mißachtung gegenüber dem Leibe« eintritt. – Wenn nun dieser Zustand ununterbrochen fortdauert, wie kann dann »das Verlangen nach dem Aufhören« erwachen? Darauf sagt er: »Infolge Mangels an Stoff«. Das Verlangen aufzuhören entsteht, wenn die Leidenschaft gestillt ist, nachdem der Samenstoff, der bei dem Eintritte des Verliebtheit genannten Zustandes aus seinem Behälter gleitend in sein Gefäß eintritt, durch das allmähliche Ausspritzen von Anfang an erschöpft worden ist. »So ist das also kein (stichhaltiger) Einwand«: es ist nicht in Frage zu stellen, daß das besondere Verhältnis des infolge der Samenergießung eintretenden ununterbrochen stattfindenden Zustandes nicht in der Ordnung sei.

Diesen Gedanken spricht (der Verfasser) mit einem von Bābhravya vorgetragenen Verse aus:

Am Ende des Liebesgenusses empfinden die Männer Wollust, die Frauen aber ununterbrochen; und das Verlangen aufzuhören entsteht wegen des Mangels an Stoff.

Nachdem (der Verfasser) so zwei Parteien vorgeführt hat, gibt er die endgültige Ansicht an:

Darum also muß man wie bei dem Manne, so auch bei der Frau das Kundwerden des Wollustgenusses ansehen.

Da nun so gestritten wird, so muß darum »das Kundwerden des Wollustgenusses«, die Erreichung der Liebeslust, wie es bei dem Manne die Samenergießung am Ende ist, so auch bei der Frau angesehen werden.

(Der Verfasser) weist die Behauptung zurück, daß zwischen der Wollust des Mannes und der der Frau nach Wesen oder Zeit Unähnlichkeit bestehe:

Denn wie könnte wohl bei Gleichheit der Art und wenn beide ein und dasselbe Ziel anstreben, Verschiedenheit des Ergebnisses eintreten? (Vielleicht) infolge der Verschiedenheit der Mittel und der Verschiedenheit des Bewußtseins.

Bei zwei Wesen von verschiedener Gattung, Mann und Stute z. B., dürfte wohl eine Verschiedenheit der Wollust stattfinden: dazu sagt (der Verfasser): »Bei Gleichheit der Art«; bei dem gleichen Genus Mensch. Aber auch bei zwei Wesen von gleicher Gattung, die mit Baden, Essen usw. das Leben hinbringen, könnte wohl derlei stattfinden? Darauf sagt (der Verfasser): »ein und dasselbe Ziel«: die geraden Weges auf das eine, Liebesgenuß genannte Ziel zueilen. »Wie könnte eine Verschiedenheit des Ergebnisses eintreten?« »(Vielleicht) infolge der Verschiedenheit der Mittel und der Verschiedenheit der Zuneigung«. Wieso Verschiedenheit der Mittel? Von Natur. Der Sinn ist: bei zwei Wesen von verschiedener Gattung, Mann und Stute, findet sich eine Verschiedenheit der Wonne des Zustandes, einer Wonne, die das Produkt verschiedenartiger Wesen ist, mit Rücksicht auf das Wesen und die Zeit. Die aber von gleicher Art sind und ein und dasselbe Ziel im Auge haben, bei denen ist das beiderseitige Resultat ähnlich. Denn bei zwei Widdern, die von gleicher Art sind und an ein und dasselbe Ziel denken, welches im Kämpfen besteht, wird das Resultat, der Anprall, auch nicht nach Zeit und Wesen unterschieden. – Immer wieder weist der Verfasser die anderen Parteien zurück; so sagt er: »Vielleicht infolge der Verschiedenheit der Mittel«: vielleicht ergibt sich hierbei aus der Verschiedenheit der Mittel ein verschiedenes Resultat.

Woher aber die Verschiedenheit der Mittel? Von Natur! Denn der Mann ist der aktive, die Frau der passive Teil. Der aktive Teil nämlich vollbringt eine andere Tat als das Objekt. Darum findet auch infolge der Verschiedenheit der Mittel von Natur eine Verschiedenheit des Bewußtseins statt: Der Mann empfindet Befriedigung, indem er denkt: »Ich will ganz auf sie bedacht sein«; die Frau, indem sie denkt: »Ich bin von ihm ganz erfaßt«. – So lehrt Vātsyāyana.

Die Verschiedenheit der Mittel, die jetzt erörtert wird, besteht einzig und allein in der Tätigkeit von Mann und Frau. Dazu sagt (der Verfasser): »Die Verschiedenheit der Mittel aber ist von Natur«; d. h. der Unterschied in den Mitteln beruht auf dem angeborenen Wesen. Darin besteht eben diese Natur, daß von Mann und Frau der eine der aktive, der andere der passive Teil ist. Mit Anwendung darauf sagt (der Verfasser): »Eine andere Tat«. Des einen Geschlechtsteile liegen vertieft, die des anderen ragen empor. Daher findet eine Teilung der Funktion der beiden Geschlechtsteile statt, indem das eine verschlingt, das andere verschlungen wird; und deshalb ergibt sich nicht bloß jene Verschiedenheit der Funktion aus der in der also beschaffenen Tätigkeit bestehenden Verschiedenheit der Mittel, es ergibt sich auch ein Unterschied im Bewußtsein. Das zeigt (der Verfasser), indem er sagt: »Ich will ganz auf sie bedacht sein« usw. Der Mann findet Befriedigung, indem er unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit als aktiver Teil denkt: »Ich bin darauf bedacht, diese hier zu beschlafen«; die Frau findet Befriedigung, indem sie unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit als passiver Teil denkt: »Ich bin von ihm ganz erfaßt, um beschlafen zu werden«. So erlangen die beiden, von diesem Bewußtsein und dieser Befriedigung erfüllt, wenn sie in der Ausübung des Koitus begriffen sind, einen nach Zeit und Wesen ähnlichen Zustand, nicht aber einen etwa infolge der bloßen Verschiedenheit der Funktionen unähnlichen. Dann nämlich ist nur die Vorstellung verschieden, nicht das Resultat. Indem der Verfasser dies in seinem Geiste erwog, hat er diese seine deutlich gekennzeichnete eigene Ansicht mit seinem Namen unterschrieben.

»Der Verfasser hat die mannigfachen Verschiedenheiten, unter Anerkennung der Verschiedenheit der Mittel, zugestanden: wie ist es also nun mit dem Unterschiede des Resultates? Das kann er nicht zugeben?« – Diese sich darbietende Ansicht eines Gegners weist der Verfasser zurück, indem er erklärt:

Hier könnte einer einwenden: »Warum soll es nicht eine Verschiedenheit des Resultates geben, wie es eine Verschiedenheit der Mittel gibt?« – Dem ist nicht so! Die Verschiedenheit der Mittel ist wohlbegründet: wegen der Verschiedenheit der Merkmale des aktiven und passiven Teiles; eine nicht begründete Verschiedenheit des Resultates aber wäre unangemessen, da kein Unterschied in der Art besteht.

»Wie es eine Verschiedenheit der Mittel gibt.« Warum wird nicht, so gut wie die Tätigkeit jener beiden als eine verschiedene zugegeben ist, ebenso das »Wonne« genannte Resultat, da es doch aus jener Tätigkeit sich ergibt, als verschieden zugegeben? Auf diese Zweifelfrage antwortet (der Verfasser): »Dem ist nicht so!« Wenn das Resultat sich (auch) daraus ergibt, so kommt ihm doch keine Verschiedenheit zu: Darum antwortet (der Verfasser) auf die Frage: »Wieso ist die Verschiedenheit der Mittel wohlbegründet?« mit den Worten: »Wegen der Verschiedenheit der Merkmale des aktiven und passiven Teiles«. Der aktive Teil ist selbständig, der passive Teil ist Substrat. Der Sinn ist: Da diese beiden Ursachen ihrem Wesen nach verschieden sind, so sind auch ihre Tätigkeiten, die sich daraus ergeben, verschieden. Daß aber dem Resultate, wiewohl es daraus sich ergibt, trotzdem keine Verschiedenheit zukommt, dafür gibt es keine andere Ursache, die man angeben könnte. So sagt (der Verfasser): »Eine nicht begründete Verschiedenheit des Resultates aber wäre unangemessen«, würde ohne Berechtigung zugestanden. Diese Berechtigung bringt der Verfasser in Erinnerung, indem er sagt: »Da kein Unterschied in der Art besteht«. Da die Gattung Mensch gleichartig ist, erzeugen die aufeinander angewiesenen Tätigkeiten der auf ein und dasselbe Ziel Bedachten, Mann und Frau, eine nach Zeit und Wesen ähnliche Wonne.

Hier könnte einer einwenden: »Durch Vereinigung wird von den Handelnden eine Sache vollendet: dagegen vollbringen jene beiden einzeln jeder seine Sache: (daher) ist das unrichtig!«

N. N. kocht mit Holz, im Kessel, Brei: bei solchem und ähnlichem Tun sieht man, daß durch die Vereinigung des N. N. und der übrigen aktiven und passiven Teile, »der Handelnden«, der Brei gekocht wird; »dagegen vollbringen jene beiden«, Mann und Frau, gegenseitig jeder seine Sache. Denn die Frau, der passive Teil, der der Tätigkeit des Mannes bedarf, vollbringt in ihrer ununterbrochenen Reihe ihre Sache, nämlich Wonne; und der Mann, der aktive Teil, der der Tätigkeit der Frau bedarf, (seine Sache). Dieses Vollbringen verschiedener Sachen paßt nicht für den Handelnden, da es bei dem Breikochen usw. nicht gutgeheißen werden kann. Nun sieht man bei Mann und Frau, dem aktiven und passiven Teile, in der Gestalt der Wonne bei jedem einzeln das Resultat und ebenso die Gleichheit der Art: dieses Resultat eben, so ist die Meinung, muß also nach Zeit und Wesen unähnlich sein.

Dem ist nicht so! Man sieht auch, daß zu gleicher Zeit mehrere Dinge vollbracht werden: z. B. bei dem Anprall zweier Widder; dem Aneinanderwerfen zweier Holzäpfel; bei dem Kampfe zweier Ringer. Da ist kein Unterschied der Handelnden? Allerdings, aber hier ist auch kein Unterschied des realen Inhaltes! Oben heißt es: die Verschiedenheit der Mittel kommt von Natur: darum also erlangen alle beide ähnliche Wonne.

»Dem ist nicht so«: das ist nicht unrichtig, vielmehr ist es ganz in der Ordnung, indem man sieht, »daß zu gleicher Zeit mehrere Dinge vollbracht werden«; z. B. »bei dem Anprall zweier Widder«: bei dem Sinnesobjekte des Anpralles sieht man zu gleicher Zeit mehrere Dinge vollbringen, d. h. zu gleicher Zeit geschieht ein zweifacher Anprall. So ist es auch »bei Aneinanderwerfen zweier Holzäpfel (und) bei dem Kampfe zweier Ringer«. So muß auch bei den beiden Handelnden, Mann und Frau, das besondere Resultat eines jeden ähnlich sein. Die Erwähnung von Widder, Holzapfel und Ringer geschieht, um anzudeuten, daß auch bei Tieren so gut wie bei leblosen Gegenständen und Menschen jene Regel befolgt wird. Welcher Unterschied besteht nun hier? Darauf sei folgendes geantwortet: Bei dem Kampfe der Widder usw. sind die Gegner beide aktiv, und es findet kein Unterschied zwischen den Handelnden statt; hier aber gibt es einen aktiven und einen passiven Teil: wieso ist das Resultat dann nicht verschieden? Auf diese Zweifelfrage antwortet (der Verfasser): »Hier ist auch«. Auch bei Mann und Frau als Handelnden ist in Wirklichkeit kein Unterschied vorhanden, vielmehr vollbringen sie die Sache beide als aktive Teile. Nur in der Theorie läßt man um des allgemeinen Brauches willen Unterschiede wie Agens und Substrat 86 usw. gelten. Da es sich so verhält, so ist das oben Gesagte, Ausgeführte nachzusehen, wo es heißt: »Die Verschiedenheit der Mittel kommt von Natur«; indem die Merkmale des aktiven und des passiven Teiles keine reale Wirklichkeit besitzen. »Darum also«, auf Grund dieses Ausspruches, »erlangen alle beide«, Mann und Frau, »ähnliche Wonne«, d. h. es entsteht eine nach Zeit und Wesen ähnliche Wonne. Wie sollte sonst ihre fieberhafte Leidenschaft sich beruhigen können? Mit Bezug auf eben diesen außerordentlichen Wonnezustand nennt man das Geschlechtsorgan das Wonneorgan.

Diesen Gedanken spricht der Verfasser in dem zusammenfassenden Verse aus:

Da kein Unterschied der Gattung besteht, werden die beiden Gatten eine ähnliche Wonne empfinden; darum ist die Frau so zu bedienen, daß sie die Wollust zuerst erlangt.

»Die beiden Gatten«, Mann und Frau; d. h. wenn sie ein und demselben Ziele zustreben. So aber gehe es dabei zu, daß je nach der verschiedenen Art der Frau diese das außerordentliche Glück der Stillung der Geilheit hat und daß bei der Reibung in der Scheide der Same in Bewegung gerät; die Wonne der Ergießung aber soll wie bei dem Manne erst am Ende erfolgen. So heißt es: »Zweifach ist die Wollust bei den Frauen: infolge des Schwindens der Geilheit und des Strömens (des Samens); dieses ist auch zweifach: das in Bewegung Geraten und die Ergießung des Samens. Das Feuchtwerden der Scheide kommt nur von dem in Bewegung Geraten, die Wollust aber von der quirlenden Ergießung; am Ende jedoch, heißt es, findet wie bei dem Manne die Ergießung statt, indem die Frau in ungestüme Aufregung gerät.« – Wenn hierbei die beiden Ehegatten infolge ihrer Leidenschaft gleichzeitig die Wollust genießen, so ist das die beste Art, weil das ein gleicher Liebesgenuß ist. Wenn es nicht gleichzeitig geschieht, dann wird die Frau jenen Zustand nicht erlangen, wenn dem Mann die Erektion mangelt, weil er den Zustand schon vorher erreicht hat. »Darum ist die Frau« gegenüber dem gleichen Liebesgenusse bei dem ungleichen »so zu bedienen«, mit Küssen, Umarmungen usw. zu huldigen, »daß sie die Wollust zuerst erlangt«. Wenn die Frau vorher den Zustand erreicht hat, muß sich der Mann, mit eingedrungenem Penis, beeilen, um seinerseits den Zustand richtig zu erreichen.

Da die Ähnlichkeit bewiesen ist, so ergeben sich wie bei den Maßen auch rücksichtlich der Zeit neun Liebesgenüsse.

»Auch rücksichtlich der Zeit«: das Wort »auch« bedeutet »auch rücksichtlich des Wesens«. Denn wie sollten sonst bei der Verschiedenheit der Wonne der Stillung der Geilheit oder der Wonne der Samenergießung dem Wesen nach neun Liebesgenüsse herauskommen?

In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gebrauch gibt der Verfasser jetzt die verschiedenen Synonyma von Wollust (rati) und Koitus (rata):

Genuß, Wollust, Liebe, Zuneigung, Leidenschaft, Aufregung und Vollendung sind die Synonyma von Wollust. Geschlechtliche Vereinigung, Koitus, Geheimnis, Beischlaf und Betäubung sind die Synonyma von Koitus.

Die Wollust involviert die Wirkung, der Koitus die Ursache. Wenn auch die synonymen Bezeichnungen für beides sich auf eine einzige Sache beziehen, so unterscheidet man dabei doch die Veranlassung. So sagt man auch in der Verbindung mit der Majestät Indra, in der Verbindung mit der Macht Śakra. – Nun also »Genuß«, weil mit dem Geschlechtsorgane genossen, geschmeckt wird; »Wollust«, wegen des Lustgefühles infolge der Erregung der Sinne durch die Vorstellung, daß die Wirkung Wonne sei; »Liebe«, wegen der Geneigtheit des Herzens; »Zuneigung«, weil sie durch den ›Verliebtheit‹ genannten Zustand erfolgreich wird; »Leidenschaft«, wegen des leidenschaftlichen Entzückens der Sinne; »Aufregung«, wegen des gesonderten Austretens des von Wonne begleiteten Samenstoffes aus der Mündung des Gefäßes; »Vollendung«, wegen der Beendigung des Liebesgenusses. »Geschlechtliche Vereinigung« ist die gehörige, prägnante Vereinigung von Mann und Frau, die noch nicht vereint gewesen sind. »Koitus«, wegen des Lustgefühles durch die Erregung der Sinne irgendwo bei dem Eintreten der Ursache; »Geheimnis«, weil man, abgesehen von den Ehegatten, dabei vor anderen geheim zu Werke geht; »Beischlaf«, weil man dabei auf dem Lager oder auf dem Ruhebette schläft; »Betäubung«, weil man aus Betäubung den anderen Beschäftigungen gegenüber sich wie geistesabwesend verhält.

Da die nach Maß, Zeit und Zustand sich ergebenden geschlechtlichen Vereinigungen jede einzelne neunfach sind, so kann man bei einer Mischung derselben die Zahl der Liebesgenüsse nicht angeben, da sie außerordentlich groß ist.

Da die nach Maß, Zeit und Zustand sich ergebenden drei Liebesgenüsse ein jeder neunfach ist, so ergeben sich (zunächst) 27 zusammen. Der Koitus ist zweifach: rein und vermischt. Weil hierbei der reine nicht vorkommt, sagt der Verfasser in der Meinung, daß der vermischte allein sich zur Besprechung eigne: »Bei einer Mischung derselben«, einer Verbindung dieser siebenundzwanzig an Zahl betragenden. Dabei werden nicht zwei vermischt, da das nicht vorkommt; sondern die Mischung findet mit dreien statt. »Da die Zahl der Liebesgenüsse außerordentlich groß ist, kann sie« durch einzelnes Aufzählen »nicht angegeben werden«. Wenn man sie nämlich einzeln aufzählte, würde es ein dickes Buch geben; eine kurze Aufzählung aber ist nutzlos. Daher ist es (des Verfassers) Ansicht, daß man nur nach der obigen Zahl rechnen müsse. Dabei ergibt der gleiche und ungleiche den vermischten in folgender Weise: Ein matter und schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein mäßig feuriger und mäßig schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein feuriger und langsamer Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein matter und mäßig schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein matter und langsamer Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein mäßig feuriger und schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein mäßig feuriger und langsamer Hase mit einer ebensolchen Gazelle; ein feuriger und schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle und ein feuriger und mäßig schneller Hase mit einer ebensolchen Gazelle: das sind die neun gleichen, vermischten Liebesgenüsse bei entsprechender Verbindung. Wenn sich diese neun Hasen jeder einzeln mit den übrigen acht mit ebensolchen Gazellen verbinden – mit Auslassung der einen gleichen – so ergeben sich 72 ungleiche vermischte Liebesgenüsse. Ferner bei der neunfachen Art (der Vereinigung) des Hasen mit einer ebensolchen Stute neun ungleiche vermischte Liebesgenüsse; in der Vereinigung mit den nicht ebensolchen acht 72 ungleiche; ebenso mit der Elefantenkuh ebensoviel ungleiche und außerordentlich ungleiche; also zusammen beim Hasen 243. Ebenso ist es bei dem Stiere und bei dem Hengste; alles zusammen also 729.

Bei diesen wende man die Liebesbezeugungen nach Gutdünken an, lehrt Vātsyāyana.

Bei den vermischten Liebesgenüssen, wie sie theoretisch festgesetzt sind, »wende man die Liebesbezeugungen nach Gutdünken an«, verwende die Liebesbezeugungen, die in Umarmungen usw. bestehen, je nach Maß, Zeit und Temperament, wie es sich gerade trifft, vermischt, indem man ihre Reihenfolge aufhebt; d. h. damit auf künstliche Weise ein gleicher Liebesgenuß hergestellt werde. – Hierzu (gibt es einige) Verse der Anhänger des Bābhravya: »Wenn das männliche Glied sich in der Vulva dicht reibt und Zeit und Temperament gleich sind, so heißt dieser Liebesgenuß der beste. Wenn das Glied (an Größe) verschieden ist, die Vulva nicht überall reibt und Zeit und Temperament ungleich sind, so nennt man diesen den schlechtesten. Der Koitus finde statt bei völliger Gleichheit; bei (völliger) Ungleichheit gilt (die Bezeichnung) schlechter Koitus; alle übrigen sind mittelmäßig. Dabei gibt man (wie folgt) die relative Wichtigkeit an: Die Hauptsache ist durchaus die Zeit; denn selbst ein Hase berührt bei (Vorhandensein gleicher) Zeit das Innere des Geschlechtsorgans der Elefantenkuh überall. So heißt auch der Hengst der Gleichmacher der Zeit der Gazelle: deshalb nennen andere das Maß durchaus als die Hauptsache. Andere sagen, das Temperament sei die Hauptsache, da selbst ein Hengst, wenn er des feurigen Temperamentes entbehrt, das Ziel nicht erreichen kann: das Temperament gleicht die Zeit aus. Deshalb sei aber eine Frau, wenn auch von langsamem Temperamente, nicht beunruhigt: so wie eine jede ist, muß Kraft und Schwäche erforscht werden. Wer an Temperament und Maß mangelhaft ist; wer feurig ist, aber der Zeit entbehrt, und wer an Zeit und Maß mangelhaft ist, soll sich bemühen, mit dem übrigen das Ziel zu erreichen.«

Wenn die dem Wesen jedes einzelnen entsprechende Zeit und Temperamente zu einer anderen Zeit und zu einem anderen Temperamente werden, so ist das der Übergang zu einer anderen Zeit und zu einem anderen Temperamente. Das erklärt (der Verfasser), indem er sagt:

Beim ersten Koitus zeigt der Mann feuriges Ungestüm und Schnelligkeit; das Umgekehrte bei den späteren; bei der Frau hinwiederum ist es gerade umgekehrt. Bis zur Erschöpfung des Stoffes. Vor der Erschöpfung des Stoffes der Frau tritt nach der gewöhnlichen Redeweise die des Mannes ein.

Bei jedem einzelnen unter den schnellen, mäßig schnellen und langsamen sowie den kalten, mäßig feurigen und feurigen findet man beim ersten Koitus, wenn der Betreffende in seiner gewöhnlichen Verfassung ist, unter Berücksichtigung seiner Eigenart, Schnelligkeit und Feuer; dann wird die Leidenschaft, indem sie anwächst, hitzig und beruhigt sich schnell. Damit verhält es sich so: Ein Langsamer und Feuriger zeigt beim ersten Koitus entsprechend seiner Zeit und seinem Temperamente mäßige Schnelligkeit und besonderes Feuer; ein mäßig Schneller und mäßig Feuriger Schnelligkeit und Feuer; ein Schneller und Matter besondere Schnelligkeit und mäßiges Feuer; ein Schneller und mäßig Feuriger besondere Schnelligkeit und Feuer; ein Schneller und Feuriger besondere Schnelligkeit und besonderes Feuer; ein mäßig Schneller und Matter Schnelligkeit und mäßiges Feuer; ein mäßig Schneller und Feuriger Schnelligkeit und besonderes Feuer; ein Langsamer und Matter, entsprechend seiner Zeit und seinem Temperamente, mäßige Schnelligkeit und mäßiges Feuer; ein Langsamer und mäßig Feuriger mäßige Schnelligkeit und Feuer. Das sind beim ersten Koitus die neun Übergangsliebesgenüsse. »Das Umgekehrte bei den späteren«, d. h. das Gegenteil von dem, was beim ersten Koitus gesagt worden ist, tritt beim zweiten usw. Koitus ein. Da die Liebe des Mannes nur einfach ist und seine Leidenschaft (bald) erlischt, so erfolgt nun beim zweiten Koitus ein seiner gewöhnlichen Verfassung entsprechender Übergang zu einem anderen Temperamente und zu einer anderen Zeit. Da die Leidenschaft allmählich erlischt, so ergeben sich nun im dritten usw. Koitus der Eigenart entsprechend Zustände von größerer und größter Langsamkeit und größerer und größter Kälte, bis der Samenstoff erschöpft ist. So ist bei dem Manne der Übergang zu einem anderen Temperamente und zu einer anderen Zeit; »bei der Frau hinwiederum ist es gerade umgekehrt«. Hier sieht man unter normalen Verhältnissen beim ersten Koitus, unter Berücksichtigung ihrer Eigenart, Langsamkeit und Mattigkeit. Ihre achtfache Leidenschaft nämlich wird ganz natürlich durch den ersten Koitus entflammt; darauf wird sie dann matter und kühlt sich langsam ab. Damit verhält es sich so: Eine Langsame und Feurige zeigt unter normalen Verhältnissen, entsprechend ihrer Zeit und ihrem Temperamente, besondere Langsamkeit und mäßiges Feuer; eine mäßig Schnelle und mäßig Feurige Langsamkeit und Mattigkeit; eine Schnelle und Matte mäßige Schnelligkeit und besondere Mattigkeit. So ist es auch in den übrigen sechs Fällen zu machen. Das Umgekehrte findet statt bei den folgenden (Liebesgenüssen): bei dem zweiten Koitus gibt es einen den normalen Verhältnissen entsprechenden Übergang. Indem nun allmählich durch das Entfachen Leidenschaft und Schnelligkeit zunehmen, zeigen sich bei dem dritten usw. Koitus unter Berücksichtigung der Eigenart Zustände von größerer und größter Schnelligkeit usw. und von größerem und größtem Feuer usw., bis der Samenstoff erschöpft ist. Das ist der Unterschied zwischen Mann und Frau, während die Erschöpfung des Stoffes die gleiche ist. Was da geschieht, da der Stoff des Mannes einfach, der der Frau dagegen achtfach ist, das sagt (der Verfasser) mit den Worten: »Vor der Erschöpfung«. – »Die gewöhnliche Redeweise«, (der zufolge) »die Schönäugige sich nicht an den Männern sättigen kann«. – Von dem Übergang zu einem anderen Maße Mit dem Berliner Ms. und dem bei Peterson IV, 25 (No. 665) pramāṇāntarasaṃkrāntiṃ zu lesen. – bei der Frau vermittelst Vorstreckens der Schamgegend mit Hilfe der Arme und Schultern, beim Manne durch die Regeln über Vergrößerung (des Penis) – wird der Verfasser noch sprechen.

Es ist (oben) gesagt worden, daß die Liebhaberinnen schnell, mäßig schnell und langsam seien; wie ist es nun mit ihnen? Darauf antwortet (der Verfasser):

Die Frauen erlangen infolge ihrer Zartheit von Natur oder auch infolge der Reibung schnell Befriedigung. So lehren die Meister.

Die Frauen, welche »von Natur«, ihrem Wesen nach, zartgliedrig sind, und auch die nicht zartgliedrigen, welche unter Küssen usw. und unter äußeren und inneren Betätigungen der Finger usw. gerieben werden, die erlangen sehr schnell Befriedigung; d. h. sie sind von schnellem Ungestüm. Das soll heißen, im umgekehrten Falle sind sie von mäßig schnellem oder langsamem Feuer. Ebenso ist es auch bei dem Manne. Dort ist die Zartheit ein natürliches Merkmal; das übrige ist erkünstelt. »So lehren die Meister«, das gerade ist die Meinung aller, da sie nicht fehl geht.

So weit nur ist die Lehre vom Liebesgenuß für die Geschickten angedeutet worden. Für die Belehrung der Unerfahrenen wird nun eine ausführliche Darstellung vorgetragen werden.

Nur unter Darstellung des Koitus ist die Lehre vom Liebesgenuß in kurzen Worten angedeutet worden. Die Umarmungen und andere Liebesbezeugungen, die sie aus dem Lehrbuche gelernt haben, wenden sie klug an, aber nicht diejenigen, welche langsamen Geistes sind. Die ausführliche Darstellung dient dazu, diese Hauptsache zur Sprache zu bringen.

*

§ 7. Die Arten der Liebe.

So gut wie eine dreifache Liebeslust erörtert worden ist, ebenso wird auch die Liebe erörtert nach Grobheit und Feinheit. Jedoch, um zu zeigen, daß in diesem Lehrbuche außer diesen auch noch andere Arten von Liebe vorkommen, werden nun die Arten der Liebe behandelt: in den Worten: »Je nach der Beschäftigung usw.«

Je nach der Beschäftigung und nach dem Selbstgefühle, ferner nach dem Vertrauen und den Gegenständen der Sinnenwelt reden die Kenner des Leitfadens von einer vierfachen Liebe.

»Die Kenner des Leitfadens«, die Kenner des Lehrbuches der Liebe. – Deren Merkmale gibt (der Verfasser) an:

Eine Liebe, die aus Worten usw. hervorgeht und durch die Beschäftigung mit Tätigkeiten gekennzeichnet ist, diese ist anzusehen als Liebe der Beschäftigung, zu Tätigkeiten wie z. B. der Jagd usw.

Eine Liebe, die in der Beschränkung auf Sinnesobjekte wie Worte usw. besteht, die bei der Ausführung von Tätigkeiten sich finden, ist eine Liebe zur Sinnenwelt. Die aber »durch die Beschäftigung mit Tätigkeiten gekennzeichnet ist« – unter Beschäftigung versteht man, einer Tätigkeit fortwährend obliegen; weil die Liebe, das Hängen daran, dadurch gekennzeichnet wird, so ist sie danach benannt – diese besteht in der Beschäftigung und ist als Liebe der Beschäftigung anzusehen. Sie findet sich bei Leuten, welche eifrig an Künsten hängen, die auf eine ernste Tätigkeit hinauslaufen. Das sagt (der Verfasser): »zu Tätigkeiten wie z. B. der Jagd usw.« Die Jagd, das Waidwerk, ist eine die körperlichen Übungen betreffende Wissenschaft. Das Wort ›usw.‹ faßt Tanz, Gesang, Instrumentalmusik, Malerei, Blättereinritzen usw. zusammen.

Eine Liebe sogar zu vorher nicht studierten Tätigkeiten, die nicht auf den Gegenständen beruht, sondern aus der Herzenswallung entsteht, diese ist die des Selbstgefühles.

»Eine Liebe sogar zu vorher«, früher, »nicht studierten Tätigkeiten«: das Wort ›sogar‹ bedeutet, daß sie doch studiert worden sein können. Wer auch die Beschäftigung mit der Jagd nicht studiert oder doch studiert hat, der ist im Herzen beglückt, wenn er eine solche Beschäftigung betreibt. Der Unterschied ist der, daß die wissenschaftliche Liebe eben in dem Studium einer bestimmten Tätigkeit besteht. – »Die nicht auf den Gegenständen beruht«, d. h. deren Aneignung nicht aus Gegenständen der Sinne, Begriffen usw. erfolgt. Woher kommt sie also? Darauf sagt (der Verfasser): »Sondern aus der Herzenswallung entsteht«, d. h. sie ist eine im Geiste wohnende Liebe, indem sie ihrem Wesen nach der Wallung des Geistes angehört. Eine solche heißt eine Liebe »des Selbstgefühles«: das Selbstgefühl, das Ichbewußtsein, ist ihr Gewinn.

Wieso kommt diese in dem Lehrbuche hier vor? Darauf antwortet der (Verfasser):

Diese soll man bei dem Mund-Koitus des Eunuchen oder der Frau und bei diesen und jenen Handlungen, wie Küssen usw. erkennen.

»Eunuch«, Verschnittener; bei dessen »oder der Frau«, einer Mundhure, »Mund-Koitus«, sogar wenn die auf den Mund übertragene Tätigkeit der Scham studiert ist, »soll man diese erkennen«. Für den Veranlasser ist das hinwiederum eine körperliche, auf den Gegenständen beruhende Liebe. – »Bei diesen und jenen«, Küssen usw., die in ihre verschiedenen Arten zerteilt werden. Das Wort ›usw.‹ bedeutet Umarmungen, Nägel- und Zahnmale und Schläge, auch wenn sie nicht studiert sind: bei diesen zeigt sich zur Zeit des Liebesgenusses die geistige Liebe dessen, der sie anwendet; und auch bei der Frau, bei der sie bald hier, bald dort angewendet werden, zeigt sich bei dieser Anwendung infolge leidenschaftlicher Wallung eine geistige, keine körperliche Liebe, indem sie durch bloße Berührung empfunden wird. Da aber, wenn der Körper von Unbehagen erfaßt ist, diese Liebe keine Stätte hat, so ist sie keine körperliche.

Von den Kennern des Lehrbuches wird die Liebe eine Liebe des Vertrauens genannt, wobei es, bei einer fremden Ursache der Liebe, heißt: »Es ist kein anderer!«

»Er ist es!« ist der Sinn. »Wobei«, irgendwo, »bei einer fremden«, einem noch nicht dagewesenen Gegenstande, Manne oder Frau, mit den Worten: »Er ist es!« im Herzen eine frühere Liebe auf Mann oder Frau übertragen wird. »Ursache der Liebe«, Grund zur Liebe. Das ist die Veranlassung zur Übertragung. Es soll gezeigt werden: »Hier finden sich dieselben Vorzüge, Gründe der Liebe, wie bei dem früheren Geliebten«. Und so wird diese frühere Liebe, weil sie ihrem Wesen nach aus dem Vertrauen entstanden ist, von den Kennern des Lehrbuches der Liebe die des Vertrauens genannt. So wird auch (der Verfasser) später noch sagen: »Ähnlichkeit mit dem Geliebten ist ein Grund zum Besuchen«.

Die sichtbare, in der Welt wohlbekannte Liebe ist die sinnliche, da sie mit den vorzüglichsten Früchten ausgestattet ist: und die anderen sind ihr untergeordnet.

Die Liebe, welche entsteht, indem man vermittelst des Ohres usw. angenehme Sinnesgegenstände, Worte usw. aufnimmt, die ist, weil sie von Unternehmungen in der Sinnenwelt begleitet ist, eine »sichtbare«; und da sie »in der Welt wohlbekannt« ist, werden hier keine Merkmale angegeben. Diese also beschaffene Liebe ist nachzusehen in dem Abschnitte, der über das Treiben der Elegants bei besonderen Veranlassungen handelt. – »Da sie mit den vorzüglichsten Früchten ausgestattet ist«, d. h. da sie sichtbarlich mit der Frucht des Sinnesgenusses versehen ist. – »Und die anderen« drei »sind ihr untergeordnet«, sind Gegenstand der sinnlichen Liebe, indem sie ihre Teile bilden. – Das Wort ›und‹ bedeutet ›eben‹.

Indem man diese im Lehrbuche gekennzeichneten Arten von Liebe dem Lehrbuche gemäß überlegt, möge man die Art anwenden, wie sie sich gerade bietet.

»Indem man« die vier Arten »dem Lehrbuche gemäß überlegt«, genau untersucht. »Diese im Lehrbuche gekennzeichneten«, indem sie, jede an ihrer Stelle, in diesem Lehrbuche beschrieben werden. – »Die Art, wie sie sich gerade bietet.« Auf welche Weise sich der Inhalt der vier Arten, Studium der Tätigkeiten usw., darstellt, auf die Weise finde er eben statt um der daraus entstehenden Liebe willen. Denn, wenn man nicht so zu Werke geht, wird eine unerwünschte Liebe, also Nichtliebe, entstehen.

*


 << zurück weiter >>