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Wie die Herrscher nicht in fremde Häuser gehen dürfen, ebenso wenig dürfen Haremsfrauen in fremde Häuser und Elegants in den Harem kommen: so wird nun das Leben im Harem nach diesen beiden Gesichtspunkten behandelt. Mit Bezug auf den ersten sagt (der Verfasser):
Da die Harems bewacht werden, kann sie kein Mann besuchen; und da nur ein einziger Gatte vorhanden und derselbe vielen Frauen gemeinsam ist, so finden diese keine Befriedigung. Darum müssen sie sich untereinander künstlich zufriedenstellen.
»Die Harems«, d. h. also, die Frauen in den Harems. Diese haben doch einen Gatten? – Dazu sagt (der Verfasser): »Da nur ein einziger Gatte vorhanden ist«. – Soll einer allein sie befriedigen? Dazu sagt (der Verfasser): »Und derselbe mehreren Frauen gemeinsam ist«: – wie soll er sie befriedigen, da er ihnen gemeinsam ist? – »Künstlich«, mit Hilfsmitteln. – »Untereinander«, die der anderen zum Wollustgenusse verhilft, der tut dasselbe wieder eine andere.
(Der Verfasser) nennt jetzt die Ausführung:
Sie schmücken die Milchschwester, Freundin oder Sklavin nach Art eines Mannes und stillen ihr Verlangen durch an Form gleiche Glieder in Gestalt von Knollen, Wurzeln und Früchten oder künstliche Glieder.
»Sie schmücken nach Art eines Mannes«: wenn sie sich nämlich hierbei einen Mann vorstellen und so einen übermäßigen Grad von Geilheit erreichen, ist auch die Befriedigung eine ganz außerordentliche. – »An Form gleich«: vom Aussehen eines männlichen Gliedes. – »Glieder in Gestalt von Knollen, Wurzeln und Früchten«: darunter »Knollen« von Amorphophallus campanulatus, Musa sapientum usw.; »Wurzeln« von Weinpalmen und Pandanus odoratissimus, »Früchte« von Flaschengurken, Cucumis utilissimus usw. Diese sind gereinigt anzuwenden. – Nun nennt (der Verfasser) den Erfolg bei der Anwendung dieser Glieder: »Sie stillen ihr Verlangen«, den Zustand der Geilheit. – Das ist nur eine Unterhaltung aus Neugier; nicht aber soll die Liebe so beschaffen sein, da das nicht die Hauptsache ist.
Auch männliche Bildsäulen (?), an denen die Geschlechtsmerkmale noch undeutlich sind, können sie umarmen. S. Beiträge zur indischen Erotik, p. 783, Anm. Außer der Berliner Handschrift liest auch die des Indian Institute zu Oxford vyakta statt avyakta.
»Männliche Bildsäulen«, (?) männliche Körper, »an denen die Geschlechtsmerkmale noch undeutlich sind«, d. h., die einer Frauengestalt gleichen, da ihnen der Bart noch nicht sproßt. –
Sogar ein einzelner Mann kann sie befriedigen, der Mitleiden mit den Liebeskranken hat, wie z. B. bei den Bewohnern des Ostens. So sagt der Verfasser:
Mitleidsvoll besuchen die Könige auch ohne Liebesregung unter Anwendung von künstlichen Vorrichtungen in einer Nacht nach Gebühr sogar mehrere Frauen. Zu der sie aber Liebe haben, die an der Reihe ist oder ihre Regel hat, gegen die handeln sie aus Neigung. So ist die Sitte bei den Bewohnern des Ostens.
»Auch ohne Liebesregung«: auch ohne daß sie Verlangen nach geschlechtlicher Vereinigung haben. – »Unter Anwendung von künstlichen Vorrichtungen«, indem sie einen künstlichen Penis an der Hüfte befestigen. – »Nach Gebühr«, bis zur Sättigung. – »Sogar mehrere Frauen besuchen sie«, in geschlechtlicher Absicht. – »Aus Neigung«, d. h., aus Liebe. – Damit ist der Gebrauch bezüglich des Harems abgetan.
Mit dem Brauche der Frauen ist auch die Stillung des Verlangens bei der Natur nicht entsprechenden und andersartigen Wesen, bei weiblichen Bildsäulen und durch bloßes Berühren (des Penis) seitens der Männer abgetan, die kein Mittel finden.
Wie die Frauen bisweilen ihr Verlangen stillen, indem sie sich Männer vorstellen, so ist es auch bei gewissen Männern: Bei welchen? Darauf antwortet der Verfasser: »Die kein Mittel finden«, die keine Frau auftreiben können. – »Bei der Natur nicht entsprechenden Wesen«, calorukaravyādiṣu. (?) – »Bei andersartigen Wesen«, Schafen, Stuten usw. – »Bei weiblichen Bildsäulen«, weibliche Grundformen, bei denen weibliche Geschlechtsteile eingebohrt sind usw. – »Durch bloßes Berühren«, durch bloßes Reiben des Penis bei der Ausführung des »Löwenschrittes«: So heißt es denn: »Mit den beiden auf den Fußboden gelegten Händen sich stützend und mit geradeausgestreckten Füßen dasitzend reibe man (den Penis) an der Mitte des Armes: das ist die Ausführung des Löwenschrittes«. – Wenn man mit Berufung auf die Verfluchungsvorschrift (?) sagt, die Ergießung des Samens an unerlaubten Stellen sei Unrecht, wie ist es dann? Nun, wenn man sagt, nach dem Prāyaścittavidhāna sei es erlaubt, so ist zu entgegnen, daß es auch hier geschieht. (?)
Nun behandelt (der Verfasser) das äußere Gebiet:
Gewöhnlich lassen die Frauen im Harem in Frauenkleider gehüllte Lebemänner mit den Dienerinnen eintreten. Bei deren Überredung mögen sich die drinnen befreundeten Milchschwestern Mühe geben, indem sie die Chancen aufzeigen. Sie beschreiben die Geräumigkeit des Gebäudes, die Unachtsamkeit der Wächter und die nicht beständige Gegenwart der Dienerschaft. Durch eine unwahre Darstellung sollen sie die Leute nicht bewegen, einzutreten, weil das ein Fehler ist.
»Mit den Dienerinnen«, die am Abend den Harem betreten, um aufzuwarten. – »Bei deren«, der Lebemänner, »Überredung«, Gewinnung, »mögen sie sich Mühe geben, die drinnen befreundet« sind: diesen wendet sich der Sinn der Elegants gehörig zu, nicht aber solchen Frauen, die außerhalb stehen. – »Chancen«: daß der künftige Erfolg so und so sein wird. »Ausgang«, der Weg, auf dem man sich entfernt. – »Geräumigkeit«: es ist so weitläufig, daß man nicht merkt, wo etwas vorgeht und was. – »Unachtsamkeit«, Unaufmerksamkeit. – »Nicht beständige Gegenwart«, daß die Dienerschaft des Königs nicht immer in der Nähe ist. – »Durch unwahre Darstellung«: wenn der Harem nicht wirklich leicht zu betreten ist, »sollen sie die Leute«, die Schar der Lebemänner, »nicht bewegen«; herumkriegen, »weil das ein Fehler ist«: indem man dann ohne Grund Schuldlose in Schuld stürzt und, da von einer leicht zu ermöglichenden Betretung usw. keine Rede ist, die Leute in Gefahr bringt.
Mit Bezug auf das Treiben der zweiten Gruppe sagt (der Verfasser):
Ein Lebemann aber betrete selbst einen leicht zugänglichen Harem nicht, weil er voller Gefahren steckt, sagt Vātsyāyana.
»Weil er voller Gefahren steckt«, wegen des Vorhandenseins zahlreicher Gründe, die den Untergang bereiten können.
Hier gibt (der Verfasser) einen besonderen Fall an:
Wenn er aber gesehen hat, daß der Harem einen Ausgang hat, dicht von dem Lustwalde umgeben ist, verschiedene lange Hallen besitzt, wenige und zwar unaufmerksame Wachen hat und daß der König verreist ist, aus diesen Gründen und wenn er vielfach um eines Vorteiles willen eingeladen wird, dann trete er ein, indem ihm jene eine List angeben, nachdem er den Zugang zu den Hallen erspäht hat. Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, entferne er sich jeden Tag.
»Lustwald«, Spielhain; von diesem »dicht umgeben«, versteckt. – »Hallen«, der Raum am Tore. – »Daß der König verreist ist«, indem derselbe sich anderswohin begeben hat. – »Gründe« des Liebesbesuches. – »Wenn er vielfach um eines Vorteiles willen eingeladen wird«. »Nachdem er den Zugang zu den Hallen erspäht hat«: ›Auf diesem Wege muß ich eintreten‹! – »Indem ihm jene«, die ihn bereden, »eine List angeben« in der und der Kleidung, zu der und der Zeit, mit dem und dem Gegenstande. – »Wenn die Möglichkeit vorhanden ist«: auf welchem Zugange es möglich ist, »täglich« sich zu entfernen; wenn das geht, tue man es. – Das ist das Verhalten bei dem Überreden.
Nun aber beschreibt (der Verfasser) das Verhalten dessen, der selbständig auf Verführung ausgeht:
Mit den Wächtern draußen verkehre er unter einem anderen Vorwande; er zeige sich anhänglich an eine Dienerin, die drinnen zu tun hat und um seine Sache weiß. Wenn er eine solche nicht findet, offenbare er seinen Kummer durch die Frauen, die hineingehen, und richte einen vollständigen Botinnendienst ein. Er lerne die Späher des Königs kennen. Wenn die Botin keinen Zutritt erlangen kann, stelle er sich da auf, wo die Auserkorene, deren Wesen er kennt, ihn sehen kann. Auch dort schütze er den Wächtern gegenüber eine (Liebschaft mit einer) Dienerin vor. Wenn sie die Augen auf ihn richtet, bekunde er seine Gebärden und sein Wesen. Wo sie zu erscheinen pflegt, dort lege er ein Gemälde nieder, welches sie darstellt, doppelsinnige Liederbruchstücke, Spielsachen, mit Malen versehene Kränze und Ringe. Die Gegenantwort, die sie gibt, betrachte er eingehend. Darauf bemühe er sich, hineinzukommen.
Die Wächter, die sich außerhalb befinden. – »Indem er einen anderen Grund vorgibt«: ›Durch die und die Verwandtschaft bist du mein Bruder oder Schwestermann!‹ – »Er verkehre«, schließe Freundschaft, damit sie lässig werden, ihm zu wehren. – »Die um seine Sache weiß«, daß er Neigung zu ihr hat. – »Er zeige sich anhänglich«, offenbare sich als solchen, um sein eigentliches Wesen zu verbergen. So sagt (der Verfasser) nun, um seine Beharrlichkeit zu zeigen: »Wenn er eine solche nicht findet«, eine Dienerin nicht auftreiben kann, »offenbare er seinen Kummer durch die Frauen, die hineingehen«, durch die Weiber, die sich außerhalb befinden, aber vielfach den Harem zu betreten gewöhnt sind: seine Mittlerinnen. – »Botinnendienst«, Funktion der Botin, wie sie beschrieben worden ist. – »Er lerne die Späher des Königs kennen«, seine Kundschafter, um selbst auf seiner Hut zu sein. – »Wo«, an welcher Stelle (die Geliebte), sogar wenn sie in der Ferne steht, »ihn sehen kann«; »deren Wesen er kennt«: sonst wäre sein Aufstellen, selbst wenn sie ihn sehen könnte, nutzlos. – »Auch dort«, wenn er an jener Stelle steht, »schütze er den Wächtern gegenüber eine (Liebschaft zu einer) Dienerin vor«: an der zu hängen er ja lebhaft bekannt hat. (?) »Wenn sie die Augen auf ihn richtet«, die Auserkorene ihn immer wieder ansieht, »bekunde er seine Gebärden und sein Wesen«, um seine Neigung anzudeuten. – »Wo sie zu erscheinen pflegt«, an welcher Stelle sie sich beständig zeigt. – »Welches sie darstellt«, die Auserkorene. Er stelle sich auch selbst in seiner Verliebtheit dar, indem er sich auf einer Tafel oder Wand aufzeichnet. – »Doppelsinnige«, die seine auf die Auserkorene gerichtete Neigung andeuten. – »Liederbruchstücke«: abgebrochene Strophen, Worte usw. – »Spielsachen«, Puppen, Bälle usw. »Mit Malen versehene Kränze«, die mit den Spuren der Nägel und Zähne versehen sind. – »Ringe«, die seinen Namen tragen. – »Die Gegenantwort, die sie – oder eine andere – gibt«, »betrachte er« eingehend …
Wo er weiß, daß sie beständig hingeht, da stelle er sich heimlich vorher auf. Oder in der Verkleidung eines Wächters trete er ein zu der von ihr angegebenen Zeit. Oder er wird hinein- und herausgeschafft, versteckt in einen Teppich oder Mantel. Oder er verliere Schatten und Gestalt vermittelst der Zauberei puṭāpuṭa. Die Ausführung hierbei ist diese: Man verbrenne ohne Rauch das Herz eines Ichneumons, Früchte der Trigonella corniculata und Lagenaria vulgaris und Schlangenaugen. Darauf verreibe man dies mit gleichen Teilen schwarzer Augensalbe. Wenn man damit die Augen salbt, geht man ohne Schatten und Gestalt umher. – Oder er dringe ein am Feste der Vollmondsnacht, bei der Menge der Lampen oder vermittelst eines unterirdischen Ganges.
»puṭāpuṭa«: indem dabei der gemäß den überlieferten Regeln in einen mit einem Deckel versehenen Korb getane Inhalt bei der Zauberei gebraucht wird. »Er verliere Schatten und Gestalt«: mancher vermag die Gestalt zu verbergen, aber nicht den Schatten; wer diesen nicht auch verbirgt, wird gesehen. – »Am Feste der Vollmondsnacht«, in Jubelnächten, die durch Lampen erhellt sind. – »Bei der Menge der Lampen«, unter der Masse derer, die Lampen tragen: in deren Kleidung; »oder vermittelst eines unterirdischen Ganges«, der in den Harem geführt wird. – Überall ist hinzuzufügen: er wird hinein- und herausgeschafft.
Hier gilt das Folgende:
Auch bei dem Herausschaffen von Gegenständen; auch bei dem Hineinschaffen von Getränken für festliche Gelage; bei dem Umherlaufen der Dienerinnen;
Auch bei dem Wechsel der Wohnung, dem Umtausch der Wächter, bei dem Besuche der Gärten und Prozessionen, bei der Heimkehr von einer Prozession;
Wenn der König zu einer Wallfahrt verreist ist, die erst nach geraumer Zeit Erfolg hat; da geschieht gewöhnlich das Eindringen junger Männer und ebenso das Hinausschaffen.
Die Bewohnerinnen des Harems, die untereinander ihre Ziele kennen, mögen, indem sie nur ein einziges Ziel haben, auch die übrigen Frauen verraten.
Wer durch gegenseitiges Verschulden, bei Verfolgung des einen Zieles, gesichert keinen Verrat zu befürchten braucht, der genießt beständig nach Wunsch seine Früchte.
»Hier«, bei dem Hinein- und Herausschaffen, »gilt das Folgende«, das nun zu beschreibende Verhalten. – »Bei dem Herausschaffen und Hineinschaffen von Gegenständen«, Wasser, Holz, »Getränken« vermittelst Wagen usw. erfolgt der Eintritt und das Entfernen des Betreffenden mitten darunter: so ist überall zu ergänzen. – Ein »Gelage« ist ein Fest. »Auch« im Sinne von »und«. – »Bei dem Umherirren der Dienerinnen«, wenn sie hierhin und dorthin laufen. – Dann »auch bei dem Wechsel der Wohnung«: das Wort »auch« bedeutet: auch (bei dem Wechsel) des Gartens. – »Die erst nach geraumer Zeit Erfolg hat«: deren Erfolg, Gewinn erst in später Zeit sich ergibt, nicht durch die bloße Reise abgetan ist; d. h., jener König aber ist nicht anwesend. – Von den Haremsfrauen, die nicht so sind, wird doch wohl der Plan verraten? – Darauf antwortet (der Verfasser): »Untereinander«. – »Ziele«, Geheimnisse. – »Die Bewohnerinnen des Harems«: die Haremsdamen. – »Indem sie nur ein einziges Ziel haben«: ›Was eine jede von uns einzeln erstrebt, das wollen wir vereint zu erreichen trachten‹. – »Sie mögen auch die übrigen Frauen verraten«, damit auch diese in die gleiche Lage mit ihnen kommen. – Was ist das Ergebnis? – Darauf antwortet (der Verfasser): »Wer durch gegenseitiges Verdächtigen, bei Verfolgung des einen Zieles«: die Schar der Haremsfrauen, die das eine Ziel, bestehend in Schädigung des guten Wandels, gegenseitig befolgt, »braucht gesichert keinen Verrat zu befürchten«, da kein Verrat des Planes stattfindet.
Damit ist das Treiben der Frauen im Harem, soweit es heimlich ist, beschrieben. Das öffentliche aber richtet sich nach der Gewohnheit des Landes. Dieses beschreibt nun (der Verfasser):
Hier bringen bei den Bewohnern des äußersten Westens die am königlichen Hofe verkehrenden Frauen ansehnliche Männer in den Harem, da derselbe nicht besonders sorgfältig bewacht wird. Bei den Bewohnern von Abhīra besorgen die Frauen ihr Geschäft mit den Haremswächtern, die aus der Kriegerkaste stammen. Bei den Bewohnern von Vatsagulma schaffen sie mit den Botinnen junge Elegants in deren Kleidung hinein. Bei den Bewohnern von Vidarbha vermischen sich die Frauen mit ihren eigenen, frei aus und ein gehenden Söhnen, ausgenommen die (leibliche) Mutter. Bei den Bewohnern von Strīrājya vermischen sich die Frauen ebenso mit den sie besuchenden Angehörigen und Verwandten, mit keinem anderen. Bei den Bewohnern von Gauda mit Brahmanen, Freunden, Bedienten, Sklaven und Auf Wärtern. Bei den Bewohnern vom Induslande sind es die Pförtner, Diener, die in dem Harem freien Zutritt haben und andere derartige Leute. Bei den Bewohnern des Himavat bestechen tollkühne Männer den Wächter mit Geld und dringen zusammen ein. Mit der Absicht, Blumenspenden zu überbringen, besuchen die Brahmanen der Stadt mit Wissen des Königs die Haremsfrauen. Ihre Unterhaltung geschieht hinter einem Vorhange. Bei dieser Gelegenheit findet die Vermischung statt: so bei den Bewohnern von Vaṅga, Aṅga und Kaliṅga. Bei den Bewohnern des Ostens verbergen die Frauen, neun oder zehn zusammen, je einen Jüngling. So behandele man fremde Frauen. – Das ist das Treiben der Frauen im Harem.
»Die am königlichen Hofe verkehrenden Frauen«, die daselbst aus und ein gehen. – »Ansehnliche«, d. h., die mit den Merkmalen der Gewandtheit usw. versehen und tüchtig sind. (?) »Da derselbe nicht besonders sorgfältig bewacht wird«: dort ist die eigne und die königliche Wache nicht besonders streng. – »Mit den Wächtern, die aus der Kriegerkaste stammen«, keinen anderen, da diese dort drinnen Zutritt haben. – »Besorgen das Geschäft«, die geschlechtliche Vereinigung, die Frauen, die am königlichen Hofe verkehren. – »Mit den Botinnen«, den Dienerinnen. – »In deren Kleidung«, in der Kleidung der Dienerinnen. »Schaffen sie hinein«: die am königlichen Hofe verkehrenden Frauen. – »Mit ihren eignen«, vom Könige stammenden, »frei aus und ein gehenden Söhnen«, die ungehindert umhergehen. – »Ausgenommen die Mutter«, mit Ausschluß der leiblichen Mutter. »Sie vermischen sich«, werden beschlafen. – »Die in »Strīrāya«, Strīpurī, wohnen. – »Aufwärter und Sklaven«: die Aufwärter sind im Hause geboren, die übrigen sind Sklaven. »Bewohner von Gauda«, die Kämarūpaka's, ein Teil der östlichen Völker. – »Pförtner«, Türhüter. – »Diener«, Handwerker, die das Lager, Sitze, Wedel usw. herstellen; »und andere derartige Leute«, die ungehinderten Zutritt haben, werden genossen: so ist zu verbinden unter Umtausch des Kasus, da das gemeint ist. – »Bewohner des Induslandes«: es gibt einen Strom mit Namen Indus; das Land westlich davon ist das Indusland: die dort wohnen. – »Bestechen den Wächter mit Geld«, da er gierig ist. – »Tollkühne«, furchtlose, keine anderen. – »Zusammen«, auf einmal. – »Bewohner des Himavat«, die in den Tälern des Himavat [= Himālaya] wohnen. – »Die Brahmanen der Stadt«: die Brahmanen, die in den dortigen Städten sich befinden, gehen in den Harem, um Blumen zu spenden. – »Mit Wissen des Königs«, indem der König darum weiß. – »Ihre Unterhaltung geschieht hinter einem Vorhange«: je nach den besonderen Bräuchen des Landes, indem die Frauen nicht leibhaftig sichtbar sind. Bei »Gelegenheit« des Blumenspendens »findet die Vermischung statt«, die geschlechtliche Vereinigung. – östlich von Lomarāhitya(?) liegt Aiiga, östlich von dem großen Strome Kalihga und östlich von dem Lande Gauda liegt Vaṅga. – »Neun oder zehn zusammen«: das Wort »oder« bedeutet die Art und Weise. – »Je einen Jüngling«, der im Koitus tüchtig ist, »verbergen sie«, damit er nicht gesehen wird. – »So«, nach den für die fremden Frauen geltenden Regeln, »behandele«, beschlafe man »fremde Frauen«.
*
Wie man eine fremde Frau durch solche Hilfsmittel beschläft, so kann auch ein anderer unsere Frauen beschlafen: darum wird jetzt das Beschützen der Frauen behandelt. Der Zweck hierbei ist, anzugeben, wie man seine Frauen bewachen soll. So sagt (der Verfasser):
Vor diesen Gelegenheiten eben beschütze man seine eignen Frauen.
»Vor diesen Gelegenheiten«: vor den Männern, die so vom Glücke begünstigt werden. Aus welchen Gründen, z. B. dem Aufenthalte an der Türgegend usw., die Erreichung durch bloßes Umwerben ermöglicht wird; ferner das Anknüpfen der Bekanntschaft, das Umwerben, die Befugnisse der Botin, das Liebesleben großer Herren und das Treiben der Frauen im Harem: davor bewahre man sie. Dabei ist das erste Mittel, daß man eine Wache aufstellt. So sagt (der Verfasser):
Man setze über den Harem Wächter, die von den Anfechtungen der Liebe frei sind, lehren die Meister. Die könnten ja aber aus Furcht oder gegen Entgelt einen andern einlassen: darum lehrt Goṇikāputra, Leute, die von den Anfechtungen der Liebe, der Furcht und der Bestechung frei sind. Nichts Böses sinnt die Tugend: aber auch diese gibt man wohl aus Furcht auf: deshalb nehme man Leute, die von den Anfechtungen der Tugend und der Furcht frei sind: so lehrt Vātsyāyana.
»Anfechtungen der Liebe«: Leute, die frei sind von den Anfechtungen auf dem Gebiete der Liebe. – »Die könnten ja aber«, wenn sie selbst auch, frei von den Versuchungen der Liebe, nicht Unzucht treiben, doch »aus Furcht« und Habgier »einen andern einlassen«, d. h., da diese Unlauterkeit möglich ist, nehme man eben solche Leute. – Ein von den Versuchungen der Tugend reiner Mann beschläft keine fremde Frau und begeht auch aus Geldgier keinen Verrat an seinem Herrn; aber »aus Furcht« läßt man wohl die Tugend (bisweilen) unbeachtet.
Manche sagen, ein Mittel, seine Frauen zu bewachen, sei es auch, sie auf die Probe zu stellen. So sagt der Verfasser:
Um die Lauterkeit oder Unlauterkeit seiner eignen Frauen zu ergründen, prüfe man sie durch Frauen, die die Reden anderer überbringen und deren Wesen geheim ist; so sagen die Anhänger des Bābhravya. – Da aber Böses bei jungen Frauen leicht Erfolg hat, so soll man nicht törichterweise die Verführung Unschuldiger begünstigen. So lehrt Vātsyāyana.
»Die Reden anderer«: ›Der und der ist in dich verliebt!‹ Er sagte also: ›Bringe mir diese Lebensgleiche!‹ – »Deren Wesen geheim ist«: die Frau weiß nicht, daß die Betreffende von dem Gatten angestiftet ist. Mit einer solchen »prüfe man sie«, stelle sie auf die Probe. – »Lauterkeit«, ist bekannt bei einer, der man vertraut; »Unlauterkeit« bei einer, der man nicht vertraut. »Böses«, d. h., die Ursachen des Unterganges. Solcher Meinung ist man. Denn es verhält sich so: ein junger Mann stellt wohl Prüfungen an, mögen Ursachen des Verderbens vorliegen oder nicht. Im ersten Falle mag er die der Verführung Ausgesetzten verdächtigen, im anderen aber nicht. So sagt (der Verfasser): »Nicht törichterweise«, d. h., wo keine Ursachen des Verderbens vorhanden sind. Das wäre das Reinigen eines Unschuldigen: die Läuterung eines Lauteren aber ist verkehrt. So heißt es: »Man unternehme nicht die Läuterung eines ganz besonders reinen Wassers; ein weit Entfernter findet bisweilen überhaupt kein solches Genußmittel!« – Darum werden nun die Ursachen des Verderbens aufgezählt, von denen sie fernzuhalten sind. Diese nennt (der Verfasser):
Schwatzhaftigkeit, Zügellosigkeit, des Gatten Ausgelassenheit; freies Benehmen in Gegenwart von Männern; Leben während der Reise; Aufenthalt in unwirtlicher Gegend; Schädigung der eignen Existenzmittel; Verkehr mit zügellosen Weibern und die Eifersucht des Gatten sind die Ursachen des Verderbens der Frauen.
»Schwatzhaftigkeit«, Unterhaltung mit. Weibern. – »Des Gatten Ausgelassenheit«, wenn der Gatte ein zügelloses Leben führt. – »Freies Benehmen«, Mangel an Beherrschung; »in Gegenwart von (irgend welchen) Männern.« – »Leben während der Reise«: da sie allein leben muß, wenn der Gatte verreist ist. – »Schädigung der Existenzmittel«, Schmälerung der Mittel für den Lebensunterhalt. – »Verkehr mit zügellosen Weibern«, die den Männern nachlaufen. – Entstehung der »Eifersucht« bei dem Gatten: das »sind die Ursachen des Verderbens«. Denn, wenn diese vorhanden sind, ergibt sich auch die Möglichkeit des Gedankens einer Berührung mit fremden Frauen.
(Der Verfasser) sagt, indem er den Inhalt dieses Abschnittes zusammenfaßt:
Wenn einer nach dem Lehrbuche die Mittel übersieht, die in dem Abschnitte über die fremden Weiber gekennzeichnet sind, hat er, als Kenner des Lehrbuches, von Seiten seiner eignen Frauen keinen Betrug zu fürchten.
Da diese Ausführungen nur in bestimmten Fällen gelten, man die Gefahren vor Augen hat und Tugend und Vermögen dabei verkehrt werden, so kümmere man sich nicht um fremde Weiber.
Darum dient jenes Beginnen zum Zwecke des Bewachens der Frauen nur dem Besten der Männer und zum Verdächtigen der Leute: seine Regeln braucht man nicht zu wissen.
»Die in dem Abschnitte über die fremden Weiber gekennzeichnet sind«: die in dem Teile, der über die fremden Weiber handelt, aufgezählt sind, und damit gekennzeichnet. – Wie sollte man sie sonst »nach dem Lehrbuche« betrachten können? – »Da sie nur in bestimmten Fällen gelten«, indem man auch noch andere Ursachen bedenken kann. – »Gefahren«, Schädigungen des Leibes usw. – »Weil dabei … verkehrt werden«, feindlich gegenüberstehen, so kümmere man sich nicht um die Mittel, die die fremden Weiber zum Ziele haben. Weshalb ist dann also dieser Abschnitt geschrieben worden? Darauf antwortet (der Verfasser): »Darum«, d. h., dieser Gegenstand bildet nämlich keine hauptsächliche Regel.
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