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5. Kapitel.

§ 11. Die Regeln für das Beißen mit den Zähnen.

Nachdem so die Nägelmale behandelt worden sind, folgen nun in diesem Kapitel zwei Paragraphen; erstens um ein Weiteres, die Zahnwunden, anbringen zu können, »die Regeln für das Beißen mit den Zähnen«; und dann, da die Anwendung der Umarmungen usw. ohne Beachtung der lokalen Gepflogenheit die Leidenschaft nicht erzeugt, die in verschiedenen Gegenden geltenden Gebräuche, »die Gebräuche in den einzelnen Ländern«.

Da für das Beißen Wesen, Gegenstand und Zeit früher nicht angegeben worden sind, so nennt (der Verfasser) jetzt die Stellen:

Mit Ausnahme von Oberlippe, Mundinnerem und Augen sind die Stellen für das Bearbeiten mit den Zähnen dieselben wie bei den Küssen.

»Oberlippe«, nicht wie bei dem Kusse. Auch hier bereitet es kein Vergnügen, wenn die Oberlippe verwundet wird. »Mundinneres«, Zunge und das übrige, da die Zähne darin sind. »Augen«, weil sie nicht verwundet werden dürfen, indem das endlosen Schmerz bereitet und Entstellung bewirkt. Mit Ausnahme dieser alle übrigen: Stirn, Unterlippe, Hals, Wangen, Brust und Busen; ferner bei den Bewohnern von Lāṭa die Verbindungsstelle der Schenkel, die Achselhöhle und die Gegend unter dem Nabel: diese und jene Stellen gelten, aber nicht von allen Leuten sind sie zu benutzen. – Das alles kommt zur Anwendung, da es mit dem Kusse ein und dasselbe Gebiet hat. »Die Stellen für das Bearbeiten mit den Zähnen«, die Stätten für die Verwundungen mit den Zähnen. – Um die stets zunehmende Verschiedenheit darlegen zu können, ist darüber nicht unmittelbar nach den verschiedenen Arten der Küsse gehandelt worden.

(Der Verfasser) nennt nun die Eigenschaften der Zähne:

Die guten Eigenschaften der Zähne sind, daß sie gleichmäßig, von glattem Aussehen, farbehaltend, von der rechten Größe, ohne Lücken und scharfspitzig sind.

»Gleichmäßig«, nicht hervorstehend, so daß sie einen gleichmäßigen Biß tun können. »Von glattem Aussehen«, nicht rauh. »Farbehaltend«, bei dem Genusse von Betel usw. nicht geblümt werdend. Das sind zwei Vorzüge bezüglich des schönen Aussehens. »Von der rechten Größe«, nicht schmal und nicht breit. »Ohne Lücken«, fest aneinandergefügt. »Scharfspitzig«: das sind drei Vorzüge bezüglich des Beißens und des schönen Aussehens.

Stumpf, mit einer Linie versehen, rauh, ungleich, weich, breit und unvollständig: das sind die schlechten Eigenschaften.

»Mit einer Linie versehen«: in deren Mitte ein rissiger Strich sich befindet: das kann man bei den Leuten sehen, die das heilige Feuer unterhalten u. a. – Wenn auch aus dem Gegenteile der guten Eigenschaften sich sofort die schlechten ergeben, so wird die Sache doch nochmals besprochen, um die hauptsächlichsten derselben namhaft zu machen. Danach ist die Unmöglichkeit, Farbe zu halten, kein Mangel. (Weiße Zähne werden gewöhnlich gefärbt.) Hierbei beeinträchtigen die mit einer Linie versehenen, rauhen und ungleichen die Anmut des Gesichtes; der Mangel der übrigen, der stumpfen usw. besteht in der Unfähigkeit, die Funktionen zu erfüllen.

Der versteckte Biß, der aufgeschwollene, der Punkt, die Punktreihe, Koralle und Edelstein, Edelsteinkette, zerrissene Wolke und Eberbiß; das sind die verschiedenen Zahnwunden.

Die verschiedenen Wunden werden hier kurz namhaft gemacht. –

Nun gibt (der Verfasser) ihre Beschreibung und nennt die Stelle, wo sie angewendet werden:

Der versteckte Biß ist zu erkennen an der bloßen, nicht übermäßig roten Farbe.

»An der bloßen Farbe«: seine Farbe besteht eben in der bloßen Farbe, indem eine Verwundung dabei nicht stattfindet. »Übermäßig rot« würde schon einen besonders übertriebenen Grad desselben bedeuten. Daran ist er zu »erkennen«, danach zu bestimmen. Auf diese Weise ist er gleichsam versteckt, darum heißt er »der versteckte«, weil er nicht deutlich sichtbar ist. Er ist unter Aufsetzung der Spitze eines einzelnen Vorderzahnes auszuführen.

Dieser wird durch Drücken zu dem »aufgeschwollenen«.

Man spricht dann (von diesem), wenn der versteckte unter heftigem Drücken ausgeführt wird. In diesem Falle heißt er »aufgeschwollen«, weil dabei eine Geschwulst entsteht.

Diese beiden ergeben den »Punkt«, inmitten der Unterlippe.

»Diese beiden«, der versteckte und der aufgeschwollene. »Punkt«: dieser Ausdruck bedeutet das Wesen. Die Beschreibung des Punktes wird später gegeben. Diese drei Bisse geschehen inmitten der Unterlippe, weil sie sehr wenig umfangreich sind.

Für den aufgeschwollenen gibt (der Verfasser) noch einen besonderen Platz an:

Der »Aufgeschwollene« und »Koralle und Edelstein« auf der Wange.

»Der Aufgeschwollene« und »Koralle und Edelstein«, dessen Beschreibung noch angegeben wird, »auf der Wange«, indem er hier ausgeführt werden kann.

Auf welcher Wange? – Darauf antwortet (der Verfasser):

Der Kuß des Blumenohrschmuckes und Nägel- und Beißwunden sind die Zierde der linken Wange.

»Die Zierde der linken Wange«: wie der Blumenohrschmuck, weil es hübsch aussieht, hinter das linke Ohr gelegt wird und so einen Schmuck für die linke Wange bildet, ebenso das andere. So heißt es auch: »Zahnwunden und Küsse samt Betel sind Zierden, welche röten«.

Die Herstellung von »Koralle und Edelstein« geschieht durch die Ausführung einer anhaltenden Vereinigung mit Zahn und Lippe.

»Durch die Ausführung einer anhaltenden Vereinigung mit Zahn und Lippe«: mit den oberen Zähnen und der Unterlippe wird behufs »Vereinigung« mit der betreffenden Stelle unter Zufassen ein Druck ausgeübt; »anhaltend«, immer und immer wieder so handelnd: die »Ausführung« dieser Arbeit bildet die »Herstellung«: Wenn man so zu Werke geht, wird jenes hergestellt. Auf diese Weise nämlich, durch jene anhaltende Beschäftigung, findet eine gerötete Spur des Einsetzens von Zahn und Lippe statt, ohne Zufügung einer Wunde: gleichsam Koralle und Edelstein.

Dieselbe (Herstellung), aber im Ganzen, findet statt bei der Edelsteinkette.

Die Herstellung der »Edelsteinkette« geschieht durch die Ausführung einer anhaltenden Vereinigung mit Zahn und Lippe. Auch hierbei ist also die Art der Ausführung dieselbe; aber erst ist eines auszuführen, dann ein weiteres, bis eine Kette entstanden ist.

Die Herstellung des Punktes erfolgt durch das zangenartige Erfassen eines kleinen Stückchens Haut vermittelst zweier Zähne.

»Eines kleinen Stückchens«, mit Berücksichtigung der Stelle. Dabei ist das Stück Haut am Halse nur eine Mungo-Bohne, an der Unterlippe nur ein Sesamkorn groß. »Durch das zangenartige Erfassen vermittelst zweier Zähne«: Der Sinn ist: mit der Spitze des oberen und unteren Zahnes zieht man die Haut an, wodurch eine »Zange« und daher eine Verwundung geschieht. – »Herstellung des Punktes«: es ist gleichsam ein Punkt; daher heißt es »Punkt«, da nur eine sehr kleine Stelle verwundet wird. Der Sinn ist: die Herstellung erfolgt durch das gleichzeitige zangenartige Erfassen eines kleinen Stückchens Haut vermittelst der vier oberen Zähne.

Und vermittelst aller Zähne die der Punktreihe.

»Punktreihe«, weil es so aussieht.

Darum sind alle beiden Ketten in der Gegend des Halses, der Achseln und der Weichen (anzubringen).

»Darum sind alle beide Ketten«, die Edelsteinkette und die Punktreihe, »in der Gegend des Halses, der Achseln und der Weichen (anzubringen)«, weil die Haut derselben weich ist.

Auf der Stirn und den Schenkeln die Punktreihe.

Hierbei stehe sie an den Schenkeln da wie eine Reihe Sesamkörner, nicht wagrecht, sondern wie ein Kreis. Wie ein Kreis erscheint es, trotz der Unterbrechung durch die Mundwinkel.

Gleichsam ein Kreis, versehen mit ungleichen Vorsprüngen, ist die »zerrissene Wolke«, auf der Wölbung der Brüste.

»Versehen mit ungleichen Vorsprüngen«: überall versehen mit den ungleichen, breiten, mittleren und spitzen Spuren der Zähne. »Zerrissene Wolke«, wegen der Ähnlichkeit damit. – »Auf der Wölbung der Brüste«, weil es sich da leicht ausführen läßt und schön aussieht. Bei dem Manne ist die Brust zu verstehen. Es wird ausgeführt unter Neigen des Halses.

Festanschließende, sehr lange, zahlreiche Streifen von Zahnspuren, mit dunkelroten Zwischenräumen bilden den »Eberbiß«; auf der Wölbung der Brüste.

»Festanschließende«: von dem einen Teile der Wölbung der Brüste aus beiße man mit der Zange der Zähne einen sehr kleinen Teil der Haut an, bis nach dem andern Teile. Auf diese Weise sind durch wiederholtes Beißen ununterbrochene, »sehr lange, zahlreiche«, vier oder sechs Streifen von Zahnspuren herzustellen. Deren Zwischenräume sind dunkelrot, da das Blut sich dort zusammendrängt. Weil das nun aussieht wie von dem Bisse eines Ebers herrührend, so heißt es »Eberbiß«. – »Auf der Wölbung der Brüste«, weil da viel Fleisch ist.

Dies Beides bei feurigen Liebenden. – Das sind die Zahnwunden.

»Dies Beides«: die Bisse »zerrissene Wolke« und Eberbiß«, »bei feurigen Liebenden«, weil sie diesen entsprechen. Bei jenen ist auch die Liebhaberin als ausübender Teil anzusehen, indem beide in dem Lehrbuche genannt werden. Je nach Gegend, Zeit und Zweck ist das eine für diesen, das andere für jenen ungewöhnlich. – So weit die Zahnwunden, die ein Zubehör der geschlechtlichen Vereinigung bilden, indem sie an dem Leibe der zu Genießenden ausgeführt werden, bei der Umwerbung aber nicht statthaft sind.

Nun nennt (der Verfasser) eine Handlung der Übertragung bei der Umwerbung, die den Seelenzustand andeuten soll:

Bei einem Stirnschmucke, Ohrschmucke, Blumenstrauße, Betellaube und Tamāla-Blatte, soweit sie bei der zu Umwerbenden zur Verwendung kommen sollen, (kann man) Nägel- und Zahnwunden als Zeichen der Werbung (anbringen).

»Stirnschmuck«, ein aus Birkenblättern usw. gefertigtes Abzeichen. »Ohrschmuck«, aus blauen Wasserrosen usw. »Blumenstrauß«, das ist eine elliptische Bezeichnung. – An dem Diademe befestigtes »Betelblatt«. – »Tamāla-Blatt«, das wohlriechend ist und zu Liebesbriefen benutzt wird. Diese alle bilden ein Ziel für Verwundungen. – Das Wort »soweit« bedeutet das Wesenhafte. – »Soweit sie bei der zu Umwerbenden zur Verwendung kommen sollen«: sie werden kommen, also sollen sie kommen … Die zur Verwendung kommen sollen: Stirnschmuck usw. … Bei diesen nämlich kann man Verwundungen anbringen als übertragene »Zeichen der Werbung«. »Nägel- und Zahnwunden«: die Nägelmale sind als Zubehör der Werbung oben nicht genannt worden; hier geschieht es, da sie ein und dasselbe Ziel haben, unter Zusammenstellung beider.

*

§ 12. Die Gebräuche in den einzelnen Ländern.

Das Verfahren in den einzelnen Ländern sind die »Gebräuche in den einzelnen Ländern«. Diese nennt jetzt (der Verfasser):

Nach der Landessitte umwerbe man die Frauen.

Die Sitte ist zweifach: nach dem Lande und nach dem Charakter. In einer Gegend also, wo die Sitte des Küssens usw. gilt, wird derlei eben verlangt. Dort soll man die Weiber nicht umwerben; von selbst soll das ihrem Wesen nach geschehen. – Das ist eine elliptische Bezeichnung: sie gilt auch für die Frau gegenüber den Männern.

Hier nennt (der Verfasser zuerst) die Sitte der Bewohner des Mittellandes, weil dieses das bedeutendste ist:

Die Bewohnerinnen des Mittellandes, meistens Arier, haben lauteres Benehmen und hassen Küsse, Nägel- und Zahnmale.

»Die Bewohnerinnen des Mittellandes«: Bhṛgu sagt: »Was zwischen Himālaya und Vindhya liegt, östlich von dem Verschwindungspunkte der Sarasvatī und westlich von dem Vereinigungspunkte von Gaṅgā und Yamunā, das heißt das Mittelland«. Vasiṣṭha sagt: »Einige meinen, zwischen Gaṅgā und Yamunā«. Dieses ist bei den Autoren hauptsächlich gemeint. Die dort Wohnenden sind »die Bewohnerinnen des Mittellandes«. Sie haben »lauteres Benehmen«, bei dem Liebesgenusse feines Verhalten, da es »meistens Arier sind«. Ihr Wesen ist es, die drei Dinge, Küsse usw., zu hassen; (dagegen) wünschen sie Umarmungen.

(Ebenso) die Bewohnerinnen des Landes Bālh und von Avantī.

»Die Bewohnerinnen des Landes Bālh«, die Bewohner des Nordlandes. – »Von Avantī«, die aus der Gegend von Ujjayinī stammen. Das sind die westlichen Mālavās. Sie hassen Küsse usw.

(Der Verfasser) gibt an, wie sie sich von den vorigen unterscheiden:

Diese haben aber Hang zu absonderlichen Liebesgenüssen.

»Zu absonderlichen Liebesgenüssen«: diese werden später beschrieben. – Zu diesen haben sie »Hang«, weil sie (ihnen) außerordentliche Wonne bereiten.

Die Frauen von Mālava und Ābhīra lieben besonders Umarmungen und Küsse Ich lese jetzt mit den Mss. Hutzsch II und Peterson IV, 25 (Nr. 665) pariṣvaṅgacumbanapradhānāḥ. Vgl. Beiträge zur indischen Erotik, II. Aufl., 234, Anm., verwerfen Verwundungen und sind durch Schläge zu gewinnen.

Die »Frauen von Mālava«, die aus dem östlichen Mālava stammen. Sie lieben besonders Umarmungen und Küsse und verwerfen Verwundungen, wünschen nur schwache Nägel- und Zahnberührung (?). »Sind durch Schläge zu gewinnen«, infolge von Schlägen entsteht ihre Wollust. – »Die Frauen von Ābhīra«: das Land Ābhīra ist die Gegend von Śrīkaṇṭha, Kurukṣetra usw. Die hier wohnen.

Die Bewohner des Binnenlandes der Flüsse, deren sechster der Sindhu ist, treiben den Koitus mit dem Munde.

»Die Flüsse, deren sechster der Sindhu ist.« Das sind nämlich folgende fünf: Vipāś, Śatadru, Irāvati, Candrabhāgā und Vitastā. Die in den Binnenländern derselben Wohnenden. »Treiben den Koitus mit dem Munde«: wenn auch Umarmungen, Küsse usw. stattfinden, so fungiert doch der Mund an Stelle der Schamgegend, d. h. sie vergnügen sich in heißblütiger Weise.

Die Bewohner des äußersten Westens und von Lāṭa sind feurig und machen leise sīt.

»Die Bewohner des äußersten Westens«: in der Nähe des westlichen Meeres liegt das Land des äußersten Westens; dessen Bewohner. Durch dortige Einwohner wurde von Seiten des Arjuna der Harem des Viṣṇu zerstört. – »Die Bewohner von Lāṭa«; das Land Lāṭa liegt westlich von dem westlichen Mālava. – Die dortigen Einwohner »sind feurig« und »machen leise sīt«) d. h. sie ertragen leise Schläge und machen sīt dabei, indem der Ruf sīt daraus entsteht.

Die Frauen in Strīrājya und Kośalā verlangen harte Schläge, sind eben heißblütig und benutzen vielfach künstliche Vorrichtungen.

Strīrājya: westlich von dem Lande Vajravanta liegt Strīrājya; dessen Weiber und die von Kośalā üben den Beischlaf aus, indem sie außer an den Umarmungen usw. sich an »harten Schlägen« ergötzen. »Sind eben heißblütig«: d. h. nach dieser Bestätigung sind sie es immer. Infolge des Übermaßes ihrer Geilheit heißt ihr Temperament heiß. Dem gegenüber ist feurig etwas anderes. Unter diesen Umständen »benutzen sie vielfach künstliche Vorrichtungen«, d. h. um ihre Geilheit zu stillen, verlangen sie hauptsächlich nach einem künstlichen Penis.

Die Frauen von Andhra sind von Natur zart, lieben die Wollust, haben unlautere Gelüste und sind von unfeinem Benehmen.

»Die Frauen von Andhra«: das Land südlich der Narmadā ist das Dekhan; hier, östlich von dem Gebiete der Karṇāṭa, liegt das Land Andhra. Die hier Wohnenden »sind von Natur«, ihrem Wesen nach, zartgliedrig, ertragen Schläge usw. nicht. Aber sie »lieben die Wollust«, d. h. sie verlangen den Beischlaf mit dem Manne. »Haben unlautere Gelüste«, unsauberes Verhalten; »und sind von unfeinem Benehmen«, d. h. halten keine Schranken aufrecht.

Die Frauen von Mdhārāṣṭra entbrennen durch die Anwendung der sämtlichen vierundsechzig Künste, lieben unanständige, grobe Reden und sind auf dem Lager von ungestümem Beginnen.

»Die Frauen von Mdhārāṣṭra«: das Land Mdhārāṣṭra liegt zwischen der Narmadā und dem Gebiete von Karṇāta. Die dort wohnen, deren Leidenschaft entsteht durch die Anwendung der sämtlichen vierundsechzig Künste nach Pāñcāla, und der anderen, deren erste der Gesang ist: darum »entbrennen« sie durch deren »Anwendung«. – Sie gebrauchen und dulden »unanständige«, bäuerische und, »grobe«, rohe Reden: also »lieben« sie sie. »Auf dem Lager«: bei der geschlechtlichen Vereinigung, sind sie »von ungestümem Beginnen«: d. h. genießen den Mann in frechem, leidenschaftlichem Ungestüm.

Die Frauen von Nagara sind ganz ebenso, zeigen das aber nur im Geheimen.

»Die Frauen von Nagara«, die Bewohnerinnen von Pāṭaliputra, »sind ganz ebenso«, entbrennen in derselben Weise Ich lese nach dem Berliner Ms. und Peterson IV, 25 (Nr. 665) prayogarāgitayā. durch die Anwendung aller vierundsechzig Künste und lieben unanständige, grobe Reden, »zeigen das aber nur im Geheimen«, in der Einsamkeit; aus Scham. Die Frauen von Mahārāṣṭra jedoch tun das öffentlich und heimlich; das ist der Unterschied. Das ungestüme Beginnen auf dem Lager ist das gleiche.

Die Frauen der Draviḍas werden nur ganz langsam feucht, wenn sie von der Annäherung an gerieben werden.

»Die Frauen der Draviḍas«: das Land der Draviḍa liegt südlich von dem Gebiete der Karṇāṭa. Die dort wohnenden Frauen. »Wenn sie von der Annäherung an«, vor der Vereinigung der Zeugungsglieder von dem Manne von der Annäherung unter Umarmungen usw. an »gerieben«, an den Gliedern innen und außen schlaff gemacht werden, »werden sie nur ganz langsam feucht«, lassen sie nur ganz wenig Samen sich ergießen, ohne die Wonne wollüstiger Ohnmacht, da sie keine Geilheit besitzen. Daher findet schließlich die Samenergießung erst nach heftigen Anstrengungen statt. Damit deutet (der Verfasser) an, daß sich ihre Leidenschaft in einem einzigen Koitus erschöpft.

Die Frauen von Vanavāsa sind mäßig feurig, ertragen alles, verhüllen den eigenen Leib, spotten über den anderer und vermeiden Tadelnswertes, Unanständiges und Grobes.

»Die Frauen von Vanavāsa«: das Land Vanavāsa liegt östlich von dem Lande Kuṅkaṇa. Die dort wohnenden Frauen sind dem Temperamente und der Zeit nach »mäßig feurig«; sie »ertragen« Umarmungen usw.; einen sichtbaren Fehler am eigenen Leibe »verhüllen«, am fremden bespötteln sie; »Tadelnswertes«, dem Äußern und der Beschäftigung nach. »Unanständiges«, Bäurisches und »Grobes« vermeiden sie: dessen machen sie sich nicht schuldig.

Die Frauen von Gauḍa haben sanfte Sprache, sind voll Zuneigung und besitzen zarte Glieder.

»Die Frauen von Gauḍa«, die in dem Lande Gauḍa wohnen. Das ist bekannt, und auch das übrige ist klar zu erkennen.

Suvarṇanābha sagt: »Die Gewohnheit des Charakters ist wichtiger als die Gewohnheit des Landes. Es gibt also hier keine Gebräuche in den einzelnen Ländern.«

»Gewohnheit des Charakters«: Charakter ist Wesenseigentümlichkeit; deren Gewohnheit ist gemeint. Gerade nach der Gewohnheit des Landes sind die Gebräuche zu halten. Wenn bei einer Kollision der beiden ein Konflikt stattfindet, so ist »die Gewohnheit des Charakters wichtiger als die Gewohnheit des Landes«, weil jene das vor allem andern Wesentliche ist. »Es gibt also hier keine Gebräuche in den einzelnen Ländern« nach Suvarṇanābha. Die Ansicht der Meister aber ist, daß man unter Umgehung der Gewohnheit des Charakters nach der Gewohnheit des Landes zu Werke gehen muß. Dem Verfasser selbst ist die Ansicht des Suvarnaṇabhā genehm, indem sie nicht verboten wird.

Im Laufe der Zeit gehen die Gebräuche, Kleidung und Belustigungen von einem Lande zum andern über: das muß man wissen.

»Im Laufe der Zeit«, mit der Zeit gehen so (die Gebräuche) aus dem einen Lande zu den dort (in dem anderen Lande) geltenden Gebräuchen über, ebenso »Kleidung«, Toilette »und Belustigungen«, besondere Handlungen und »das«, das Übergehen zu einem anderen Lande usw. »muß man« seinem Wesen nach »wissen«, sonst wird (eine Frau), wenn man sie, als aus dieser Gegend stammend, unter Anwendung anderer Gebräuche umwirbt, abstoßend. Darum also soll man unter Vermeidung veränderlicher Eigenschaften der Gewohnheit des Charakters gemäß zu Werke gehen, indem man gerade die feststehenden Gebräuche der Länder beachtet.

Unter den Umarmungen usw. ist immer das Vorangehende das stärkere Mittel, die Leidenschaft zu entflammen; und immer das Nachfolgende das Merkwürdigere.

»Unter den Umarmungen usw.«: unter den sechs äußerlichen Taten, Umarmungen, Küssen, Nägel- und Zahnwunden, Schlägen und sīt-Machen »ist immer das Vorangehende das stärkere Mittel, die Leidenschaft zu entflammen«. Dabei ist stärker als das lieblich zu hörende sīt-Machen das Berührung verursachende Schlagen; stärker als dieses das außerordentliche Berührung verursachende Verwunden mit den Zähnen; stärker noch als dieses das Kratzen mit den Nägeln; stärker auch als dieses das Küssen, welches eine zarte Berührung bewirkt; stärker noch als dieses die Allgliederumarmung, die außerordentliche Berührung bewirkt. – »Immer das Nachfolgende ist das Merkwürdigere.« Hierbei ist merkwürdiger als die feste Umarmung das Küssen, eine schnurrige Beschäftigung; merkwürdiger als dieses das Kratzen mit den Nägeln; noch merkwürdiger als dieses das außerordentlich schnurrige Verwunden mit den Zähnen; merkwürdiger noch als dieses das Schlagen, weil dieses die Leidenschaft entflammt infolge der schnellen Bewegung der Hände, unter Ausschluß träger Betätigung. Merkwürdiger als dieses noch ist das sīt-Machen, welches selbst durch Unterricht schwer zu erfassen ist.

So finde auch nach der Sitte des Landes gegenseitig zunehmend der Streit beim Verwunden statt: das Verhalten hierbei, welches dazu dient, die Liebe zu festigen, wird (jetzt) geschildert. Es ist von zweierlei Art, ein geheimes und ein öffentliches Treiben. Mit Bezug auf das erste sagt (der Verfasser):

Was ein Mann, der behindert wird, an Verwundungen beibringt, soll die Frau doppelt vergelten, indem sie es nicht geduldig hinnimmt.

»Der behindert wird«, durch einen mit Zeichen oder Worten ausgedrückten Wink von der Gewohnheit seines Charakters abgehalten wird. Wenn er jedoch nicht abgehalten wird, dann liegt der Fall vor: »Eine Tat vergelte man mit einer Tat«. Da findet keine doppelte Anwendung statt, indem kein Streit vorliegt. Auch bei dem Streite im Spiele ist darüber bezüglich des Spieles gehandelt worden. Hier bildet die Gewohnheit den Unterschied. – »Indem sie es nicht geduldig hinnimmt«, ohne es sich gefallen zu lassen. »Doppelt«, eben das, was mehr ist als das Zugefügte; nichts Andersartiges. »Soll sie vergelten«, zurückgeben.

Doppelt was und für was? Darauf antwortet (der Verfasser):

Für den Punkt ist die Vergeltung die Reihe, für die Reihe die zerrissene Wolke: so soll sie, wie von Zorn erfüllt, die Streitigkeiten ausfechten.

»Die Reihe«, die Punktreihe. Deren Vergeltung wiederum ist die »zerrissene Wolke«. Nachdem sie so die doppelte Vergeltung erlernt hat, soll sie sie im Streite anwenden. So ist für die »zerrissene Wolke« die Vergeltung »der Eberbiß«; für den »Versteckten« der »Aufgeschwollene«, für diesen »Koralle und Edelstein«, für diese die »Edelsteinkette«; für diese der »Punkt«. Dabei befinden sich die vier ersten auf der Haut, die übrigen dringen in die Haut ein. – »Wie von Zorn erfüllt«, indem sie in erheucheltem Zorne einen andern Zustand zeigt. Das soll andeuten, daß es unter den Streitigkeiten auch einen erheuchelten Streit gibt.

Indem sie ihn bei den Haaren packt, soll sie darauf seinen Mund trinken, indem sie ihn emporrichtet; soll sich fest an ihn pressen und vom Rausche getrieben ihn hier und dort beißen.

»Den Mund trinken«, vermittelst des Kusses, der »Lippentrinken« heißt. Hierbei gilt folgende anerkannte Ordnung: »Indem sie ihn bei den Haaren packt« und »emporrichtet«, d. h., indem sie ihn mit der einen Hand an den Haaren und mit der andern am Kinn ergreift und nach oben richtet. »Soll sich fest an ihn pressen«, ihn eng umschlingen, »und ihn hier und dort beißen«, an den Stellen, die verwundet werden können; oder überall da, wo sie von ihm gebissen worden ist. – »Vom Rausche getrieben«, entflammt von dem Rausche infolge des Trinkens. Gerade dieses treffliche Beginnen bereitet Wonne.

Noch eine andere Regel (gibt der Verfasser):

An der gewölbten Brust des Geliebten ruhend und den Kopf desselben emporhebend bringe sie ihm am Halse eine ›Edelsteinkette‹ bei und was sie sonst noch kennt.

»An der gewölbten Brust ruhend« und mit der einen Armschlinge den Kopf »emporhebend«, mit der andern Hand das Kinn ergreifend »bringe sie ihm eine ›Edelsteinkette‹ bei«. »Am Halse«, als der entsprechenden Stelle; das bedeutet: gleichsam als Halsschmuck. – »Und was sie sonst noch kennt« an herzerfreuenden Verwundungen mit den Zähnen. Auch hier wird das Erfordernis der Mannigfaltigkeit ausgesprochen.

Nun beschreibt (der Verfasser) das Treiben in der Öffentlichkeit:

Am Tage lache sie, von anderen unbemerkt, über das von ihr selbst beigebrachte, von dem Liebhaber vor der Menschenmenge zur Schau getragene Mal.

»Am Tage«: ›Wie ist das von der Liebhaberin nachts beigebrachte Mal am Tage von dem Liebhaber zu verbergen, bei dieser Menschenmenge?‹ So soll ihr Zustand sein, den sie fühlt, so das Aussehen, das sie zeigt. – »Über das von ihr selbst beigebrachte Mal lache sie«, indem sie den Gedanken hegt: ›Das ist die gerechte Strafe für den Bösen!‹ – »Von anderen unbemerkt«, versteht sich, auch von dem Liebhaber unbemerkt; sonst wären die beiden in dem Menschengedränge keine Elegants.

Sie selbst auch zeige die von jenem beigebrachten Male; so sagt (der Verfasser):

Gleichsam den Mund zusammenziehend und den Geliebten tadelnd zeige sie wie unwillig die an ihren Gliedern befindlichen Male.

»Gleichsam den Mund zusammenziehend«, den Mund gleichsam zu einem nicht ausgeführten Kusse spitzend, indem dieses Mundspitzen ihr genehm ist. »Tadelnd«, unter Augenrollen und Brauenrunzeln wird auf das Mal hingewiesen. Eine andere Lesart ist: »drohend«. Die Drohung lautet dann: »Du wirst schon den Lohn dafür bekommen!« – »Wie unwillig«, als wollte sie es sich nicht gefallen lassen.

Darum, wenn die beiden so in gegenseitiger Geneigtheit schamhaft wandeln, wird ihre Liebe selbst in hundert Jahren nicht zugrunde gehen.

»Darum«, auf diese Weise. – »In hundert Jahren«, d. h., im Verlaufe eines Menschenalters »wird die Liebe nicht zugrunde gehen«, d. h. bleibt sie fest. Sonst nämlich erzeugt es Ekel, wie wenn man z. B. fortwährend eine Nahrung zu sich nimmt, die immer nur einen und denselben Geschmack hat.

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