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Vom Alkohol.

Ein mir befreundeter Psychiater hat kürzlich die Frage des Alkohols von einem neuen, originellen Standpunkt aus betrachtet. (Allerdings in lustiger Debatte zu sehr vorgerückter Stunde.)

Ich rief aus: »Er (der Alkohol) richtet dennoch immensen Schaden an!«

Der Freund antwortete: »Unstreitig. Aber bedenke auch, wieviel Unglück er verhütet!«

Das bezweifelte ich. Der andere übernahm die Verteidigung.

»Die Verbrechen, unter dem Einfluß des Alkohols begangen, werden registriert. Warum stellt niemand fest, wie oft ein Diebstahl, Einbruch, Totschlag oder Mord nicht ausgeführt werden konnte, weil der Dieb, Einbrecher, Totschläger oder Mörder durch Trunkenheit verhindert gewesen ist? Und außerdem: Wie oft mögen sich niedere Instinkte durch den Alkohol abreagiert haben, sodaß die vorgefaßte Absicht niemals zur Schreckenstat werden konnte!«

Vielleicht hat mein Freund recht; vielleicht (wahrscheinlich sogar) unrecht; jedenfalls beweist dieser kleine Verrat aus einer diskreten nächtlichen Unterhaltung, daß sonst ganz vernünftige Leute über das Thema Alkohol die unvernünftigsten Anschauungen hegen und verbreiten können, nur weil – – nun ja, weil ihnen der Alkohol eben im Augenblick in den Kopf gestiegen ist und ihre Gedanken verwirrt hat.

 

Ein Amerikaner führte mich durch die ehrwürdigen Hallen seiner Brauerei.

»Sehen Sie diese Tröge an,« erklärte er. »Hier gärt das Bier ... wenn's herauskommt, ist es sechsgrädig. Nun muß es auf das vorschriftsmäßige halbe Grad gebracht werden ...«

»Alles?« wendete ich ein.

Er lächelte und streichelte seinen Bauch recht vielsagend. »Davon später. Jetzt will ich Ihnen erklären, wie ...«

Und er zeigte mir eine bösartige Maschine, die den Alkohol aus dem Bier heraussaugt und nichts übrig läßt als das berüchtigte halbe Grad.

»Es gibt noch ein zweites (das englische) Verfahren: Man unterbricht den Gärungsprozeß.«

Ich litt noch unter diesem Verfahren, denn ich hatte Tags zuvor solches Bier getrunken.

»Aber ich braue wie früher und dann entalkoholisiere ich,« meinte er.

»Ist die Kontrolle streng?« fragte ich und blinzelte ihn an.

»Einige Überwachungsorgane von der ›prohibition‹ sind ständig hier. Augenblicklich bin ich angezeigt,« versicherte er seelenruhig.

»Und – was nun?« fragte ich neugierig.

»Jetzt handelt es sich darum, ob wir zusperren müssen oder weiterbrauen dürfen. Es ist lediglich eine Geldfrage.«

»Ja, aber – das Gesetz!«

»Sie sind noch nicht lange in Amerika! Wir werden zahlen – und dann weiter brauen; verlassen Sie sich darauf! Wollen Sie mein Bier kosten?«

Ich kostete lange. Sein Bräu war kräftig und gut. Es wäre schade, dachte ich, wenn er zusperren müßte ...

 

»Erzählen Sie in Europa, was Sie hier sehen und hören! Sagen Sie, daß kein anderes Gesetz die Moral der Behörden jemals auf einen solchen Tiefstand hätte bringen können.«

»Und das Publikum? Was sagt das Publikum dazu?«

»Es verdienen schon zu viele an der ›prohibition‹!«

»Dann wird das Gesetz wohl kaum fallen?«

»Schwerlich. Wir sind auf die ›prohibition‹ eingestellt. Ursprünglich entstand sie als Sparmaßnahme. Jetzt bleibt sie als Verdienstquelle.«

»Ideelle Gründe sprechen nicht mit?« fragte ich naiv.

»Sie sind Schriftsteller ...« sagte er bedauernd.


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