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Unbegreifliches.

Die Gewohnheiten der Amerikaner hatten meine Anstandsbegriffe etwas verwirrt und ich suchte einen Freund auf, in der Erwartung, mit Hilfe seiner Aufklärungen und Ratschläge wieder Ordnung in das zerstörte System meiner europäischen Theorien zu bringen.

»Wie gefällt es Ihnen in Amerika?« fragte mein Freund, ein tüchtiger, sehr gesuchter Arzt – und gleichzeitig Besitzer eines stark frequentierten Fünfcentbasars.

»Ich möchte mir noch kein Urteil anmaßen!«

»Also – es gefällt Ihnen nicht bei uns?«

»... Manches nicht.«

»Zum Beispiel?«

»... Ich bin gewohnt, den Hut abzunehmen, wenn ich grüße oder ein Lokal betrete, in dem es nicht zieht.«

»Das müssen Sie sich schleunigst abgewöhnen. Es ist eine arge Unsitte.«

»Das Grüßen?«

»Das Hutabnehmen!«

»Es bedeutet Hochachtung.«

»Aus dem gleichen Grund könnten Sie den Rock oder die Stiefel ausziehen.«

»Aber im Lift eines Warenhauses beobachtete ich doch, daß alle Herren plötzlich ihre Hüte abnahmen!«

»Eine Lady wird zugestiegen sein!«

»Da entblößt man den Kopf? – Weshalb nur im Lift?«

»Begreifen Sie denn nicht? – Ein enger geschlossener Raum!«

Ich dachte lange nach ...

»Haben Sie endlich erfaßt?«

»... Noch nicht. Aber ich hoffe ... Im zwölften Stockwerk setzten alle die Hüte wieder auf ...«

»Die Lady wird ausgestiegen sein!«

»Ich zweifelte nicht daran, daß dies der Anlaß gewesen ist, umsomehr, als die Herren die Hüte im fünfzehnten Stockwerk wieder abnahmen, weil ›flappers‹ einstiegen.«

»Hübsche Girls?«

»Sehr hübsch ... aber sie stiegen schon im dreiundzwanzigsten Stockwerk wieder aus.«

»Schade.«

»Sehr schade. Einige Herren stiegen gleichfalls aus – und ich schloß mich ihnen an; aber mir ging es um die Sache, nicht um die Mädchen!«

»Um welche Sache?«

»Um die Hüte natürlich! Die Herren setzten sie sofort auf, als sie den Lift verlassen hatten und in das Verkaufslokal traten.«

»Gut.«

»Das glaubte auch ich! Aber als ich dann im Lift abwärts sauste ...«

»Mit den Girls?«

»Nein ... ich verlor sie aus den Augen.«

»Schade ...«

»Sehr schade ... Im elften Stockwerk trat eine Frau ein. Ich zog den Hut.«

»Richtig!«

»Falsch! Die anderen zogen ihre Hüte nicht, sondern blickten mich spöttisch an. Ich aber ließ mich nicht irre machen, behielt ihn in der Hand und setzte ihn erst auf der Straße wieder auf. – Eine Nacht habe ich über den Fall nachgedacht, ohne ihn aufklären zu können.«

»Er ist sehr einfach!«

»Wie ...? Sagten Sie nicht selbst, es sei üblich, den Hut abzunehmen, wenn eine Lady in den Lift ...?«

»Lieber Freund ... sind Sie sicher, daß sie eine Lady war?«

 

Ich saß mit Mr. Kamphausen auf der Veranda seiner bequemen landesüblichen Holzvilla.

Wir plauderten. Die Buben des Gastgebers tollten auf der Straße herum.

Dem Jüngsten fiel ein, er möchte ins Kino; er bat um 20 Cents.

Als er sie hatte, wollte er sich rasch entfernen.

»Stop!« rief der Vater ihm nach. »Nimm das Auto!«

Dagegen sträubte sich der Knabe. Er wollte laufen.

Aber er mußte fahren.

Ich begriff nicht.

»Well«, sagte der sparsame Vater ernsthaft, »der Junge zerreißt mir zu viel Stiefelsohlen!«


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