Joseph Victor von Scheffel
Ekkehard
Joseph Victor von Scheffel

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Siebzehntes Kapitel

Gunzo wider Ekkehard

In den Zeiten, da all das seither Erzählte an den Ufern des Bodensees sich zugetragen, saß fern in belgischen Landen im Kloster des heiligen Amandus sur l'Elnon ein Mönch in seiner Zelle. Tagaus, tagein, wenn die Pflicht der Klosterregel ihn freiließ, saß er dort wie festgebannt; Wintersturm war gekommen, die Flüsse zugefroren, Schnee, soweit das Auge reichte – er hatte dessen keine Acht; der Frühling trieb den Winter aus – es kümmerte ihn nicht; die Brüder plauderten von Krieg und schlimmer Botschaft aus dem befreundeten Land am Rhein – er hatte kein Ohr für sie. Auf seiner Zelle lag Stuhl und Schragen mit Pergamenten überdeckt, des Klosters ganze Bücherei war zu ihm herabgewandert, er las und las und las, als wollte er den letzten Grund der Dinge ergründen; – zur Rechten die Psalmen und heiligen Schriften, zur Linken die Reste heidnischer Weisheit, alles ward durchwühlt; dann und wann machte ein höhnisch Lächeln dem Ernst seiner Studien Platz, und er schrieb sich auf schmale Streifen Pergamentes hastig etliche Zeilen heraus. Waren es Goldkörner und Edelsteine, die er auf seiner Bergmannsarbeit aus dem Schachten alten Wissens grub? Nein.

Was mag dem Bruder Gunzo widerfahren sein? sprachen seine Genossen, ehedem ist seine Zunge gegangen wie ein Mühlrad, und die Bücher haben Ruhe vor ihm gehabt. Sie können mir doch nur bieten, was ich längst weiß, hat er sich oft gerühmt – und jetzt? Jetzt knarrt und scharrt seine Feder, daß bis im vorderen Kreuzgang der Widerhall ihres Kratzens gehört wird. Gedenkt er des Kaisers Proto-Notar und Erzkanzler zu werden? sucht er den Stein der Weisen oder schreibt er seine italische Reise?

Aber der Bruder Gunzo blieb an seinem Werk. Unverdrossen trank er seinen Wasserkrug leer und las seine Klassiker; – die ersten Gewitter kamen und mahnten, daß der Sommer mit seiner Schwüle vor der Türe stehe, er ließ donnern und blitzen und saß fest wie zuvor. Den Schlummer der Nacht brach er zuweilen und sprang auf zu seinem Tintenfaß, als hätt' er im Traum Gedanken erhascht; oft waren sie wieder verschwunden, bevor ihm das Niederschreiben gelang, aber sein Sinn war fest aufs Ziel gerichtet. »Kommen wird einstens der Tag«... mit der homerischen Verheißung sich tröstend, schlich er auf sein Lager zurück.

Gunzo war im kräftigen Mannesalter, eine mäßig große gedrungene Gestalt, wohlbeleibt; wenn er des Morgens vor seinem fein geschliffenen Metallspiegel stund und mehr als notwendig die Augen auf dem eigenen Abbild haften ließ, strich er oft seinen rötlichen Bart, als woll' er zu Fehde und fährlichem Streithandel ausreiten.

Fränkisch Blut mit gallischem vermischt rollte in seinen Adern, das schuf ihm ein Stück von jener Beweglichkeit und Immerlebendigkeit, die dem Germanen reinen Stammes abgeht.

Darum hatte er auch in währender Schreibarbeit mehr Federn zerrissen und Schnipfel zerzaust und Selbstgespräche geführt, als ein Genosse in deutschem Kloster in gleicher Frist getan hätte. Aber er hielt seines Fleisches natürliche Unruhe nieder und zwang seine Füße mannhaft unter dem bücherschweren Tisch standzuhalten.

Es war ein linder Sommerabend; wiederum war seine Feder wie ein Irrlicht über das geduldige Pergament gehüpft, es knisterte vom Ziehen der Buchstaben – da hub sie an langsamer zu gehen, – itzt eine Pause, dann noch einige Züge – und einen gewaltigen Schnirkel zog er über den unbeschriebenen übrigen Raum, daß die Tinte unfreiwillig einen Schwarm von Flecken gleich schwarzen Sternbildern drüber schwirrte. Er hatte das Wort Finis! geschrieben; mit langgedehntem Atemzug erhob er sich vom Stuhl gleich einem Mann, dem ein Zentnerstein vom Herzen gefallen, er überschaute, was schwarz auf weiß vor ihm lag. Gelobt sei der heilige Amandus! rief er feierlich, wir sind gerächt!

Er hatte in diesem erhebenden Augenblick – eine Schmähschrift vollendet, eine Schmähschrift, zugeeignet der ehrwürdigen Bruderschaft auf der Reichenau, gerichtet gegen – Ekkehard, den Pörtner zu Sankt Gallen. Als der blonde Erklärer des Virgilius Abschied nahm von seinem Kloster und zur Herzogin übersiedelte, konnte es ihm unmöglich zu Sinne kommen – und hätt' er sein Gedächtnis auch umgeschüttelt bis in die verborgensten Falten, daß ein Mann auf der Welt sei, dessen Dichten und Trachten darauf ausging, an ihm Rache zu nehmen, denn er war harmlos und sanft und tat keiner Mücke ein Leides. Und doch war es so; denn zwischen Himmel und Erde und im Gemüt eines Schriftgelehrten gehn viele Dinge vor, davon sich der Verstand der Verständigen nichts träumen läßt.

Die Geschichte hat ihre Launen im Erhalten wie im Zerstören. Die deutschen Lieder und Heldensagen, die durch des großen Kaisers Karl Fürsorge aufgezeichnet standen, mußten im Schutte der Zeiten untergehen, Gunzos Werk, das noch keinem der wenigen, die es gelesen, Freude bereitet, ist auf die Nachwelt gekommen.Wiewohl wir nicht hoffen, daß einer der Leser sich versucht fühle, Gunzos pomphaftes Werk nachzuschlagen, sei doch der Ort angegeben, wo es zu finden. Es steht in der gelehrten Benediktiner Martène et Durand collectio veterum scriptor. et monumentor. Tom. I. 294 als Epistola Gunzonis ad Augienses fratres; – ein geschichtlicher Beweis, daß auch vor Ehren-Götze und allen, die heutigentages auf den Pfaden gelehrter Injurie selbstgefällig lächelnd einherschreiten, tapfere Männer gelebt haben. Ähnliche Leistungen hat wohl Baronius im Auge gehabt, da er das zehnte Jahrhundert ein »bleiernes« nannte. Ein sachkundiges Urteil charakterisiert den Stil einiger Zeit- und Gesinnungsgenossen von Gunzo als ein Latein, »dessen Grundfarbe durch die gehäuften klassischen Floskeln und Schnörkel nicht verdeckt wird und in welchem sie nur fremde Gedanken zu wiederholen wissen, wenn es ihnen überhaupt um Gedanken zu tun ist.« Siehe Vogel, Ratherius von Verona I. 161. Mag denn der ungeheuerliche Anlaß, der des welschen Gelehrten Rache aufrief, mit seinen eigenen Worten erzählt sein.

»Schon lange,« – also schreibt er seinen Reichenauer Freunden, – »betrieb es der verehrungswürdige teure König Otto bei den Fürsten Italiens, daß er mich in seine Reiche herüber berufe. Da ich aber keinem so untertan, noch auch so niedrigen Standes war, daß man mich hätte zwingen mögen, wandte er sich an mich mit bittender Anzeige, also daß er mein Versprechen als Unterpfand des Kommens empfing. So geschah es auch, als er Welschland verließ, daß ich ihm folgte. Und ich folgte ihm, gedenkend, daß mein Kommen keinem zum Schaden, vielen zu Nutzen gereichen möge, denn wozu treibt uns nicht die Liebe und der Wunsch, den Mitbrüdern genehm zu sein? Und ich zog meines Wegs, nicht wie ein Britanne gespickt mit den Geschossen des Tadels, sondern im Dienste der Liebe und Wissenschaft.

Über steiles Joch der Gebirge und abschüssige Schluchten und Täler kam ich endlich vor des heiligen Gallus Kloster an, und zwar so erschöpft, daß die vom eisigen Hauch der Bergluft erstarrten Hände den Dienst versagten und fremde Hilfleistung mich vom Saumtier heben mußte.

Des Ankommenden Hoffnung war friedlich Ausruhen am Ort klösterlicher Niederlassung. Auch sah ich dort häufiges Neigen der Häupter, sittig geordnete Kapuzen, sanftes Einherschreiten und seltenen Gebrauch der Rede, also daß ich keines Unheils gewärtig stund, nur daß des Juvenalis Spruch gegen die falschen Philosophen:

»Spärlich ist ihnen das Wort, – doch Bosheit steckt in dem Schweigen«

heimlich an meinem Gemüt nagen wollte. Und wer sollte glauben, daß jenem Heiden vorahnende Kenntnis von kuttentragender Verkehrtheit inwohnte?

Doch freute ich mich harmlos meines Lebens, erwartend, ob nicht unter dem spärlichen Gemurmel der Brüder etliche Funken philosophischer Strebungen aufblitzen möchten. Es blitzte aber nichts auf, sie rüsteten am Rüstzeug der Hinterlist.

Unter anderen war auch ein junger Schülerknab' anwesend und ein älterer, der – – je nun! er war, wie er war; sie hießen ihn einen braven Lehrer des Klosters, wiewohl er mir in die Welt zu schauen schien mit den Augen einer Turteltaube. Von diesem schmachtend blickenden Gelehrten habe ich nunmehr zu reden. Höret seine Tat. Ab- und zugehend machte er den Schüler zum Gefährten eines tückischen Anschlages.

Nacht war's, es nahte die Zeit des sorgenstillenden Schlummers,
Wohlgesättigt des Mahls, zollten wir Bacchus sein Recht –

da verführte mich ein ungünstig Geschick, daß ich im Hin- und Herreden lateinischen Tischgespräches eines Verstoßes im Gebrauch des Kasus schuldig ward und einen Accusativus setzte, wo ein Ablativus sich geziemt hätte.

Nun ward offenbar, in welcher Art Künsten jener vielberühmte Lehrer den ganzen Tag seinen Schüler unterwiesen. »Solch Verbrechen wider Sprache und Grammatik verdiene die Schulgeißel!« also spottete das benannte Studentlein mich, den Erprobten, und kramte bei diesem Anlaß ein höhnisches Spottgedicht aus, das ihm eben jener Lehrer eingeblasen, also daß ein rauhes cisalpinisches Gelächter über den fremden Gastfreund durchs Refektorium erschallte.

Wem aber ist unbekannt, welcher Beschaffenheit die Verse übermütig gewordener Mönche sind? Was weiß ein solcher von der inneren Haushaltung eines Gedichtes, wo ein Stück Purpur ans andere zu setzen ist, auf daß es glänze und gleiße? was von der Würde der Dichtkunst? – er spitzt die Lippen und spuckt ein Poem aus, gleich dem des Lucilius, den Horatius brandmarkt, daß er oftmals auf einem Fuß stehend zweihundert Verse diktierte und mehr noch, bevor ein Stündlein abgelaufen. Ermesset nun, ehrwürdige Brüder, welch ein Maß von Unrecht man mir angetan, und was der für ein Mensch sein muß, der seinem Nebenmenschen den Irrtum eines Ablativus vorhält!«

Der Mensch, der in harmlosem Scherz diesen Frevel begangen, war Ekkehard; wenig Wochen bevor ihn seines Schicksals Wendung auf den hohen Twiel rief, geschah die Untat. Mit des folgenden Morgens Frührot war das Tischgespräch mit dem übermütigen Welschen vergessen, aber in der Brust dessen, den sie des falschen Accusativus überwiesen, saß ein Groll, so herb und nagend wie der ob der Waffen Achills, der einst den Telamonier Aias in sein Schwert gejagt und noch bei den Schatten der Unterwelt seitab zürnen ließ; er zog aus dem Tal, das die Sitter durchströmt, nordwärts, er sah Bodensee und Rhein – und dachte des Accusativus; er ritt in den altersgrauen Toren von Köln ein und ritt hinüber auf belgische Erde, der falsche Accusativus ritt hinter ihm auf dem Bug seines Rosses wie ein Alp; die Klostermauern des heiligen Amandus taten ihm ihren Frieden auf, im Psalmsingen der Frühmette, in der Litanei der Vesperandacht stieg der Accusativus vor ihm auf und heischte sein Sühnopfer.

Von allen unfrohen Lebenstagen prägen sich die am tiefsten der Seele ein, wo durch eigen Verschulden eine Beschämung veranlaßt wird; statt mit sich selber drüber zu grollen, wird allen, die unfreiwillige Zeugen waren, eine bittere Verstimmung zugewendet, das liebe Menschenherz gesteht sich so schwer, so schwer die eigene Schwäche, und manchem, der ruhig an Kampf und Totschlag zurückdenkt, schießt alles Blut zu Haupte beim Gedanken an ein töricht Wort, das ihm an einer Stelle entfuhr, wo er gern mit einem verständigen geglänzt.

Darum nahm Gunzo seine Rache an Ekkehard. Und er führte eine scharfe tapfere Feder und hatte vieler Monde Frist auf sein Werk verwandt, daß es in seiner Art ein Meisterstück ward, eine schwarze Suppe von viel hundert gelehrten Brocken, reichlich gewürzt mit Pfeffer und Wermut und all den Bitterkeiten, die den Streitschriften geistlicher Herren vor denen anderer so lieblichen Schmack verleihen.

Und ging ein wohltuender Zug von Grobheit durchs Ganze, also daß dem Leser zu Mut werden kann, als höre er, wie in naher Scheune ein Mensch mit Flegeln der Drescher gedroschen werde – was von der feinen Art neuerer Zeit, wo das Gift in vergüldeten Pillen gereicht wird und die Streiter den Hut voreinand abziehen, eh' sie anheben, sich die Rippen einzuschlagen, rühmlich absticht.

Es waren aber zwei Teile, der erste dem Ekkehard zum Nachweis, daß nur ein roher und unwissender Mensch sich an Verwechslung eines Kasus stoßen könne, der zweite der Welt zur Überzeugung, daß der Verfasser Gunzo der gelahrteste, weiseste und frömmste der Zeitgenossen.

Und darum hatte er im Schweiße seines Angesichtes die Klassiker gelesen und die heiligen Schriften, daß er alle Stellen verzeichnen möge, in denen gleichfalls dichterische Laune oder Nachlässigkeit einen fälschlichen Accusativus gebraucht. Brachte auch der Beispiele aus Virgilius zwei, aus Homer eines, aus Terentius eines, aus Priscianus eines, ferner aus Persius eines, wo ein Vokativ statt eines Nominativ, und aus Sallustius eines, wo ein Ablativ statt des Genitiv gesetzt ward – desgleichen aus den Büchern Moses und den Psalmen. »Und wenn solches sogar in den Reihen heiliger Schriften zu finden, wer ist so ruchlos, daß er solche Weise des Sprechens zu tadeln wage oder zu verändern? Mit Falschheit also glaubt des heiligen Gallus Mönchlein, daß mir die Kunst der Grammatik fern, mag meine Zunge auch dann und wann gehemmt sein durch die Gewohnheit meiner heimischen Sprache, die der lateinischen nur verwandt ist. Verstöße aber kommen vor durch Nachlässigkeit und menschliche Unvollendetheit im allgemeinen, wie Priscianus sehr richtig sagt: »Ich glaube nicht, daß von menschlichen Erfindungen etwas nach allen Teilen Vollendetes erfunden werden möge.« Auch hat schon Horatius Nachlässigkeiten der Schreibart und Sprache bei bedeutenderen Männern entschuldigt: »Zuweilen schlummert auch der gute Homer.« Und Aristoteles sagt in seinem Buch über die hermeneia: »Alles, was unsere Zunge ausspricht, ist nur ein Ausdruck für das, was unserer Seele eingeprägt ist. Der Begriff einer Sache aber ist früher vorhanden als der Ausdruck, und somit die Sache höher zu schätzen denn das Wort. Wo aber der Sinn dunkel, sollst du ihm mit Geduld und erläuterndem Verstand behilflich sein, die wahre Meinung zu ermitteln.«

Folgte sodann ein Schwall klassischer Beispiele von ungeschicktem und nachlässigem Ausdruck des Gedankens, deren Reihe mit dem Spruch des Apostels schließt, der sich selber ungeschickt im Reden, aber nicht ungeschickt an Wissen genannt.

»Betrachtet man hienach das Benehmen meines sanktgallischen Widersachers, so möchte man glauben, er sei einmal in den Garten eines weisen Mannes eingebrochen und habe vom Mistbeet einen Rettich gestohlen, der ihm den Magen verdorben und Galle angesetzt. Hüte darum jeder sein Gärtlein vor solchen Gesellen! Schlechte Gespräche verderben gute Sitten.

Möglich auch, daß er durchaus nicht anders sich benehmen konnte. Er hat wohl den ganzen Tag in den Schlupfwinkeln seiner Kutte nachgesucht, womit er den Gastfreund bewirten möge, aber weil er nichts anderes als verborgene List und Bosheit drin vorfand, setzte er eben davon ein Pröbchen vor. Schlechte Menschen haben schlechte Schätze.

Mit solchem Wesen stimmt denn sein äußeres Erscheinen, das wir sorgsam zu mustern nicht unterließen. Sein Antlitz trug einen fahlen Glanz wie schlechtes Metall, das zur Fälschung des echten dient, seine Haare gekräuselt, die Kapuze feiner und sauberer denn nötig, die Schuhe leicht – auf daß alle Anzeichen vorhanden, die dem heiligen Hieronymus Ärgernis gaben, da er schrieb: Leider sind auch in meinem Sprengel etliche Kleriker, deren Sorge darauf gerichtet ist, ob ihre Kleider herrlich duften, die Nägel ihrer Finger glänzen, das krause Haupthaar mit Balsam gesalbt und gesänftigt sei und der gestickte Schuh knapp am Füßlein sitze. Ein solcher Aufzug geziemt sich aber kaum für einen Stutzer und Bräutigam, geschweige denn für einen Geweihten des Herrn.

Weiter hab' ich erwogen, ob nicht auch der Laut seines eigenen Namens mit seiner Handlungsweise übereinstimme. Und wie? Ekkehard oder Akhar hieß der Mann, als wäre ihm schon bei der Taufe der Name eines Übeltäters vorahnungsvoll aufgeprägt worden. Denn wer kennt nicht jenen Akhar, der aus der Beute von Jericho einen purpurnen Mantel entwendet und zweihundert Beutel Silbers samt einer güldenen Rute, also daß ihn Josua hinausführen ließ in ein abgelegen Tal und ganz Israel steinigte ihn, und alles, was er hatte, ward mit Feuer verbrannt! Solchen Vorgängers hat sich der Akhar von Sankt Gallen würdig erzeigt, dieweil wer die Gebote einer höflichen Lebensart verachtet, so übel tut als ein Dieb; er veruntreut das Gold wahrer Weisheit.

Wäre es erlaubt, an die Seelenwanderung des Pythagoras zu glauben, so stünde außer allem Zweifel, daß die Seele jenes hebräischen Akhar in diesen Ekkehard gefahren, und sie wäre ernsthaft darob zu bedauern, denn besser den Körper eines Fuchses zum Aufenthalt erwählen, als den eines hinterlistigen Mönches. All dies sei übrigens ohne Haß gesagt; mein Haß geht nur auf die dem Manne anklebende Schlechtigkeit, also nur auf ein Accidens, nicht auf die Substanz selbst, in der wir ja nach den Worten der Schrift ein Ebenbild der Gottheit anzuerkennen haben.

Merket nun.« so fuhr Gunzo in seines Buches zweitem Teile fort, »wie unsinnig mein Feind gegen Nutz und Frommen der Wissenschaft gehandelt. Mehr als hundert geschriebene Bände führte ich bei meiner Reise über die Alpen mit mir, Waffen des Friedens, darunter des Marcianus blumenreiche Unterweisung in den sieben freien Künsten, des Plato unergründliche Tiefe im Timäus, des Aristoteles zu unseren Zeiten kaum aufgehellte dunkle Weisheit im Buch von der hermeneia und Ciceros rednerische Würde in der Topik. Wie ernst und fruchtbringend hätte die Unterhaltung gedeihen mögen, wenn sie mich über solche Schätze befragt! Wie konnte ich glauben, daß sie mich, dem Gott so vieles verliehen, ob der Verwechslung eines Kasus durchhecheln würden, mich, der den Donat und Priscian von innen und außen kennt! Es mag freilich jener Aufgeblasene wähnen, daß er die ganze Grammatica in seiner Kapuze mit sich trage – teure Mitbrüder! kaum ihren Rücken hat er von ferne erschaut und wollte er eilen, einen Blick ihres hehren Angesichts zu erhaschen, er würde über den eigenen täppischen Fuß stolpernd zu Boden sinken. Die Grammatik ist ein hohes Weib, anders erscheint sie Holzhackern, anders einem Aristoteles.

Soll ich euch aber von der Schwester der Grammatik, von der Dialektik reden, die jener griechische Meister die Amme seines Geistes genannt? O edle Kunst, die den Toren in ihren Schlingen fängt, dem Weisen aber zeigt, wie er die Schlinge meide; die uns die verborgenen Fäden aufdeckt, durch welche das Sein mit dem Nichtsein verknüpft ist! Freilich davon weiß jener Kuttenträger nichts, – nichts von jener subtilen Feinheit, die mit neunzehn Gattungen von Schlüssen alles zu erledigen versteht, was je gedacht und was denkbar. Gott ist gütig, er entzieht ihm solches Wissen, weil er's doch nur zu Lug und Trug nützen würde...«


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