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21. Kapitel.
Die Abbitte.

Als ich die Augen aufschlug, lag ich in einer Schiffskoje. Anfänglich blickte ich verständnislos um mich. Nach und nach erkannte ich dies und das in meiner Umgebung.

Es war Nacht. Die Lampe brannte und schwang heftig hin und her. Dicht bei derselben saß eine Frauengestalt, in einem Buche lesend. Sie kehrte mir den Rücken zu. Sie hatte reiches, schwarzes Haar, ihr Kleid war dunkel, ihre Schürze weiß.

Ich versuchte nachzudenken, das gelang mir jedoch nicht. Wie lange ich so lag, weiß ich nicht. Da wendete die Frauengestalt sich um. Es war Kate Darnley.

Jetzt kam mir alles mit einem Schlage. Ich lächelte sie an.

Ich befand mich in der Kajütskammer des ›Earl of Leicester‹; ich war krank und Kate pflegte mich. Nun stand sie auf, kam herzu und hielt sich an dem Rande der Koje fest. Das Schiff stampfte und schlingerte gewaltig. Das Wasser brauste und donnerte unter dem Heck und der Schein des weißen Schaumes kam wie Wetterleuchten durch das runde Fenster. Ein Knirschen und Knacken und Dröhnen füllte mir die Ohren, jene Laute, die man im Innern des Schiffes vernimmt, wenn oben der Sturmwind durch die vibrierende Takelung heult und saust.

Ich schaute empor in Kates dunkle Augen und versuchte zu sprechen, allein vergebens. Sie legte die Hand auf meine Stirn und dann neigte sie ihr Ohr dicht an mein Gesicht. Es gelang mir – wie, das weiß ich nicht mehr – ihr verständlich zu machen, daß ich hungrig und durstig sei. Sie ging und kehrte gleich darauf mit einem Blechtopf voll Wasser mit Rum und etwas Brot und Büchsenfleisch zurück. Darauf half sie mir, mich aufzurichten, ich aß und trank und fühlte mich bald ein gut Teil besser. Nunmehr kam auch eine Unterhaltung in Gang.

»Was ist eigentlich passiert?« fragte ich.

»O, viel! Seit Sie aus dem Boot geholt wurden, haben Sie ohne Besinnung gelegen bis jetzt.«

»Aus dem Boot – aus dem Boot – o, ich erinnere mich. Wie lange ist das her?«

»Jetzt haben wir Sonnabend früh. Donnerstag früh, ungefähr um diese selbe Zeit, wurden Sie gerettet.«

»Was ist die Uhr?«

»Ungefähr drei Uhr morgens. Es weht ein schwerer Sturm und das Schiff liegt beigedreht. Das schlechte Wetter fing an am Donnerstag morgen, so schlimm wie gegenwärtig aber war's bisher noch nicht.«

Ich hatte mich wieder zurückgelegt und grübelte angestrengt.

»Brigstock,« sagte ich dann, »Brigstock – ja, das ist der Mann. Er wollte mich ermorden, aber noch lebe ich. Das ist schon das zweite Mal, seit ich England verließ. Soll mich wundern, ob ich das dritte Mal überstehe. Die Teufel! Mich im Boot auszusetzen, in dem dicken Wetter, und mit dem Schoner zu Luward! Wissen Sie wohl noch? Und weswegen – weswegen?«

»Ruhig, mein Freund, ruhig. Keine Aufregung. Sie sind gerettet und jenen thut's leid.«

Ein krampfhaftes Schluchzen überfiel mich; ich konnte mir nicht helfen. Sie streichelte mir sanft die Hand.

»Heiliger Gott!« rief ich. »Was habe ich leiden müssen! Und durch die Schuld dieser Teufel!«

»Die Hauptschuld trifft Alice Perry,« sagte sie. »Aber auch sie meinte es nicht böse; sie handelte thöricht und unüberlegt und ließ sich nur von ihrem Haß leiten.«

»Haßt sie mich denn?«

»O nein, Sie nicht; aber Brigstock und seine Genossen.«

»Ganz recht, jetzt entsinne ich mich,« sagte ich und lächelte.

Aber wessen ich mich entsann, das hätte ich schwerlich noch zu sagen vermocht, denn meine Gedanken verschwammen, Kates Gestalt und alles um mich her löste sich wie in Nebel auf und ich sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Hell schien die Sonne in die Kammer herein, als ich erwachte; das freundliche Licht wurde gelegentlich unterbrochen durch die grüne Wassermasse einer über das Fenster emporsteigenden Woge. Ich fühlte mich so wohl, wie nur jemals in meinem Leben, als ich mich aber aufrichten wollte, da merkte ich, daß ich doch noch recht schwach war.

Am Fußboden lag eine Matratze. Kate stand vor dem Spiegel und steckte ihr Haar auf, in einer Stellung, die die prächtigen Konturen ihrer schönen Figur zur vollsten Geltung gelangen ließen.

Ich rief ihren Namen; sie wendete sich um und lächelte errötend.

Sie sagte mir, daß es neun Uhr sei und daß Brigstock schon zweimal angeklopft und gefragt habe, wie es mir ginge und ob ich bereits erwacht wäre.

»Brigstock? Was will der? Sie haben ja einen andern Navigator.«

»Nicht doch. Der Mann, den sie sich wieder geraubt haben, hat keine Ahnung von Navigation.«

»Keine Ahnung von Navigation?« wiederholte ich.

»Nicht die geringste. Als er an Bord kam, nannte er sich zweiter Steuermann, da meinten sie, als solcher müsse er die Sache ja verstehen, und sperrten ihn ein, wobei sie den armen Kerl beinahe ums Leben brachten. Nachher aber, als sie ihn aufforderten, seine Kunst zu zeigen, da sagte er, er sei nichts als ein Segelmacher und hätte weder lesen noch schreiben gelernt.«

Da sie mich lachen sah, brach auch sie in ein herzliches Gelächter aus.

»Was haben Sie nun mit ihm angefangen?« fragte ich weiter.

»Ins Logis haben sie ihn geschickt und jetzt gehört er zur Mannschaft. Was sonst noch vorgegangen ist, davon weiß ich nichts, da ich seit Donnerstag früh mit Ihrer Pflege beschäftigt gewesen bin.«

»Hat das Schiff seither viel Fahrt gemacht?«

»Seit Mittwoch früh liegt es beigedreht.«

Jetzt lag es nicht mehr beigedreht, das merkte ich an der Art seiner Bewegung; es jagte munter durchs Wasser und zwar auf süd-südwestlichem Kurse, wie der ›Spion‹ unter der Decke mir verriet.

»Wer war das unglückliche Mädchen, das den Selbstmord verübte?« fragte ich von neuem.

»Mary Lonney hieß sie. Sie wohnte mit fünf andern in dem neben Fräulein Cobbs Kammer gelegenen Verschlage. Es war entsetzlich!«

»Aus welchem Grunde nahm sie sich das Leben?«

»Man sagt allgemein, sie wäre nicht bei Sinnen gewesen. Eine weiß das, die andere jenes. Es heißt, der Mann, mit dem sie verlobt war, habe sie nicht nur verlassen, sondern auch noch bestohlen, und das hätte sie zu dem Entschluß gebracht, auszuwandern. Ich kannte sie als ein stilles, in sich gekehrtes Geschöpf, das die traurigsten Augen hatte, die ich je gesehen.«

Sie erschauerte leicht, nahm ihren Hut vom Schreibtisch und ein Tuch von der Matratze und ging, um mir Frühstück zu besorgen.

Ich lag und beobachtete das wechselnde Spiel des Widerscheins der sonnenhellen Schaumwogen an der Decke und an den Wänden der Kammer und dachte dabei an Kate und an die Zukunft.

Nach einer Weile öffnete sich die Thür, und mit Kate zugleich erschien Gouger, der Leichtmatrose, ein Tellerbrett tragend. Ich sah dem Bengel streng in die Augen, sagte aber kein Wort. Er warf mir einen scheuen, unruhigen Blick zu, setzte das Brett auf den Schreibtisch und entfernte sich leise und geduckt. Ich sagte Kate, daß der Schlingel damals, als ich hier in Bangen und Ungewißheit eingeschlossen saß, und nicht wußte, wessen ich beschuldigt war und wie ich mich rechtfertigen sollte, nicht ein Wort zu mir gesprochen hatte.

»Nun, das ist alles vorbei,« versetzte sie. »Jetzt sind Sie gerechtfertigt, durch Alice Perry und durch mich.«

Ich schaute fragend zu ihr auf.

»So hören Sie,« fuhr sie fort. »Obgleich mir bekannt geworden war, daß man Sie gefangen gesetzt hatte, so wußte ich doch nicht, weswegen. Fräulein Cobbs verweigerte mir jede Aufklärung, es ging aber das Gerede, es wäre geschehen, weil Sie sich eine weibliche Mannschaft für den Schiffsdienst ausbilden wollten. Das wollte mir nicht in den Kopf; ich ging zu Brigstock und erklärte ihm, daß es ein schreiendes Unrecht wäre, Sie gefangen zu halten, nur weil Sie eine Anzahl der Mädchen durch Unterricht in der Seemannskunde unterhalten und belustigt hatten. Er aber antwortete mir so kurz und grob, daß ich ihm kein Wort mehr gönnen mochte; was man mit Ihnen vorhatte, erfuhr ich nicht. Wir saßen gerade beim Frühstück, da wurden die Luken geschlossen. Fräulein Cobbs hatte zuvor die Lampen angezündet. Viele von uns erschraken gewaltig, und auch mir war nicht wohl zu Mute.«

Sie unterbrach sich, um mir den Thee zu reichen, dann fuhr sie fort:

»Man ließ uns eingesperrt, bis wir beinahe erstickt waren. Als die Luken endlich wieder geöffnet wurden, regnete es in Strömen. Ich war die erste an Deck, von dem Gedanken gepeinigt, daß man Ihnen inzwischen etwas Böses angethan haben könne. Brigstock stand in der Kajütsthür; er sah aus, als hätte er sich mit jemand gerauft. Ich fragte ihn, was mit Ihnen geschehen sei. Da wies er mit dem Daumen über die Schulter und sagte: ›Den haben wir fortgeschickt.‹ ›Weshalb?‹ fragte ich in höchstem Schreck, denn ich meinte, man hätte Sie umgebracht. Er sah mich finster an, dann aber brach er los und mit wütendem Geschrei eröffnete er mir, daß die Mannschaft sich Ihrer entledigt habe, weil Sie mit der Absicht umgegangen seien, alle Mann heimtückisch im Logis einzusperren und im nächsten Hafenort wegen Seeräuberei den Behörden zu übergeben.«

»Ganz so, wie ich es mir dachte,« sagte ich.

»Meine Thränen könnte ich sparen, sagte er, denn tot wären Sie noch nicht; jede andere Schiffsmannschaft würde Sie freilich ohne Federlesen an die Raanock gehängt haben. Dann suchte ich Alice Perry und die andern auf und teilte ihnen mit, daß Brigstock Sie fortgeschickt habe; auf welche Weise, das wußte ich freilich nicht. Da bekannte Alice, daß sie an allem schuld sei, sie habe aber nicht gewollt, daß Sie dadurch zu Schaden kommen sollten. Das Geheimnis jenes Planes sei ausgeplaudert oder sonstwie verraten und von den Partnerinnen den Matrosen mitgeteilt worden. Als sie das hörte, da lief sie nach vorn und verschlimmerte die Sache durch ihre kecken und übereilten Reden, indem sie sagte, alle Mann befänden sich in Ihrer, des Kapitäns, Gewalt und würden auch bald am Lande im Loch sitzen. Auch behauptete sie in ihrem giftigen, triumphierenden Eifer, der Plan wäre von Ihnen ausgeheckt worden. Hernach hat sie uns das alles weinend gestanden. Darauf schleppte ich sie mit mir zu Brigstock, dem ich zunächst erklärte, aus welchem Grunde Sie die Mädchen einexerziert hätten, und Alice versicherte ihm darauf feierlich, daß sie mit einigen andern Emigrantinnen den Plan geschmiedet und Ihnen unterbreitet hätten, daß Sie aber davon nichts hätten wissen wollen. Wie Sie sehen, mußte ich mit der Wahrheit heraus, um Ihre Unschuld zu beweisen.«

»Leider war's zu spät,« versetzte ich. »Und was sagte Brigstock?«

»Nichts. Er hörte einfach schweigend zu. Hinterher aber redete er mit den Matrosen und diese machten sich wiederum an die Mädchen heran mit hunderterlei Fragen, und so kam Ihre Schuldlosigkeit immer mehr an den Tag, wodurch die Leute sichtlich sehr verblüfft wurden. So erfuhren wir auch, daß Sie in einem kleinen Boot ausgesetzt worden waren, was uns einigermaßen beruhigte, denn wie leicht Sie darin zu Grunde gehen konnten, daran dachten wir nicht.«

In diesem Augenblick pochte es an die Thür und Brigstock fragte an, ob er eintreten dürfe. Kate öffnete.

Der Mann kam herein, schloß die Thür hinter sich, blieb dicht an derselben stehen, zog die Mütze ab und drehte sie verlegen und erregt in den Händen, während er mich so scheu und dabei doch so fest anstarrte, wie wenn ein Schaf den Hund ansieht; dabei bewegte er seine Kinnladen, als ob er etwas zu kauen hätte.

Ich saß aufrecht in meiner Koje.

»Kapitän Morgan,« begann er langsam und mit bebender Stimme, »darf ich mir erkundigen, wie es Sie geht?«

»Herr Brigstock,« entgegnete ich, »Sie und Ihre Leute haben mich höchst nichtswürdig und schändlich behandelt.«

»Es wäre niemals soweit gekommen, hätten Sie uns die reine Wahrheit wegen Ihrer Kompagnie zu wissen gethan, Kapitän Morgan.«

»Die Wahrheit?« rief ich. »Mensch, Sie hielten es ja nicht der Mühe wert, danach zu forschen! Soll auf Ihrer Insel auch in der Weise Gerechtigkeit geübt werden, daß man einen Mann verurteilt, ohne ihn vorher anzuhören? Und zwar zum Tode verurteilt? Denn Sie ließen mich treiben, damit ich umkommen sollte!«

Er kaute und kaute, brachte aber nichts hervor. Endlich warf er seine Kappe zu Boden und trat mit einem langen Schritt näher, wobei er einen scheuen Seitenblick auf Kate warf.

»Keppen Morgan,« rief er, »wir dachten, Sie wollten uns einsperren und hernach arretieren lassen. Warum sagten Sie uns nicht, daß Sie die Weibsleute bloß deswegen einexerzierten, weil Sie keine andere Mannschaft an Bord nehmen wollten, wenn wir nicht mehr da waren? Warum sagten Sie uns das nicht? Dann hätte es kein Mißverständnis gegeben. Ich danke Gott dem Herrn, daß dies Mißverständnis Ihnen nicht das Leben gekostet hat!«

»Sie haben mich einen Schurken genannt, und als ich mich rechtfertigen wollte, da haben Sie mich nicht angehört!« rief ich, behend vor Zorn.

»Der Kapitän ist noch sehr schwach,« sagte Kate zu Brigstock. »Sie sollten ihn jetzt nicht aufregen.«

»Ich bin gekommen, um ihn um Verzeihung zu bitten,« antwortete er. »Keppen Morgan, es thut uns bitter leid. Alice Perry hat uns die Unwahrheit gesagt, und wir glaubten ihr. Sehen Sie, wir hatten es so gut mit Sie gemeint und an Sie gethan, was recht ist. Dann hörten wir auf einmal, daß Sie uns verraten und verkaufen wollten – ich sage Ihnen, Keppen Morgan, wir wußten uns vor Zorn und Grimm nicht zu lassen. Mußten wir's denn nicht glauben? Sahen wir denn nicht täglich, wie Sie Ihre Kompagnie drillen thaten? Gott dem Herrn danke ich, daß noch alles so gut geworden ist! Unsere Entrüstung war grenzenlos. Drei von uns stimmten für sofortiges –«

Er unterbrach sich, schlug die Augen nieder, zog sein rotes Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn.

Die Erregung des Mannes war nicht erkünstelt.

Er trat noch einen Schritt vor und streckte mir die Hand entgegen.

»Keppen Morgan, ich thue hier im Namen der Mannschaft stehen, um Ihnen um Verzeihung zu bitten. Darf ich die Leute sagen, daß Sie vergeben und vergessen wollen?«

Ich antwortete ihm heftig und grob, ich schmähte ihn, wie nur jemals ein Kapitän auf seinem eigenen Achterdeck einen Untergebenen geschmäht und gescholten hat, und der vierschrötige Mann stand vor mir, demütig und zerknirscht wie ein Schulbube.

»Was wollen Sie von mir?« so schloß ich, nachdem ich wieder zu Atem gekommen war. »Sie haben einen Navigator. Jetzt, wo Sie wissen, daß ich schuldlos bin, sind Sie so gütig, mir nicht mehr nach dem Leben zu trachten, wie? Nun, dann setzen Sie mich also an Bord des ersten Schiffes, das uns begegnet.«

»Ich muß Sie zu wissen thun, Keppen, daß wir keinen Navigator haben,« entgegnete er gedrückt.

»Sie haben doch einen von dem Schoner gestohlen. Was haben Sie mit dem angefangen?«

»Der hat sich Steuermann genannt, versteht aber nichts von Navigation. Ich wollte ihm zuerst nicht glauben und gab ihm einen Sextanten in die Hand; er wußte aber nicht, wie er das Ding anfassen sollte.«

»So, und was wollen Sie nun von mir?« schrie ich ihn noch einmal an.

»Ich wollte Ihnen bitten, die Schiffsführung wieder zu übernehmen.«

Ich legte mich zurück und schloß die Augen.

»Lassen Sie ihn jetzt in Ruhe,« sagte Kate, »sonst wird er so krank, daß er Ihnen nichts mehr nützen kann.«

Brigstock erschrak und verließ auf den Fußspitzen die Kammer.

Im Laufe des Nachmittags erholte ich mich mehr und mehr, so daß ich aufzustehen vermochte. Ich kleidete mich an und rasierte mich; dann öffnete ich das Logbuch. Seit meiner letzten Eintragung war nichts darin vermerkt worden.

Brigstock mochte von Kate vernommen haben, daß ich die Koje verlassen hatte, denn noch ehe ich ganz angekleidet war, klopfte er schon wieder an die Thür. Diesmal war er von Isaak Coffin und Joe Harding begleitet.

Ich verschränkte die Arme und lehnte mich an die Koje. Harding berührte grüßend seine Stirnlocke und begann:

»Keppen Morgan, ich wollte man sagen, als Mann zu Mann, ich bin froh, daß es so abgelaufen ist.«

»Sie waren einer von denen, die mich hängen wollten!« fuhr ich ihn an.

»Joe nicht,« sagte Brigstock.

»Sie sagten mir vorhin erst, daß drei dafür gestimmt hätten. War einer von euch unter den dreien?« fragte ich, den Blick auf Coffin richtend.

»Bedenken Sie doch gütigst, Keppen Morgan,« warf Brigstock bescheiden ein, »daß wir glaubten –«

»War dieser Mann hier einer von den dreien?« unterbrach ich ihn finster und streng.

Keiner antwortete; Coffins Gesicht aber sagte mir genug.

»Hinaus!« befahl ich kalt.

Der Matrose blickte zögernd erst Brigstock und dann Harding an, und dann entfernte er sich.

»Fühlen Sie sich jetzt wohl genug, Keppen, um alles zu besprechen?« fragte Brigstock.

»Ehe ich auch nur eine Silbe geschäftlich mit Ihnen rede, haben Sie mir dafür, daß Sie mich einen Schurken genannt haben, Abbitte zu leisten.«

»Das thue ich, ich leiste Abbitte, und von Herzen, Keppen Morgan!« rief er.

»Auch Sie, Harding, haben sich verdammt ungehörig gegen mich benommen!« fuhr ich auf den andern ein.

»Sie wissen ja, was wir uns in den Kopf gesetzt hatten,« antwortete der Matrose mit seinem sauersten Gesichtsausdruck.

Jetzt machte ich den beiden noch einmal in echter Achterdecksmanier den Standpunkt klar; ich schalt und wetterte, ja, ich fluchte sogar so rücksichtslos und brutal auf sie los, als wäre ich ein Yankeeskipper, starrend von geladenen Revolvern, und mit einem Grenadier von Obersteuermann hinter mir. Nachdem ich sie endlich genug gemaßregelt zu haben meinte, wendete ich mich ganz abrupt gegen Brigstock und fragte, was er mir zu sagen habe.

»Wir wollten Sie bloß bitten, das Kommando wieder zu übernehmen,« antwortete er unterwürfig. »Es muß bald Mittag sein, und da wären Sie wohl so freundlich, eine Observation zu nehmen und uns zu sagen, wo wir uns befinden thun.«

Ich fixierte ihn eine Weile.

»Halten Sie noch an Ihrer Inselidee fest?«

»Jawohl, Keppen.«

»Wenn ich das Kommando wieder übernehme, wer bürgt mir dafür, daß diesmal alles glatt geht?«

»Schreiben Sie uns Ihre Bedingungen vor, Keppen.«

»Respektieren Sie die Bibel?«

»Gewiß thue ich das,« versetzte er, feierlich den Kopf neigend.

»Und Sie, Harding?«

»Jawoll, Keppen.«

»Würde ein Eid, auf das heilige Buch geleistet, für Sie und die Mannschaft bindend sein?«

Brigstock überlegte einen Augenblick.

»Ich darf wohl sagen,« versetzte er dann, »das würde er, Keppen.«

»Gut,« sagte ich. »Ich werde den Wortlaut des Eides niederschreiben, und Sie und die Mannschaft werden ihn leisten – auf Ihre Bibel, Herr Brigstock; Sie besitzen doch eine?«

»Jawohl, Keppen.«

»Schön. Nach der Eidesleistung werde ich das Kommando wieder übernehmen.«

Brigstock machte eine Verbeugung, Harding schickte sich an, etwas zu sagen.

»Still, Joe,« sagte Brigstock, »erst den Eidschwur.«

»Wenn ich Sie recht verstanden habe,« nahm ich noch einmal das Wort, »ist der Mann, den Sie dem Schoner abnahmen, nichts nütze.«

»Nicht mehr nütze, als ein Gallionsbild,« antwortete Brigstock.

»Wie heißt er?«

»Thomas Bull.«

»Was machen Sie nun mit ihm?«

»Er geht mit uns.«

»Nach der Insel?«

»Jawoll,« sagte Harding.

»Hat er schon eine Partnerin gefunden?«

»Das hat er,« nickte Brigstock mit großem Ernste.


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