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Klerus und Laien. – Die Versklavung des niederen Klerus durch die Bischöfe. – Die Priesterehe. – Kirchengut und Priesterehe. – Sittliche Verfassung des Klerus der ersten Jahrhunderte. – Kleriker und »Liebesschwestern«. – Eheverbote und Sittenverfall. – Eine fidele Kirchweih im Merseburgischen. – Wie der Bischof Cautius an dem Priester Anastasius christliche Nächstenliebe übte. – Knechte als Priester. – Der Adel und seine Seelsorger. – Papst Gregor VII. – Das Zölibatgesetz und wie Gregor mit ihm das Kirchengut zurückholte. – Das Investiturverbot und was dahinter steckte. – Der Beichtstuhl. – Vom christlichen Sündenbekenntnis zur kirchlichen Ohrenbeichte. – Eine furchtbare Waffe. – Der »Beichtpfennig«. – Die Geißel im Beichtstuhl. – Geißeltheoretiker. – Anekdoten des Mittelalters. – Allerlei fromme Frauenpeitscher. – Der mittelalterliche Klerus versinkt immer tiefer in Ausschweifungen. – Pfaffenkonkubinen. – Bischöfliches Lotterleben. – Klagen über die Unsittlichkeil des Klerus. – »Hurenzins«. – Der Pfaff im Sprichwort und in der Karikatur.
Es ist bereits geschildert worden, wie schon zu früher Zeit es den Bischöfen gelungen war, durch die planmäßige Vernichtung der demokratischen Verfassung der ersten Christengemeinden, einen besonderen geistlichen Stand, den Klerus, (von kleros, das Loos, der auserwählte Stand) gegenüber dem Laienstande (den Weltlichen, Unkundigen, von laikos: Zum Volke gehörig) in der Kirche zu schaffen. Mit dem Verschwinden des urchristlichen Kommunismus schwand auch das Recht der proletarischen auf das Gut der besitzenden Gemeindemitglieder dahin. An die Stelle des Rechtes trat das Almosen, welches die Kleriker verwalteten. Sie bekamen dadurch eine beständig wachsende Macht über die proletarische Masse der Christen. Je mehr der Reichtum der Kirche wuchs, je mehr wuchs auch die Macht der außerhalb der Klöster tätigen Geistlichkeit. Diese Weltgeistlichkeit wurde eine vollständige Herrschaftsorganisation.
Seitdem ging das eifrige Bestreben der Hierarchen (Oberer der Priesterschaft; Hierarchie: Priesterherrschaft, Kirchenregiment) dahin, den Unterschied zwischen Klerus und Laien recht zu befestigen, und den einzelnen Geistlichen unauflöslich an den Stand zu knüpfen. Dem Kleriker wurde strenger Gehorsam gegen einen Vorgesetzten angewöhnt, andererseits die Masse der Laien durch fleißigen Gebrauch des wirtschaftlichen Übergewichts der Kirche, zu blindem Gehorsam auf das Wort des Klerus erzogen. Niemals wurde z. B. der Geistliche, so groß auch sein begangenes Verbrechen gewesen sein mochte, den öffentlichen Bußübungen unterworfen. Nein, er wurde feierlich aus dem Klerus ausgestoßen und unter die Laien versetzt, sodaß diese Strafe erst recht den geistlichen Stand über den Laienstand erhob. Das Konzil zu Chalcedon verordnete, daß kein ordinierter Geistlicher jemals in den Laienstand zurücktreten dürfe, um ein bürgerliches Amt im Staate oder in der Gesellschaft zu übernehmen. Dieses Gesetz ward auf anderen Synoden wiederholt und dergestalt dem Volke Verachtung gegen solche abtrünnige Geistliche, als Treulose gegen Gott und die Kirche eingeflößt, was wiederum die Scheidungslinie zwischen Klerus und Laien hob.
Die Bischöfe waren viel zu kluge Köpfe, um nicht zu wissen, daß der Gehorsam des Klerus gegen ihre Anordnungen weit sicherer auf den Brotkorb als auf christliche Lehrsätze gegründet sei. Frühzeitig und mit Erfolg waren sie deshalb auch am Werke, die ihnen untergebene niedere Weltgeistlichkeit wirtschaftlich von sich abhängig zu machen. Als im vierten Jahrhundert allgemein die Parochialverhältnisse ( parochia, Kirchsprengel, Pfarrei) sich nach festen Grundsätzen regelten, wendeten die Bischöfe alle möglichen Mittel an, ihre wirtschaftliche Gewalt über den niederen Klerus zu festigen. Alles in der Diözese (bischöfliches Gebiet) befindliche Kirchengut betrachteten sie als eine gemeinsame Masse und organisierten dessen Verwaltung straff in ihrer Hand. Sie bestanden auch darauf, daß alle Einkünfte der Parochie an den Bischof abgeliefert werden mußten und warfen dann ihrer Geistlichkeit den Unterhalt aus. Je geiziger ein Bischof war, je dürftiger lebte sein niederer Klerus. Durch die Dürftigkeit, in der sie die niederen Geistlichen erhielten, schärften die Bischöfe deren Abhängigkeit.
Nun besaßen diese Geistlichen Weib und Kinder, denn »die Verheiratung der Weltpriester war auch in der katholischen Kirche bis im zwölften Jahrhundert gang und gäbe« (Kautsky). Wenn, infolge der Ausbeutung durch den Bischof, die Familie des Geistlichen Not litt, dann suchte dieser immer wieder, sich auf Nebenwegen Brot ins Haus zu schaffen. Das Priester weib erwies sich bald als das größte Hindernis bei der systematischen Versklavung des Klerus. Immer wieder machten die Pfarrer den Versuch, ihren Familien das ihnen durch den Bischof verkümmerte Auskommen zu bessern. Auf alle mögliche Weise zwangen sie den Gemeindemitgliedern für kirchliche Handlungen Geld ab, sodaß sich besondere Verordnungen gegen den Eigennutz der Priester wendeten.
Die Bischöfe lernten bald einsehen, daß eine Geistlichkeit ohne Weib und Kinder, ohne Familienleben und Familiensinn, für ihre Besitz- und Machtanhäufungspraxis ein gefügigeres Material sei. Die Einzelehe, die sich dem klösterlichen Kommunismus bereits hinderlich gezeigt, und deshalb zur erzwungenen Ehelosigkeit der Mönche geführt hatte, erwies sich jetzt der Zentralisation der Macht und des Besitzes in der ganzen Kirche hinderlich. Dem lokalen Interesse der Bischöfe gesellte sich später das große politische Interesse des nach der Weltherrschaft strebenden Papsttums. Der niedere Weltgeistliche, der Weib und Kinder hatte, der Besitz anhäufte, wurzelte sich fest in dem Boden, auf den ihn die Kirche gestellt hatte. Er beugte sich unter die heimische Staatsgewalt und hörte auf, ein unbedingter Kleinkämpfer für die Politik des Papsttums zu sein. Die Internationalität des Papsttums konnte keinen im nationalen Milieu wurzelnden, unabhängigen und darum auch widerhaarigen Klerus gebrauchen. Die lokale und zentrale Macht der Kirche verbanden sich zum Kampf gegen die Priesterehe, nachdem sie an dem Beispiel der Klöster die praktische Durchführbarkeit der Zölibatsidee studiert hatten. Der auf den Papstthron gelangte Kluniazensermönch Gregor VII. faßte den lokal verzettelten Kampf gegen die Priesterehe mit harter Faust zu einem für die ganze Kirche gültigen Gesetz zusammen, indem er die Ehelosigkeit der Weltgeistlichen zur Regel erhob.
Dieser Kampf zur Vernichtung der Priesterehe dauerte Jahrhunderte lang. Er begann damit, daß die Bischöfe den ehelosen Klerus begünstigten, den verehelichten Klerus dagegen bekämpften und das eheliche Zusammenleben der Geistlichen als Unzucht bezeichneten. Sie nahmen dadurch das Volk allmählich gegen die Priesterehe ein. Der Glaube verbreitete sich im Volke, daß die kirchlichen Zeremonien, welche von verheirateten Priestern ausgeübt würden, nicht die Wirkungen hätten, wie wenn sie unverheiratete Priester ausübten. Der asketische und mönchische Zug der Zeit kam hierbei dem Kampfe gegen die Priesterehe zu Hilfe. Im ledigen Stande sah man einen höheren Grad der Heiligkeit und diese Volksmeinung bekam schließlich ein solches Übergewicht, daß auch die verheirateten Priester gezwungen waren, mit ihr zu rechnen. Viele von ihnen führten mit ihren Frauen ein rein geschwisterliches Zusammenleben oder gaben wenigstens vor, ein solches zu führen.
Auf den Synoden und Konzilen wurde die Frage der Priesterehe ein stehendes Thema heftigen Streites und die Bestrebungen, welche auch dem Weltklerus die Ehe gänzlich verbieten wollten, gewannen immer mehr die Oberhand.
Als mit dem Verschwinden der kommunistischen Einrichtungen der ersten Christengemeinden, das Kirchengut aufhörte Armengut zu sein und völlig in die Hände des Klerus kam, verschleuderten viele Kleriker das Kirchengut oder brachten es auf unrechtmäßige Weise an sich. »So lange das Kirchengut als Gut der Gemeinden galt, welches die Bischöfe bloß zu verwalten hatten, wurde es in seinem Bestande durch die Familien der Geistlichen nicht sehr bedroht. Das änderte sich, als das Kirchengut das Gut des Klerus selbst wurde. Nun suchte jeder Kleriker, der Kinder hatte, diesen vom Kirchengut möglichst viel mitzuteilen.« (Kautsky.) Man erlebte täglich, bezeugt Giesebrecht in seiner »Geschichte der deutschen Kaiserzeit«, daß die Priestersöhne nicht allein das Erbgut ihrer Väter erhielten, sondern auch das Kirchengut, dessen Nießbrauch Jene gehabt, als ihr Erbteil in Anspruch nahmen. Und Benedikt VIII. klagte auf dem Konzil zu Pavia (zwischen 1014 und 1024): »Große Grundstücke, große Güter, was immer sie können, erwerben die niederträchtigen Väter ihren niederträchtigen Söhnen aus dem Kirchenschatz, denn etwas anderes besitzen sie nicht.« Diejenigen, die sich am meisten am Kirchengut bereicherten, waren die höheren Kleriker; der niedere Klerus ging meist leer aus.
Die breite Masse des Klerus war von einer erschreckenden Roheit und Unwissenheit. Kein Wunder! Denn alle Bildung floß in den ersten Jahrhunderten des Christentums noch aus dem Heidentum, dessen Weisheit aber von den Christen verächtlich angesehen wurde. Woher sollte die breite Masse des Klerus eine höhere Bildung nehmen? So wurden denn seit dem dritten Jahrhundert starke Klagen über die Verdorbenheit des Klerus erhoben. Origines redet von Bischöfen und Geistlichen, welche, dem Bauche dienend, die Einkünfte der Kirche verschwenden und von unerhörtem Hochmut, Ehrgeiz, Eigennutz und anderen Lastern regiert werden. Cyprian klagt ganz allgemein über die Unsittlichkeit der Geistlichen, über die Abnahme der Religiosität unter ihnen, über ihre Einmischung in weltliche Händel, über ihre Habsucht, über die Vernachlässigung ihres Amtes, über ihre Betrügereien und andere Laster.
Als nun habgierige und herrschsüchtige Hierarchen begannen, diesen Klerus zu ehelosem Leben zu zwingen, stieg rasch allgemein dessen Verfall. Es griff eine alle Moral zerfressende Keuschheitsheuchelei Platz. Da die Kleriker keine Ehefrauen haben konnten, nahmen sie »Liebesschwestern« (Agapeten) zu sich; Jungfrauen, die gleich ihnen Keuschheit gelobt hatten und mit denen sie, nach ihrer Behauptung, nur in geistiger Vertraulichkeit und in platonischer Liebe zusammen lebten. Der Geist war willig aber das geistliche Fleisch war schwach! Das Leben solcher Paare war bald eine einzige große Lasterhaftigkeit. Das Volk, anfangs in Bewunderung versunken über das engelgleiche Tugendleben der Keuschheitsbrüder- und Schwestern, verwies mit höhnendem Finger auf die realen Tatsachen und der Name » agapetae«, in den ersten Zeiten des Christentums der Begriff höchster weiblicher Keuschheit, wurde geradezu ein Schimpfwort. Der höhere Klerus ging dabei dem niederen mit dem verwerflichen Beispiel voran. Die in dem Konzil zu Antiochien im Jahre 269 versammelten Väter beschuldigten den Bischof Paulus von Samosata, neben anderen Schändlichkeiten, »daß er auch Weiber sich beigelegt habe und diese auch bei seinen Priestern und Diakonen dulde«. In einem Briefe an Pomponius klagt Cyprian über die »gottgeweihten Jungfrauen«, welche sich aus ihren Verhältnissen nicht herausreißen lassen wollten und, um ihre unversehrte Keuschheit zu erweisen, sich auf Untersuchungen durch Hebammen beriefen. Cyprian aber läßt dies nicht gelten und behauptet – ein besonderer Beweis für die Unsittlichkeit des Klerus! – daß auch die Hände und Augen der Hebammen oft getäuscht würden, und auch mit Körperteilen gesündigt würde, die nicht untersucht werden könnten.
Die Synoden und Konzile widerhallten von den Klagen über die Unsittlichkeit der Kleriker. Immer wieder wurden Beschlüsse gefaßt, welche diesen vorschrieben, keine extranea (Konkubine) bei sich zu leiden; Bischöfe, Priester oder Diakone, welche »Hurerei oder Ehebruch« trieben, sollten gänzlich vom Amt suspendiert werden; gottgeweihte Jungfrauen, welche der Unzucht dienten, sollten bis am Ende ihres Lebens aus der Kirche ausgeschlossen werden usw. Aber das alles vermochte der Verkommenheit nicht Einhalt zu tun, dieweil deren innerste Ursache die Ehelosigkeit der Geistlichen war.
Die Beschaffenheit des Klerus im vierten und fünften Jahrhundert findet eine kritische Darstellung in einem Schreiben, welches Basilius samt 32 anderen Bischöfen an die Bischöfe Italiens und Galliens über den schmachvollen Zustand der Kirche richtet. Er meldet, daß die Schlechtigkeit der Bischöfe und Kirchenvorsteher so groß sei, daß die Bewohner vieler Städte keine Kirchen mehr besuchten, sondern mit Weib und Kindern außerhalb der Mauern der Städte unter freiem Himmel für sich Gebete verrichteten. Das schlimmste Lotterleben führten die Bischöfe. Chrysostomus schildert mit den lebhaftesten Farben die unwürdigen Mittel, durch welche sie zu ihrem Amte zu gelangen suchten, unter denen er auch Mord und Städteverwüstung nennt; ihren Ehrgeiz, ihre schamlosen Künste, um zur Befriedigung ihrer Habsucht Geld zu erpressen und Schätze zu häufen, wobei sie den Schenkwirten, Geldwechslern, Wucherern und Getreidehändlern ins Handwerk griffen und es diesen oft noch zuvortäten, ihre Bedrückung des Volkes und der Geistlichkeit, kurz ihre ganze Verworfenheit. Der große Mönch Isidor klagt: »Viele von denen, welche sich rühmen, Diener und Schüler des sanftmütigen Herrn und des weisen Lehrers zu sein, und sich brüsten des erlangten Amtes des Priestertums, mißbrauchen es, um Tyrannei zu üben, andere, um sich Schätze zu erwerben, andere, um der Wollust zu fröhnen.«
Wenn die kirchlichen Sittenprediger, in dem Eifer, mit welchem sie aus wirtschaftlichen Gründen die Ehe der Kleriker bekämpften, sich gar zu laut auf die »heiligen Schriften« beriefen, mußten sie es erleben, daß ihnen der angegriffene Klerus mit ebenso trefflichen Bibelsprüchen erwiderte. Was, sie sollten keine Weiber haben dürfen? Hatte nicht Elias bei einer Witwe gewohnt? Hatten nicht die Apostel auf ihren Reisen Frauen mit sich geführt? Hatte nicht Johannes auf Christi Befehl dessen Mutter zu sich genommen? Hatte nicht Christus mit der Samariterin am Brunnen gesessen? usw. Manchmal verhöhnte die klerikale Spitzfindigkeit offen den »frommen« Eifer, der ihnen die Frauen verbot. Solche Kleriker legten die Bibel wörtlich aus, schrien laut, die Apostel selbst hätten befohlen: » Traget einer des andern Last!« (Gal. 6, 2) und legten dies, unter dem Gelächter der Zuhörer, als Aufforderung zu geschlechtlichem Zusammenleben aus.
Auch von anderen Lastern hielt sich der Klerus nicht frei. Das hauptsächlichste war die Trunksucht. Sie war, nach dem Zeugnisse des Bischofs Cäsarius von Arles, bei der Geistlichkeit so groß, daß sie ihre Ehre, ja ihr Glück darein setzte, die Laien im Bechern zu übertreffen. Hoch und niedrig war gleichmäßig stark dem Trunk ergeben. Nach dem Zeugnis des Gregor von Tours betrank sich der Bischof Eonius von Vannes so sehr, daß er unfähig war, sich auf den Beinen zu halten. Der Bischof Droctigisilius von Soissons hatte durch vieles Saufen den Verstand verloren. Die kräftigsten Zecher fand man unter der englischen Geistlichkeit. An ihren Tischen floß der Wein in Strömen. Bischof Ranulph von Durham, einer der lüderlichsten Geistlichen Englands, war, wenn er beim Wein saß, einem türkischen Sultan ähnlich. Weiber in üppiger Entkleidung mußten ihm die Becher kredenzen, bis er trunken unter dem Tische lag.
Bei solchem Schandleben der höheren Kleriker war billigerweise von dem niederen nichts besseres zu verlangen. Sie fanden sich gerne zu vielen, samt ihrem ganzen Anhang von Konkubinen und Kindern, bei einem Bruder ein und feierten wüste Gelage. Oft wurden zu diesen Saufgelagen auch Laien hinzugezogen und mußten dann für die frommen Herren die hohe Zeche bezahlen. Hielt man einem solchen Trunkenbold sein Laster vor, dann höhnte er wohl: »Wir sind das Salz der Erde, aber man muß es anfeuchten, denn kein guter Geist wohnet im Trockenen.«
Durch das ganze Mittelalter hindurch hörte man die Klagen über die Lüderlichkeit und Völlerei der Geistlichen. Besonders bei den Kirchweihen wurden von ihnen die wildesten und lüderlichsten Gelage gefeiert (Bild 60). Klassisch ist die Schilderung, welche wir dem Leibarzt des Bischofs von Mainz verdanken. Dieser Mainzer Bischof stattete dem Bischof von Merseburg einen Besuch ab. Unterwegs kehrte er in einer Pfarrei ein, wo eben das Kirchweihfest gehalten wurde. In ergötzlicher Betrübnis über soviel Sodoma und Gomorrha schildert uns des Bischofs Leibarzt das Erlebnis wie folgt:
»Der Bischof steigt ab und nahet der Pfarre zu seinem Handwerk. Nun hatte der Pfarrherr zehn andere Pfarrherren geladen zur Kirchweyhe und ein jeglicher hatte eine Köchin mit sich gebracht. Da sie aber Leute kommen sahen, laufen die Pfaffen mit den Huren alle in einen Stall, sich zu verbergen. Indes gehet ein Graf, der an des Bischofs Hofe (also in seinem Gefolge) war, in den Hof, seinen Gefug zu thun, und da er in den Stall will, darein die Huren und Buben geflohen waren, schreit des Pfarrers Köchin: »Nicht, Junker, nicht, es seind böse Hunde darinnen, sie möchten euch beißen!« Er läßt nicht nach, gehet hinein und findet einen großen Haufen Huren und Buben im Stalle. Da der Graf in die Stube kommt, hat man dem Bischof eine feiste Gans fürgesetzt zu essen. Hebt der Graf an und sagt diese Geschicht dem Bischof zum Tischmärlein. Gegen Abend kamen sie gen Merseburg. Daselbst sagt der Bischof von Mainz diese Geschicht dem Bischof von Merseburg. Da das der heilige Vater hörete, betrübet er sich nicht um das, daß die Pfaffen Huren haben, sondern darum, daß die Köchin die Buben im Stalle Hunde geheißen hätte und spricht: »Vergebe es Gott dem Weibe, das die Gesalbten des Herrn Hunde geheißen hat!«
Wenn der niedere Klerus immer mehr in Roheit, Lasterhaftigkeit und Unwissenheit versank, so trifft dafür die Schuld den höheren Klerus. Dieser gab die Kirchenstellen in die Hände der verkommensten Menschen. Denn häufig ließen sich die höheren Kleriker nur von schmutziger Habgier leiten. Der Eigennutz machte sie oft zu wahren Ungeheuern in Menschengestalt. Sie raubten das Gut der Kirche und der Laien zusammen und wehe dem, der ihnen bei diesem profitablen Geschäft hinderlich war! Der Bischof Cautinus von Auvergne, ein schändlicher Trunkenbold, suchte den Priester Anastasius, der von der Königin Chrotechildes einige Besitztümer erhalten hatte, zur Herausgabe der von der Königin ausgestellten Schenkungsurkunden zu bewegen. Da der Priester sie nicht herausgab, ließ der Bischof ihn einsperren und halb verhungern. »Doch Anastasius widerstand mutig und zog es vor, eine Zeitlang durch Hunger dahin zu schwinden, als arm seine Kinder zu hinterlassen.« Da ließ Cautinus ihn in einen geräumigen Sarkophag neben einen in Fäulnis übergegangenen Leichnam legen, ihn in einer Gruft beisetzen und durch Hüter bewachen, sodaß der Gequälte fast nur durch ein Wunder dem Tode entrann. Welch' erhabenes Beispiel christlicher Nächstenliebe!
Teils um einen sklavisch gehorsamen Klerus zu haben, teils um für Ordinationen Geld einzutreiben, machten diese Bischöfe ihre Knechte zu Geistlichen. Scharenweise trieben sich dann solche Kleriker umher, beuteten die Unwissenheit des Volkes aus und mußten, um nicht zu verhungern, die gemeinsten Dienste tun. So zahlreich waren sie, daß der Adel sie als Knechte annahm. Hatte der Herr einmal ein religiöses Bedürfnis, so diente ihm gleich der Knecht als Priester. Der Erzbischof Agobart von Lyon klagt im 9. Jahrhundert, daß beinahe jeder angesehene Mann einen Hausgeistlichen haben wolle, nicht um ihm zu gehorchen, sondern um von ihm Dienste zu fordern, damit sie bei Tische dienen, Wein einschenken, die Jagdhunde führen, die Pferde der Damen leiten oder die Äcker besorgen. Dabei bekümmere man sich nicht darum, ob diese Priester verbrecherische oder von Unwissenheit ganz blinde Menschen seien, indem sie bloß darauf ausgingen, eigene Priester zu haben. Wenn sie wünschten, daß ein solcher zum Priester ordiniert würde, so bäten oder befählen sie es auf folgende Weise: »Ich habe da ein Pfäfflein, das ich mir unter meinen Sklaven, meinen Lehns- oder Dorfleuten auferzogen habe, oder ich habe ihn von diesem oder jenem Menschen, aus diesem oder jenem Dorfe erhalten.« Man sieht, der Adel war dazumal »materialistischer« als der von der Kirche verdonnerte Materialismus unserer Zeit. Seine Pfaffen rangierte er unter Jagdknechte und Leibdiener und indem er die Bußübungen nach seinem eigenen Gutdünken einrichtete, sorgte er, daß ihn die Religion der Kirche nicht allzusehr beschwere.
Im 11. Jahrhundert gelangte in Gregor VII. einer jener weltumspannenden Köpfe, wie sie die Kirche mehrfach hervorbrachte, auf den Papstthron. Schon seit mehr als 20 Jahren, ehe er Papst geworden, hatte er in allen päpstlichen Angelegenheiten den überwiegendsten Einfluß geübt und war gewissermaßen Papst gewesen, während andere den Namen führten. Schon als einfacher Kluniazensermönch Hildebrand wälzte er große Pläne in seinem Kopfe. An den päpstlichen Hof gekommen, hatte er namentlich unter der zwölfjährigen Regierung Alexander II. geherrscht und alles so vorbereitet, daß nach Alexanders Hinscheiden die Wahl auf ihn fallen mußte. Für ihn stand eine mächtige Partei. Wer ihn nicht liebte, fürchtete ihn. Das Volk hatte er durch Freigebigkeit an sich gezogen, und bereits am Begräbnistage Alexanders war er von einem Volkshaufen in die St. Peterskirche geschleppt, auf den päpstlichen Stuhl gesetzt und stürmisch zum Papst ausgerufen worden.
Die Stunde des Kampfes um die Weltherrschaft des Papsttums war gekommen, und was Gregor an Mitteln fehlte diesen Kampf zu führen, ersetzte er durch eine großartige Klarheit über Ziele und Wege. Nicht umsonst hatte Gregor unter den voraufgegangenen Päpsten das Kirchengut verwaltet und war er der Finanzmann des Vatikans gewesen. Er sah vor sich Italien als das reichste Land des europäischen Westens, als den Vermittler des Handels zwischen Orient und Occident, als das Land der Warenproduktion. Er sah die Fäden des ganzen Wirtschaftsgetriebes in Italien zusammenlaufen und sah die ökonomische Abhängigkeit des Abendlandes von Italien. Das alte Rom, dessen historischer Glanz selbst im entferntesten Winkel Europas noch märchenhaft leuchtete, war der Mittelpunkt Italiens. Und in diesem Rom saß der Papst, der sich auf die über alle Länder verbreitete Organisation der Kirche stützte.
Gregor beobachtete aber auch durch länger als 20 Jahre hindurch die nationale Zerrissenheit der Völker, die Zersplitterung und Verzettelung der weltlichen Macht, das auf und ab in der Machtverteilung bei dem zahllosen kleinen und großen Herrentum.
Die Normannen, die ehemals furchtbarsten der nördlichen Feinde der Christenheit, hatte das Papsttum zu seinen Vasallen gemacht. Mit päpstlicher Hilfe hatten sie England und Unteritalien erobert. Ihre Schilder und Speere gehorchten dem Winke des Papstes, denn aus dem Sieg des Papsttums konnte ihre Ländergier nur gewinnen.
So schob die ökonomische und politische Struktur das Papsttum in den Vordergrund. Es brauchte nur zu wollen, nur die Macht der Kirche straff in seiner Hand zusammenzufassen, und die weltliche Macht mußte unter seinen Fuß den Nacken beugen.
Gregors Blick war geschärft genug, um dies klar zu erkennen. Er trat alsbald mit der Absicht hervor, den Papst zum tatsächlichen Beherrscher der Welt zu machen, alle Gebiete menschlichen Lebens seiner Oberhoheit zu unterwerfen. Er beanspruchte ohne weiteres Spanien, Corsica, Sardinien und Ungarn. Eine Anzahl Fürsten leisteten ihm den Lehnseid. In Griechenland unterhandelte er über die Vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen. In Kastilien und Aragon drang er auf Einführung des römischen Ritus. In Böhmen verbot er den Gebrauch der Landessprache beim Gottesdienst. Von Norwegen und Schweden erbat er sich Jünglinge, die in Rom gebildet werden sollten. Das Projekt des Kreuzzugs nach Palästina beschäftigte ihn und vor allem suchte er durch die Unterwerfung der deutschen Kaisermacht die Papstmacht in Deutschland überragend zu befestigen. Aber in letzterem konnte er nur sieghaft bleiben, wenn er die Kirche in allen ihren Existenzen vollständig losriß von dem Einfluß der weltlichen Macht und sie unter die Papstmacht zwang. Er tat dies mit zwei in ihren Wirkungen geradezu revolutionären Dekreten, dem Zölibatgesetz (Zölibat: eheloser Stand) und dem Investiturverbot (Investitur: Einsetzung in die Würde).
Im Jahre 1074 hielt Gregor seine Stellung für hinreichend gefestigt und die Verhältnisse für günstig, um einen Vorstoß zu tun. Er veranstaltete ein Generalkonzilium in Rom. Hier wurde festgesetzt, daß jeder beweibte Priester, der das Sakrament verwalte, ebenso wie der Laie, der aus der Hand eines solchen das Sakrament empfange, mit dem Banne bestraft werden solle. Nach Gratian lautet die Verordnung: »Priestern, Diakonen und Subdiakonen, welche in Unzucht (hierunter verstand man die Ehe) leben, verbieten wir von seiten des allmächtigen Gottes und durch die Gewalt des heiligen Petrus den Eintritt in die Kirche, bis sie Buße tun und sich bessern. Wenn aber welche ferner in ihrer Sünde beharren wollen, so soll niemand sich unterstehen, ihrem Gottesdienst beizuwohnen, weil ihr Segen in Fluch, ihr Gebet in Sünde verwandelt wird, indem der Herr durch den Propheten bezeugt: ich werde fluchen ihren Segnungen. Wer sich weigert, diesem so heilsamen Befehle nachzukommen, der begeht die Sünde des Götzendienstes.«
Dieser Beschluß wurde alsbald in alle Reiche der Christenheit versandt und seine strenge Vollziehung verlangt. Gleichzeitig sandte der Papst nach allen Richtungen Legaten aus, welche Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien durchzogen. Sie verkündeten überall den Beschluß, wirkten auf das Volk, regten es gegen die beweibten Priester auf, exkommunizierten und suspendierten die Widersetzlichen. Sie ließen die Mönche gegen den Weltklerus los, die nun als die hitzigsten Verfechter des päpstlichen Dekrets auftraten. Die fanatisierten Volksmassen fielen über die verehelichten Priester her, vertrieben die »Buben« von der Pfarre, schlugen die »Huren«, nämlich die Frauen, tot. Hunderte von verehelichten Klerikern fielen als Märtyrer unter den Streichen der Mönche und des von ihnen befehligten Volkes. Diese Mönche erwarben sich bald, wegen ihres gewalttätigen Eintretens für des Papstes Dekret, den Namen: »die Hildebrandinischen Mönche«. Vielfach stießen sie auch auf Widerstand, denn an manchen Orten kämpften die Geistlichen wie die Löwen für Weib und Kind. Es waren nicht die schlechtesten Geistlichen, die in der Ehe lebten; diese lebten vielmehr mit Konkubinen. Auch ergriff hier und da das Volk Partei für den Priester. In Chur kam der Bischof Heinrich bei Verkündung des Zölibatgesetzes in Lebensgefahr; auf der Synode zu Rouen entstand bei der Verlesung ein solcher Tumult, daß der Erzbischof Johann unter Steinwürfen die Kirche verlassen mußte. Aber in dem langen und heftigen Kampfe trug der Papst den Sieg davon.
Der Papst, seine Legaten und seine Mönche wußten wohl, was sie wollten. Indem sie die beweibten Priester vertrieben und die Priesterehe gewaltsam aufhoben, rissen sie Würde und Gut der Kleriker wieder in den festen Besitz der Kirche zurück. Als die Priesterehe für Unzucht erklärt worden war, konnten die Priestersöhne nicht mehr in Amt und Pfründen des Vaters einrücken, die Priester konnten nicht mehr ihren Kindern das Kirchengut vermachen und hatten kein Interesse mehr, sich am Kirchengut zu bereichern. Der ungeheure Besitz an Grund und Boden floß langsam wieder in die Hände der Kirche. Deshalb ließ Gregor es sich angelegen sein, wo er nur konnte, persönlich anzufeuern, auf dem Wege über das Zölibat das verzettelte Kirchengut einzutreiben. Daß er dieses materielle Streben stets sorgfältig mit der Anrufung Gottes und dem Hinweise auf die Religion deckte, versteht sich von selbst. Das war ja stets die Politik der Päpste! Im Namen Gottes ließen sie die Ketzer verbrennen, im Namen Gottes trieben sie ihr Geld ein. Den Erzbischof Udo von Trier forderte Gregor auf, sogleich gegen den Bischof von Toul Untersuchungen einzuleiten, von dem man behaupte, daß er verschiedener Verbrechen schuldig sei und namentlich, »daß er in öffentlicher Hurerei (nämlich in der Ehe!) mit einem Weibe lebe, mit dem er sich verehelicht und einen Sohn erzeugt habe«. Das Kirchengut mußte vor der Beerbung durch den Sohn gesichert werden! An den Grafen Albert und seine Gemahlin schrieb er: »Was sie (die Kleriker) auch immer gegen mich, ja vielmehr gegen die Gerechtigkeit schwatzen mögen, so beharret in Reinheit und Festigkeit eures Glaubens und glaubet den Befehlen und beobachtet sie, welche ihr vom apostolischen Stuhle wegen der durch Simonie beförderten oder in Hurerei liegenden Bischöfe und Priester erhalten habt.« Den König Heinrich bat er – nicht etwa, ihn ungestört das Kirchengut zurückholen zu lassen – nein, sondern mit frommem Augenaufschlag: »daß er, aus Liebe gegen Gott und aus Ehrfurcht gegen den heiligen Petrus, der Kirche ihr Recht herstelle und erkenne, daß er erst dann die königliche Macht recht behaupte, wenn er die Größe seiner Herrlichkeit anwende, dem König der Könige, Christus, seine Kirche zu erneuern und zu verteidigen.«
Hatte schon das Zölibat auch die Wirkung, die Weltkleriker fest an das internationale Gefüge des Papstes und der Kirche zu ketten und sie unabhängig von der weltlichen Macht des einzelnen Landes zu machen, so wurde letzteres in noch höherem Grade durch den Investiturstreit Gregors erzielt. Das Zölibatsgesetz war die Fesselung des niederen, das Investiturverbot die Fesselung des höheren Klerus.
Die mittelalterliche Kirche war zunächst eine wirtschaftliche Macht. Auf den Trümmern der römischen Kultur war sie den anstürmenden Barbaren entgegen getreten, hatte durch die Klöster den Ackerbau organisiert, das Handwerk verbreitet, Kunst und Wissen befördert, das wirtschaftliche und geistige Leben der Massen beherrscht. Durch ihre ökonomische Tätigkeit gelangte sie zu politischer Macht; sie beherrschte den Staat. Damit wurden die hohen Kirchenbeamten, die Bischöfe, Erzbischöfe usw. zu politischen Persönlichkeiten, zu Staatsbeamten.
Mit der Erstarkung des Königtums gerieten diese Kirchenämter unter den Einfluß der Fürsten und des Adels. Die Bischöfe waren mächtige Territorialherren, die unabhängig von Rom an der Regierung der Länder teilnahmen. Die Fürsten vergaben die Bischofssitze an ihre adeligen Günstlinge. Schließlich wurden die hohen Kirchenämter von ihnen an die Meistbietenden verkauft. Die Simonie entwickelte sich. Der deutsche König Heinrich III. verkaufte schon Kirchenämter und sein Sohn Heinrich IV. trieb es noch schlimmer. An seinem Hofe würfelte man um diese Ämter und als Heinrich seinem Günstling Grafen Werner ein Fuldasches Gut schenkte, die Mönche bei dieser Gelegenheit Bittgänge, Fast- und Bußtage anstellten, spottete er: »Nicht wahr, ich weiß faule Bäuch' zum Gebet und Fasten zu bringen?«
Scheinbar nur gegen diesen Ämterschacher erhob sich Gregor mit sittlicher Strenge. Aber hinter seinen Bannflüchen gegen die Simonie steckte der päpstliche Finanzmann und der päpstliche Absolutist. Nicht den Ämterkauf an sich wollte er aufheben, er wollte nur die hohen Kaufsummen aus der fürstlichen in die päpstliche Kasse bringen. Denn Gregor steckte oft bis über die Ohren in Finanznöten, und nur die Freigebigkeit seiner Freundin, der Gräfin Mathilde von Toskana, die dem päpstlichen Stuhl auch ihre reichen Güter schenkte, brachte wieder Geld für Gregors ewige Händel. Die nachfolgenden Päpste verstanden den Ämterverkauf auch so trefflich, daß sie ungeheure Summen damit verdienten. Aus der weltlich-fürstlichen wurde die päpstliche Simonie.
Die absolutistische Absicht beim Investiturverbot Gregors aber war, den höheren Klerus eng an das Papsttum zu fesseln, ihn aus päpstlichen Kreaturen anstatt aus den schmierigen und gierigen Fürstengünstlingen des Adels zu bilden und ihn unabhängig von aller weltlichen Macht zu stellen. Die Zeitverhältnisse waren dem Streben Gregors günstig. Die königliche Macht in Deutschland war geschwächt, und als König Heinrich dem Papst in den Arm fallen wollte, zwang das Übergewicht der Papstmacht und die politische Zerrissenheit Deutschlands den Gebannten in den Schloßhof von Canossa. Aber auch Gregor war kein Siegender. Als er, vertrieben von Rom, am 25. Mai 1085 zu Salerno sein unruhvolles Leben schloß, hatte er nur bedeutende Bahn zum Ziele geschlagen; die Vollendung mußte er seinen Nachfolgern überlassen.
Wirtschaftlich und politisch immer enger an das Papsttum und seinen Aufschwung gekettet, wurde der Weltklerus den Herrschaftsplänen der Päpste ein ebenso gewaltiges Machtmittel, wie es die Mönche und die Klöster waren. Dies wäre jedoch nicht oder nicht in dem Maße möglich gewesen, wenn die Kirche ihrem Klerus nicht eine furchtbar wirksame Waffe in die Hände gegeben hätte: den Beichtstuhl und die Ohrenbeichte.
Die Beichte (althochdeutsch: bigihti, mittelhochdeutsch: bihte), als das Sündenbekenntnis, gehörte schon in den ersten Jahrhunderten der Kirche zu den Einrichtungen der Gemeinden. Die Gemeindemitglieder, welche durch Verfehlungen Anstoß gegeben hatten, mußten vor die Gemeinde hintreten und laut ihre Sünde bekennen. Hierauf bestimmte dann der Gemeindevorsteher, der Bischof, die Bußübung zur Sühne der sündigen Tat. Durch solches öffentliche Bekenntnis wollte man einmal die Begehung neuer Sünden unterdrücken, indem sich doch der Christ des öffentlichen Bekenntnisses der Wiederholung derselben Sünde schämen mußte; zum anderen hatte der Bischof durch das Sündenbekenntnis eine ständige Kontrolle über das Verhalten und die Taten seiner Gemeindemitglieder. Als die Gemeinden größer und die öffentlichen Bekenntnisse der zahlreichen Sünder zu zeitraubend wurden, nahmen sich die Bischöfe besondere Gehilfen (Bußpresbyter) mit, denen man geringere Fehler, die der öffentlichen Ahndung nicht unterlagen, bekannte. Allmählich begann man, ihnen auch größere Vergehungen zu bekennen. Zugleich dehnten die Bischöfe geschickt die Bedeutung des Bekenntnisses aus. Während es erst nur dem Zwecke galt, sich vor der Gemeinde zu reinigen, die nach Bekenntnis und Buße den Sünder wieder als vollgültiges Mitglied betrachtete und ihn am gemeinschaftlichen Mahle teilnehmen ließ, bildeten die Bischöfe geschickt die Theorie aus, daß man durch das Bekenntnis zugleich Gott die Sünde angebe und göttliche Vergebung erlange. So entstanden Ohrenbeichte, Beichtvater und priesterliche Absolution.
Als die Kirche zu einer wirtschaftlichen und politischen Organisation erstarkte und in ihr das Papsttum zu Bedeutung gelangte, erkannte man in der geheimen oder Ohrenbeichte immer klarer das großartige Mittel zur geistigen Unterwerfung der Massen und der Individuen. Wenn der Gläubige gehalten war, seine geheimsten Handlungen und Gedanken, Pläne und Absichten der Kirche zu bekennen, was vermochte sie dann alles durch die Beichte! Mittels des Beichtigers drang die Kirche in das intimste Familienleben ein. Und das war noch das weniger Bedeutende. Durch die Ohrenbeichte erfuhr die Kirche alle Staatsgeheimnisse, zwang sie die Höfe unter ihre Gewalt, stellte sie Könige und Fürsten unter ihre Aufsicht. Die Beichten wurden die Röntgenstrahlen, mit denen die Kirche das Gerippe aller Staats-, Hof- und Kabinetspolitik bloßlegte. Die Fäden der feinsten Intriguen zog der Beichtiger mit vorsichtigen Fingern hervor. Für die Kirche gab es keine verschlossenen Türen, keine steinernen Wände, keine verborgenen Schreine, keine versiegelten Schriftstücke mehr; sie erfuhr alles. Was der Beichtstuhl der Kirche bedeutete, zeigt am schärfsten der Ausspruch jenes Beichtvaters am spanischen Hofe, der einem hochmütigen Höfling zurief: »Wer bist du vor mir? Ich habe alle Tage deinen Gott in meinen Händen und deine Königin zu meinen Füßen!«
Auch um dieses Machtmittel mußte die Kirche lange kämpfen, aber sie eroberte es. Im 13. Jahrhundert, und zwar 1215 auf der vierten Lateransynode, wurde die Ohrenbeichte ( confessio auricularis) schließlich von Innocenz III. gesetzlich sanktioniert. Seitdem diente der Beichtstuhl der Papstpolitik und vermehrte die Bedeutung des Weltklerus.
Bald erkannte man auch, daß der Beichtstuhl eine vortreffliche Finanzquelle sein konnte. Das bedrückte Gewissen entlastete jeder Gläubige einmal; jeder trug daher auch einmal die Abgabe. Bis im 11. Jahrhundert hatte es dem Beichtenden freigestanden, dem Priester einen »Beichtpfennig« zu geben. Dann wurde diese Gabe durch Herkommen zu einer festen und drückenden Abgabe gemacht, die erst später in der katholischen Kirche wieder abgeschafft wurde.
Es ist begreiflich, daß ein Klerus, dem der Beichtstuhl und die Sündenvergebung eine so große Gewalt über den Gläubigen verlieh, von derselben auch oft einen unlauteren, unmoralischen, unsittlichen Gebrauch machte. Je größer der moralische Verfall des Klerus war, je häufiger kam dies vor. Dieser Klerus verschaffte sich durch den Beichtstuhl nicht nur alle möglichen materiellen Vorteile von den Beichtenden, er beging auch fortgesetzt unsittliche Attentate auf die weiblichen Beichtkinder (Bild 58). Die erzwungene Ehelosigkeit war dazu eine beständige Veranlassung.
Die Klagen über den Mißbrauch des Beichtstuhls durch unsittliche Pfaffen heben schon sehr früh an. Sehr früh maßten sich diese auch das Recht der körperlichen Züchtigung der Beichtenden vermittels des Geißelns an. Gewiß ist dieses nicht unter allen Umständen ein Ausfluß der Pfaffengeilheit gewesen. Es entsprang der asketischen Vorstellung, daß ein Sünder Buße tat, indem er sich geißelte, und daß der Priester, der ihm die Sünde vergab, ihm auch gleich die verwirkte Portion Geißelhiebe austeilte. In rohen Zeiten und unter rohen Menschen war dieses Geißeln nichts ungewöhnliches. Zudem kennt die Kulturgeschichte wahre Geißelepidemien. Auch hatte es für die pfäffischen Fanatiker des Kirchenabsolutismus stets etwas Verführerisches, die Unterwürfigkeit des Menschen unter den Klerus so weit entwickelt zu sehen, daß sich der Sünder vom Priester körperlich züchtigen ließ. Ei, welcher rasende Machtkitzel, den Großen, der herrschte und gebot, sich so sklavisch unterworfen zu sehen, daß man ihn blutig schlagen konnte! Deshalb kam unter anderen ein Kanzler der römischen Kirche, Kardinal Pullus dazu, nicht allein das Geißeln zu empfehlen, sondern auch öffentlich bekannt zu machen, daß die völlige Entkleidung der Büßenden und ihr Niederwerfen zu den Füßen des Beichtvaters in den Augen Gottes das Verdienst des Sünders vermehre, da es Kennzeichen äußerster Demut und Erniedrigung sei.
Diesen Sieg über die menschliche Natur trug aber zum Glück das Pfaffentum nicht davon. So groß auch oft die Verirrung war, immer wieder empörte sich die Menschenwürde gegen diesen pfäffischen Fanatismus, und bereits Hadrian I., der 772 Papst geworden war, sah sich gezwungen zu verordnen: »Der Bischof, Priester und der Diakon sollen diejenigen, welche gesündigt haben, nicht geißeln.«
Das Bußgeißeln bei der Beichte führte meist zu abscheulichen Ausschweifungen. Es lag wohl buchstäblich in der Natur der Sache, daß ein hitziger Pfaffe lieber ein üppiges Weib als einen alten Mann entblößt sah und geißelte. Das Geißeln ließ sich deshalb auch nie ganz unterdrücken und hat bis in unsere Zeit zu Exzessen und Skandalen geführt. Aus allen Epochen besitzen wir die Beweise, daß wollüstige Pfaffen entblößte Frauen gern geißelten. »Weiber mit Ruten peitschen«, schrieb »Liselotte«, Elisabeth Charlotte von Orleans, geborene Pfalzgräfin am Rhein, in ihrer Sittenschilderung des französischen Hofes, »ist eine neue Art der Debauchen. Die Pfaffen habens erfunden!«
Zu Zeiten war es förmlich Sitte, daß die Beichtväter ihren Pönitenten nach vollendeter Beichte, die »Disziplin« gaben, entweder in der Sakristei oder hinter dem Altare oder auch wohl in ihrer eigenen Wohnung. In verschiedenen Werken über die Beichte und Buße finden sich Vorschriften der Kirche oder der Kasuisten, wie die Sache vorzunehmen sei. Petrus de Damiani, Kardinalbischof von Ostia, machte für das Geißeln in einer Anzahl Schriften Propaganda, unter anderem in dem Traktat: »Vom Lobe des Geißelns und der Disziplin.« Er bewies aus Bibelstellen die Berechtigung seiner Lehre. Den Vorwurf wegen Unanständigkeit bei der Entblößung erklärte Damiani für pure Heuchelei. Auf Adam und Eva im Paradiese verwies er, die sich erst ihrer Nacktheit schämten, nachdem sie gesündigt hätten, und als mehrere Gegner seines Pönitenzsystems plötzlich verstarben, benutzte der fanatische Pfaffe dies geschickt, um es als Strafe des Himmels an den Gegnern der Disziplin hinzustellen.
Der derbe urkräftige Humor des Mittelalters konnte sich nicht genug daran tun, mit schallendem Hohngelächter die Pfaffen zu bedecken, welche die Dummheit frommer Weiber ausnutzten, sie zu geißeln oder zu verführen. Manche der Erzählungen sind uns erhalten geblieben. So schildert der antiklerikale Witz des Mittelalters einen eifersüchtigen Ehemann, der sein junges, hübsches Weib zur Beichte führt. Der geile Beichtiger redete ihr nach gehörter Beichte vor, eines der wesentlichsten Bestandteile der Beichte sei die Buße, die am Ort zu vollziehen wäre. Er nahm die willige Schöne mit hinter den Altar, um ihr die Rute zu geben. Schon hatte sie sich in die gehörige Stellung versetzt, als es der Ehemann vor Eifersucht nicht länger litt. Hinstürzend und sich hinwerfend rief er, scheinbar voll Mitleid: »O Herr, seht nur, wie zart sie ist. Lasset mich für sie Pönitenz empfangen!« Das üppige Weiblein aber, ärgerlich, daß ihr das kurzweilige Spiel gestört, rief wütend: »Nun gut, aber schlagt nur recht tüchtig zu, ehrwürdiger Herr, denn ich bin eine große Sünderin!«
Zu Bressia belehrte der Pfarrer die Frauen, welche ihm beichteten, daß sie ihm auch den Zehnten von der ehelichen Beiwohnung entrichten müßten. Als eine Frau, welche sich von dieser Art der Zehntpflichtigkeit hatte überzeugen lassen, von ihrem Manne über ihre lange Abwesenheit befragt und zum Geständnis gebracht worden war, sann der beleidigte Gatte auf schlaue aber herbe Züchtigung. Er veranstaltete sofort ein großes Gastmahl, zu welchem auch der Pfarrer geladen wurde. Als man im heitersten Gespräch begriffen war, erzählte der Wirt das Ereignis, und plötzlich zu dem Pfarrer gewendet, sagte er zu ihm: »Da du nun von meiner Frau den Zehnten von allen Dingen verlangst, so empfange nun auch den hier.« Hiermit reichte er ihm ein volles Glas von Exkrementen und Urin seiner Frau, und nötigte ihn, solches vor den Augen aller Anwesenden zu leeren. (Theiner, Priester-Ehelosigkeit, 2. Band, S. 747/748.)
Im 16. Jahrhundert erregte in Brügge der Prozeß gegen den Bruder Cornelius Adriansen Sensation. Dieser Franziskanermönch hatte in der Beichte Frauen und Mädchen beredet, einer Bußgesellschaft, welche er leitete, beizutreten. Er zwang die Frauen, im verschwiegenen Kämmerlein der Nätherin Calle de Naighe sich gänzlich zu entkleiden, worauf er sie mit der Rute züchtigte. Die teilnehmenden Frauen, die dem reichen Bürgertum der alten niederländischen Handelsstadt angehörten, unterzogen sich ganz naiv, und blind auf des »heiligen Mannes« Frömmigkeit vertrauend, der Disziplin. Als die Sache ruchbar wurde und eine Flut von Karikaturen sie aufgriff, wurde »Broer Cornelis« von Brügge nach Ypern versetzt. Er starb 1581 im Rufe großer Frömmigkeit! Dasselbe Aufsehen erregte seinerzeit ein Prozeß gegen den Kapuzinerpater Achazius, der anfangs des 19. Jahrhunderts zu Düren bei Aachen eine Bußgesellschaft unterhielt, in welcher er entblößte Frauen nicht bloß auf das Entsetzlichste mit in Essig getauchten Ruten schlug, sondern danach mit ihnen tolle Orgien feierte. Die Untersuchung »kompromittierte« so viele angesehene Fabrikantenfrauen, daß Napoleon befahl, den Prozeß niederzuschlagen. Das Kapuzinerkloster tat ein weiteres. Es sammelte sämtliche über Pater Achazius und seine Büßerinnen erschienenen Karikaturen und Broschüren und entzog sie so der Öffentlichkeit. Unangenehme Dinge mit dem Schleier christlichen Vergebens und Vergessens zu bedecken, haben die Pfaffen immer meisterlich verstanden.
(Übertragung des Textes auf dem obenstehenden Bild).
Wie das Korn ist, so gibt es Mehl:
Am Korn ist hier der größte Fehl,
Wie solch's bezeuget diese Prob',
Welche zwar nicht ist wenig grob.
*
Das Korn und Mehl-Müller und Knecht,
Die reimen sich noch alle recht:
Das Korn sich nach dem Müller art't,
Der Müller braucht's Mehl ungespart –
An seine Statt, daß es nicht feur:
So kommts einander alls zu steuer.
Doch wundert michs Mehl so fast nit,
Als nur das Korn, das man aufschütt't,
Das, wiewohl es scheint Pfaffengeistlich,
Dennoch das Mehl wird Affenfleischlich
Und da das Korn scheinheilig – ehrlich,
Das Mehl doch steht so höllisch gfährlich,
Und wiewohl es ist ziemlich alt,
Dennoch kein besser Mehl nicht fallt.
Ich glaub, wärs lang gelegen noch,
Es wär einmal ausgeflogen doch:
So kommts noch zeitlich auf die Mühl,
Daß man sein falsche Art da fühl.
Das andre scheint nicht ungefügt,
Daß soviel seltsam Mehl hier liegt,
Denn wo das Korn ist mancherlei,
Wie kann das Mehl sein einerlei?
Wie meint man erst, das müßte sein,
Die Spreier (Sprei), wann die käm herein?
Solchs denk ein jeder selbst mit Fug,
Ich kenn das Korn am Mehl genug.
Doch wenn sie zu sehr wollen schreien,
So muß die Spreier und die Kleien
Auch noch herfür, auf daß man spürt,
Welchs scheußlich Thier die Kutte führt.
Und was für heuchlerisch Fleisch tun decken
Die Schildkrotthütlein mit vier Ecken,
Und welche seien Chorsackpfeifen,
Die auf dem einen Kornsack pfeifen,
Und die Altarhurmaus, Heuschrecken,
Die gstochen Schwein in langen Röcken:
Ja wenn man nicht der Leut verschont,
Die Mönchsgestanks nicht sind gewohnt,
So müßt man sie nun beuteln strack
In einem römischen Beutelsack:
Aber es möcht die Luft vergiften,
Denn die Kutt' nie nichts gut's tat stiften:
Wie solchs Papst Pius selbst bekennt,
Da er sie mit den Worten nennt
Der Teufel wagt nicht in der Höllen
Was alte Weiber und Mönch anstellen.
Dies hat Papst Pius selbst gered',
Eh er die Schlüssel gfunden hätt'.
Denn er merkt, daß an Pfaffen und Mönchen
Hilft weder das Malen noch das Tünchen:
Die Sau mit Sau man nennen soll,
Sie gibt ja, wie ein Schaf, kein Woll:
Wenn doch das Mehl nichts taugen will,
Wie kann man das Korn loben viel?
Und wenn das Mehl nichts nützt zum Brauch:
Wünscht man's dem Müller in den Bauch:
Demselben wünscht ich auch die Frucht,
Es ist für ihn eine rechte Zucht:
Denn wo er nicht hinkommen mag,
Da finden die Platz alle Tag,
Weil dies Geschmeiß sich hat verkleid'
In einen Schein der Heiligkeit,
Und sind doch reißend Wölf inwendig,
Das ihnen billig ist zuständig.
Dies da unser Herr Christus spricht,
Daß solch Gesind sei Ottergezücht,
Und getünchte Gräber auf den Schein,
Da doch inwendig Krotten (Kröten) sein
Ja Wölf und Füchs und Schlangensamen
Und wie es nennt Johann mit Namen,
Daß im römischen Babylon
Der Drach mit sieben Häuptern wohn,
Und voll feindseelig Vögel sei,
Voll unrein Geister Hurerei:
So nun die Schrift (die Bibel) dies Volk so nennt,
Welchs sich von Gott's Wort hat getrennt,
So kann ich sie nicht anders taufen,
Weil sie dies Übel täglich haufen (häufen).
In Portugal war unter der Regierung der Königin Donna Maria I. der Beichtvater Malagride bei Hofe tätig. Er führte eine förmliche Bußanstalt unter den jungen Hofdamen ein. In den Vorzimmern der Königin, die dies alles geschehen ließ und beschützte, erblickte man die schönen Sünderinnen in tiefe Betrachtung ihrer Gebetbücher versunken. Auf ein gegebenes Zeichen entblößten sie den Rücken und empfingen vom Beichtvater der Königin die »Disziplin«. Dieses mystisch-wollüstige Spiel erhielt einen um so seltsameren Charakter, als man sogar fremde Prinzessinnen und Frauen und Töchter von Gesandten mit dazu einlud.
Die Propagandisten der Bußgeißelei wurden später vornehmlich die Jesuiten. Wo sie auftauchten, redeten sie der Rute das Wort und wandten sie an bei Schülern, in der Beichte, bei allen Gelegenheiten und vornehmlich auch bei Frauen. In den Schriften über die Tätigkeit der Jesuiten in Belgien wird berichtet, daß der Jesuit Johannes Ackerbom überführt ward, ein Mädchen, welches bei ihm gebeichtet, mit Ruten gestäupt zu haben. Petrus Wills tat dasselbe und zechte und spielte sogar in Gesellschaft gestäupter Mädchen. Peter Gersen war so sehr vom Geißelwahnsinn befangen, daß er die Bauernmädchen auf dem Felde bei der Arbeit überfiel und sie »disziplinierte«. Solche Beispiele der Vermischung von Fanatismus und Geilheit ließen sich verhundertfachen.
Der allgemeine Sittenzustand des Weltklerus dieser Zeiten war durchaus entsprechend solchen Exzessen. Gregors Zölibatgesetz hatte die mittelalterliche Geistlichkeit sittlich nur noch tiefer herabgedrückt. Der Umstand, daß nach Gregors Tode durch die Jahrhunderte hindurch die Konzile immer wieder sich mit den Konkubinen der Kleriker beschäftigen, den Klerikern das Halten von Konkubinen verbieten, solche Kleriker von der Ausübung kirchlicher Handlungen fernhalten wollen, daß sie ferner genau vorschreiben, wie alt die weiblichen Personen sein müssen, die sich im Hause des Klerikers aufhalten – dies alles beweist, wie der Klerus immer tiefer in Ausschweifungen versank.
Die Bildung des Klerus war im Allgemeinen keine höhere als die des Bauern, des Hörigen, des Handwerkers in den Städten. Wie diese, so saß auch der Klerus bei Würfel und Karten, bei Trunk und Weib. Als das Zölibat durchgeführt wurde, stellte der Priester den Bürger- und Bauernfrauen nach. Manche Gemeinden zwangen deshalb ihren Pfaffen geradezu, sich eine Konkubine zu halten. So z. B. die Friesen. Den Grund verrät die Chronik mit der gemütlichen Offenheit der Zeit: »Se gedulden ok keene Preesteren sunder (ohne) eheliche Fruwen (d. h. Konkubinen), up dat se ander lute bedde (anderer Leute Bette) nicht beflecken, wente sy meinen, dat icht nicht mogelygk sy, und baven (gegen) die Natur, dat sick ein mensche entholden konne.« Ja, es zeigte sich bald. Die Päpste und die Konzile konnten dem Klerus wohl das Eheleben, nicht aber die Frauen nehmen. Durfte der Klerus keine Ehefrauen mehr haben, so hielt er sich Konkubinen. Jedes Pfäfflein hatte auch sein Dirnlein, bald im verschwiegenen Gemach, bald offen auf der Gasse. Im Volke bildete sich das Sprichwort: »Es ist kein feyner Leben auf erden denn gewisse Zinß haben von seynem Lehen, eyn Hürlein daneben und unserem Herre Gott gedienet.«
Das Geheimbleiben, das war die Hauptsache, darum schrieb der fanatische Mönch Damiani um 1060 an Papst Nikolaus II.: »Würde die Unzucht bei den Priestern geheim betrieben, so sei es zu ertragen, aber die öffentlichen Konkubinen, ihre schwangeren Leiber, die schreienden Kinder, das sei das Ärgernis der Kirche«. Dieser Damiani hatte schon den echten pfäffischen Geist: was geheim geschieht, ist nicht geschehen; nur was schreit, ist eine Sünde. Deswegen ließ er auch ruhig sein liber Gomorrhianus unterdrücken; er wußte, sodomitische Vergehen schreien nicht.
Derselbe Damiani wandte sich, als er bei den lombardischen Priestern kein Gehör fand, im Jahre 1063 an die Priesterfrauen und zwar in folgendem lieblichen Stile: »Jetzt rede ich zu Euch, Ihr Schätzchen der Kleriker, Ihr Lockspeise des Satans, Ihr Auswurf des Paradieses, Ihr Gift der Geister, Schwert der Seelen, Wolfsmilch für die Trinkenden, Gift der Essenden, Quelle der Sünde, Anlaß des Verderbens; Euch, sage ich, rede ich an, Ihr Lusthäuser des alten Feindes, Ihr Wiedehopfe, Eulen, Nachtkäuze, Wölfinnen, Blutegel, die ohne Unterlaß nach Mehreren gelüstet. Hört mich Ihr Metzen, Buhlerinnen, Lustdirnen, Ihr Mistpfützen fetter Schweine, Ihr Ruhepolster unreiner Geister, Ihr Nymphen, Sirenen, Hexen, Dirnen, und was es sonst für Scheusalsnamen geben mag, die man Euch beilegen könnte; denn Ihr seid Speise der Satane, zur Flamme des ewigen Todes bestimmt. An Euch weidet sich der Teufel wie an ausgesuchten Mahlzeiten, und mästet sich an der Fülle Eurer Üppigkeit. Ihr Tigerinnen, deren blutiger Rachen nur nach Menschenblut dürstet, Harpyen, die das Opfer des Herrn umflattern und rauben, und die, welche Gott geweiht sind, grausam verschlingen. Ihr seid die Sirenen, indem Ihr während Ihr trügerisch-demütigen Gesang ertönen laßt, unvermeidlichen Schiffbruch bereitet. Ihr seid wütendes Otterngezücht, die Ihr vor Wollust Christum, der das Haupt der Kleriker ist, in Euren Buhlen ermordet.« Die »Pfaffenhürlein« werden ob solcher wenig ehrerbietigen Anrede gewiß sehr entzückt gewesen sein. Aber man liebte ja damals eine etwas unverschleierte Sprache und darum wird man es gerade so wenig krumm, wie ernst genommen haben.
Wie mußte der niedere Klerus zum Lotterleben angeeifert werden, wenn der Bischof von Lüttich an offener Tafel prahlte, er halte eine schöne Äbtissin als Zeitvertreiberin und von anderen Weibern seien ihm binnen zwei Jahren vierzehn Bankerte geboren worden. Wenn zu den Zusammenkünften hoher Geistlicher auch stets ein gewaltiger Dirnenzustrom kam. Wenn die Bischöfe usw. in Begleitung ihrer Konkubinen Kirchenvisiten unternahmen, und der niedere Priester, wollte er beim Bischof in Gunst stehen, des Bischofs Konkubine gar Geschenke machen mußte. Der berühmte Dietrich von Niem, Bischof in Verden und Cambrai, gestorben 1417 zu Costnitz, erzählt von den Bischöfen in Norwegen und im Norden überhaupt, daß sie auf ihren Visitationsreisen »ihre Liebchen« mit sich nahmen. »Auch würden diese (die Konkubinen) nicht erlaubt haben, daß jene, (die Bischöfe) ohne sie reisten, teils weil sie neugierig waren, die Schätzchen der Geistlichen in Augenschein zu nehmen, teils weil sie nach Geschenken geizten, teils endlich, weil sie nicht Gefahr laufen wollten, daß der Bischof sich in das schöne Liebchen eines Priesters verliebe. Ward ein Priester ohne Konkubine angetroffen, so wurde er gehänselt und mußte dem Visitator doppelte Prokuration reichen, während die Konkubinen oder Frauen dieser Priester mit Auszeichnung behandelt wurden. »Ein Erzbischof von Besançon wucherte mit allem Heiligen und Kirchlichen, bedrückte die Priester seiner Diözese so durch Erpressungen, daß sie zur tiefsten Armut herabsanken und nur in der armseligsten Kleidung, wie die Bauern, einhergingen. Mit seiner Blutsverwandten, der Äbtissin von Reaumair-Mont, trieb er Blutschande, schwängerte eine Nonne, übte mit der Tochter eines Priesters öffentlich Unzucht und trieb es überhaupt so arg, daß »die Laien die Hurerei für eine leicht verzeihliche Sünde hielten.« Sein Bruder entließ mit Wissen des Erzbischofs seine Frau und nahm eine Nonne zu sich ins Haus, die dann jener zu einer Äbtissin machte. Der ganze Klerus dieses Bischofs lebte im Konkubinate. Ein Erzbischof von Bourdeaux hielt eine Rotte Räuber, die er aussandte und die in ganzen Distrikten die Häuser plünderten, Menschen auffingen, Kirchen und Klöster ausraubten, die kirchlichen Kleider selbst wegnahmen, von den Priestern große Geldsummen erpreßten und weit und breit Armut und Elend verbreiteten. In die Abtei des heiligen Eparchius kam dieser Kirchenhirt einst mit einer Menge Dirnen und anderem Gesindel, blieb daselbst drei Tage und plünderte das Kloster rein aus. »Seine übrigen Verbrechen«, sagt Innocenz III., bis 1216 Papst, »verbietet die Schamhaftigkeit zu nennen«. Doch Niemand schildert kräftiger die Verderbnis der Kirche als Peter von Blois (gestorben 1199). Fragt man bei ihm nach, welches die Beschäftigung der Bischöfe seiner Zeit war, so erhält man zur Antwort: »Auf dem Rosse sitzen, Jagden halten, Fechten führen, einen großen, üppigen Hof halten, fürstliches und königliches Gefolge mit sich ziehen lassen, frechen Tribut (Hurenzins usw.) vom Klerus eintreiben, schändlichen Schacher mit Würden und Pfründen treiben, anstatt Schüler Christi, Schüler Neros zu sein, in ruchlosem und wüstem Schandleben zu schwelgen« und wie die Niederträchtigkeiten weiter heißen.
Des niederen Klerus Leben war nur der Abklatsch des Lebens der Großen. In einem Briefe des Papstes Innocenz an den Bischof von Tournay heißt es: »Wir haben erfahren, daß viele Kleriker in deinem Sprengel ein auf vielfache Weise abscheuliches Leben führen. Einige treiben schändlichen Wucher, andere treiben Ehebruch, andere halten sich öffentlich in ihren Häusern Konkubinen.« 1246 drohte Richard de la Wich II., Bischof von Cicester, den Priestern und Geistlichen, welche ihre Konkubinen nicht entlassen würden, mit Suspension und Beraubung der Pfründe. Auf die Unzucht der Geistlichen mit ihren geistlichen Töchtern und Beichtkindern erneuerte er die kanonischen Strafen, ein Beweis dafür, wie oft diese Vergehen vorgekommen sein müssen! Im Jahre 1280 verbot das Konzil zu Caserna den Klerikern, »irgend eine Frauensperson, sei es Mutter oder Schwester« bei sich zu haben. Danach muß Blutschande oft vorgefallen sein! Das Konzil zu Saintes setzte fest, die Lossprechung von der Unzucht der Beichtväter mit ihren Beichtkindern sei dem Bischof vorbehalten. 1281 beschloß die vom Erzbischof Sifried veranstaltete Synode zu Köln nicht blos, alle Geistlichen sollten bei Strafe der Exkommunikation innerhalb zehn Tagen ihre Konkubinen entfernen, sondern setzte höchst bezeichnender Weise und ebenfalls bei Strafe der Exkommunikation fest, »die Priester sollten an keinem dunklen und finsteren Orte, und nicht außer der Kirche, sondern nur in der Kirche an einem Orte Beichte hören, wo sie von Allen gesehen werden könnten«!! Ferner, sie sollten »keine Frauenspersonen allein in der Kirche Beichte hören, ihnen nicht das Gesicht beschauen und auch die nicht lossprechen, mit denen sie Unzucht getrieben haben, so wie auch nicht die Beförderer, die Vermittler, die Teilnehmer der Sünde, sondern sie zu anderen ehrbaren und verschwiegenen Beichtvätern schicken.« 1405 gebot der Rat von Bern allen Geistlichen, die Konkubinen zu entlassen. 1408 faßte die Diözesansynode zu Halberstadt den Beschluß u. a. den Geistlichen den Besuch in den Nonnenklöstern zu verbieten; ferner zu verbieten den Besuch bei jungen, verheirateten Frauen, besonders wenn deren Ehemänner abwesend sind und bei allen anderen verdächtigen Frauenspersonen, sowie auch alles unehrbare Gespräch und schädliche Spiel in ihren Kammern, oder auch öffentlich.
Welche furchtbare, vernichtende Selbstkritik des Klerus sind doch alle diese Beschlüsse!
Dabei muß man sich sorgfältig vor der Überschätzung ihrer Wirkung hüten. Denn viele Bischöfe sahen es gern, wenn ihr niederer Klerus Konkubinen hielt. Diese heimlichen Weiber waren für sie eine Quelle der Gelderpressung. Häufig, wenn sie in einer scheinbaren Anwandlung höherer Sittlichkeit dem Klerus plötzlich die Konkubinen verboten, geschah dies nur, um Geld zu erpressen. Heinrich von Hewen, Mitte des 15. Jahrhunderts Bischof von Konstanz, führte selbst ein üppiges Leben, und die Abgaben, welche ihm seine Geistlichen von ihren Konkubinen entrichteten, verschafften ihm eine jährliche Einnahme von 2000 Gulden! Die kleinen Konkubinengroschen seiner Pfaffen summierten sich zum großen Zins – für die Dirne des Bischofs.
Zur Zeit der Reformation mußten die Priester in Irland für jedes mit ihren Konkubinen erzeugte Kind ihrem Bischof acht bis zwölf Taler bezahlen. Und schließlich kamen die Päpste selbst. Als die Konkubine sich als unbesiegbar erwies, suchten sie selbst Vorteil aus ihrer Existenz zu ziehen. Die Absolutionsbriefe der Päpste stellten die Konkubine in Rechnung und eine lange Zeit hindurch mußte der Klerus einen jährlichen »Hurenzins« entrichten.
Das Volk sah den sittlichen Verfall im geistlichen Heer der Kirche. Die Satire, die Karikatur fielen mit schneidendem Hohne über den Klerus her. Vor allen aber das Sprichwort des schlichten Bauern und Bürgers. Wie die Klosterpfaffen, so sahen auch die Weltpfaffen im Spiegel des Volkssprichworts ihr naturgetreues häßliches Gesicht. Fast scheint es unmöglich, aus der Fülle all' der Hohnworte des Volkes über den Klerus die treffendsten herauszuschälen, weil immer schärfere geprägt wurden. »Madle, wenn du diene willst, diene nur dem Pfaffe. Kannst den Lohn im Bett verdiene, und darfst net viel schaffe.« – »Mit den Pfaffen hat der Teufel zu schaffen.« – »Pfaffengut fließt in'n Fingerhut.« – »Wo es schlimm hergeht in der Welt, da ist ein Weib und ein Pfaff zugesellt.« – »Pfaffenhaß kennt kein Maß.« – »Es ist nit not, daß die Pfaffen heiraten, so lange die Bauern Weiber haben« usw.
Auch bildlich fand diese Moral ihren Ausdruck und zwar unter den Augen der Sünder selbst. Nicht vereinzelt, sondern in fast allen mittelalterlichen Kirchen fand man symbolische Darstellungen, welche in satirischer Weise die Schwächen der Geistlichen geißelten. Welchen Sinn und Zweck diese heute noch vielfach falsch verstandenen Satiren hatten, erläutert Eduard Fuchs in seiner »Karikatur der europäischen Völker«. Es heißt da:
»Die meisten Erklärer sahen darin Satiren auf die Kirche und den Klerus. Darauf muß man aber antworten: nein, so gedankenlos war die mittelalterliche Kirche nicht, sich in ihrem eigenen Heiligtum beschimpfen zu lassen. Die kirchlichen Karikaturen, deren Sinn sich offenkundig auf Priester bezog, gingen allein von der Absicht des Vermahnens, des Besserns aus. Wie ein Vater seine Kinder züchtigt, so ermahnte und züchtigte die Kirche öffentlich die vom rechten Pfade abgewichenen Verkünder ihrer Lehren. Es ging nie gegen das Wesen, immer nur gegen das mißratene Glied. Auch um bloße Architektenscherze handelte es sich in den wichtigeren nicht, in solch' großem Maße gab die Kirche rein künstlerischen Einfällen nicht nach. Das erklärt auch noch der Umstand, daß die meisten dieser Darstellungen in den verschiedensten Kirchen sich ähnlich sind.«
»Vielleicht das interessanteste und am meisten berühmt gewordene Erzeugnis der satirischen Kirchenkunst mit symbolischen Mitteln sind die im Straßburger Münster gegenüber der Kanzel befindlichen Steinfiguren aus dem Jahre 1298, die dort bis 1685 zu sehen waren. »Jen der Kanzel über,« heißt es in einem alten Flugblatte, »da die adlichen Schild hangen, am Umgang bei den Fenstern, findet man im Kapital eine Säule in Stein gehauen einen Esel, so Meß machet, dem andere wilde Thier zu Altar dienen, desgleichen tragen die Bären und Säu ein Heiligthum, darauf ein Fuchs liegt, dieselben tragen auch Kerzen und Weihkessel« usw.
»Eine lange und ereignisreiche Geschichte knüpft sich an diese symbolischen Figuren im Straßburger Dom. Sie haben dem »Hüben und dem Drüben« gedient. Joh. Fischart sah darin eine Satire auf das Papsttum und der Frater Naß eine solche auf das Luthertum, und beide kommentierten sie in ihrem Sinne. »Denn da die Brüder wurden Stöck, mußten die Steine reden keck,« sagt Fischart und weiter: »Man trägt allhie für Heiligthum, ein schlafend Fuchs, deut Heuchelthum. Die Heuchler stellen sich wie Schaf und lauern wie ein Fuchs im Schlaf+… Die Sau zeigt an die Epikurer, die Pfründsäu, Mastschwein, Bauchknecht, Hurer, wie gemeinlich ist der Pfaffenherd, die dieses Heiligthum sich nährt+… Der Bock deut die hoch Geistlichkeit, mit der stinkenden Fleischlichkeit+…« usw. Demgegenüber kommentiert Naß: »Die Esel teutsche meß thun lesen, ihr Kelch ist Greuels voll gemessen. Der Hirsch verloffen Mönch bedeut, Apostaten und treulos Leut+… Die stinkend Böck und rusten Säu des Antichrists Boten alt und neu, Saropha zu Wittenberg bekannt, die treulos Nonn, der Klöster Schand, die treulos Wölf und fressig Bär gehn vornenher mit falscher Lehr.« Unsere Bilder zeigen die Holzschnittnachbildungen, die Johann Fischart seiner gereimten Erklärung beigegeben hat.« (Bild 79.)
»Aber auch ganz realistischen Darstellungen mit satirischem Sinn, die nicht erst einer Uebertragung bedürfen, begegnen wir in den Kirchen. Zu Magdeburg befindet sich auf dem hohen Chor der Domkirche ein geschnitztes Kloster, nach welchem ein Mönch eine Nonne trägt. Ein grinsender Teufel ist Pförtner des Klosters und läßt die beiden ein. Auch reitet in der Vorhalle desselben Domes die Venus als üppiges nacktes Weib auf einem Bocke. Dobberan in Mecklenburg besitzt in einer Kirche ebenfalls ein satirisches Gemälde aus dem 14. Jahrhundert. Ein Mönch verbirgt ein schönes Mädchen unter sein Ordenskleid. Alle diese Darstellungen haben sich bis in unser Jahrhundert erhalten. Als solche, die erst im 18. Jahrhundert verschwanden, werden uns u. a. genannt: eine Skulptur beim Eingange des Erfurter Domes, die ganz deutlich den Beischlaf eines Mönches mit einer Nonne zeigte, ferner ein Steinbild in der Kathedrale zu Straßburg. Gerade an der Treppe, die auf die große Kanzel führt, war eine Betschwester dargestellt, zu deren Füßen ein Mönch lag, welcher ihren Unterrock aufhob. Dieses für uns anstößige Relief war unter den Augen Geilers von Kaisersberg, des berühmten Kanzelredners, im Jahre 1486 geschaffen worden und blieb bis 1764 erhalten.«
Um dieses Pfaffentum zu erhalten, mußte das bäuerliche und städtische Proletariat des Mittelalters seine beste Kraft hingeben, und schrecklich lastete auf ihm, wie wir weiter sehen werden, der Druck der Zins- und Frohndenbürde, die große soziale Klage der breiten Masse des mittelalterlichen Volkes.