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Eine der schönsten Reisen, die man auf dieser wunderschönen Welt unternehmen kann, sind wir grade im Begriffe zu beschliessen. Unser Dampfer van Imhoff liegt im Hafen von Ambon, klar zur Fahrt nach dem Südende von Celebes, an dessen nördlicher Spitze er uns aufnahm. Zwischen diesen Celebesischen Endpunkten machten wir die Bogenfahrt von Insel zu Insel im Molukkenmeer, von Ternate nach Batjan, Buru, Ambon, Banda um hierher nach Ambon zurückzukehren und jetzt den Kurs auf Makassar zu enhmen.
Spiegelglatt und blau dehnt sich die lange Ambonbucht zwischen waldigen, gartengeschmückten Bergen aus, ein Lago maggiore in Indien. Noch stört das Maschinengepolter im Schiff nicht die Erinnerungen, mittägliche Stille lagert über Wasser und Land, ein leichter, leiser Wind streicht über das durch Holzbedachung gut gekühlte Deck, sodass ein günstiger Augenblick gekommen scheint, um die Erinnerungen an die herrliche Fahrt zu Papier zu bringen.
An einem Sonntagmorgen haben wir das idyllische Dörfchen Belang verlassen, in dem wir allgemach an 7 Monate gewirkt hatten. Braune Männlein, Weiblein und Kindlein waren in Menge auf dem Platze vor unserem Häuschen erschienen, um den Auszug anzusehen, wohl auch in der Hoffnung noch einiges von zurückgelassenen Sachen zu erwischen. Slamat djalan! (Gute Reise) ihrerseits und slamat tingal! (Guten Verbleib) unserseits, und nun leb wohl Belang auf Nimmerwiedersehen! 7 Monate unserer Lebenszeit sind reichlich genug für dich. Ich lenkte das luftige Wägelchen, das meine Frau und mich barg, nicht zu vergessen auch ein weissschwarzes Täubchen von der Insel Baleng-Baling und unseren grünen Papagei, auf den einzigen Weg, der aus Belang hinaus in die weite Welt führt. Der Kutscher ritt auf meinem Pferde hinterher. Die Strasse war uns allmählich recht bekannt geworden. Da die im Grün der Bananen halb versteckten letzten Häuschen des Dorfes, dann die braune, bedachte Brücke über dem trägen Flusse, rechts und links der palmenreiche Sumpf. Hier mein Jagdplatz auf Krokodile, die erst neulich einen Schimmel geschnappt hatten, dann weiter schlecht gepflegte Kaffeegärten. Am Wege sitzen wieder hunderte grosser Sumpfkrabben jede bei ihrem Loch im Schlamme, possirliche Thiere, die unermüdlich mit ihrem einen sehr stark entwickelten Scheerenarme in regelmässigem Takte weit ausholen und auf ihre Krabbenbrust schlagen, jetzt gleichsam betheurehd wie schwer ihnen der Abschied wird. Da kommt schon das Nachbardorf Tababu, und hier ist ja auch die Stelle, wo ich zu guter Letzt vor ein paar Tagen mit meinem schwermüden Pferde einen gemeinsamen Sturz machte. Nun geht es entlang dem rauschenden Malompar hinauf in die Berge.
Meine vulkanischen Freunde Saputan und Manimporok liegen breit und gross wieder vor uns, und mit Behagen sehe ich ihre obersten Spitzen an, von denen ich in das schöne Land hinabschauen konnte. Jetzt senkt sich die Strasse nach Lewutong, wo wir beim Packhausmeister auf einige Stunden zur Stärkung von Mensch und Pferd einkehren, bergauf, bergab lenke ich das Wägelchen nach Ratahan, und immer höher hinauf und wieder ins Thal hinab nach Pangu, dem rosenreichen Dorfe am Fusse des Gunung Potong. Ein schönes Plätzchen zwischen den waldigen Bergen, das schon Wallace entzückte und zum dreiwöchentlichen Verweilen einlud. Es freute mich, dass die Erinnerung an ihn auch unter den Malayen noch nicht erloschen war.
Wir hatten uns in der Zeit etwas verthan, Belang erst spät morgens verlassen, sodass stichdunkle Nacht uns schon beim Aufstieg zum Gunung Potong überraschte. Da das frisch in Pangu gemiethete Pferd alsbald versagte und den beiden anderen, die wir mitführten, auch nicht mehr viel zugemuthet werden konnte, zogen wir zu Fuss allgemach den Berg hinan hinter meinem Falben her, der mit seinem hellen Fell die Wegerichtung gab. Oben pfiff der Wind, und man sollte es kaum glauben, wie scheusslich man in Celebes unter dem Äquator abends frieren kann. Es that uns förmlich der Rücken weh in der »schneidenden Kälte«. Kalt und warm sind eben relative Begriffe. In Deutschland, d. h. ohne vorhergehende tropische Durchwärmung, würden wir den Abend höchstens als erquickend frisch bezeichnet haben.
Was war das anderen Tags für eine schöne Fahrt entlang dem See von Tondano, doppelt schön bei dem Gedanken, dass wir nun von all diesen Herrlichkeiten auf immer Abschied nahmen. Der hohe Kranz steil nach der Hochebene abstürzender Berge, Kawatak, Manimporok, Sempu, Kelelonde, Rinderukan, zeichnete sich in wundervoller Schärfe gegen den wolkenlosen Himmel ab, der als tiefblaue Kuppel die Landschaft überspannte.
Am Wege bei Paso machten wir den heilkräftigen, von vulkanischem Feuer heissen Wassern einen Besuch, wo gerade ein kranker Malaye Heilung suchte; dann ging es gen Tomohon, einem hochgelegenen Städtchen am Vulkan Lokon, dem malayischen Olymp, durch manches hübsche Dorf und schliesslich in scharfen Kehren hinab in die Ebene von Menado, und so hatten wir Celebes durchquert oder sogar durchschrägelt. Der Leser sieht, das ist kein Kunststück und noch weniger ein Wagniss. Vor einem Jahre war auch ich noch der Meinung, dass eine Wanderung quer durch einen Celebeszipfel ein gut gemessenes Theil von Mühsal und Gefahren mit sich bringen würde, vielleicht auch Hab, Gut und Kopf kosten könnte. Wie man sieht, ist das aber nicht der Fall. Auf den besten Wegen der Welt fährt man bequem von Wirthshaus zu Wirthshaus durch das schöne Land und ist dabei so sicher aufgehoben wie auf irgend einer Harzdurchquerung. Also auf zum schönen Celebes! Doch wolle jeder Freund der Bequemlichkeit sich nicht einen falschen Zipfel der vielzackeligen Insel zur Durchquerung aussuchen und am besten immer auf den grossen Wegen der Minahassa bleiben.
Mit dieser Fahrt nach Menado war unser Celebesaufenthalt abgeschlossen, und ein behaglich freudiges Gefühl kam über uns.
Die Glücksaugenblicke, in denen man sich wunschlos, ein Mal so recht mit allen gerade herrschenden äusseren Umständen zufrieden und im Einklang fühlt, sind bekanntermassen dünn gesät im Garten des Lebens. Man erlebt sie vor der sixtinischen Madonna, auf dem Forum; man durchkostet sie in der Studirstube, wenn das Experiment bestätigt, was wir im Geiste vorauserschlossen; und das Schicksal reicht uns eine Blüthe des Glücks, wenn wir frei und hoch nach mühseliger Wanderung auf der Bergeszinne stehen, in ein schönes weites Land hinaus sehen dürfen. Allerdings in vorliegendem Falle waren es minder poesievolle Verhältnisse, die uns für eine Weile in das Reich des Glückes versetzten. Wenn wir mitten im europäischen Leben stehen, die Civilisation gemessen wie sie uns ständig umgiebt, da liegt es mir wie anderen fern, in Eisenbahnen, Dampfschiffen, guten Hotels, Telegraph und Post, stärkenden Getränken und Eismaschinen etwas Besonderliches zu sehen. Man wolle aber gütigst einmal ein halbes Jahr nach Belang unter die Malayen gehen. Wer dann am Ende des Aufenthalts zwischen den noch so schönen waldigen Bergen, am noch so schönen blauen Meere und bei noch so interessanten braunen Menschen sich wieder bei kühler Abendluft in einen bequemen Stuhl auf dem Deck des elektrisch hell erleuchteten Dampfers niederlässt, rückwärts an die Belanger Tage denkt und dann nicht merkt, dass ein Glücksgefühl sich wohlig über ihn senkt, der ist entweder zum Malayen geworden oder muss noch ein halbes Jahr dahin, woher er gerade kam.
Von Menado aus hat man nur eine kleine Reise bis zum Nordkap von Celebes. Läge diese Fahrt eben nicht bei dieser Insel sondern in Europa, so hätte sie sicher eine internationale Berühmtheit. Sie fesselte alle Beschauer durch eigenartige, javanische Schöne. In ihrer Unberührtheit machte die grüne Natur mit unabsehbarem Wald, hohen Bergzügen, schlanken vulkanischen Gipfeln auf jeden einen förmlich feierlichen Eindruck. Aber gerade für mich, der ich so viel auf den in stiller Ruhe vor mir liegenden Höhen herumgekraxelt war, hatte die wechselnde Scenerie besonderen Reiz.
Nachmittags schon hatten wir das Nordkap im Rücken und richteten den Kurs nach Süden. Da tauchten auch unsere Inseln als blaue Schattenrisse auf. Slamat tingal!
In Gorontalo, das wir am nächsten Morgen erreichten, zeigte Celebes noch ein Mal ein besonders schönes Beispiel seiner landschaftlichen Herrlichkeiten. Hier durchbricht ein stattlicher Fluss, breit wie der Vater Rhein bei Köln, einen Granitriegel, der ihm den Eintritt in das Molukkenmeer hemmte, in einer geräumigen, schroffen Schlucht, die landeinwärts sich in überraschender Weise in eine grosse, bergumrahmte Ebene mit dem Limbottosee ausbreitet.
Nachdem eine gewaltige Menge Rotan eingeladen war (für Singapur bestimmt, wo hübsche Stühle und Tische aus ihm geflochten werden) und auch viele Säcke mit köstlichem Damarharz im Leibe des Schiffes geborgen waren, gings nun östlich in das Meer hinein nach der nördlichsten Molukkeninsel Ternate.
Im klaren Morgenlichte erschien eine stattliche Reihe mächtiger Kegelberge in langer Nordsüdfront wie zur Parade aufgestellt. Es sind die Spitzen gewaltiger Vulkane, die vom tiefen Meeresboden über das Wasser aufsteigen und ihre Häupter durch die Wolken stecken. Ihnen schliesst sich im Osten eine parallele Reihe an, die sich schroff am Westrande der Insel Djilolo (Halmahera), des getreuen Nachbildes von Celebes, erhebt, eine ganze Heerschaar von Vulkanen, schwerste Artillerie. Der Kegelbau der Berge giebt der Landschaft ihren eigenartigen Charakter. Dabei fehlt es aber auch nicht an zackig ausmodellirtcn Höhen, die einen prächtigen Hintergrund für die Vulkangipfel abgeben.
Das Städtchen Ternate liegt am Fusse des gleichnamigen Vulkans. Man sieht die zerstörende Thätigkeit des letzteren vom Orte aus nicht, da der Berg seine dunklen Lavamassen hauptsächlich nach der entgegengesetzten Seite ergossen hat. Alles ist in frisches Grün gekleidet. Noch zarter als der Gunung Ternate spitzt sich sein Nachbar, der Vulkan Tidore, zu, und geradezu ein Modell ist der zwischen ihnen aus dem Meere aufsteigende, kleinere Meitari. So ist man im Hafen von Ternate von einer ungestümen, feurigen, verderbendrohenden, vulkanischen Gesellschaft umgeben; von Zeit zu Zeit erinnern Erdbeben daran, dass die Kräfte der Tiefe sich noch regen.
Das Städtchen Ternate bietet uns nicht viel Neues mehr. Handel und Wandel sind offenbar im Rückgang. Für den Reisenden ist es die Vogelstadt Hier muss man sich den üblichen Papagei für Europa zulegen, den man dann bekanntermassen in der Heimat wegen seines entsetzlichen Geschreis schleunigst dem zoologischen Garten schenkt. Man hat die Auswahl. Weisse mit gelben, rothen oder weissen Hollen, unglaublich prächtig bunte, roth, grün, gelb gefleckte Luris und wenn möglich noch buntere kleine Papageien kann man, je nachdem man mehr oder minder stark Übervorth eilt wird, für 6 bis ½ Gulden erstehen. Das that denn auch die Schiffsgesellschaft, und bald hallte der Dampfer nur so wieder von dem ja leider gräulichen Geschrei unserer neusten, so schön befiederten Gäste. Schliesslich war eine förmliche Menagerie auf dem Schiffe versammelt; wohl an 30 Stück der herrlich geschmückten, entsetzlichen Sänger brüllten tagüber in vollem Chorus. Die höchst drolligen Manieren der Vogelgesellschaft entschädigten aber einigermassen, zumal als mildernder Umstand für uns ins Gewicht fiel, dass wir mit 7 Vögeln reichlich an dem Concert betheiligt waren.
Ternate ist auch ein Handelsplatz für Paradiesvögel. Auf der Insel giebt es diese schönen Thiere zwar nicht, sie werden von Neu-Guinea hierher gebracht. Die Opfer der Massenmorde, welche die europäischen Damen auf dem Gewissen haben, werden in Ternate gesammelt und zu Tausenden, in Kisten verpackt, versandt. Eine Sendung von 4000 Bälgen kam auch auf unser Schiff. Sie hatte schon hier in Ternate den erklecklichen Werth von 4000 × 15 == 60 000 Gulden = 100 000 Mark. Besonders hübsch sind die hellgelb geschwänzten Vögel mit braunem Leib, von denen ich mir ein Exemplar zu 17½ Gulden erstand. Lebendige Paradiesvögel sieht man hier schon selten. Sie werden in europäischen zoologischen Gärten sehr hoch geschätzt und mit 2000 – 3000 Mark bewerthet. Es ist sehr schwer, sie auf der Reise am Leben zu erhalten.
Abends ging es wieder in das Meer hinaus. Die Molukkenfahrten haben das Angenehme, dass die Aufenthaltsorte im schicklichen Abstande einer Nachtfahrt auseinander liegen, sodass man tagelang jedes Mal im Lichte der Morgensonne eine neue schöne Insel begrüssen kann, an und auf der man einen Tag verweilt, die man in der farbenreichen Beleuchtung des Sonnenuntergangs verlässt, um bis zum Morgengrauen nach einer andern dieser ins Meer gestreuten Inseln zu fahren. Jetzt galts zunächst dem Eilande Batjan, das sich zwar an malerischer Schönheit mit Ternate nicht messen kann, aber doch mit seiner langgestreckten Bai und seinen waldbedeckten Bergzügen einen lieblichen Eindruck macht. Dann gings nach Buru, wo in der Nachbarschaft des Städtchens Kajeli das berühmte Kajuputiöl gewonnen wird. Es geschieht das im Kleinbetrieb. Man sammelt die Blätter des Kajuputi-(Weissholz-)baumes, kocht sie in verschlossenen Töpfen und destillirt durch Holzröhren das Öl über. Ein Topf liefert an einem Tage an 1-2 Flaschen Öl, die man in Buru einzeln für 1 Gulden kaufen kann. Ganze Ladungen kamen in eigenthümlichen, aus dicken Palmblattrippen zusammengefügten Kisten an Bord. Im Orte rochs überall balsamisch nach dem Öl.
Ein Spaziergang führte uns auch in die Schule, wo ein langer freundlicher malayischer Magister eine nur spärliche Schaar von braunen Mägdelein und Jungen die schwierigen Wege des Schreibens wies. In Anbetracht der Ankunft unseres Schiffes hatten die meisten kleinen Malayen den Tag zum dies academicus gemacht und vorgezogen, statt in der Schule am Meeresstrande zu hocken und den Dampfer gründlich von aussen anzusehen.
Die grösste Niederlassung in dem Molukkenreiche liegt auf Ambon, in dessen prächtigen Hafen wir von Buru aus einliefen. Freundlich und friedlich lagert das Städtchen am Fusse lang hingestreckter Terrassenberge, die aus jungen, dem Meere enthobenen Korallenriffen bestehen. Das Bild des Friedens schwindet aber, wenn man den Fuss ans Land setzt. Ueberall sieht man noch jetzt nach l½ Jahren die Spuren eines gewaltigen Erdbebens, das in ein paar Augenblicken die Stadt zertrümmerte. Selbst die starken Mauern der alten Citadelle und der Wache weisen lange Risse auf, und viele Häuser liegen noch in wüster Zerstörung. Oft hat man Holzbauten bezogen, da natürlich kein Mensch wissen kann, ob nicht eines schlimmen Tages von neuem der Boden schaukelt und schwere steinerne Wohnungen in sich zusammenfallen. Ein malayischer Augenzeuge Najoan erzählte uns von der Schreckenszeit. Die Erde hatte durch öftere Schwankungen schon Tage lang vor dem Hauptbeben das schlimmste Ereigniss angedeutet bis dann auf einmal mit einem kurzen Ruck das grosse Unglück geschah. Najoan und seine Frau wurden mit heftigem Stoss von ihrer Veranda in den Garten geschleudert und entgingen so dem Untergange in ihrem einstürzenden Hause. Viele Hundert Menschen waren in ein paar Sekunden getödtet und weit mehr verletzt. Noch lange nachher wiederholten sich die Erdbeben, und erst seit zwei Monaten hat man nichts mehr von Erschütterungen gespürt.
Die Bevölkerung Ambons besteht zumeist aus geborenen Faullenzern. Sie haben den auch mir sympathischen Grundsatz, dass jede unnöthige Arbeit, die einem keinen Spass macht, möglichst vermieden werden muss. Nun ist es uns Europäern, wenigstens in Europa, gewöhnlich sehr schwer gemacht, diesem Principe nachzuleben. Hier gehts schon eher. Gesetzt der Ambonese hat einen Sagobaum gefallt, in ein paar Tagen das Mehl ausgewaschen, so ist er mit Weib und Kind auf drei Monate versorgt. Nahrungssorgen giebt es dann nicht. Drei Monate ist Feiertag. So sieht man denn ganze Schwärme brauner Kerle lazzaroniartig am Strande lungern. Am liebsten sehen sie es natürlich, wenn sie recht schnell und ohne grosse Arbeit etwas verdienen können. Tout comme chez nous. Aus dem Grunde ist das Kohlentragen für die Dampfer ziemlich beliebt. Für jeden kleinen Korb, der gefüllt aus den dicht am Strande liegenden Vorrathshäusern ins Schiff gebracht wird, erhalten die Leute als Trägerlohn 2 Cent in die Hand gedrückt. Sie könnten ja nun wohl leicht 50 oder mehr Körbe herantragen. Im Allgemeinen haben sie aber mit 25 genug. 2 mal 25 macht bekanntlich 50, und mit 50 Cent lässt sich auf Ambon lange leben. Wozu sich also weiter abrackern. Man schiebt vergnügt mit dem kleinen Reichthum von dannen.
Doch giebt es auch rühmliche Ausnahmen, so z. B. den schon vorhin erwähnten Najoan, der uns durch die Vielseitigkeit seiner Talente in Erstaunen setzte. Er hat eine prächtige Muschelsammlung zusammengebracht, auch eine hübsche Reihe von Ambonschmetterlingen, unterhält geschäftliche Beziehungen mit den Museumsvorständen von Paris und London, spricht holländisch, fand sich sofort im Deutschen zurecht, spielt Geige, malt und photographirt sehr hübsch und ist in seinem ganzen Wesen ein Bild der Regsamkeit. Seine Frau übt auch besondere Künste aus und stellt in sehr geschmackvoller Weise Körbchen aus Gewürznelken zusammen, die mit einem künstlichen Strauss geschmückt werden, zu dem als Material für Blüten und Blätter in zierlicher, natürlicher Art Papageienfedern verwandt werden. Diese Kunstfertigkeit wird auch sonst auf Ambon ausgeübt, wenngleich oft nicht mit so schönem Erfolge wie durch Frau Najoan.
Von Ambon führte uns unser Schiff zur Perle der Molukken, nach den muskatbaumreichen Bandainselchen. Hier inmitten des weiten Meeres liegt eine Landschaftsscenerie von wirklich wundersamer Lieblichkeit und zugleich von hervorragendem wissenschaftlichen Interesse. In der Nähe der Bandainseln findet das Loth stellenweise erst bei 8000 Meter Tiefe festen Grund. Aus dieser gewaltigen Senke erheben sich vulkanische Gebirge bis über das blau leuchtende, klare Wasser, sowohl als einfache Kegelberge als auch in schön geschwungenen Streifeninseln, deren geologische Deutung selbst dem Laien leicht fällt. Der von herrlichen Muskatbaumwäldern beschattete Halbkeis von Banda Lontar ist offenbar der Rest eines gewaltigen Kraterrandes, der innen schroff ins Meer herunterfällt. Banda Neira ist ein Theil eines zweiten, inneren Kraterringes, und bei beiden deuten im Meer verstreute Inseln die Fortsetzung an. So erkennt man, dass das dritte der Eilande, der jetzige Feuerberg, der sich schlank und schön aus der Flut erhebt, auf dem inneren Ringe sich aufgebaut hat.
Höchst malerisch wirkt das Städtchen Banda, das auf einer flachen Stelle von Banda Neira sich weit hinzieht und von einer weissen zinnen- und thurmgeschmückten alten Festung überragt wird. In den indischen Landschaften spielen Niederlassungen sehr selten eine bedeutende Rolle, im Gegensatz zu Deutschland und anderen Ländern Europas, wo Städte und Dörfer mit rothen Dächern oder hellen Wänden in der Scenerie sich wirkungsvoll herausheben. In den Indischen Tropen sind die Dörfer der Eingeborenen meist so im Grün verhüllt und durch rindengraue Farbe so versteckt, dass man sie beim Ausblick ins Land kaum bemerkt. Aber hier auf Banda treten Häuser und Hütten kräftig im Landschaftsbilde hervor und verleihen dem Ganzen ein italienisches Gepräge.
Da unser Dampfer höchst erfreulicherweise zwei Tage in dem rundum fast geschlossen erscheinenden Meere des alten Kraterkessels verweilte, hatten wir Musse genug, das schöne Bild in uns aufzunehmen. Glatte Wege führen zu unvergleichlichen Aussichtspunkten, zunächst zur Citadelle und vor allem zum Papenberge hinauf; natürlich zog es mich auch zum Vulkan, dem Gunung api, hin, der als stattlicher Kegel aus dem Meere herausragt. Er hat das Angenehme, nicht allzu hoch zu sein. 580 Meter muss man bis zu seinem Gipfel klimmen, und so liegt seine Spitze der tieferen Landschaft noch so nah, dass von ihr aus alles da unten, Meer, Schiff und Boote, Wald, Haus und Garten in schönster Deutlichkeit erscheint. Bei sehr hohen Bergen ist oft die Aussicht nicht besonders schön, da die Einzelheiten des tiefen Landes von oben gesehen schon verschwimmen. Nicht zu unterschätzen ist es beim hiesigen Klima auch, dass man mit nicht allzu grossen Anstrengungen den Gunung erklimmen kann, wenn er auch stellenweise immerhin reichlich steil emporstrebt. Ich glaube, dass ich mit meiner mühelosen Ersteigung in 62 Minuten einen Gunung Api-Rekord gemacht habe. Bislang hatte man, wie man mir sagte, immer 1½ bis 4 Stunden je nach Gemüthsart und Leibesbeschaffenheit, gebraucht.
Oben zeigte sich das steinere Berggerüst vielfach unverhüllt. Heisse Dämpfe von Wasser und schwefliger Säure halten den Pflanzenwuchs fern, sie hatten auch oft das ursprünglich schwarze Gestein gebleicht und gelbe Schwefeldecken abgelagert. Im Übrigen boten die flachen und steileren Kratereinsenkungen auf dem Bergesgipfel kein besonderes Interesse und nahmen sich ziemlich harmlos aus. Bedrohlicher sah sich eine Flankenöffnung auf dem zum offenen Meer hinabziehenden Abhang des Vulkans an, im Grossen und Ganzen schien sich aber die Schlange zusammengerollt und beruhigt zu haben, die nach dem Glauben der Eingeborenen unter dem Berge haust, deren Bewegungen die Erde erschüttert, und die im Zorn Feuer und Dampf aus dem Gipfel bläst.
Mit Banda war unsere Molukkenfahrt zu Ende. Wir hatten wieder etwas Herrliches auf der schönen Erde gesehen. Man warf wohl die Frage auf, ob man nicht lieber statt heimzukehren hier auf den lieblichen Inseln bleiben sollte. Ich denke, sehr bald würde das Paradies der Molukken zum Verbannungsorte werden. Dass es auf Banda kein Trinkwasser giebt, würden wir als Deutsche, die zur Noth auch mit Bier und anderen Getränken vorlieb nehmen, schliesslich ertragen, die Freuden der Geselligkeit Europas auch wohl draufgeben. Aber trotz der herrlichen Natur dieser weltfernen Inseln, trotz ewig blauen Himmels, stets grüner Wälder würde das Verlangen nach der deutschen Heimath wohl bald stark rege werden. Die Bedürfnisse europäischer Civilisation stecken doch zu tief in unserm Sinne, als dass man nicht wenigstens die Möglichkeit herbeiwünschte, sie zu befriedigen. Man will einmal wieder im Opernhaus oder dem deutschen Theater sitzen können, ins alte Museum gehen, wenn man Lust hat meinethalben auch ins Mellini-Theater oder zu Siechen, auf die elektrische Bahn nach Herrenhausen oder in den Schnellzug nach Paris steigen können, die Gelegenheit haben, einen Fachgenossen und guten Freund anzureden und sonst allerlei zu thun, was uns hier versagt ist. Darum ist es besser so wie es auf der grossen Prau in Belang stand: Kasana, Kamari, Dorthin und Hierher!
Eindringlich ward uns noch zu guterletzt vorgeführt, dass die Sonne in den Tropen nicht nur auf viele, viele Glückliche sondern auch auf Unglückliche scheint, die wohl frischen Muthes einst nach Indien zogen, und die jetzt als Schwerkranke darniederliegen, mit dem einzigen Wunsche, zur alten Heimath zurückzukehren. In Banda ward ein im besten Mannesalter stehender Offizier ins Schiff getragen. Er war von Berri-Berri befallen, einer wassersuchtartigen Tropenkrankheit, die mit grosser Herzschwäche verbunden ist, und sollte nach Java und wahrscheinlich nach Europa zurückgebracht werden. Doch als unser Dampfer heute morgen in der schönen Bai von Ambon, wohin wir von Banda zurückkehrten, still lag, und wir auf Deck den herrlichen Tropenmorgen im Anschaun von Meer und Land genossen, senkte man seinen schlichten, schwarzen Sarg in ein kleines Boot, und auf den Schultern seiner Kameraden wurde der todte Offizier zur ewigen Ruhe getragen.