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Der allernördlichste, schmale Zipfel der vielzackigen Insel Celebes, die Minahassa, ist ein lieblich schönes Land, umfluthet von einem stets blauen Meere, voll prächtiger, an die 2000 Meter ansteigender Feuerberge, mit grossen und kleinen Seen, Flüssen und rauschenden Bächen, schroffen Schluchten und breiten Thälern, voll Wald und Feld, mit sauberen Städten und Dörfern, in denen arbeitende und fröhliche Menschen wohnen.
Die Holländer können stolz sein auf die Ummodelung, die hier in kurzen 70 Jahren Platz gegriffen hat. Vor noch nicht einem Jahrhundert war die Minahassa vollständige Wildniss, sowohl bezüglich Land als Leute. Berg und Thal waren, abgesehen von kleinen Anpflanzungen von Kokospalmen, von dichtem Urwalde bedeckt. Am Strand und im Busch versteckt lagen einige Dörfer hinter dicken, stacheligen, lebenden Bambuswällen, mit unregelmässig gestellten, rohen Pfahlbauhütten, in denen viele Familien zusammen hausten. Kein Hausrath für irgend welche Bequemlichkeit fand sich vor. Die Kleidung besonders der Männer war sehr armselig: ein kleiner Gurt aus Baumrinde, ein Rindentuch für Brust und Rücken, das war alles. Trotz des schönen Namens Minahassa (Staatenbund) war Krieg der vielen kleinen Volksstämme gegeneinander an der Tagesordnung, und mancher lange Speer und manch langes Schwert wurde mit dem Haar Erschlagener verziert.
Nach einem mehrmonatlichen Verbleib am heissen Meeresstrande von Belang war bei uns das Verlangen nach kühlerem Aufenthalt in den Minahassabergen, deren Kranz schöner Formen wir so oft vom Meere aus bewundert hatten, sehr rege, und eines schönen Sonntagmorgens, am Osterfeste, machten meine Frau und ich, begleitet von unserem Badjo uns in einem Einspänner auf den Weg. Eine Ochsenkarre hatte das grosse Gepäck bereits auf die Hochfläche nach Kakas vorausgebracht, wo wir am Abend auch eintreffen wollten. Jedoch man weiss wann man fortgeht, aber nicht wann man ankommt, wenigstens nicht hier in Indien.
Als hinter dem Nachbardorfe Tababu die Strandebene überwunden war und der Weg ein wenig und schliesslich recht steil bergauf, bergab führte, lehnte unser Pferdchen die Weiterreise ab. Es war ein kleines, hübsches isabellfarbenes Thier, das Capitän Smits für mich in Parigi, einem bekannten Pferdeort in Celebes, erworben hatte, aber, eben wie alle »Kuda« hier, grösseren Anstrengungen nicht gewachsen. So gab es denn schon drei Stunden Ruhe in Lewutong, 9 paal von Belang, wo wir bei plötzlich hereinbrechendem Regen die Gastfreundschaft des malayischen Packhausmeisters, der das Kaffeelagerhaus der Regierung verwaltet, genossen. In der frischen Luft, die dem Gewitter folgte, wäre es eine Freude gewesen, den kurzen, schönen Weg nach Ratahan zurückzulegen, wäre nicht das Rösslein müder und müder geworden, sodass weder Zuruf noch Peitsche es in gelinden Trab zu versetzen vermochten. Wir mussten froh sein, wenn es nicht allzu oft still stand, und hatten mehr Musse als erwünscht, die jetzt so nahen Vulkanriesen zu bewundern, den braunen, kahlen Saputankegel und den waldigen, schluchtenreichen Manimporok, die sich zur Linken hoch erhoben, bald aus den schweren Wolkenballen sich herausarbeitend, bald von ihrem nassen Mantel bis tief unten verhüllt.
Da nicht daran zu denken war, über die Passhöhe heute noch zum Hochlande zu kommen, wurde Nachtquartier in Ratahan beschlossen, wo wir dem Hukumbesaar, dem höchsten malayischen Beamten im Orte, ins Haus fielen. Wir wurden freundlichst aufgenommen. Der Hukumbesaar bewohnte ein hübsch blauweiss angestrichenes, auf Pfählen stehendes Haus, das sich im Grün von Mangistanbäumen und Kokospalmen inmitten eines gut gehaltenen Gartens ganz lieblich ausnahm. Der Leser findet es im Titelbilde dieses Abschnittes. Kleine Treppen führten zu dem Hauptaufenthaltsorte am Tage, einer weitläufigen Veranda, an die sich ein grösseres Zimmer und weiterhin kleinere anschlössen.
Was will man mehr verlangen, wenn man in den Bergen von Celebes Gastfreundschaft bei einem Malayen sucht und wird wie wir in Ratahan von freundlichen Leuten an eine schön weissgedeckte Tafel mit allerlei guten Gerichten gebeten und findet zur Nachtruhe ein sauberes Zimmer, ein gutes, grosses Himmelbett mit schneeweissen Gardinen vor. Da kann man eben höchstens noch verlangen, dass es im deutschen Vaterlande, etwa tief im Inneren Hessens, auch so wäre, wo ich verschiedentlich schlimme Nächte auf einsamen Ausflügen erleiden musste. Hier in Celebes habe ich selbst in ganz kleinen Dörfchen mitten im Urwalde nicht nur von den braunen Eingeborenen freundlichst dargebotene Gastfreundschaft, sondern auch durchaus reinliche Verhältnisse gefunden. In Ratahan war aber alles über Erwarten gut, und bedauerten wir nur, die »Dame des Hauses« nicht zu Gesicht zu bekommen, die ihren Haushalt so vortrefflich verwaltete. Der behäbige Hukumbesaar ass mit uns, während die übrigen Hausbewohner, wohl auch manche Dorfgenossen aus der Nachbarschaft, in dunklen Ecken und hinter Thürritzen und Fenstern sich die Augen ausguckten nach den fremden Gästen, besonders wohl nach meiner Frau, und leise sich wiederholten, was wir dem Hukumbesaar erzählten. Er war ein ganz gut unterrichteter Mann, der schon mancherlei von Europa gehört hatte, sich aber gern von uns bestätigen liess, dass es dort thatsächlich zuweilen weisse Flocken wie Baumwolle regnet, das Wasser der Teiche gelegentlich zu Stein wird, dass man dort in Wagen ohne Pferde fahren kann und dann wie der Wind auf eisernen Wegen viele paal in wenigen Minuten durchfliegt.
Frisch gestärkt zogen wir am folgenden Morgen, der wie jeder Tag in diesem Lande strahlend schön hereinbrach, weiter auf die Reise, zunächst durch das schmucke Ratahan vollends hindurch, gegen den Gunung Potong zu, über welchen »gespaltenen Berg« die vortreffliche Landstrasse auf die Hochfläche führt. Ein reizend gelegenes Dörfchen mit schönen Gärten voll Rosen und anderer prächtigen Blumen, Pangu, lagerte bald vor uns. Dann gings in mancher Wegkehre in einem malerischen Thale mit üppiger Vegetation, in der uns besonders die riesigen Sträusse der Baumfarne gut gefielen, hinauf zur Passhöhe. Oben steht ein Wegehäuschen, in dem die Wandersieute vom Anstieg sich erholen können. Mensch und Vieh haben das wohl nöthig, wenn sie, wie wir, bis hierher unter senkrecht niedergehenden heissen Sonnenstrahlen emporgestiegen sind. Dann aber öffnet sich beim Überschreiten des höchsten Punktes zwischen den Baumkronen der Blick in das flachere, von Bergen umrahmte Feld des Hochlandes, in dessen Mitte als schönste Zier sich der langgestreckte See von Tondano inmitten grüner Reisfelder hinzieht. Durch schattige Kaffeegärten gings bergab. Das erste Dorf, Langowan, begrüssten wir als einen wahren Blumengarten, und auch weiterhin liegen Dörfer und Felder so schmuck und reinlich da, als wäre man in Holland und nicht in einer seiner fernen Kolonien. Sorgfältigst bebaut erstrecken sich die grünen Reisfelder weithin rechts und links am Wege, mit laufendem Wasser getränkt und oft von vielen arbeitenden Menschen und Thieren belebt. Sehr hübsch machten sich in dem Grün der Felder Schwärme weisser Reiher, die anscheinend nicht von den Malayen verfolgt werden, wie sonst doch alles, was irgend essbar ist. Niedliche Bilder geben gelegentlich die kleinen Pochwerke, in denen durch niederfallende von Wasserrädern angetriebene Holzstempel der gelbe Reis »paddi« von den Hülsen befreit und dadurch zu weissem »bras« umgewandelt wird.
Ähnlich hübsch und sauber wie Langowan ist auch Kakas, in dessen grossem, am See gelegenen Passanggrahan wir Quartier bezogen. Passanggrahan sind von der Regierung hauptsächlich für durchreisende Beamte errichtete Gasthäuser, in denen man mehr oder allerdings öfter auch minder gut bewirthet wird.
Als gegen 6 Uhr der Abend hereinbrach, kam die von uns in Belang ersehnte Kühle der Berge mit Macht, ja es war hier oben für den Hitze gewöhnten Körper fast zu kalt auf der freien, windigen Veranda. Auch Nachts konnte man ganz gut eine wollene Decke gebrauchen, was in dem Schwitzbad Belang höchstens in den spätesten Nachtstunden nöthig war.
Von Kakas kann man sehr hübsche Spaziergänge unternehmen, was für den zukünftigen Bädeker von Celebes gleich vorgemerkt sein mag. Zwei Sterne erhält die Aussicht von den Bergen bei Kaweng, von wo man das liebliche Bild des blauen Sees mit seinen schön geschwungenen Uferlinien, die grüne Felderlandschaft in seiner Umgebung und die malerischen grossen und kleinen Berge, die ihn umrahmen, aus der Vogelperspektive begrüssen kann. Der Weg mag für den frühen Morgen »warm« empfohlen werden. Als Nachmittagsausflug erhält gleichfalls den Schmuck von Sternen: Besteigung des Gunung Wahi bei Langowan, eines kleinen wohlerhaltenen Bimssteinvulkans mit geräumigem hütten- und feldergeschmückten Kraterkessel und aufgerissenem Rande. Scheut man aber das Bergsteigen, so kann man auf tadellosen, glatten Landstrassen am See entlang gehen, reiten und radeln oder landeinwärts sich dem Kranze hoher Berge zuwenden, die da nebeneinander gelagert mit wechselnden Formen den Horizont zackeln. Da ragt mit schroffem Abfall gegen die Seeebene der Kawatak auf, da liegt der Schnitt des Gunung Potong, durch den wir in dies paradiesische Land herniederstiegen, der Gunung Manimporok, ein von wilden, waldigen Schluchten zerrissener, jetzt friedlicher Vulkan, der Gunung Sempu mit seinem zerzackelten Gipfel (er heisst danach der »abgebrochene« Berg), zwischen beiden eine wundervolle Sattellinie, dann der Kelelonde, den man nach seiner Form »das umgekehrte Boot« genannt hat, und schliesslich der Klotz des Rinderukan. Den Beherrscher der Landschaft bei Belang, den Feuerberg Saputan, sieht man hier nicht. Dafür ragen aber der vulkanische Lokon und der Riesenkegel des Klawat herrschend aus den niederen Bergen heraus. Alles zusammen ein liebliches, eigenartig schönes Bild, zumal gegen Abend, wenn der Himmel seine unendliche Farbenpracht zu dem Grün der Landschaft leiht.
In diesem gesegneten Lande wohnen in dem milden Klima fleissige, friedliche und frohe Menschen, die in mancher Beziehung vortheilhaft von unseren Belanger Dorfgenossen abstechen. Zunächst auffallend ist ihre sehr grosse Höflichkeit gegen uns, die wir in Belang nicht gewohnt sind. Jeder Eingeborene grüsst hier den Europäer durch Hutabnehmen, und zwar nimmt er die Bedeckung schon an 20 Schritt vor der Begegnung ab. Auch Frauen entfernen hierbei ihr Kopftuch oder rücken doch ein wenig daran. Stets bekommt man Djalan baik! (guten Weg!) oder Tabe! (Gruss!) mit auf die Fahrt. Spricht man einen Eingeborenen an, so steht er ohne Kopfbedeckung. Es kam mir aber so vor, als ob diese ja auch übertriebene Unterwürfigkeit allmählich bei der jüngeren Generation abnimmt, und besonders die Söhne der »besseren« Malayen schienen in der Hinsicht etwas roth angehaucht zu sein. Im Allgemeinen gilt jedoch dem Volke der Europäer hier noch als ein höheres Wesen, dem stets der Vortritt gebührt. So wird z. B. der Eingeborene an einer engen Wegstelle bei einer Begegnung mit dem Gefährt eines Weissen seine Ochsenkarre freiwillig in den Sumpf fahren, aus dem er sie erst nach langen Mühen wieder herausbekommt; unter allen Umständen auszuweichen hält er für seine Malayenpflicht.
Auffallend ist eine japanische Gesichtsform, die man öfter, vor allem bei Frauen, findet. Es deutet das auf fernliegende Einwanderungen aus dem nordischen Inselreiche Japans hin.
In der Kleidung nähern sich die Leute, besonders die malayischen Beamten, stark den Europäern. Nur bei der Wald- und Feldarbeit sieht man gelegentlich bis auf einen Schurz unbekleidete Männer. In einzelnen Bezirken, so bei Lobu, geht es allerdings noch ziemlich urwüchsig zu. Da hat sich auf dem unfruchtbaren Sande des Saputan, den er bei seiner letzten Eruption grade hier reichlich über das Land gestreut hat, eine Anzahl Alfuren angesiedelt. Im Gegensatz zu den meisten Minahassaleuten, die sich Christen nennen, sind es noch Heiden. Sie hausen in düstern stallartigen Hütten. Die Männer tragen zumeist, wenigstens bei der Arbeit, nur ein Läppchen als Schurz, zuweilen auch eine merkwürdige Tracht aus Rinde. Man gewinnt sie durch Abschälen des Baumes, klopft sie breit und macht so einen grossen Rindenlappen, den man vorn über die Brust und hinten über den Rücken herunterhängen lässt. Der Kopf wird durch ein Loch gesteckt. Auch näht man den Streifen wohl beiderseits mit Rotan zusammen. Die Rindenkleidung ist kühl und regendicht. Allmählich verschwindet aber diese Arbeitstracht und macht dem Zeuge Platz. Ja, in der Minahassa entfaltet sich in der Kleidung gelegentlich ein gewisser Luxus.
Der höchste Staat wird an den christlichen Festen gezeigt. Doch schon jeden Sonntag putzt man sich für den Kirchgang stattlich heraus. Die bräunlichen Damen legen hierbei besonderen Werth auf einen Sonnenschirm, den sie sonst nicht gebrauchen. Er spielt noch die Rolle eines Baldachins, ist nicht zum Schutz, sondern nur zum Schmuck und Würdezeichen da. Manche tragen die grellen chinesischen Sonnendächer über sich, die Meisten aber prunken mit europäischen Waaren, mit weissen, rothen und dunkeln. Die Festtagskleidung ist in den Bergen schwarz. Bei den Männern kommt hierbei wohl auch eine weisse Hose zu Ehren. Einen Cylinder habe ich bislang noch nicht auf dem Kopfe eines Malayen gesehen; es muss aber in der Minahassa einen geben, denn auf dem Bilde eines Hochzeitzuges bemerkte ich eine sogar sehr gewaltige Röhre über dem Haupte des Bräutigams. Die glückliche Braut war ganz europäisch mit Taille in Weiss gekleidet und mit Blumen geschmückt. Für gewöhnlich hüllen sich die Frauen aber lose in ein buntes bezw. schwarzes Tuch, den Sarong, für den unteren, und in eine weisse oder schwarze Jacke (Kabaja) für den oberen Körper. Die Schuhmacher finden bei den Malayen auch hier in den Bergen erst wenig Absatz. Ihr Geschäft geht schlecht, denn man läuft barfuss, was sich sogar einige Europäer angewöhnt haben. Bei den Damen hat sich aber für Sonntag schon der Pantoffel eingebürgert, und einzelne »bessere« Malayen holen sich bereits Hühneraugen in richtigen schwarzen Wiener Lederschuhen, ja Lackschuhe und Reitstiefel habe ich bei diesen Enkeln von Menschenfressern zuweilen beobachtet.
Metallener Schmuck steht hoch in Ehren, hier wie auch bei den »wilden« Völkerschaften von Celebes. Da sieht man denn an den Fingern der Männer mächtige, silberne Ringe mit ungeschliffenen Steinen, bei den Frauen auch silberne oder goldene Armbänder, meist in Gestalt einer Schlange, Fussringe bei den kleinen Mädchen. Man steckt sich auch hübsche Nadeln ins Haar und legt sich gefällige Kettchen um den Hals, für die man, wenns für Silber oder Gold nicht langt, auch bunte Glasperlen verwendet. Gelegentlich traf ich einen malayischen Goldschmidt bei seiner Arbeit, die er mit höchst einfachen Mitteln geschickt vollzog. Ein Holzkasten mit Stempel diente als Gebläse, ein Thontopf mit Holzkohlen als Ofen, in dem in selbstgemachten kleinen Tiegeln Münzen umgeschmolzen wurden. Die Schmelze wurde in flache Höhlungen auf geöltem Kork ausgegossen und der gewonnene Metallbarren in hundertfältiger Wiederholung in Salzlösung getaucht, erhitzt, schnell etwas abgekühlt und allmählich in die gewünschte Form gehämmert.
Zur Ummodelung der Sitten haben hier in der Minahassa besonders die Missionare ihr gutes Theil beigetragen. Es giebt solche, die schon auf 30–50-jähriges, segensreiches Wirken zurücksehen können. Es sind protestantische Geistliche. In neuerer Zeit regt sich auch die katholische Mission. So sahen wir in Tomohon ein Kloster katholischer Schwestern und eine hübsche katholische Kirche, in der abends eine grosse Zahl von Malayen mit einem Priester andächtig versammelt war, sang und betete. Die Kirchen sind meist nicht in europäischer Art gebaut, im allgemeinen einfache Hallen, aus denen die Stimme des Predigers durch die offenen Thüren und Fenster schallt. Ähnlich frei und luftig wird auch der Schulunterricht abgehalten, der in der Minahassa eifrig gepflegt wird. Es wird nicht lange dauern, dann können die Leute hier sämmtlich lesen und schreiben. Sie besitzen alle einen ausgesprochenen Bildungsdrang. Ein Minahassajüngling wird lieber Schulmeister mit 8 Gulden Monatsgehalt als Arbeiter mit dem doppelten Gewinnst. Zuweilen war es wirklich überraschend zu sehen, welche Kenntnisse malayische Beamte besassen, die nicht nur mit elegantem, kaufmännischen Schwung zu schreiben verstanden, holländisch sprechen konnten, ja mühelos sich sofort in das Deutsche hineinfanden, sondern auch gut beschlagen waren in der Geschichte ihres Stammes und anderer Völker. Der Hukumbesaar von Sonder kannte dem Namen und Wesen nach Berlin, ja Bremen und Hannover und wusste über Kaiser Wilhelm und den Radja Bismarck Bescheid; einer unserer Bekannten behauptete sogar, ein Malayenfräulein, Tochter eines Beamten, getroffen zu haben, die für den Vierwaldstättersee und Schillers Wilhelm Teil schwärmerisch erglühte. Ich glaube es gern.
Die Gerichtsbarkeit liegt in den niedrigen Stufen in den Händen der Malayen. In jedem Dorfe giebt es einen oder mehrere Hukumtua (d. i. alter Gesetzeswart). Über ihnen steht der Hukumkadua (zweiter Gesetzeswart), dann folgt als hoher Herr der Hukumbesaar (der grosse Gesetzeswart), den man nur in bedeutenderen Orten trifft; mancher von diesen Hukumbesaar hat den Titel Major. Es ist sehr klug und diplomatisch, die niedere Gewalt bei den Eingeborenen zu lassen, sodass die Anordnungen über persönliche Leistungen für den Staat von stammverwandten Beamten ausgehen, so der »Herrendienst«, der hauptsächlich in Ausbesserung der Strassen besteht. Die Malayen sind es zufrieden, in solchen Sachen von ihren Landsleuten regiert zu werden, zumal diese Beamten aus den Reihen der Vornehmen genommen werden. Die höhere Verwaltung wird natürlich von Europäern besorgt. Man hat Controleure, Assistent-Residenten und Residenten. Die Fäden der gesammten Regierung Niederländisch-Indiens laufen schliesslich beim Gouverneur-General in Buitenzorg zusammen.
Bei den niederen wie höheren Beamten findet man bereitwillige Hülfe, die man auf Reisen öfter nöthig hat, denn es sind in Celebes noch keine offiziellen Einrichtungen für das Fortkommen der ja auch noch recht spärlichen Reisenden getroffen. Später werden Post und Eisenbahnen die Fahrten in der Minahassa erleichtern. Jetzt hält es oft schwer, Pferd, Wagen oder Ochsenkarre zu bekommen, und die biederen Malayen scheuen sich überdies gar nicht, den Europäer, bei dem sie natürlich einen unergründlich tiefen Geldbeutel voraussetzen, übers Ohr zu hauen und unerhörte Forderungen zu stellen. Weiterhin heisst es öfter als erwünscht ist warten. Die Zeit spielt hier noch keine wesentliche Rolle. Zuweilen berührt es uns durch Europas Hast nervös angekränkelte Leute zwar förmlich wohlthuend und erquickend, die grosse Ruhe des Gemüths, den breiten Gleichmuth zu beobachten mit dem hier das Gut Zeit behandelt wird. Alles lebt in der Gegenwart, geniesst sie heiteren Sinnes und sehnt sich nicht nach neuen Thaten. Aber selbstverständlich kann einen gelegentlich die hiesige Wahrheit »Zeit kein Gut« zur gelinden Verzweiflung bringen, wenn man eben auch ein Mal etwas »ein wenig plötzlich« besorgt haben möchte. Es ist mir schon begegnet, dass ich zwei Tage auf einen bestellten Führer gewartet habe. Aber »alles kommt zurecht in Indien.« So ging es auch mit unserer Osterfahrt, die uns um den schönen, 12 km langen Tondanosee herumführte. All die Namen Tompaso, Sonder, Tintjep, Tomohon, Tondano, Eris erwecken in uns die Erinnerung an liebliche Landschaften, an heisse Quellen, malerische Wasserfälle, hochragende Berge, grüne Reisfelder und dichte Wälder, an sonnige Blicke in das paradiesische Land, fröhliche, hübsche Menschen und gastfreundliche Aufnahme. Stets werden wir gern zurückdenken an die Berge der Minahassa.