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In Surabaja wurde die Hitze im Anfang November ungemüthlich gross. Dazu plagten uns die Moskitos, für die ja das Blut der frisch Angekommenen besonders wohlschmeckend sein soll; man will beobachtet haben, dass man nach einigen Monaten oder gar Jahren viel weniger angestochen wird als früher. Das half uns Neulingen leider jetzt noch nichts. Die nahen Berge lockten uns schon lange, unser Dampfer für Celebes lag noch nicht im Hafen, drum auf ins Gebirge!
Das Zügelchen brachte uns, vorbei an den neuentdeckten Petroleumbrunnen, gen Porong; und nach einer weiteren zweistündigen Fahrt im Wagen konnten wir schon von waldigen Höhen hinunter in die hitzeflimmernde Ebene blicken. Während da unten die Thermometer im Schatten tagsüber bis auf 35° C wiesen, und das Quecksilberfädchen nachts nur wenig fiel, bis auf ein paar Grad unter 30°, herrschte hier oben eine wahrhaft wohlthuende Frische.
Die Niederung ist ausgezeichnet angebaut, so eingehend, wie man es nur in den allerbesten Gegenden Deutschlands sieht. Ein vortreffliches Wasservertheilungssystem sorgt dafür, dass jedes Feld das unentbehrliche Nass erhält. Da sieht man die Zuckerrohrfelder künstlich in einen Sumpf verwandelt, den der Javane mit seinem einfachen, mit kräftigen Ochsen bespannten Pfluge wie einen Brei oder Teig durchknetet. Weiterhin bedeckt Mais weite Strecken, und auf wieder anderen wasserreichen, kleineren Feldern erblickt man die jungen Reispflänzchen in dichter, hellgrüner Fülle. Sie werden später jedes einzeln mit der Hand in das durch Pflügen vorbereitete Feld gesetzt, das während ihres Wachsthums gleichfalls immer nass gehalten wird.
Unser Ziel war Prigen, ein Dörfchen in etwa 600 m Höhe, wo gute Unterkunft zu finden sein sollte, was sich auch durchaus bestätigte. Eine Ueberraschung obendrein war es für uns, hier im Walde am Abhang javanischer Vulkanriesen eine deutsche Frau als Hotelbesitzerin zu finden, Frau Harloff aus Dresden, die uns durch freundliche Aufnahme, gute Rathschläge und interessante Berichte sehr zu Dank verpflichtet hat. Unter den Gästen befand sich auch ein Landsmann, sogar aus unserer Stadt Hannover. Das Gasthaus war fast besetzt, denn Prigen wird von Hitzemüden aus Surabaja gern aufgesucht. Auch unser Hannoveraner, der in Folge der 35° C. und seiner gewaltigen Körperfülle, wie er versicherte, seit acht Tagen zusammen keine acht Stunden gesunden Schlaf gehabt hatte, war nur deshalb aus Surabaja, wo er ansässig war, heraufgefahren, um ein Mal einen ordentlichen Schlummer zu machen. Es ist ihm auch gelungen. Er hat in seinem Behagen geschlagene zehn Stunden in einem weg und überdies in geradezu unheimlicher Weise geschnarcht.
Eine Hauptanziehungskraft des lieblich in einem Rosengarten gelegenen Gasthauses ist ausser der kühlen Luft, die jetzt am Mittag z. B. nur 24° C. beträgt, ein kleines Schwimmbad, das von einem Bach stets mit fliessendem klaren Wasser versorgt wird und mit seinen 20 bis 22° C. eine ausgezeichnete Erfrischung darbietet. Erfahrungsgemäss muss man im Genuss dieser Abkühlungen in den Tropen aber vorsichtig sein. Auch hier in Prigen haben sich manche durch Erkältungen Verdauungsstörungen zugezogen, die leicht böse ausarten. Das ist eine grosse Schattenseite des Tropenlebens, dass man viele Annehmlichkeiten im Essen und Trinken, den Sonnenschein und die Kühle der Nacht in Rücksicht auf die Erhaltung der Gesundheit nur sehr mässig geniessen kann. Die Fülle herrlicher Früchte darf nur mit Vorsicht gekostet werden; wie schade, dass man nirgends in vollem Vertrauen auf Unschädlichkeit der schönen Labe eines kräftigen Wassertrunkes im Freien sich erfreuen kann. Erst durch Abkochen, Filtriren, Vermischen mit Wein oder Cognac kann die so schmählich umgewandelte Gabe der Natur als Trunk geeignet gemacht und angenommen werden. Trifft der Schein der Sonne nur einige Minuten den entblössten Kopf, so stellen sich bald Kopfschmerzen ein, ja bei längerer Bestrahlung gefährliche Schwindelanfälle. Die Frische der Nacht oder des frühesten Morgens soll nun wieder besonders gefährlich in Hinsicht auf Malariaerkrankung sein. Leider bewahrheitet es sich in den Tropen öfter allzu schnell, dass man nicht ungestraft unter Palmen wandelt. Malaria, Leberkrankheiten, Berri-Berri sind die schlimmsten Schreckgespenster hier zu Lande, die Arm wie Reich nicht verschonen. Die niedere Bevölkerung in den Städten wird noch oft von der Cholera stark heimgesucht. Dafür aber treten viele andere Erkrankungen und die leichten Unpässlichkeiten, wie Erkältungen, Schnupfen u. s. w. fast ganz in den Hintergrund.
In den Bergen sind die bösen Krankheiten weniger verbreitet, als in der heissen, dunstigen und zuweilen sumpfigen Ebene. Erholungsbedürftige begeben sich deshalb ins Gebirge, das ja glücklicherweise fast überall in Niederländisch-Indien mit Ausnahme von Borneo sehr schnell zu erreichen ist.
Gesunde und Genesende haben gerade von Prigen aus gute Gelegenheit für hübsche Ausflüge und grössere Klettereien. Zu letzteren gehört die Besteigung des schroffen Ardjuno oder des schwefelreichen Vulkans Walirang, dessen oberster kahler Steinkegel sich mächtig über der Waldlandschaft erhebt. Aber auch in der Nähe kann man äusserst liebliche Blicke in die schöne Tropenwelt aufsuchen, in aller Morgenfrühe sein Rösslein, das man von einem Javanen miethet, durch einen tiefen, an Palmen und Bananen reichen Grund auf die nahe Berglehne und dann wieder hinab in ein Thal lenken, an dessen Beginn ein reizender Wasserfall an 50 Meter eine schroffe Felsenwand brausend hinuntertost und sich in den Morgenstunden mit einem Regenbogenreifen schmückt. In den Schwall förmlich hinein wuchern die üppigen grünen Gewächse, die ihn rundum in dichtem Rahmen einfassen. Oder auch lassen wir uns von dem Pferdchen den Berg hinauftragen in den Wald, unter dessen hochragenden, schattenspendenden Bäumen die dunkelgrünen Kaffeesträucher ihre rothen Beeren reifen lassen. Durch einige javanische Dörfer mit gelben niedrigen Bambushütten inmitten einer Fülle von Kokosbäumen und Pisangstämmen gelangen wir nach Ledook, einer grossen Pflanzung, deren schöne und lebhafte Besitzerin uns freundlichst aufnahm. Sie hatte ihre Jugendjahre in Deutschland verbracht und hing mit grosser Begeisterung an unserm Lande.
Da sass es sich dann herrlich in der geräumigen Vorhalle des luftigen Hauses beim Kaffee, Thee oder Erlanger Bier, vor uns die Riesen Ringit und Ardjuno, bis hoch auf ihre an 10000 Fuss hohen Gipfel mit dichtem Wald bedeckt, und um uns der Hausgarten mit seltsamen Tropengewächsen und deutschen Rosen.
Der Rückweg von Ledook führte uns über den Apenberg, so genannt nach den Schaaren grosser schwarzer Affen, die sich hoch oben in den mächtigen Bäumen tummelten und mit erstaunlichem Geschick durch die Luft von einem Ast zum anderen schwangen. Dass auch wilderes Gethier den dichten Wald bevölkerte, merkte ich an meinem Pferdchen, das plötzlich in eine auffallende Unruhe gerieth, aus seinem flinken Trabe in eine schärfere Gangart überging und gewaltig zu schnaufen begann. Es hatte einen Panther gewittert, der in der Nähe sein musste, von uns zwar nicht bemerkt wurde, aber eine Stunde vorher schon von der erwähnten Besitzerin von Ledook an derselben Stelle gesehen war. Die Begegnung mit solchen Katzen hat im Allgemeinen keine Gefahr, wenigstens am Tage. Wie auch der Tiger reissen diese Räuber vor dem Menschen aus, wenn es ihnen irgend möglich ist. Mehr gefürchtet sind die wilden Ochsen, die ohne gebührenden Grund den Menschen anfallen.
Ausser zu Ross haben wir es in Prigen auch als Wandersleute mit kleinen Märschen versucht, denen man in den Tropen wegen der Hitze im Allgemeinen abhold ist. In der Zeit des Sonnenunterganges ging es sich hier oben aber herrlich auf dem Fahrwege, der zu den Bergen höher hinaufführte. In der schnell eintretenden Dunkelheit glühten Tausende von Käferchen in gelbgrünem Lichte aus den Büschen heraus; und dass auch sonst in der Nacht sich die Insektenwelt ihres Daseins freute, das hörte man am tausendfältigen Summen und Zirpen in Busch und Gras, ein Geräusch, das bis zum Morgen nicht aufhörte. Glücklicherweise verstummte aber immer bald nach Sonnenuntergang das gräuliche Getöse, das ein gewisser Heuschreck mit napfförmigen Klappen an seinem Leibe hervorbringt, und das dem Quietschen und Kreischen rostiger, sich drehender Maschinentheile täuschend ähnlich ist, dabei ungemein grell und laut erschallt. Wenn man den Unhold zum ersten Male hört, ist man förmlich entsetzt von dem nervenquälenden Geräusch. Allmählich stumpft man sich aber merkwürdig dagegen ab.
In der Dämmerung ertönt dann wohl von Zeit zu Zeit die tiefe, grämliche Stimme einer fusslangen Eidechse. Mit einigen langen Krrrrrr! Krrrrrr! fängt sie an. Dann klingt es an vier oder fünf Mal in tiefen Tönen Gäkko! von denen das letzte in ein possirlich-ärgerliches Knurren verläuft. Man nennt das Thier nach seiner Stimme. Es wird wie die fliegenfangenden, kleinen, graugelben Echsen (Tjitjak), die in allen Wohnungen sich tummeln und Abends gern in die Lampennähe kommen, nicht gestört, selbst nicht von den Malayen, die sonst allem Gethier zu Leibe gehen, und wenn es irgend bratbar ist, in ihren Universaltopf, den flachkegelförmigen Watjang, stecken. Stellenweise werden Ratten, fliegende Hunde, auch grosse Schlangen von ihnen anscheinend mit demselben Genuss wie von uns Austern und Froschschenkel verzehrt.
Mit Spazierenreiten, Wandern, Lesen, Rauchen, Essen, Trinken, Baden und in süssem Nichtsthun vergingen die schönen Tage in Prigen schnell. Nachts schlief es sich wie zu Hause. Bald war es Zeit, von unserer deutschen Wirthin Abschied zu nehmen, in die heisse Ebene hinunterzusteigen, um uns in Surabaja nach dem fernen, unbekannten Celebes einzuschiffen.