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Eine Vulkanruine in der Minahassa, Celebes. Gunung (Berg) Manimporok.

18. Manimporok.

Allmählich haben wir sie fast alle überwunden, die trotzigen Bergriesen, die auf unsere Belanger Niederung heruntersehen, den wilden steinigen Saputan, den waldgeschmückten Manimporok, den Gunung Sempu und Walirang, und wenns dem Leser recht ist, möge er in Gedanken noch einmal mit mir in den grünen Wald hinausreiten und vulkanische Höhen erklettern.

Da ist der Gunung Manimporok der nächste, der genommen werden muss. Zwar die Hukumtua der umliegenden Dörfer behaupten, dass das nicht angängig sei, noch nie habe ein Mensch den Berg bestiegen. Gewaltige Schluchten, scharfe Grate, wüstes Gestrüpp sollen sich dem Wandersmann in den Weg stellen. Zudem seien gerade am Manimporok die wilden Waldochsen besonders zahlreich vorhanden, und auf den schmalen Graten sei es unmöglich diesen ungemüthlichen Herrschern im Walde auszuweichen. Blutegel und Gonnone, nicht minder Python-Riesenschlangen schreckten die Dorfbewohner vom Aufstieg ab, kurzum, die Malayen sahen nicht ein, weshalb ein vernünftiger Mensch anstatt in liebliche und nützliche Reis- und Kaffeegärten zu gehen, ganz unnützer Weise, gemeinen Steinen oder einer Aussicht zu Liebe, auf den steilen, wilden Manimporok klettern sollte.

Zu Lewutong fand ich aber einen eingeborenen Jägersmann, der anders dachte, schon früher ein wenig den sapi-Ochsen nachgegangen, zwar noch nicht bis zum Gipfel des Manimporok vorgedrungen war, aber mit mir den Aufstieg wagen wollte. So ritt ich denn an einem herrlichen Sonntagmorgen in der Frühe um 5 Uhr, als eben das Licht vom Meere her das Land überdämmerte, von Belang in die Berge nach Lewutong, von wo dann nach dem Aufenthalt, den es immer bei Fahrten mit Malayen giebt, gegen ½9 der Marsch vor sich ging: ich auf meinem Parigifalben, vor mir der Jägersmann in rauhem, grauen Gewände und mit meiner Drillingsflinte auf der Schulter und dem Patronengürtel um den Leib, hinter mir noch vier Leute zur Wartung meines Pferdes und zum Tragen von Nahrungsmitteln und einiger Kleidung. Die im Schatten hoher Waldbäume vortrefflich gedeihenden Kaffeesträucher der Gärten in der Umgebung des Dorfes erfüllten mit ihrem etwas säuerlichen Geruch die Luft; dann gings durch Bestände mit hohen Arengpalmen, denen der Wein entspringt, und an einer solchen Labequelle, die wir anzapften, schickte ich mein Rösslein mit einem Mann zurück, um nun zu Fuss einem Jägerpfade zu folgen und bald darauf weglos durch den Urwald zu wandern. Gelegentlich trafen wir noch einige Wäscher, die in dieser Zeit des knappen Reis das Mark der Sagopalmen in einfachen Gerinnen wuschen, so das Sagopulver von den holzigen Bestandteilen trennten und es dann in grosse Rindenbehälter füllten.

Der Gunung Manimporok ist der ältere Bruder und Nachbar des Saputanberges und seines Zeichens auch ein Vulkan. Er ruht aber schon lange in Frieden, hat einen Mantel grünen Waldes umgethan, der nur am Gipfel ein wenig löcherig erscheint. Sein mächtiger, von radialen Schluchten tief zerrissener einstiger Kegel ist seitlich aufgerissen, so dass er von oben gesehen die Form eines ungeheuren Hufeisens zeigt. Vor der für uns im Walde aber nicht sichtbaren Seitenöffnung führte mich unser Marsch vorbei. Eine Fülle von Gesteinsschutt ist vom Wasser aus dem offenen Gebirge herausgeführt und hat sich aussen deltaartig abgelagert. Schöner Urwald wächst darauf. Es ging sich verhältnissmässig bequem in ihm, da keine starken Steigungen vorkamen und weiterhin das Unterholz meist fehlte. So konnte man fast ungehindert zwischen den Baumriesen hindurchgehen, die reichlich genug Schatten spendeten, als dass man mit dem Hut in der Hand wandern konnte. Von Zeit zu Zeit musste jedoch mit dem Messer Bahn gehauen werden, auch schloss das Gelände natürlich nicht aus, dass man öfter über meterdicke gefallene Baumriesen klettern oder unter ihnen hinwegkriechen musste. Das bringt der Urwald mit sich. Leider mangelte es wieder nicht an Blutegeln und Gonnone-Milben, die besonders meinen Leuten arg zusetzten. Trotzdem war es eine prächtige Wanderung. Zudem brachte sie noch eine Überraschung. Denn als wir an zwei Stunden marschirt waren hörten wir einen Bach rauschen, der sich heiss wie Badewasser erwies. Er ist von vulkanischem Feuer geheizt, bricht in vielen Quellen unter dem Sande hervor und setzt auf seinen verschlungenen Wegen reizende Kalktuffbildungen ab. Baumstämme, Zweige und Blätter, die vielfach ins Wasser fallen, werden überkrustet, und hier und dort stürzen die Gewässer mit Kaskaden in halbkreisförmige Kalktuffbecken, in denen das Wasser klar und herrlich blaugrün steht.

Für diesen Tag war es zu spät für den Aufstieg. So schliefen wir denn auf der Sandfläche zwischen Saputan und dem Gunung Manimporok, um in der Frühe des folgenden Morgens uns den Berg hinaufzuarbeiten. Wie ich erwartet hatte, erwiesen sich die Schreckbilder der Malayen als Gespenster. Zwar gings natürlich zum Theil mühselig genug einen Grat hinan, den ich mir zum Aufstieg auserlesen hatte, aber mit unserem Waldmessern schafften wir allmählich Bahn. Schlimmer als Busch und Baum war das schilfartige Eiesengras, alang-alang, das mit seinen fingerdicken und weit über mannshohen Stengeln eine wüste Wirrniss bildete, durch die man sich nur allmählich durcharbeiten konnte. Das Unkraut wächst in Celebes überall wo der Wald eine Lücke bietet und ist bei der Urbarmachung mehr gefürchtet als selbst steiniger Boden, da es kaum auszurotten ist. Langsam, langsam gings hinauf, kein sapi liess sich sehen. Man kann es ihnen nicht verdenken, dass sie diese Wildniss meiden. Schliesslich nach gut vier Stunden konnten wir die nie betretene höchste Kuppe begrüssen, aus den mit fussdicken Mooslagen bewachsenen Ästen eines Baumes in die Runde blicken, die schöne Minahassa überschauen und den idealen Preis gewinnen, der unsere Mühen lohnte. Von dem scharfen Kraterrande öffnete sich der Blick in den weiten ungeheuren Kessel, der ehemals Tod und Verderben sprühte und rauh und steinern als Pforte des unterirdischen Feuers dalag, jetzt aber seine wilden steilen tiefen Abfälle mit dem Grün des Waldes umkleidet hat. Es war in der That ein grossartiger Anblick, diese jähe Tiefe in ihrer gewaltigen Hufeisenrundung, mit ihren scharf abfallenden, coulissenartigen Vorsprüngen zu sehen, die besonders malerisch erschien als aus dem Grunde aufsteigender schneeweisser »Nebel im riesigen Wolkenballen in dem Krater wie in einem ungeheuren Hexenkessel wallte und fluthete. Oft stieg der weisse Dampf bis zu uns empor, zuweilen auch liess er grade die Spitze des Kraterrandes, auf der wir standen, frei, sodass wir wie auf einer grünen Insel im Wolkenmeere schwebten.

Spät am Nachmittage langten wir zerschlagen und auch zerschunden, hungrig, durstig, in dem Lager wieder an, wo ich zwei meiner Malayen zurückgelassen hatte. Vor allem erst einen kühlen Trunk und sei es auch nur ein Bambusglied voll Wasser. Kassi banjak ajer minum! (gieb mir mal ordentlich zu trinken), rufe ich als erstes Wort unseren braunen Brüdern zu. Soll man es glauben: ajer abis, tuan (das Wasser ist alle, Herr)! Da haben wir den kindlichen Egoismus der Naturkinder. Sie haben alles ausgetrunken und an uns natürlich nicht gedacht. Zu ihrem Glücke setzte alsbald ein starker Regen ein, der uns alle verfügbaren Gefässe füllte und die selbstsüchtigen Fahrtgenossen vor einer langen ihnen schon zudiktirten Wanderung zum Wasserholen bewahrte. Nun konnte getrunken und gekocht werden. Albert Rehse Sohn, Wülfel bei Hannover, labte uns in der Wildniss mit Mockturtlesuppe, hannoverschen Bohnen und Rindfleisch; dann gab es einen Topf starken Kaffee. Ich setzte mich mit meinen Leuten auf ein Scheit Holz an das lodernde Feuer, rauchte mit dem benachbarten Vulkan Saputan um die Wette und schlief schliesslich auf dem harten Knüppellager so ergiebig wie es sonst eigentlich nur ein Malaye kann.

Das war der Manimporok, der mir übrigens ein paar Tage in den Gliedern lag. Das nächste Mal gilt es dem Schwefelberg Walirang.


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