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Mittagsrast am Inselstrande.

10. Usuppu, Badjo, Jusup, Martin

Einigen aus der Schaar unserer braunen Arbeiter und Bedienten gebührt eine besondere Würdigung.

Da ist Usuppu, unser Prauführer, der Steuermann und Wächter unserer kleinen Flotte, die aus einem Boot und drei Einbäumen besteht. Seine Haut ist ein wenig heller als bei den Belangern gewöhnlich ist, und das ist Usuppus Stolz; da seiner Meinung nach das Baden im Meere schwarz macht, vermeidet er nach Möglichkeit die Berührung mit dem Salzwasser. Auch gegen die Sonnenstrahlung schützt er sich ausgiebig durch einen mächtigen, kreisrunden Palmblattstrohhut; zudem trägt er unter diesem noch einen Turban, dessen Tuch ihm jedoch gelegentlich auch als Binde um Hals oder Leib dient. Ein Hemd hat Usuppu sein Lebtag nicht besessen. Er begnügt sich mit dem Sarong, oder wenn er feierlich erscheinen will, mit einer engen rothen Hose und weisser Jacke. Sein Lebensalter ist ihm natürlich unbekannt; nach dem jungen, gutmüthigen, runden Gesichte zu urtheilen, das leider durch einen vom Sirikauen blutrothen Mund voll zerfressener schwarzer Zähne verunziert wird, ist er in der Mitte der zwanziger.

Von Usuppus Fähigkeiten kommt uns seine genaue Ortskenntniss des Meeres bei Belang sehr zu statten, wo er jeden Pfad durch die Korallenklippen weiss. Gelangen wir auf einer Bootsfahrt an eine augenscheinlich gefährliche Stelle, so heissts immer erst: Suppu (so haben wir seinen Namen abgekürzt), bole? (wirds gehen?) Dann geraumes Stillschweigen und sein beruhigendes bole! (es geht), oder ein energisches tida! (nein).

Viel weiter als man von Belang sehen kann, erstrecken sich aber seine geographischen Kenntnisse nicht. Nach Bentenan ist es weit, nach Kema und gar Menado sehr weit, und Java ist bei ihm das Ende der Welt. Europas Ferne war ihm unfassbar. Es war ihm niemals vorher auch nur der Name dieses Erdtheils vorgekommen.

Ausser als Bootsmann, dient uns Suppu gelegentlich als Koch. Im Fache der Küchenwisssenschaft sind seine Leistungen jedoch minder vollkommen als die auf der blauen Meeresfläche, indess hat uns seine in manchen Stücken eigenartige Kocherei doch stets befriedigt, zumal wir ihm allmählich einige europäische Grundbegriffe über Reinlichkeit beigebracht haben. Entstiegen wir auf der einsamen Insel Bentenan früh morgens gegen ½6 dem Feldbette oder der Hängematte, so galt der erste Ruf Usuppun, der dann auch alsbald mit einem unendlich grossen Topf voll Kaffee erschien. Der Einfachheit halber wurde das Kaffeemehl mit dem Wasser nämlich in unserem eisernen Topfe gekocht. Dazu stellt er condensirte Schweizermilch, Zwieback und Marmelade. Den Kaffeerest trinkt Usuppu aus (er sorgt durch bedeutende Verdünnung dafür, dass für ihn stets etwas übrig bleibt); natürlich kann er nicht verstehen, weshalb er wenigstens vor unseren Augen nicht gleich aus dem Topfe selber trinken soll. Unsere Emailnäpfe, die uns auf den Inseln ausser für den Mokkatrank für alles andere Trinkbare, seis Selterwasser, Wein, Bier oder Whisky-Soda, dienen, hält er für einen thörichten Luxus.

Mittags sorgt er für eine bescheidene Reistafel, tödtet zwei der vom Festlande mitgebrachten Hühner durch Kehlenschnitt (nicht durch Kopfabhacken, denn sonst dürfte er nach seiner Religion sich nicht am Essen betheiligen) und brät sie ganz vortrefflich vermittelst Kokosöl in einer flachkegeligen Eisenschüssel, dem watjang. Zum Huhn bringt er riesige Mengen von nassi herbei, gedämpften Reis, dem er durch allerlei bösartig scharfe Kräuter Geschmack verleiht. Usuppu hat es jetzt auch gelernt, Conserven heiss zu machen, mit dem Korkzieher umzugehen, sogar Apollinaris ohne allzugrosse Verluste einzuschenken. Kurzum, er ist in Ess- und Trinkangelegenheiten für uns auf einsamen Streifzügen von grossem Nutzen.

Falls Usuppu besonders guter Laune ist, was einzutreten pflegt, wenn wir im Schatten des Abends übers Meer heimwärts nach Belang fahren und er nicht mitzurudern braucht, so lässt er wohl ein einheimisches Lied auf der stillen Wasserfläche erschallen und singt von Hirsch, Fisch und Wasser, von der weissen Frau und von dem, was sonst sein Malayenherz bewegt.

An solchen schönen Abenden fragt er dann wohl danach, wie weit wir im Monat vorangeschritten sind und kommt, wenn er die Antwort erhalten hat, nach einer guten Viertelstunde mit der Nachricht heraus, dass es nun noch 40 oder 23, je nach dem, Tage bis zu seiner Hochzeit seien. Suppu geht zum zweiten Mal auf Freiersfüssen, seine erste Frau ist todt. Obwohl er nach Landesbrauch vier Gemahlinnen haben könnte, lebt er als armer Mann mit einer. Usuppu ist, wie natürlich die meisten Belanger, so arm wie der Vogel im Walde, ja terlalu miskin, zu arm, wie er selber sagt. Ein reicheres Malayenfräulein mag ihn nicht. Orang miskin misti tjari orang miskin. Arm muss sich zu arm gesellen meint er auf unsere Frage, weshalb er sich nicht eine vermögende Frau nehme, z. B. Fräulein Kandau oder die Schwester vom Hukumtua. So hat Usuppu denn ein parampuan miskin, ein armes Mädchen, sich als Zukünftige erkoren, die ausser ihrem Sarong nichts in die Ehe bringt.

Nach modernen Begriffen handelt Usuppu bei seiner Heirath mithin sehr unüberlegt. Er ist gänzlich arm, und sie ist gänzlich arm, ja Usuppu hat noch Schulden. Er lässt sich bei seinem Heirathsplane durch den praktischen Gedanken leiten, dass hier zu Lande eine Hochzeit auch etwas einbringt. Ganz Belang feiert mit, und jeder spendet ein Theil des Nöthigen an Reis und Fisch, Öl und Lombok für die Feier, auch wohl einige Cent oder Gulden, je nach Vermögen. Das reicht dann für das achttägige Fest aus, und es bleibt zuweilen noch etwas über. Später – ja später werden Usuppu und seine junge Frau sich schon weiter helfen. Dann will er sich ein Häuschen bauen. Vorläufig haust er mit seiner parampuan beim Schwiegervater. Reis gedenkt Usuppu sich zu leihen, später, wenn er für uns nicht mehr arbeitet, auch eine Prau. Dann will er Fische fangen. Vorläufig fehlt ihm aber noch ziemlich alles, ja er hat seinem Schwiegervater noch nicht ein Mal den Kaufpreis für seine demnächstige Gattin überliefert, der in einigen Sarongs, merkwürdiger Weise auch in 48 Porzellantellern und in Geld ausgemacht ist. Eine glückliche Natur wie Usuppu sie hat, sorgt sich aber nicht. Er hofft auf seine tuan-tuan (weissen Herren), die wohl auch noch ein wenig zum Feste geben, und schliesslich halfen wir unserem Bootsmann, der uns so oft auf dem Meere durch Strömung und Wellen sicher gefahren und durch die Riffe nach Belang glücklich zurückgebracht hatte, aus Dankbarkeit thatsächlich in den Hafen der Ehe hinein.

Unsere Geschenke setzten Usuppu in den Stande die Feier sehr glänzend zu gestalten. So wurde denn allabendlich eine Woche lang nach der Trommelmelodie gesungen und gesprungen, die der junge Ehemann selbst den vom Priester entliehenen beiden Instrumenten entlockte. Wie bei uns ja auch gelegentlich im Laufe der Feier einer ländlichen Hochzeit, gabs eines Abends unter den Gästen eine kleine Keilerei. Im Allgemeinen soll aber alles friedlich abgelaufen sein, trotz des reichlich fliessenden Palmweins.

Als Usuppu nach 8 Feiertagen wieder zur Arbeit antrat, vertraute er mir an, dass nun alles verjubelt sei, und da auch sein porskut (Vorschuss) für den folgenden Monat schon mit darauf gegangen war, hat das junge Paar vier Wochen lang nach seiner Hochzeitsfeier allein von Mais gelebt, der hier das billigste Essen giebt.

Da ich hoffe, dass auch Leserin und Leser ein wenig Interesse an Usuppu gewonnen haben, will ich ihn hier vorstellen. Er sitzt auf dem Titelbilde dieses Kapitels rechts im Schmucke seines Turbans.

Badjo, unser Hauptdiener im Hause, ist mit Usuppu nicht vergleichbar. Während letzterer die malayische kindliche Gutmütigkeit darstellt, ist Badjo die personificirte malayische Schlauheit. Er hat leider viele schlechte, aber auch einige, hier seltene gute Eigenschaften.

Sein Herr ist für ihn die Person, die recht auszunutzen ist, und nach dem Grundsatz, dass viele kleine Betrügereien schliesslich auch etwas Erkleckliches abwerfen, stiehlt und schwindelt Badjo wo er nur immer kann. Glücklicherweise hat sein tuan (das bin ich) aber auch eine Frau, die nonja, die dem ungetreuen Knechte auf die Finger passt, sonst würde der monatliche Küchenetat wohl um viele Gulden höher sein. Im Anfang unseres Zusammenwirkens ist es ihm vielfach gelungen, ein gut Theil der Küchengelder in seine Tasche zu lenken. Beim Einholen des Arengweins zum Brotbacken, von Hühnern, Eiern, Früchten vom Markte war sein üblicher Aufschlag der Apothekersatz von 100–300 Procent. Später wurde ihm aber diese Plusmacherei gelegt. Da befolgte er dann das System des direkten Mausens. Meine Frau fand gelegentlich unter seinem Sarong in der Küchenecke versteckt ein Nest Reis, ein Bündel mit Kaffeebohnen, oben über den Balken einen kleinen Seifenspeicher, Gläser mit Butter und sonst dergleichen, was für ihn und seine Verwandten brauchbar war. Wie alle Malayen es zu thun pflegen, wenn sie in einen fremden Ort kommen, hat nämlich auch Badjo, der ein von javanischer Mutter geborener Makassaraner ist, sich in Belang Eltern, Brüder, Schwestern, honoris causa, und eine Ehefrau zugelegt, die anscheinend alle auf unsere Vorräthe rechnen.

Vielleicht haben wir die meisten der Diebsschliche Badjos entdeckt, wer weiss aber, was ihm alles gelungen ist.

Natürlich ist unser Badjo so verlogen, wie ein Javane nur sein kann. Es ist gänzlich unnöthig, ihm ein Wort zu glauben. Weshalb wir ihn nicht hinauswerfen? Weil er auch einige bessere Seiten hat und wir wahrscheinlich für diesen Teufel nur ein Beelzebub erlangen würden. Badjo ist ein »fixer« Bedienter, dem alles glatt und sauber von der Hand geht, der stets für peinlich reine Teller, Messer, Gabel, Gläser sorgt, nicht vergisst, Wasch- und Trinkwasser regelmässig auf den Waschtisch zu stellen, das Schuhwerk täglich ohne Auftrag, wie es sich bei der Hitze hier gebührt, mit Kalkmilch weiss anpinselt, nie Geschirr zerbricht, stets gut gekleidet geht und eben, wenn er will, alles was ihm im Haushalt obliegt, sauber und ordentlich besorgt. Zuweilen will er allerdings nicht. Dann drückt er sich mit Ausdauer von der Arbeit, bleibt bei kleinen Einkäufen stundenlang aus, ganz besonders, wenn Passertag in Belang ist. Das ist nun zwar ein Fest- und Faullenztag für alle Dorfgenossen. Männlein, Weiblein, Kindlein bummeln dann vor und in der offenen Markthalle umher, kaufen Nöthiges und Unnöthiges, und unser Badjo immer mitten drin. Kommt der Passertag, so kommt auch er jedesmal mit minta porskut, er bittet um Vorschuss, und zwar meist aus betrüblichen Gründen: er lässt seinen Vater oder seine Mutter sterben, auch Brüder und Schwestern, und braucht anlässlich des Trauerfalls neue Kleider, mindestens ist einer seiner Verwandten, die er eigentlich hier in Belang gar nicht hat, krank, und deshalb gebraucht er Geld. Im Grunde ist das treibende agens aber das Drängen seiner Gläubiger, bei denen er sehr arg im Schuldbuche steht. Wie unsere anderen braunen Hausgenossen ist Badjo leidenschaftlicher Spieler, auch giebt er gelegentlich bei Festen sein Geld auf ein Mal aus und pumpt noch kräftig dazu. So hat er neulich an einem Abend für sich und seine Zechgenossen 14 Gulden an Bier gewandt. Mit seinem 10 Gulden-Monatsgehalt kommt er natürlich bei solch unsolidem Leben aus den Schulden nicht heraus. Wenn die Gläubiger (unter denen ein Araber eine Hauptrolle spielt) zu arg drücken, so drückt Badjo weiter auf meinen Geldbeutel. Bekommt er dann auf seine Bitte um weiteren Vorschuss kein Geld, so wird er krank. Das nützt ihm aber nichts. Wir nehmen eben einstweilen einen anderen an seine Stelle, leiden ein wenig unter dem Wechsel, werden dann aber nach ein paar Tagen durch Badjos Wiedererscheinen erfreut.

Ähnlich dem Badjo in Thaten und Gesinnung ist Jusup, unser Waschmann. Er kommt wenig auf die Bildfläche, erhält die Wäsche vorgezählt, verschwindet damit und bringt sie fein sauber nach kurzer oder langer Zeit wieder, natürlich nicht vollzählig, ein Hemd oder ein Laken, zum mindesten ein Taschentuch sucht er für sich zu behalten. Das gelingt ihm aber nicht, und wenn er dran erinnert wird, dass er in der Woche nicht 54 Stück, die er bringt, sondern 56 zum Waschen erhalten hat, fällt ihm das auch ganz plötzlich ein, und die fehlenden Sachen sind bald zur Stelle. Zuweilen wird er dabei ertappt, dass er eins meiner Hemden trägt, natürlich aus reiner Vergesslichkeit. Erfreulich ist, dass er sauber wäscht. Sein Vorgänger im Amte erleichterte sich das Geschäft ungemein dadurch, dass er die Flecke in den weissen Anzügen mit einer mächtigen Stärkeschicht bedeckte und sich die Wascharbeit ziemlich sparte. Beiden und allen anderen indischen orang tjutji (Waschmännern) gemeinsam ist, dass sie das ihnen anvertraute Zeug bald und gründlich verderben. Beim Waschen wird es nämlich nicht gerieben, sondern mit grosser Gewalt nass auf einen Stein ge- und oft zerschlagen. Knöpfe zersplittern natürlich hierbei, und deshalb trägt man, wenigstens in den Jacken, ein- und aussteckbare, die vor der Wäsche entfernt werden.

Schliesslich will ich auch unseren zweiten Hausdiener Martin nicht vergessen. Sein Signalement lautet: dick, faul und schmutzig. Auf unserem Titelbild S. 86 hat er sich in den Hintergrund gedrückt. Er ist ein orang Amurang, einer aus Amurang an der Nordküste von Celebes, und in Amurang ist man noch ein wenig in der Cultur zurück. Er geht, wenn er allein ist, noch gern halbnackt, nur mit Hose bekleidet, schläft sehr gern, bummelt sehr gern im Dorfe umher bezw. sitzt stundenlang bei seiner Susi im Passanggrahan und ist deshalb meist nicht zu finden.

Haben wir das Haus einmal ein paar Tage lang seiner Fürsorge anvertraut, so kann man sicher sein, dass er alles verkommen lässt. Von selbst thut er nichts. Stets muss es heissen: Martin thu dies, Martin thu das. Dann gehts einigermassen.

Mit seinem Küchencollegen Badjo kann sich Martin meist nicht vertragen. In Zeiten feindlicher Stimmung zwischen den Beiden sucht er ihn anzupetzen und uns seines Feindes Schliche zu offenbaren, wobei er stets mit Badjo tida baik (der Badjo ist ein schlechter Kerl) anfängt und schliesst. In solchen Fällen macht es dem schadenfrohen Martin eine besondere Freude, die Streiche Badjos in dessen Gegenwart uns bloss zu legen. Es kümmert ihn dann garnicht, wenn ihn sein brauner Genosse mit grimmigen Spitzbubenaugen anfunkelt. Merkwürdigerweise sind die Beiden aber stets bald darauf gute Freunde, die sich gegenseitig ihre Hüte leihen und aus einer Schüssel essen.

Wie alle Malayen legt Martin grossen Werth auf eine möglichst vortheilhafte Erscheinung. Er kann es nur mit wühlendem Neide ansehen, wenn Badjo ein schönes Kleidungsstück voraus hat. Unfehlbar kommt er dann mit der Bitte um Vorschuss, um sich auch eine knallbunte Hose oder einen neuen Sarong zu kaufen. Besonders elegant findet er es, übermässig lange Hosen zu tragen, auf die er mit dem Absatz seines blossen Fusses treten muss, und die natürlich bald verschmutzen und zerfransen.

Im Grunde seiner Seele ist Martin ein gutmüthiger, naiver Geselle, an dem wir oft unseren Spass haben, besonders wenn er sich im Deutschen versucht und z. B. in drolliger und ganz unerwarteter Weise die von ihm natürlich nicht verstandenen abgelernten Worte zu meiner Frau sagt: Gunn Apent, Frau Profehsor, wie gett es Ihnen? oder wenn er in der Küche beim Palmweintrinken seinem braunen Freund-Feinde Badjo zuruft: Na, denn prost! was er wohl öfter von uns gehört haben muss.


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