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Unser Dorf Belang liegt hart an einem ausgezeichneten, natürlichen Hafen, in dem die ganze deutsche Handels- und Kriegsflotte mit Bequemlichkeit vor Anker liegen könnte. Links zieht sich die Strandlinie weithin in elegantem Bogen, nach rechts schneidet eine schmale zierliche Halbinsel, die mit schroffem Abfall, dem Kap Nunuk, ins Meer stürzt, den Blick auf den Strand ab. Wir stehen hier auf dunklem Sande, den der Belang benachbarte Vulkankegel Saputan reichlichst auf das Land gestreut hat. Durch seine schwarze Farbe erhält das Ufer einen eigenthümlich düsteren Charakter, der aber durch das schaumige Silberband der sich überstürzenden Wellen und den breiten Bestand von Kokospalmen freundlich gemildert wird. Weit nach links tauchen kleine Inseln aus dem blauen Meere, das sich gradeaus bis zum fernen Horizont in gleichmässiger krauser Fläche ausdehnt.
Viele Male haben wir uns am Strande an dem herrlichen Blick auf Wasser und Inseln erfreut; es war hier immer schön, am schönsten jedoch zur Zeit des nahenden Sonnenunterganges, zumal wenn man in kleinem Boote auf den Wellen schwamm. In welch wahrhaft wunderbaren Farben haben wir die gewaltige Wassertafel gesehen, wenn die Sonne hinter den Bergen zur Rüste ging und der Abendhimmel in entzückendem Blau, Grün, Gelb und Roth erstrahlte und die Meeresfläche im Widerschein wie Metall erglänzte. Dann sandte wohl die hinter den Höhenzügen sich verbergende Sonne einen ungeheuren Strahlenfächer aus der rothglühenden Himmelspforte, durch welche sie verschwunden war. In herrlichen Abstufungen aus Ultramarin zonenweise allmählich in Grün und Gelb übergehend färbte sich der untere Rand der Himmelskuppel; meilenlange Wolkenzüge, in diesem Farbenmeere schwimmend, strahlten in roth- und gelbglühenden Farben. Wie Pinselstriche von Riesenhand zogen sich die bunten Bänder am Horizonte hin, eine erhebende Farbenvergeudung ohne Gleichen. Wir selbst schwammen in dem durch braune halbnackte Malayen geruderten Kahne auf einem rosigen Meere. Die ganze wellenbewegte Weite ein hellkupferrothes, krauses Bad. Wer Himmel und Erde so malen könnte! Man würde das Bild im Norden wohl nur als einen holden, wunderbaren Böcklinschen Märchentraum durchgehen lassen.
Von anderer Schönheit war das Meer am Abend. Wenn wir auf den langen Singapurstühlen in Beschaulichkeit hingestreckt lagen und den Zauber der Tropennacht auf uns wirken liessen, da hörte man in langsamem Rhythmus das Wogenbrausen des ganz nahen Molukkenmeeres. Zuweilen klang es nur leise, zuweilen aber auch donnernd und gewaltig, sodass man jeden Wogenanprall wie einen wuchtigen, dumpfen Schlag ans Ufer empfand. Dann lockte wohl der Mondschein zu einem späten Gange auf der stillen Dorfstrasse und zur Landungsbrücke am Meeresstrande, die wir für ankommende Güter erbaut hatten, und zu der wir noch eine breite Bank mit Palmblattdach gesellten.
Da haben wir denn am späten Abend von Kaisers Geburtstag auf den Brückenbalken gesessen und die gleichzeitigen mittaglichen Vorgänge in Berlin in Gedanken miterlebt, nachdem wir selbst schon beim Abendtrunk S. M. ein gutes Glas geweiht hatten. Bis an unsere Fusspitzen kamen in regelmässigem Laufe die im Mondlicht silbern blitzenden langen Wogenbänder. Weiter hinaus verlief das krause Meer in die dunkle Himmelsfläche, die sich als mächtiges Gewölbe sternbesät über uns breitete, seitlich und hinter uns ausgezackelt durch die runden Formen der Bergzüge und die dunklen Schattenrisse hochragender Palmen und Mangabäume.
Bei abendlichen Fahrten können wir uns oft am Meeresleuchten erfreuen. Bei jedem Schlage strahlt dann das Wasser, soweit es von den Riemen bewegt wird, in starkem, gelbgrünlichen Lichte, und die vom Ruder abrieselnden oder fortgespritzten zahllosen Tropfen leuchten wie ein Funkenregen. Besonders seltsam machen sich im Dunkel der Nacht lange, auf dem Meere schwimmende, gleichfalls im grünen oder gelblichen Scheine und zwar immerfort auch ohne Anregung durch Bewegung glühende Streifen, wahrscheinlich Ansammlungen von ungezählten Millionen der Leuchtthierchen oder modernde organische Massen.
Ist uns so das herrliche Meer eine Quelle idealen Genusses, so ist es für die Belanger vor allem eine milchende Kuh, denn der Reichthum besonders an Fischen in der Bai ist ganz ausserordentlich gross. Wir haben die braunen Dorfgenossen oft bei ihren Meeresjagden beobachtet. Der einzelne Fischersmann zog meist in der Dämmerung oder spät abends auf das Wasser um die lange Angel auszuwerfen, deren Haken sich die Malayen aus Messingdraht selbst anfertigen. Kleine Fische dienen als Köder, und als besonderes Anlockungsmittel gebraucht man wohl zerfaserte Hühnerfedern, welche neben dem Haken hängen und beim Bewegen des Angeltaus sich drehen. Die Angelschnur wird bis auf den Meeresboden heruntergelassen. Um die richtige Länge abzumessen hängt der Fischer an den Haken in eine aus einer Palmblattrippe gefertigte Schlinge einen Stein, der mit ihr beim Berühren des Meeresbodens abfällt. Damit ist das Zeichen gegeben, die Schnur nicht noch länger abzulassen.
Manche Fischer hatten sich mit grossen Schwimmnetzen ausgerüstet, mit denen sie um fischreiche Stellen im Kreise herum fuhren. So lange letzterer noch nicht geschlossen war, wurden die Fische durch Steinwürfe oder im Meere schwimmende Leute am Durchbruch gehindert. War der Fangkreis vollendet, so wurde er durch Einholen des Netzes enger und enger gezogen, bis schliesslich die Menge der zappelnden Meeresbewohner ins Boot entleert wurde. Meist betraf der Fang in Heerden zusammen schwimmende, fusslange Fische mit einem guten Spiess an der Unterlippe. Sie werden zu Tausenden von den Leuten geräuchert. Es geschieht dies in kleinen Hüttchen am Strande, in denen ein Feuer unterhalten wird, dessen Hitze und Rauch die auf schwebenden Holzgittern gelagerten Fische umzieht.
In den Flussmündungen wurden meist kleinere Wurfnetze benutzt, und an den flachen Stellen im Meere sah man zuweilen sehr ausgedehnte Reusenanlagen, in welche die Fische hineingetrieben wurden.
Manche seltsame und interessante Meeresthiere bekommen wir bei der gelegentlichen Durchmusterung der Beute unserer Malayen zu Gesichte, Fische in eigenartigen Farben und Formen, Kraken, bunte Krebse, Seesterne u. s. w. Ein kleiner, nur fingerlanger Fisch, der sich an den Rändern des Meeres, besonders im Sumpfe, in grossen Mengen aufhält, interessirt durch seine merkwürdige Lebensweise. Er spaziert nämlich auf seinen starken Flossen ans Land und fängt sich Mücken, Fliegen und kleine Krebse.
Ausser Fischen liefert das Meer an Essbarem reichlich Muscheln. Es giebt hier Riesen darunter, die ein Mann kaum tragen kann. Eine grosse Perlmutterschnecke wird ihres Gehäuses wegen gesammelt.
Fremde malayische Fischer, die gelegentlich unsere Gewässer aufsuchen, spähen auch nach den schwarzen Seewalzen, den Holothurien, aus, die von den Chinesen bekanntlich hoch geschätzt und theuer bezahlt werden. Getrocknet bilden die Tripang genannten schwarzen, wurmartigen Thiere eine wenig appetitlich aussehende Speise, die uns ebenso wenig anlockt wie essbare Schwalbennester, die wir aus den Höhlen an den steilen Küsten, wenn wir wollten, wenn auch unter einigen Schwierigkeiten, holen könnten.
Auf Schildkröten wird eifrig Jagd gemacht, theils des Schildpatts, theils des Fleisches wegen. Natürlich werden auch ihre Eier nicht verschmäht, die zuweilen in Nestern von 50 und mehr Stück im Strandsande eingegraben gefunden werden. Trifft man eine Schildkröte ausserhalb des Wassers, so wird sie durch Umdrehen am Fortlaufen verhindert, im Meere werden sie mit dem Wurfspiess erlegt. Man sieht zuweilen riesige Exemplare, einen Meter lang und länger. Den armen Thieren werden von den Malayen um sie zu fesseln die Vorderfüsse durchstochen und mit Rotan zusammengebunden. Auch beim Schlachten erfahren sie die gräulichsten Quälereien. Der Malaye schneidet ihnen bei lebendigem Leibe das Bauchschild ab, oder es wird sogar, wie ich höre, Feuer über den gebunden daliegenden Geschöpfen gemacht, sodass das Fleisch schmort und durch Bambusstäbe abgestochen werden kann. Der Malaye kennt kein Mitleid mit Mensch oder Thier; in der Hinsicht hat er noch ganz den Stand der Raubthiere inne.
Während unsere Dorfgenossen nur gelegentlich hinausfuhren gab es andererseits ganze Fischerflotten, deren Insassen fast ständig auf dem Wasser verblieben, sich keine Hütten bauten, vielmehr in einer stillen Bucht vor Anker lagen, in den Prauen schliefen und tagsüber auf dem Meere der Jagd nachgingen. Nach einigen Wochen verschwanden sie, um etliche Meilen nord- oder südwärts sich wieder festzulegen.
An der Insel Bentenan hielt sich ein solcher Fischerstamm in unserer Nähe längere Zeit auf. Wir wurden mit den Leuten ganz vertraut, kauften ihnen Fische, auch Schildkröten und Schildpatt ab und gaben ihnen gelegentlich von unserem Reis. Früh morgens schon konnte man ihre kleinen Boote draussen auf dem Meere schwimmen sehen, und unvermuthet traf man gelegentlich einen fast nackten Fischersmann auf einsamer Insel angelnd. Im Gedächtniss steht mir ein malerisches Bild, dass wir vom Boote aus bei der steil aufragenden Insel Bankuan genossen. An einer schroffen, fast senkrechten, schwärzlichen Felsenwand erblickten wir ganz unvermuthet einen alten kräftigen braunen nackten Fischer, der mitten an der wilden Gesteinswand an 15 Meter über dem schäumenden Meere lehnte, sein weisses Haupt auf einen muskulösen Arm gestützt, und unbeweglich wie ein Standbild seine Angelschnur beobachtete. Neben sich hatte er einen mächtigen, an 5 Meter langen und armdicken Bambuswurfspiess und noch einen dünneren und kleineren an die Felswand gelehnt. Ich habe bedauert, das charakteristische Bild nicht zeichnen zu können, es war wie eine Erscheinung aus grauer Vorzeit.
Abends und bei starkem Fang auch mittags versammelte sich die Familie, an 15 Leute, alt und jung, am Strande, wo sie am Boden kauernd ihren Fisch bereitete und mit Reis verzehrte. Da sah ich auch unsern alten Fischersmann von Bankuan in der Nähe, in der er lange nicht mehr so malerisch erschien als droben an der rauhen Felswand. Es war ein alter, ruppiger Geselle, mit wilden kurzen Bartsträhnen und kurzgeschorenem Kopf, mit vom Sirikauen blutrothem Maul und schwarzen Zähnen, der da mit den Fingern den Reis in sich hineinstopfte. In seiner Jugendzeit hatte er noch Menschenfleisch gegessen; jetzt nahm auch ihn die Civilisation allmählich gefangen, er rauchte Cigarretten. Zwei Stück waren noch in seinem Besitz, er hatte sie in Ermangelung von Taschen durch zwei Löcher in seinen Ohrlappen gesteckt.
Auf der ganzen Erde giebt es wohl keine freieren Männer als solche Fischersleute, die glücklich und sorglos auf dem Meere leben, nie in dieser reichen Natur der Tropen die Noth des Lebens kennen lernen, sich aber auch mit den bescheidensten Bedürfnissen begnügen, schon weil sie höhere Ansprüche gar nicht kennen, unbekümmert und unbehindert durch irgend welche Vorschriften weilen, wo es ihnen gefällt, mit gutem Winde von dannen ziehen, wenn eine andere Bucht sie anlockt, kasana, kamari, dorthin und hierher, schliesslich auf dem Meere sterben, wie sie auf dem Wasser auch geboren wurden.