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Insel an der Celebesküste bei Belang, Minahassa.

6. Drei Tage auf Pulu Babi.

Vor den grünen waldigen Bergen ins blaue Meer gestreut lagert dicht an der Celebesküste die kleine Doppelinsel Babi. Ihre schöne Waldlandschaft endet an dem schroffen Abfall gelbweisser Kalkfelsen, welche eine weiss schäumende Brandung auf der Seite des offenen Molukkenmeeres benagt. An einzelnen Stellen hat die Fluth zu Füssen der steilen Felswände einen schmalen Streifen gelben Korallensandes angespült, und nur dort ist es möglich, auf die Insel zu gelangen. Ein kleiner Landungsdampfer und ein Ladeboot brachten uns vom Schiffe mit Sack und Pack bis zu dem grössten dieser Sandstreifen, der sich in Folge einer Einbuchtung der Felswände zu einem kleinen Platze an seinem einen Ende erweiterte. Die leicht rollende See sandte in rhythmisch wiederkehrenden Wellenzügen grössere und kleinere Wogen, die hurtig den schrägen Strand hinauf eilten und dem, der nicht eilig einige Schritte landeinwärts entwischte, Wasser in die Schuhe schüttete. Für ungestörte Bewegung blieb somit nur wenig Platz zwischen dem sich hin und her wiegenden Meeresrande und den steil aufragenden Felsen. Der Sand war wie besät mit den prächtigen, blüthenweissen Zweiglein der fleissig die Insel weiterbauenden Korallenthierchen, und tausende von weissen, rothen, bunten, grossen und kleinen Muscheln hatte der nie ruhende Wellenschlag herangetragen und auf den weisslichen Untergrund gestreut. Manche der Schneckenhäuser waren von Krebsen bewohnt, die ihr weiches Hintertheil in dem Gehäuse vor den Tücken der Welt verborgen hatten und ihre Miethswohnung mit sich herumschleppten.

Hart am Strande standen zwei braungelbe Häuschen auf hohen Pfählen, aus Bambus und Palmenholz leicht aufgeschlagen, eine luftige Wohnung, die unser vorausgesandter Administrator für uns errichtet hatte. Anderthalb Dutzend Malayen, die wir alsbald als Arbeiter verwenden wollten, hatten ihre noch einfachere Hütte neben der unsrigen. Der Raum dazwischen war mit Wellblech überdacht und als freiliegende Küche und eine Art Wandelhalle geplant. Ein schwankender Steg führte vom Strande in ein Badehäuschen, das über dem Meer errichtet war.

Unser freundlicher Kapitän und ein Passagier hatten uns das Geleit auf die Insel gegeben. Als sie zum Schiff zurückgekehrt waren, der Dampfer dann an unserem Eilande auf tausend und einige Meter vorbei fuhr, sein Pfeifengruss und die drei Salutschüsse aus meinem Revolver verhallt waren, das Schiff allmählich, allmählich verschwand als letztes Glied, das uns mit der Civilisation verbunden hatte, da ward es uns ziemlich robinsonartig zu Muthe, und ein kleines Thränlein wurde von Frau Elschen öffentlich und manch anderes noch heimlich von ihr im Bambushäuschen vergossen. Da sassen wir vier Europäer, Frau Professor Else Rinne mit ihrem Mann, der die ganze Sache angestiftet hatte, Administrator Veen aus Holland und Bergreferendar Scheffler, nun auf einem Inselchen an der Celebesküste, vor uns das weite Molukkenmeer, hinter uns Berge, Fels und endloser Wald, ohne Zweifel an einer sehr einsamen Stelle der Erde. Selbst bei starker Veranlagung für romantische Lebenslagen hätte man nicht grade behaupten können, dass es um uns gemüthlich aussah. Unser Aufenthaltsort war eingeengt durch Meer und Fels, unsere Wohnung eine gelbgraue Hütte mit fensterlosen Wänden aus geflochtenem Bambus, einem Dach aus Palmenblättern, einer Art Hühnersteige zur Thür hinauf. Tische, Stühle, Betten und was sonst noch auch zum einfachen Leben gehört, standen in Bündeln, Kisten und Kasten verpackt, verschnürt und vernagelt kreuz und quer durcheinander auf dem Strande, und selbst als einige dieser Sachen in die kahlen Räume geschafft waren, konnte man nur sagen, es war alles in sehr einfachem Stil gehalten. In solchen Lebenslagen, die ja glücklicherweise nicht oft vorkommen, ist ein guter Humor von unbezahlbarem Werth, und ein scherzhaftes, gemüthliches Citat, vielleicht aus Wilhelm Busch, wirkt wie ein Sonnenstrahl, der durch graue Wolken dringt.

Als nun vor unserem Palaste im Schatten seines Daches ein Tisch und vier Stühle mit der Aussicht auf das rollende Meer aufgestellt waren, sogar ein Tischtuch erschien, Conservenbüchsen ihren Inhalt spendeten, als erst einige, natürlich von uns zuvor geleerte Bier- und Selterwasserflaschen in den Wellen des Molukkenmeeres schaukelten, da kam sogar Stimmung in das Bild. Wir feierten das Ereigniss, dass wohl zum ersten Male eine europäische Dame der Insel Babi die Ehre ihres Besuches erwies, tranken uns ein Willkommen zu, gedachten der Heimath auf der anderen Erdseite und nahmen uns vor, des Eilandes später in möglichst angenehmer, wenn auch eigenartiger Erinnerung zu gedenken. Der Abend zog schnell herauf, die grossen Sterne funkelten, der Mond schien übermässig hell, sodass der Strand kreideweiss erglänzte, und das weite unruhige Wasser strahlte in verwaschenem Lichte. Als wir unsere Lager aufgesucht hatten, wollte der Schlaf nicht kommen. Der Ruhestörer war das Meer. In brausenden Wogen stürzte es mit schweren, dumpfen Schlägen gegen den Strand, dessen Uferlinie nur 5–10 Meter vor unserem Häuschen sich hinzog. In der Stille der Nacht klang die Melodie der fluthenden, rauschenden Wasser noch gewaltiger als am Tage, und wenn man auf dem Lager liegend nach den sich heranwälzenden Wogen horchte, so schien es, als ob sie mit wüthender Gewalt den niedrigen Strand heraufstürzten, unter unserem auf Pfählen stehenden Häuschen hinwegrauschten und an den dicht hinter ihm sich erhebenden Felsen brandeten. Schliesslich sang uns das Meer aber doch in Schlaf, der erst beim Anbrechen des Tages endigte.

Der weite Horizont färbte sich rosenroth, gelb, grün, blau, und strahlend erhob sich die Lichtspenderin aus dem Meeresbade.

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Unsere Hütte auf Pulu Babi, Celebes.

Ihre warmen Lichter brannten aber alsbald allzu kräftig auf unseren Strand, ein paar schnell aufgehängte Decken mussten uns am Kaffeetisch vor ihrer übergrossen Fülle an Licht und Wärme schützen. Zur Feier des Tages wurde ein guter deutscher Kaffee gemacht. Holländische Karnemelk, eine Gersten-Milch-Conserve, die man als Ersatz für Brot geniessen kann, folgte als zweites Frühstücksgericht. Dann sahen wir uns schon mit mehr Behagen auf unserem kleinen Inselreiche um, das am Ende doch nicht so ungemüthlich war, wie es noch gestern schien. Landschaftlich war es doch eigentlich wunderschön auf dem schmalen, vom Grün des Waldes eingerahmten weissen Strande; vor uns die blaue, weite, leicht gekräuselte Meeresfläche, aus der ein reizender Schwarm malerischer Inseln sich erhob, und rechts und links tauchten die schönen Bergzüge und Gipfel des celebesischen Festlandes auf.

Und welche Wunder barg die Fluth vor uns! Wenn man auf einem Boote auf das prächtige, klare Meer hinausfuhr, dann sah man ganz deutlich durch den hell- und tiefgrünen Schein des Wassers den Meeresboden unter sich, scheinbar in geringer Tiefe, in Wirklichkeit aber durch lange Ruder und Stangen nicht erreichbar. Da waren förmliche Gärten in der See, zarte Pflanzen, Sträucher, zackige Äste, alles aus Korallen aufgebaut. In wundervollen Farben, schneeweiss, gelb, grün, roth, wie Teppiche breiteten sich die lebenden Beete in dem spiegelklaren Wasser aus, und wie Vögel in der Luft huschten schillernd Schaaren kleiner metallisch glänzender, azurblauer und malachitgrüner Fischlein in dem Geäst herum. Manche dieser Schmetterlinge des Wassers waren merkwürdig zebraartig gestreift, blau und gelb, schwarz und weiss, auch wohl blau auf der Oberseite und gelb am Leibe. Andere Schwärme zuweilen fussgrosser Fische erschienen bunt wie eine grelle Tapete. Ikan kakatua, Papageienfische, nannten sie unsere Malayen. Blaue und rothe oder auch wie ein Tigerfell getupfte Seesterne lagerten auf den durch das Wasser schimmernden Korallen, wie Glocken schwammen gelbbraune Quallen in der Fluth. Wenn leichte Wellen die sonnenbestrahlte Meeresoberfläche kräuselten, so wirkten sie ähnlich wie Prismen und warfen die Farben des Regenbogens in zitternden Spektren auf die wundersame Welt in der Tiefe. Es giebt auf dieser schönen Welt kaum etwas Lieblicheres, als den Anblick dieser natürlichen Gartenanlagen in der See.

Weiter ab von der Insel fiel das sie umsäumende Korallenriff schroff in das hier tief blauschwarze Meer. Da tummelten sich oft unter Prusten und Schnaufen ganze Heerden grosser Delphine. Es sind die ikan babi (die Schweinsfische), nach denen die Insel (Pulu) Babi ihren Namen hat. Unsere Vermuthung, auf dem Eilande Wildschweine (babi) zu treffen, war unrichtig. Wir haben auf ihm keine höheren Thiere, abgesehen von einigen Vögeln, vorgefunden. Sie halten sich auf der wasserlosen Kalkinsel nicht gerne auf, was wir ihnen nach unseren Erfahrungen im Grunde nicht verdenken konnten. Wir selbst dachten ja auch schon wieder an den Abschied vom Eilande. Zwar mussten wir es zum Zwecke der Untersuchung natürlich später noch öfter besuchen, aber als dauernder Wohnsitz war es in Folge seiner Wasserleere, seiner übergrossen Einsamkeit und wegen allzu romantischer Einrichtung der Wohnhütten nicht geeignet. So beschlossen wir denn, nach kurzem Überblick über die Insel nach irgend einem Dörfchen auf dem Festlande überzusiedeln.

Zum Abschiede kletterte ich auf den höchsten Felsen der Bergesspitze unserer Insel und noch weiter in die Äste eines Pandanus. Da lag das Eiland ausgebreitet unter mir, mit seinen mannigfachen, fremdartigen Bäumen und Büschen. Zwischen ihm und dem Festlande eine schmale blaugrüne Meeresstrasse, an der anderen Seite das weite Meer, in der südlichen Ferne die blauen Berge am Cap Flesko, im Norden auf dem Festlande der dampfende Vulkan Saputan. Über allem ausgespannt der strahlend blaue Dom des wolkenlosen Tropenhimmels; eine wunderschöne, in weltabgeschiedener Einsamkeit ruhende Welt.


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