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Schwefelkrater (Walirang) in der Vulkanwüste am Saputan, Minahassa, Celebes.

19. Am Walirang und in der Irre.

Hoch oben zwischen den Bergen, die sich um den Vulkan Saputan schaaren, liegt eine von den Eingeborenen mit besonderer Ehrfurcht genannte Stelle, zu der sich nur selten ein malayischer Wandersmann begiebt, ein wahrer Höllenpfuhl, wo mit Zischen und Brausen die Gewalten der Tiefe sich Luft machen und ein phantastisch buntes Gebilde geschaffen haben, der Schwefelkrater oder Walirang. Ich hatte die Solfatara als grossen hellen Klex in der schwarzen Wüste schon oben vom Saputan gesehen und ihr natürlich einen Besuch zugedacht.

So zog ich denn wieder ein Mal mit meinen telaureser Inselleuten, dem Herlink, Onke, Johann und Beo Be über Tombatu zum Hüttchen am Saputanfuss und nach der nächtlichen Ruhe auf dem Knüppellager beim Morgengrauen nach den Vulkanbergen, dies Mal zwischen Saputan und Manimporok hindurch den Gunung Sempu hinan. Sein zackeliger Kamm erschliesst einen prächtigen Blick auf die nördliche Minahassa und nach Süden bis ins Reich von Bolang Mongondo, mit seinen mächtigen scharf geformten, in keinem Atlas verzeichneten Bergeswellen. Zu unseren Füssen aber dampfte der gesuchte Schwefelsumpf. Ringsum lag einsam, fast kahl, schwarz und öde die trockene Wüste des Saputansandes. Um so greller hoben sich die bunten Solfatarafarben in dem wunderbaren Bilde heraus. Der Hexenkessel zu meinen Füssen, dem wir uns nach Möglichkeit näherten, arbeitete mit Volldampf. 100 bis 150 Meter hohe, durch Zersetzung bunte Wände umschlossen einen unheimlichen, an 500 Meter langen und 300 Meter breiten brodelnden Sumpf voll grauen, gelben, schwarzen Schlammzügen und zwei bleifarbenen Pfuhlen siedenden Wassers, über denen heisse Dampfwolken hin und her wogten. Die zerrissenen, schroffen Wände schimmerten in weissen, gelben, braunen, schwarzen Farben. An vielen Stellen zischte und brauste auch aus ihnen heisser Dampf heraus, und die Umgebung solcher Auslasspforten war oft mit ganz besonders schönem goldglänzenden Schwefelbezug bekleidet. Ein eigenartiges Bild dieser Überfluss von satten Farben in der schwarzen Wüste.

Unseren Rückweg gedachte ich um den Saputan herum zu nehmen, von dem uns noch ein Bergzug trennte. Als wir letzteren erstiegen hatten erschloss sich überraschend eine liebliche Landschaft mit Busch und Wald, eine Oase in der Steinwelt, durch einen Bach hervorgezaubert, der mit grosser Wasserfülle und starkem Gefälle thalabwärts eilte. Auf dem Sande, den der Saputan in dicken Lagen ringsum ausgestreut hat, versickert alles Regenwasser, es kommt dann aber gelegentlich in grosser Menge vereinigt zu Tage. Seine vulkanische Wanderung verleugnete es hier am Bache Pentu nicht. Stellenweise roch es stark und gar nicht angenehm nach Schwefelwasserstoff, hier und da setzte es weisse Schwefelkrusten ab, weiter thalabwärts schmeckte es jedoch vortrefflich und stillte unseren vulkanischen Durst.

Der Marsch um den Saputankegel herum war ungemüthlicher als ich mir und meinen Leuten gewünscht hatte. Zwar nimmt man ein Erkleckliches an Anstrengungen und Schwierigkeiten natürlich mit Vergnügen in den Kauf, wenn man in Celebes an Vulkanen klettert, die Steilheit des Saputan an der Seite nach Amurang zu war aber doch gar zu arg. Kaum konnte man sich stellenweise vor dem Überschlagen nach unten bewahren, zumal der lose Auswürfliugsschutt bei jedem Schritt ins Rutschen kam und auch die dickeren Steine, die als grobe Bomben im lockeren Aschenmateriale lagen, nachgaben, wenn man auf sie trat. Leider rollte ein solcher Felsblock überdies meinem getreuen Onke, der sich einige Hundert Fuss unter mir mit meinem schweren photographischen Apparat schleppen musste, gegen ein Bein, in das der Rollstein eine tüchtige Wunde schlug. Die armen Träger waren schon wegen ihrer nackten Füsse überhaupt schlimmer daran als ich und sahen sich oft genöthigt, auf allen Vieren kriechend weiterzukommen. Es war ein höchst mühseliger Marsch, und kann ich dem Leser nur Glück wünschen, dass er ihn blos in Gedanken miterlebt. Die einzige Freude in unserer Mühsal waren viele Büsche prächtiger Heidelbeeren, die von den wilden Ochsen, die sie sehr gern mögen, in Anbetracht des steilen Abfalls gänzlich geschont waren, und die uns bei der Kraxelei im heissen Sonnenbrande und auf schwarzem die Hitze wiederstrahlenden Sande sehr erwünscht kamen und erquickten. Nach zwei Stunden, als die schöne blaue Bai von Amurang immer noch nicht von unserer Seite verschwinden wollte, wir also nur wenig vorwärts gekommen waren, beschloss ich in die Höhe zu steigen, um einen kleineren Kreisweg in grösserer Nähe zum Gipfel des Kegelberges zu gewinnen. Mit Schwierigkeiten gings den ausserordentlich steilen Abhang hinauf bis zur Höhe eines Bergzuges, der sich wie ein Theil eines Einges concentrisch um den Saputankegel legt und von diesem durch ein tiefes Thal getrennt ist. Wahrscheinlich hat man es in diesem Bergbruchstück mit dem Reste des Kraterrandes eines älteren Saputanvulkans zu thun, in dessen Inneren sich, ähnlich wie der Vesuv in dem Monte Somma, der jetzt thätige Kegel aufbaute. Wir waren also auf dem steilen Mantel dieses älteren Vulkans herumgeklettert. Nun gings leicht und eben auf dem alten Kraterrande hin. Doch stellte sich eine neue Schwierigkeit ein: weisse Nebelballen kamen aus dem Lande an den Berg geflogen und verhüllten allen Blick. Dazu neigte sich die Sonne bereits stark der Meeresfläche zu, und bald begannen die Schatten der Nacht sich auf das Gebirge zu legen. Ja um die Sachlage vollends misslich zu gestalten, zog ein Gewitter auf, dessen Donner und Blitze das Romantische unserer Lage auf einem unbekannten, schwierig zu begehenden Berge vervollkommneten. Die ganze Scenerie wandelte sich recht schnell ins Ungemüthliche. Der horizontale Kraterrand hörte auf, wir mussten uns wieder auf dem Kegelmantel selbst fortarbeiten, der aber hier glücklicherweise nicht mehr so steil war wie vorhin. Schluchten stellten sich in den Weg, stellenweise wurde die Vegetation bedeutender, sodass wir uns durch Busch und Wald Bahn schaffen mussten. Vergeblich hofften wir, dass die zwei Leute, die ich im Hüttchen gelassen hatte, uns Hülfe brächten. Ich schoss ohne Erfolg meinen Revolver fünf Mal ab, kein Halloh brachte die braunen Brüder, die uns wohl hätten hören müssen, zu einer Antwort, nach der wir unsere Richtung hätten nehmen können. Wie ich nachher erfuhr, hatten sie sich trotz unseres nächtlichen Ausbleibens in Sturm und Ungewitter ruhig ans Feuer gestreckt. Man regt sich in diesem Lande nicht leicht auf und macht sich um Nebenmenschen keine grosse Sorge.

Doch »alles kommt zurecht in Indien«, und so auch unser Marsch. Ein Gutes hatte das Schiessen und Rufen gehabt. An dem schnellen Echo, das in einer bestimmten Richtung aus der Nacht erschallte, wurden wir gewahr, dass der Nachbarberg des Saputan, der Manimporok, nun nahe vor uns lag. Es war also Zeit zum Abstieg, und so gelangten wir denn auch glücklich über Fels und Sand, durch Busch und Wald zum Jägerpfad, der sich zwischen den beiden Bergen hinzieht, und nach weiter einer halben Stunde konnten auch wir uns am Feuer in der Hütte niederlegen. Vorher jedoch machte ich in einer längeren malayischen Rede den ungetreuen braunen Brüdern den Standpunkt und meine Auffassung klar, dass man seinem Nächsten, wenn es ihm aller Berechnung nach nicht sonderlich gut geht, helfen muss.

So recht von Herzen böse kann man aber doch bei solcher Gelegenheit nicht sein. Dafür hat es in fremden Landen einen allzu grossen Reiz, etwas Abenteuerliches zu erleben. Man hat das Gefühl, als gehöre das nun einmal dazu, wenn man allein mit ein paar Eingeborenen in die Wildniss zieht. So streckte auch ich mich ganz befriedigt von der Irrfahrt am Feuer in der Hütte aus und dachte mit dem alten Vergil: forsan et haec meminisse juvabit.


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