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Amaranth.

Sie steht am Bächlein gramversenkt,
Und hält den Krug zur Felsenwand,
Und läßt darein das Wasser rinnen,
Das schäumend in den Thalgrund lenkt.
Längst fließt es plätschernd über'n Rand;
Sie merkt es nicht in ihrem Sinnen,
Vom Schmerze alter Bilder trunken;
Und mählig ist der müden Hand
Tief bis in's Gras der Krug entsunken;
Und fort und fort rinnt über'n Rand
Der Wasserstrahl in Perlen rein.
Sie setzt daneben sich in's Moos,
Und legt die Hände stumm in Schoos,
Und trauert in die Nacht hinein.

Du armes Kind laß dich besehn!
Dein Haupt umwebt das Dämmerlicht.
Ach! Wieviel Leid ist dir geschehn,
Daß so verhärmt dein Angesicht! –
Sonst warst du, wie ein blauer Quell,
Tief in dem Waldesgrund geborgen;
Durch's Grün der frischen Blätter hell
Besah sich drin des Himmels Morgen;
Sich schaukelnd auf den duft'gen Ranken
Waldvöglein sich zum Spiegel bogen,
Der Freude kindliche Gedanken,
Die noch vom Schmerze nicht belogen!
Und wie ein stolzer Silberschwan
Schwamm auf der Fluth sein Bild heran,
Sang von der Minne dir das Lied. –
Und nun! Seitdem er von dir schied!
O Amaranth! Dein Mund, wie matt!
Das Lächeln war sein treu Gespiel;
Die Wehmuth wohnt an seiner Statt.
Und hat er denn soviel geklagt?
O Kind! Und hat er denn soviel
Den lieben Namen hergesagt? –
Dein blaues Aug', wie trüb' und müd' –
Und hat es denn zum fernen Süd'
Vom Erkerkämmerlein so oft
Nach ihm gespäht, auf ihn gehofft?
Sind über deine sammtnen Wangen
So viele Thränen denn gegangen,
Daß sie so bleich geworden sind?
Und ach! Du einsam Waldeskind!
Wär' erst dein Herz dem Blick erschlossen,
Er sähe, wie zum Perlenrahmen,
Von bittern Thränen ganz umflossen,
Inmitten einen blut'gen Namen.

Wie stumm um dich, o Amaranth!
Des Waldes herbstergebne Miene
Sieht dir in's Antlitz schmerzverwandt,
Daß dir in seinem eignen Leide
Das deine nicht zu herb erschiene;
Und stumm aus seines Haupts Geschmeide,
Als wollt' er deiner Seele zeigen,
Gehorsam im Vergehn zu schweigen,
Streut willig er die reichsten Haare
Auf der Natur stets offne Bahre,
Darauf der Tod gebiert das Leben.
Und wie sie so um Haupt und Fuß
Im Tod sich schaukelnd niederschweben,
Da ahnt ihr Herz in jedem Blatt
Den frühlingsmüden Abschiedsgruß,
Mit dem zur alten Ruhestatt
Sich niederlegt die Waldeslust.
Und sie versteht der Blätter Mahnen,
Blickt hoffend nach der Sterne Bahnen;
Doch ach! Ihr wird so recht bewußt:
Der Fels, daran als Röslein frisch
Sie einst geblühet träumerisch,
Vom ersten Kusse süß durchschauert,
Sei worden nun ein Leichenstein,
Dran hingelehnt als Thränenweide
Ihr Bild ein frisches Grab umtrauert;
Sie sargten drin ihr Freuen ein,
Draus blüht die Lilie vom Leide. –

Und schmerzlich stumm ihr Köpfchen nickt,
Ein Seufzer seinen Namen spricht,
Ein Seufzer wieder ihn erstickt,
Und ihre Hände falten sich;
Drein birgt sie tief ihr Angesicht,
Und schluchzend weint sie bitterlich. –



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