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Sie trocknet sich die nassen Wangen
Und ist hinab zum Schrein gegangen,
Vom Fleiße manchen Jahres reich;
Und nimmt daraus ein Linnen weich,
Ein wollen Röcklein zierlich klein,
Legt's in den Weidenkorb hinein,
Ein Mittagsmahl dazu mit Wein
In aller Stille zubereitet;
Und ohne daß es Jemand ahnt,
Hinaus zum wilden Wald sie schreitet,
Und schlüpft durch manch geheimen Gang,
Verwachsen ganz von üpp'gem Kraut,
Drin sie mit Müh' den Weg sich bahnt,
Längs hin am dunkeln Bergeshang,
Dran sie versteckt ein Strohdach schaut.
Drin liegt mit schönem, siechem Leib
Auf armem Bett ein junges Weib,
Still betend in der Sonntagsruh.
Ein Knäblein lehnt zu ihrer Rechten,
Spielt mit den reichen, losen Flechten,
Die schwarz um's bleiche Haupt geflossen;
Sie sieht dem Spiele lächelnd zu,
Und matt hält sie das Kind umschlossen,
Den Blick so voll von tiefem Sehnen,
Als könnt aus seinen frischen Augen
Ihr krankes Herz Gesundheit saugen;
Und wie ihr kommen bittre Thränen,
Herzt sie ihr Kind in langem Kuß,
Daß es nicht mit ihr weinen muß.
Wie ihres Auges matter Strahl
So leuchtend wird mit einem Mal!
Wie kann sie leicht vom Pfühl sich heben!
Sie hört es gehn den nahen Pfad,
Sie sieht's vorbei am Fenster schweben,
Und heißer mit gefärbten Wangen
Hält zitternd sie ihr Kind umfangen:
»Horch, Knäblein! Unser Engel naht!« –
Und tiefgebückt tritt Amaranth
In's arme, heimgesuchte Haus,
Der Wittwe reicht sie traut die Hand,
Frägt nach der letzten Nacht sie aus,
Reicht ihr zur Labung frischen Wein,
Und tröstet sie gar fromm und zart,
Und bittet, daß nach Christenart
Sie mög' in Gott ergeben sein.
Drauf macht das Lager sie ihr weicher,
Läßt frische Luft zum Fenster ein,
Und breitet ihr auf's Bett das Mahl,
Das sie getreu ihr täglich bringt;
Da lohnt der Mutterblick sie reicher,
Als aller Glanz im Festessaal,
Drin trunkne Luft das Scepter schwingt.
Und feuchten Aug's nimmt Amaranth
Das stille Kind nun bei der Hand:
»Sieh, Knäblein, hier dieß neu Gewand,
Das ich zum Sonntag mitgebracht!
Ich hab's genäht in später Nacht.
Das sollst für immer du erhalten,
Wenn fromm du kannst die Händchen falten,
Und mir das Sprüchlein wiedersagen
Vom Engel, der das Christkindlein
Hernieder in die Welt getragen;
Mußt nun auch recht verständig sein!«
Und traut sie zu ihm niederkniet,
Das Knäblein groß in's Aug' ihr sieht,
Und faltet seine Hand geschickt;
Und wie's die frommen Reime spricht,
Und wie in's Mutterangesicht
Geheimen Aug's die Jungfrau blickt,
Erzählt ihr treu des Weibes Zähre,
Was wohl die Mutterliebe wäre.
Und drauf hat Abschied sie genommen,
Verheißend treues Wiederkommen;
Zur welken Lippe zitternd fest
Das Weib der Jungfrau Hände preßt;
Sie küßt des Knaben frischen Mund,
Und langsam durch den Thalesgrund
Geht heimwärts sie die dunkeln Gänge;
Ihr Herz durchtönen heil'ge Klänge.