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Die Begegnung.

Herr Walther sucht sie überall,
Schleicht sich hinauf zum Kämmerlein,
Und späht im Wald am Wasserfall.
Es däuchte Feuer ihm der Wein,
Da ließ er Krug und Laute stehn,
Als wollt er nach dem Rößlein sehn,
Und schlich sich fort in stummer Qual,
Um ihr Vergeben sie zu bitten.
So hat ihr Blick, wie scharfer Stahl,
Ihm blutig in das Herz geschnitten. –

Jetzt sieht er's drüben über'm Steg,
Tief im Gestrüpp und Dorngeheg'
Sich heben bald und bald sich bücken,
Als wollte Jemand Beeren pflücken.
Und langsam geht er über'n Bach,
Und bricht durch knisternd Heckenreis
Sich Schritt für Schritt den Weg gemach,
Biegt um die Tannen spähend leis,
Und o! Da hat er sie gefunden,
Wie grad' sie, hingekniet in's Moos,
Den rothen Erdbeerstraus im Schoos
Mit frischem Halme festgebunden.
Da sinkt ihm plötzlich aller Muth,
Ihm wird der Odem ganz genommen,
Er sucht des nächsten Stammes Hut,
Und hart, von Angst und Reu beklommen,
Bis sie das Lenzgeschäft vollendet.
Wie mit dem Straus sie lächelnd spricht!
Und war das eine Thräne nicht?
Jetzt steht sie auf, zu ihm gewendet;
Erschrocken ihr der Straus entgleitet, –
Und stillen Gangs er zu ihr schreitet.
Es wankt sein Tritt, bleich harret sie,
Er schaut sie an, er beugt das Knie,
Und was ihr auch verschweigt sein Mund,
Sein bittend Auge thut ihr's kund;
Sie lächelt und verstehet ihn,
Und schmerzlich stumm hat sie verziehn.

Drauf gehn sie mit einander fort,
Ein Jedes still in eignem Sinnen.
Herrn Walther drängt es um ein Wort,
Kaum aber wagt er zu beginnen;
Da endlich doch nach langem Streit
Frägt Amaranth er tiefbeklommen:
»Hat dich in deiner Einsamkeit
Noch nie ein Sehnen überkommen,
Statt deiner stillen Waldesauen,
Einmal die freie Welt zu schauen,
Am Neckar draußen und am Rhein,
Im Kreise holder Ritterfrauen,
Beim Fest und beim Turnier zu sein?« –
Und keusch die Augen hingeschlagen
Spricht Amaranth auf sein Befragen:
»Was kann zum stillbeglückten Leben
Die Welt mir draußen Neues geben?
Ich glaub', sie könnt' mir nehmen nur.
Es ist mir ja der reichste Frieden
In meiner Einsamkeit beschieden;
Mir zeigt ja stündlich die Natur
Des Schöpfers weise Macht auf's Neu';
Der liebe Gott gab mir mein Haus,
Darin ich walten darf getreu,
Und nie geht mir die Arbeit aus.
Ich nenn' den besten Vater mein,
Darf ihm ein liebend Kind ja sein,
Mich täglich im Gehorsam üben,
Ihm nie auch nur ein Aug' zu trüben.
Mir sind zur Stärkung meiner Seele
Die Sakramente stets bereit,
Ich hab' des Kirchgangs Seligkeit;
Und o! Daß mir auch gar Nichts fehle
Zu eines Weibes frommem Segen,
Gab Gott zum Weihnachtsangebind
'Ne kranke Mutter mir zu pflegen,
Und zu erziehn ihr Waisenkind!«

So sind sie unterm Nadelhang
Gewandelt still den trauten Gang;
Herrn Walthers Aug' voll Ehrfurcht schaut,
Kaum sie zu streifen er sich traut.
Und wie das letzte Wort sie sprach,
Wie Seufzen ihre Stimme brach,
Und dicht umrankt vom Tannenarm,
Das Herz gedrückt vom stummen Harm,
Bleibt Amaranth und Walther stehen;
Und Jedes sieht vom Aug' des Andern
Auf's Herz die schwere Thräne wandern,
Und Jedem möcht es übergehen.

Wie leuchtet da mit einem Mal
So frei sein schwarzer Augenstrahl!
In rasch gewonnenem Entschluß
Den Brautring er vom Finger streift,
Und ihre Hand er schnell ergreift,
Drückt knieend drauf vielheißen Kuß;
Und wieder läßt die Hand er gehen,
Blickt zu ihr auf in tiefstem Flehen,
Den Ring zu ihr emporgewandt:
»Nimm du den Ring, o Amaranth!«

Doch Amaranth versagend biegt
So bleich und ernst sich von ihm los;
Auf's Herz gekreuzt die Hand sie schmiegt,
Und blickt gen Himmel stumm und groß,
Daß immer noch vor ihr er kniet,
Und fragend ihr in's Antlitz sieht,
Und ganz erstarrt in ihrer Ruh',
Den Ring in den erhobnen Händen.

Waldvöglein sehn vertraulich zu,
Als ob sie alles wohl verständen.



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