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O Waldesfrühling mit den dunkeln Pfaden,
Mit deinem Odem frisch aus kaltem Born,
Mit deinen Kronen, die im Duft sich baden,
Mit deinen Rosen am verborgnen Dorn!
O wer verstrickt in deinen saft'gen Ranken
Die Welt verträumen dürft' auf immerdar,
Wenn um die Stirn die weißen Dolden schwanken,
Und thauig Perl um Perl' sich reiht in's Haar!
Wie blühest du im abgelegnen Grunde
Tief in des
Schwarzwald's wildverworrnem Forst!
Es steht der Keuler auf zur Dämmerstunde,
Den Aar verlockt der Raub aus seinem Horst.
Verglühend spielt das Späthroth auf den Kuppen,
Des Klosters Averuf verhallt von fern;
Es grüßet durch der Föhren schwarze Gruppen
Vom klaren Blau der erste goldne Stern.
Am Rain der Hirsch und seine Hindin grasen,
Stolz am Gestrüppe sein Geweihe nickt;
Es knirscht der Zahn am thaubeperlten Rasen,
Von Maienglocken und Maaslieb durchstickt.
Die Blätter rauschen ihre nächt'gen Psalmen,
Der junge Bronnen plätschert aus dem Schacht;
Es schlägt die Drossel in den würz'gen Halmen –
O grüne Wildniß in der Lenzesnacht!
Was hebt sich dort tief in den Dornen drinnen
Im Waldesgrund ein altersgrau Gestein?
Aus finstern Tannen steigen seine Zinnen
Gespenstig in den letzten Dämmerschein.
In Nacht verschwimmend starren Thurm und Mauer,
Umflüstert von des Teiches hohem Rohr;
Der weiße Reiher nur auf später Lauer
Wiegt wie ein Geist sich blendend über'm Moor.
Wie aus dem Thurm schwebt jetzt des Mondes Schale,
Es glüht der Dorn, es bleicht der Birke Schaft;
Und zitternd träuft vom Knauf bis zum Portale
Der Silberstrom hernieder, feeenhaft.
Welch stolzer Bau! Welch' zierrathreiche Hallen!
Halb kämpft mit der Vernichtung noch ihr Leib,
Halb ist er schon der Zeit an's Herz gefallen,
Dem ewig lockenden Sirenenweib.
Am Graben hängt der Mauerring zersprungen,
Sich überneigend in die seichte Fluth;
In dürrem Reiserwerk, zum Nest verschlungen,
Heckt in der Scharte dort die Sperberbrut.
Die morsche Brücke liegt an rost'gen Ringen,
Vom Schuttgeröll' der Zinnen eingerammt;
Das Thor umgittern üppig wilde Schlingen,
Um Schloß und Angeln grünt des Mooses Sammt.
Das Einlaßpförtlein in des Thores Bohle
An lockerm Band mit erznem Schnörkel hängt;
Die Schwelle klafft, gehöhlt von häuf'ger Sohle,
Im Ringe stockt der Klopfer eingezwängt.
Vom Bogen blickt das Wappenschild verwittert,
Im öden Hofe wuchern Gräser wild;
Statt fühlen Silberstrahls die Distel zittert
Um der Madonna steinern Bronnenbild.
Der Stall ist leer; vermodert ist die Krippe,
In karger Flocke weht vom Reff das Heu;
Am Rand des Eimers nippt von Moos die Lippe,
Die Ziege lagert in der dürren Streu.
Bestaubt am Nagel feiert Sieb und Zügel,
Um's Sattelzeug gemach die Spinne webt;
In mattem Dämmern auf den Silberbügel
Der Mondenschimmer durch die Spalte schwebt.
Zum Simse draußen klimmt die wilde Rebe
An loser Sprosse blätterreich hinan;
Es droht geborsten, mit gewichner Strebe,
Die reichverzierte Brüstung am Altan.
Stumm und verlassen liegt mit ödem Fenster
Der Rittersaal, des Thurmes Kämmerlein;
Die weißen Birken schauen wie Gespenster
In die zerbrochnen Scheiben still hinein.
Doch siehe! Heimlich winkt vom Erkerzimmer
Ein wohnlich Licht aus ödem, dunkelm Haus.
Wie grüßt durch's Waldesgraus der traute Schimmer! –
Jetzt über eine Weile löscht er aus.
Du einsam Schloß in mondverklärter Wildniß
Mit deinen Hallen voll versunkner Pracht,
Im Waldesmai des Grames steinern Bildniß!
Sag' an! Was hat dich wohl so stumm gemacht? – –
Das war im alten Hofe dereinst ein festlich Mahl,
Die heitern Säfte wallen im waldumblühten Saal.
Der Reigen ist zu Ende, die letzte Saite schwirrt,
Es greift zu seiner Harfe der edle Sängerwirth.
Rings in den Pfühlen lauschet manch Frauenbild verklärt,
Es sitzen stumm die Zecher vom süßen Wein durchgährt.
Doch sieh! Welch fremder Ritter lehnt an der Säule dort,
Und spricht zum Sängerweibe so süßverstohlnes Wort?
Er spielt im krausen Barte, die braune Wange glüht,
Zwei Blitze seine Augen, draus Lust und Tücke sprüht.
Es birgt den welschen Flüchtling nach Gastesrecht das Schloß;
Schon harrt geheim im Walde zu ihrer Flucht das Roß.
Der Sänger singt vom Streite, vom Tod für's Vaterland; –
Erglühend drückt dem Buhlen sein treulos Weib die Hand.
Der Sänger singt von Minne, von deutscher Frauentreu; –
Vom Gatten zu dem Gaste, wie rollt ihr Auge scheu!
Er singt vom heil'gen Glauben – was zürnt sein Aug' geheim?
Sie drückt ihm in die Hände ein Blatt mit sünd'gem Reim.
Ha! Wie sein Lied erzittert! Er sucht des Schwertes Knauf,
Die Harfe gellt am Estrich, – die Gäste springen auf.
Wie werden da auf einmal des Sängers Lieder still!
Der Buhle liegt erschlagen; – das Weib bald sterben will.
Der andre Morgen grauet, er naht dem falschen Weib –
Sie windet vor dem Gatten den sündig schönen Leib.
Er reicht ihr finster schweigend voll Kleinod ihren Schrein,
Er nimmt sie bei dem Arme; sie starrt erwartend drein.
Er führt sie durch die Halle, sie faßt ihn mit Gewalt,
Die Lippe sucht die Lippe, er wehrt ihr's stumm und kalt;
Führt sie hinab die Treppe, da jammert sie und weint,
Es zuckt sein Mund voll Hohnes, das Herz ist ihm versteint.
Er führt sie zu dem Hofe, sie liegt auf ihren Knie'n,
Sie schreit nach ihrem Kinde, er heißt sie schweigend zieh'n.
Sie hält ihn fest umklammert, er reißt sie fort durch's Thor,
Sie wirft sich hin zur Erde; – er schiebt den Riegel vor.
Er kehrt zurück zum Hofe, zum Hof, still wie das Grab;
Ihm nahen seine Diener mit Bündel und mit Stab.
Er sieht sie schweigend kommen, zu seinem Roß er tritt;
Er führt es aus dem Stalle, es wiehert hell zum Ritt.
Er giebt's dem greisen Knechte; der faßt es, zag und blaß,
Und lehnt das Haupt zur Mähne, das Auge wird ihm naß.
Laut löst sich da in Schluchzen ringsum das Herzeleid,
Sie knie'n, die Hand ihm küssend, sie weinen auf sein Kleid.
Er steht in ihren Thränen, ein Steinbild, kalt und todt;
Ein stummer Wink verkündet des Herren letzt Gebot.
Das Rößlein in der Mitten die Diener ziehen aus,
Er schließt das Thor und wandelt in's ausgestorbne Haus.
Er wandelt durch die Halle, er tritt zur Kammer ein,
Er beugt sich zu der Wiege, drin schläft sein Töchterlein.
Die erste, schwere Zähre die trotz'ge Wimper bannt,
Im Morgentraume lächelt die kleine
Amaranth.
An's hohe Fenster klopfen
Die Reben wild verrankt,
Beringt mit hellen Tropfen
Ihr grüner Finger schwankt.
Die Drossel lockt verstohlen,
Der Mond lädt ein zum Lied;
Des Forstes Athemholen
Weht duftig her vom Ried.
O traumesreich Genügen
In solchem Waldeshaus!
Am Baum des Herzens schlügen
Die grünsten Blätter aus!
Bethaut vom Traubensafte,
Wie schwöll' und rauscht' sein Reis!
Die Harfe hing' am Schafte,
Und säng' der Minne Preis!
Wohl stehn die Becher drinnen,
Doch trocken ist ihr Most;
Auf gelbem Tafellinnen
Verwest die leckre Kost.
Bestaubt steht noch vom Mahle
Das Silber all zur Schau,
Und in der güldnen Schale
Vermodert prangt der Pfau.
Noch stehen rings die Stühle,
Wie draus sie einst entflohn;
Es nagt in Holz und Pfühle
Längst Wurm und Motte schon;
Drin strotzend einst die Sehne
Des Zecherleibes schwoll,
Drin einst um seidne Lehne
Der Frauen Locke quoll.
Und wo der welsche Buhle
Beim Sängerweib geruht,
Da liegt noch heut' am Stuhle
Das Schwert im schwarzen Blut.
Noch klebt am rost'gen Stahle
Das längst vergilbte Blatt;
Noch zeichnen dunkle Male
Ringsum die Rächerstatt.
Der Kränze dürrer Eppich
Vom Säulenhaupt sich wiegt;
Noch heut' am sammtnen Teppich
Verwaist die Harfe liegt;
Es wob von grauer Seide
Den Flor die Spinne drum,
Dem Minnelied zum Leide,
Vom Treuebruche stumm.
Und an das Fenster klopfen
Die Reben wild verrankt,
Beringt mit hellen Tropfen
Ihr grüner Finger schwankt.
Die Drossel lockt verstohlen,
Der Mond lädt ein zum Lied;
Des Forstes Athemholen
Weht duftig her vom Ried.