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(Als Vorwort zur zweiten Auflage.)
Ich lehne still am Fensterbogen
Im einsam alten Meierhaus,
Von schwarzem Tannenwald umzogen,
Und sehe in den Herbst hinaus.
Der Lärm der Gassen stört mich nicht;
Ich hör' nur an der Rebenwand,
Wie leis der Wind die Blätter bricht;
Bis an den Wald um's Haideland
Der Nebel wallt in Schleiern licht;
Und hoch mit grauer Wolken Flug,
Da segelt ernst ein Kranichzug.
Und ist's auch Herbst, was liegt daran?
In diesen Mauern, abgeschieden,
Da bleibt der Frühling aufgethan
Mit seinem Glanz und Duft und Frieden.
Und fällt auch Blatt um Blatt, verdorrt,
Ein stilles Blümlein blüht mir fort;
Und schweigen auch die Vögelein,
Ich sing' mir selber meine Lieder.
Beim Sänger darf's nie Winter sein;
Geht ihm der eine Frühling nieder,
So steigt ein andrer draus herfür. –
Da klopft es traut an meine Thür –
»Herein!« – »O güt'ger Himmel! Du? –
So bald führt dich mein Gott mir zu?
O Amaranth! Du bist's, mein Kind?« – –
Und Herz an Herz! – Ein langes Küssen!
Wir haben Beide weinen müssen.
»Mein Töchterlein, nun sag' geschwind!
Wie ist dir's in der Welt ergangen?«
Da hält sie kindlich mich umfangen,
Sieht lächelnd mir in's Angesicht,
Doch mählig wird sie ernst, und spricht:
»Getreu nach deinem Segenswort,
Bewehrt mit deinem Schwert und Schild,
Zog in die weite Welt ich fort.
Wohin ich zog in deutschen Gauen,
Umbrausten mich die Wetter wild;
Doch hatt' ich kindliches Vertrauen,
Und ging hindurch, wie du's gewollt.
Die Märkte und die lauten Gassen
Vermied ich wohl, wie ich's gesollt;
Doch wo ein stilles Haus ich fand,
Da klopft' ich an, mich einzulassen;
Und manche liebe, treue Hand,
Sie führte mich zur Kammer ein.
Drin hieß die Frau'n, die deutschen, frommen,
Mit deinem Gruß ich erst willkommen.
Ich durft' mit frommer Minne Schein
Manch züchtig Auge drin verklären;
Ich durfte mancher Mutter Blicken
Entlocken sel'ge Liebeszähren.
Manch stilles Herz von Täuschung krank
Durft' ich mit Waldesduft erquicken;
Manch eine Seele sagt' mir Dank
Für eine gotteslautre Stunde,
Die ich ihr singend half versüßen;
Mich bat aus vollem Herzensgrunde
Ein mancher Jüngling dich zu grüßen.
Und sieh', wie deiner ich gedacht,
Und ich dein Wort erfüllt genau,
Da hab' ich dir auch Thränenthau,
Und auch Gebete mitgebracht.
Doch nicht nur Süßes künd' ich dir,
Auch Bittres ward mir viel bescheert;
Wie konnt' es anders denn auch kommen?
Wozu hast denn mit erzner Zier
Den zarten Leib du mir bewehrt?
Gar manchmal ward ich aufgenommen,
Wo ich den Einlaß nicht begehrt;
Doch kaum von deinem Harfenstein
Das erste Lied ich ausgesungen,
Da wetzten sie zum Spott die Zungen,
Und stachen witzelnd auf mich ein;
Und wie ich muthig weiter fuhr,
Ward giftiger ihr Stachel nur.
Wohl hielt des Kreuzes Schwert ich vor,
Doch mich verlacht' der Spötter Chor;
Sie schalten mich ein albern Kind,
Und drohten mir mit wilden Blicken,
Und wollten mir mein Lied ersticken. –
Doch da ermannt' ich mich geschwind;
Der Demuth Schild auf's Haupt ich nahm,
Und wie sie auch auf Schläge sannen:
Es wurden ihre Fäuste lahm,
Und unversehrt ging ich von dannen.
Doch war ich aus dem Hause kaum,
Da rissen sie mit list'ger Hast
Von meiner Weisen Frühlingsbaum
Die grünen Blätter alle fast;
Nur wo sie eines welk gesehen,
Da ließen sie's von Arglist stehen;
Und von dem Kreuz im Blätterschoos,
Da machten sie die Perlen los,
Und zeigten dann so schnöd' entstellt
Den Baum mit seinem Kreuz der Welt,
Und riefen jubelnd aus zumal:
»Seht her, wie duftlos, arm und kahl!«
Doch konnten sie mich nie betrüben;
Je mehr ich durft' die Demuth üben,
War kindlicher nur mein Vertrauen
Die Welt mir weiter zu beschauen.
So soll es dich auch nimmer grämen,
Und wer mit seinem Witz und Spott
Dir will zum Flug den Flügel lähmen,
Soll dir nur leihen stärkre Schwingen,
Auf daß du lernst zu deinem Gott
Viel näher noch dich aufzuringen.
Denn wie du auch mit treuer Lieb'
Mich in die weite Welt entsandt,
(Mein Sänger mir das Wort vergieb!)
Ich trag' an mir der Mängel viel,
Die ich auf rauher Fahrt erkannt.
Und Mancher hat mir treu gesagt:
Ich stünde weit, noch weit vom Ziel,
Das auf dem Berg des Glaubens ragt,
In ewig hellem Sonnenstrahl;
Es ging mein Fuß noch halb im Thal,
Drob hie und da noch Nebel weht.
Du müßtest viel noch forschen lernen
Nach der Erkenntniß ew'gen Sternen,
Und viel noch üben das Gebet,
Und Jahrelang zur Höhe ringen,
Und wieder tief zur Tiefe dringen,
Bis du erreicht den heil'gen Schacht,
Daraus der Wahrheit Bronnen springen!
Ich hab' die Sendung nun vollbracht,
Die mir im Lenz dein Geist vertraute.
Bei Hunderten hab' ich die Laute,
Wie du es mich gelehrt, geschlagen; –
Mögst du nicht jauchzen, nicht verzagen!
Mögst du nur jetzt die Thränen all'
Als Perlen um die Harfe ketten!
Der frommen Worte Widerhall
In deiner Lieder Tiefen betten!
Auf daß bei jedem Harfenspiel
Der Schmerz der Erde sich dir zeige!
Und mahnend an dein hohes Ziel
Tief aus Gebet dein Lied entsteige!
Mich aber send' auf's Neu' hinaus,
Und gieb mir nochmal deinen Segen!
Es drängt mich fort von Haus zu Haus –
Gott ist mit mir auf meinen Wegen!
Leb' wohl! Indeß ich von dir singe:
Vertraue, bete, forsche, ringe!«
Da kniet sie hin, – noch ein Umfassen;
Und eh' ich's weiß, steh' ich verlassen.
Ich seh' hinaus zum Walde still,
Seh' auf die öde Herbstesflur;
Was ich auch anders denken will,
Ich hör' alleinzig Eines nur:
Als ob geheim aus der Natur,
Als ob aus tiefstem Herzensgrund,
Als ob vom ew'gen Himmelsrund
Es ernst und mahnend mich umfinge:
»Vertraue, bete, forsche, ringe!«
Im Herbst 1849.