Stanislaw Przybyszewski
Homo Sapiens
Stanislaw Przybyszewski

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XII.

Falk und Marit standen sich verlegen gegenüber. Er hatte sie vom Landweg aus am See entlang gehen sehen und sie eingeholt.

– Ich habe doch unglaublich scharfe Augen, sagte er, ihr die Hand reichend.

– Ja, das haben Sie; es war ziemlich schwer mich hier zu entdecken.

Schweigen.

Der Nachmittag neigte sich zum Abend; der Himmel war bewölkt, die Luft drückte.

Sie setzten sich ans Ufer; Falk schaute auf den See.

Merkwürdig, wie tief still das Wasser heute ist. Wissen Sie: diese Ruhe, diese schwere Ruhe, die schon jenseits aller Ruhe liegt, hab ich nur noch Einmal in meinem Leben gesehen.

– Wo war denn das?

– Ja, als ich in Norwegen war, an irgend einem Fjord; den Namen hab ich vergessen. O, es war unheimlich schön.

Wieder trat Schweigen ein.

Marit wurde unruhig.

– Wie sind Sie denn gestern nach Hause gekommen?

– Oh, sehr gut, sehr gut.

Das Gespräch wollte nicht vorwärts.

– Nein, Fräulein Marit, es ist doch zu schwül hier; im Zimmer ist es tausendmal besser.

Und sie gingen nach Hause.

Falk versuchte intim zu werden.

– Das sei gestern der herrlichste Abend gewesen, den er jemals erlebt.

Marit schwieg, sah ihn ängstlich an.

Falk verstand sie. Dieser stumme Widerstand störte ihn im höchsten Grade. Er mußte heute die Geschichte zum Abschluß bringen; er fühlte das als unabwendbares Verhängnis. Aber er war schlaff; er fühlte nicht die Energie, ihren Widerstand zu brechen.

Er mußte irgend ein Reizmittel haben. Ja, er kannte es; nach dem zweiten Glase fings ja immer an, in ihm zu gären und zu arbeiten, dann kam ihm die berauschende Kraft, die keine Hindernisse kennt.

– Marit, haben Sie nichts zu trinken? ich habe viel Staub geschluckt.

Marit brachte Wein.

Falk trank hastig.

Dann setzte er sich in den Armstuhl und sah sie starr an.

Marit schlug die Augen zu Boden.

– Aber was haben Sie, Fräulein Marit? ich kenne Sie gar nicht wieder. Haben Sie denn ein Verbrechen begangen? oder was ...

Marit sah ihn kummervoll an.

– Nein, Falk, Sie werden gut sein. Sie werden das nicht wieder tun. Die ganze Nacht durch hab ich mich so unerhört gequält. Sie sind ein furchtbarer Mensch.

– Bin ich? fragte Falk gedehnt; nein, was Sie sagen.

– Ja, Sie brauchen nicht zu spotten. Sie haben mir alles genommen. Ich kann nicht mehr beten. Fortwährend muß ich an die furchtbaren Worte denken, die Sie mir gesagt haben. Ich kann nicht mehr denken, immer höre ich Sie in mir sprechen. Sehen Sie: Sie haben mir die Religion, Sie haben mir die Scham genommen ...

– Nun, dann kann ich wohl gehen ...

– Nein, Erik, sein Sie gut, tun Sies nicht mehr; es quält mich so schrecklich. Tun Sie, was Sie wollen; höhnen Sie, spotten Sie; nur das nicht mehr – verlangen Sie es nicht mehr von mir.

Das kleine Kindergesicht war so vergrämt; ein schwerer Kummer sprach aus ihm, daß Falk unwillkürlich tiefes Mitleid empfand.

Er stand auf, küßte ihr schweigend die Hand und ging im Zimmer auf und ab.

– Gut, Marit; ich werde gut sein. Nur das Eine, Einzige: nenne mich Du. Siehst du, wir stehn uns doch so nah; wir sind am Ende wie Bruder und Schwester zu einander – du wirst es tun, nicht wahr?

Falk blieb vor ihr stehen.

– Ja, sie wolle versuchen, ob sie es fertig bringe.

– Denn siehst du, Marit: ich kann mir wirklich nicht helfen: ich liebe dich so, daß ich völlig von Sinnen bin. Siehst du, den ganzen Tag geh ich herum, nur mit dem Gedanken an dich. In den Nächten kann ich nicht schlafen. Ja, ich gehe herum, wie ein drehkrankes Schaf. Na, und dann: was soll ich tun? Ich muß selbstverständlich trinken gehen, um mich zu beruhigen. Dann sitz ich unter diesen blödsinnigen Menschen in der Kneipe und höre sie das dumme Zeug reden, bis ich körperlichen Schmerz empfinde, und dann geh ich weg, und dann von neuem dieselbe Qual, dieselbe Unruhe ...

Nein, mein Täubchen, du kannst nichts dafür; ich weiß. Ich mache dir auch keine Vorwürfe; aber du zerstörst mich einfach.

Ja, ich weiß. Ich weiß, du könntest mir alles geben; alles. Nur das Eine, Einzige, das die Größe der Liebe ausmacht, das überhaupt ein Unterpfand der Liebe ist: nur das nicht.

Ja, siehst du, du kannst reden, was du willst, aber wir stehen hier einfach vor dem einzigen Dilemma: Ist die Liebe nicht groß, dann hat sie selbstverständlich Vorbehalte, Bedingungen, Voraussetzungen. Ist die Liebe groß, d. h. ist sie wirklich Liebe – denn das andere ist keine Liebe: eine Liebschaft, eine Neigung, was du willst, nur keine Liebe – also, ich meine: ist Liebe Liebe, dann kennt sie keine Vorbehalte, keine Skrupel, keine Scham. Sie gibt einfach alles. Sie ist vernunftlos, skrupellos. Sie ist weder erhaben, noch niedrig. Sie hat keine Verdienste noch Makel. Sie ist eben Natur; groß, gewaltig, machtvoll, wie die Natur selbst.

Falk kam in Stimmung.

Ja, ich liebe unendlich diese Naturen, diese kühnen, mächtigen Gewaltnaturen, die alles niederreißen, zertreten, um dahin zu gehen, wohin sie die Instinkte stoßen, denn dann sind sie wirklich Menschen; das Innerste, das große Heiligtum der Menschheit sind die starken, mächtigen Instinkte.

O, ich liebe diese Adelsmenschen, die Mut genug und Würde haben, ihren Instinkten zu folgen; ich verachte unendlich die Schwachen, die Moralischen, die Sklaven, die keine Instinkte haben dürfen!

Er blieb vor ihr stehen; sein Gesicht kleidete sich in ein höhnendes, schmerzliches Lächeln.

– Mein gutes, teures Kind; ein Adlerweibchen wollt ich haben, mit mir in meine wilde Einsamkeit hinauf, und bekam ein Täubchen, das noch obendrein verrostete blödsinnige Moral-Fußketten an hat; eine Löwin wollt ich und bekam ein ängstliches Kaninchen, das beständig tut, als sehe es den aufgesperrten Rachen einer Riesenschlange vor sich.

Nein, mein Täubchen, mein Kaninchen – Falk lachte höhnisch – hab keine Angst; ich werde dir nichts tun.

Marit brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus.

– Marit! um Gotteswillen, weine nicht! Herrgott, weine nicht! Ich werde ganz verrückt, wenn du so weiter weinst! Ich wollte dir nicht wehtun, aber alles zittert, stöhnt in mir – nach dir, nach dir, mein süßer, heiliger Liebling.

Marit schluchzte unaufhörlich.

– Nein, Marit, laß! Ich werde dir so wunderbare Dinge erzählen. Ich werde dir alles geben. Ich werde nun so gut, so gut sein.

Falk kniete hin; er küßte ihr das Kleid, die Arme, er nahm ihr die Hände vom Gesicht, küßte ihr die Tränen von den Fingern leidenschaftlich.

– Weine nicht – weine nicht!

Er umschlang sie, zog sie an sich, küßte ihr die Augen, preßte ihr Gesicht in seine Arme, streichelte und küßte ihren blonden Kopf.

– Mein teures, süßes Kind – mein einziger Liebling – mein ...

Sie preßte sich an ihn; ihre Lippen fanden sich in einem langen, wilden, ächzenden Kuß.

Sie riß sich endlich los.

Falk stand auf.

– Nun ist alles gut! Lach mir ein bißchen! lach, mein Liebling, lach.

Sie versuchte zu lächeln.

Falk schien sehr lustig zu sein; er erzählte eine Menge Anekdoten, machte gute und schlechte Witze, plötzlich trat eine Pause ein. Eine schwüle Unruhe schwoll wie eine Luftwelle an und schien das ganze Zimmer zu erfüllen. Beide sahen sich scheu in die Augen und atmeten schwer.

Es dunkelte. Ein Dienstmädchen kam und rief Marit weg.

Falk stierte ihr nach.

In seiner Seele empfand er plötzlich eine gierige Grausamkeit. Es war da etwas Hartes, Verbissenes; es war da ein Stein, der rollte, der wußte, daß er in einen Abgrund stürzt, aber der wußte, daß er fallen muß.

Es wurde dunkler und dunkler im Zimmer; die kurze Dämmerung färbte alles ringsum mit schweren, schwimmenden Schatten.

Der Himmel war bewölkt; es war unerträglich schwül.

Falk stand auf und ging unruhig auf und ab. Marit blieb so lange aus!

– Bitte zu Tisch!

Falk schrak auf. Mitten in sein Grübeln war die Stimme gefallen, wie losgerissen vom Körper; eine Stimme, schwebend in der Luft und plötzlich lautbar.

– Nein, du darfst mich nicht so erschrecken, liebe Marit ... ja, ich bin doch beinah zu nervös.

Er nahm Marits Arm und preßte ihn an sich; sie küßten sich.

– Sst ... Mein Bruder ist auch da.

Bei Tisch erzählte Falk wieder; weder er noch Marit konnte etwas essen. Umso eifriger aß der kleine Bruder, dabei ganz in seinen Katechismus versunken. Sie ließen ihn bald allein.

Sie kamen wieder in den Salon zurück. Auf dem Tisch brannte die Lampe und füllte das Zimmer mit Licht.

– Ob sie nicht einen Lampenschirm habe? Er könne das brutale Licht nicht vertragen.

Marit brachte den Schirm.

Das Gespräch stockte fortwährend.

– Du darfst mir nicht übel nehmen, Marit, wenn ich heute länger bei dir bleibe. Ich kann ja doch nicht schlafen; und dann, weißt du, wenn ich so allein bin ... hm ... Ich störe dich doch nicht?

Marits Gesicht färbte sich mit hektischer Röte. Sie konnte nicht sprechen; sie nickte ihm nur zu.

Sie saßen eine Weile schweigend. Das ganze Dorf schlief. Das große Haus war wie ausgestorben. Das Gesinde hatte sich schon zur Ruhe gelegt. Die Schwüle war fast unerträglich. Eine stickige Ruhe lastete auf beiden, die dumpfe Luft draußen drückte bis ins Zimmer, und das regelmäßige Ticken der Uhr verursachte beinah einen körperlichen Schmerz.

– Es ist merkwürdig, wie man hier einsam ist; es ist unheimlich. Hast du nicht manchmal Angst, wenn du so ganz allein in diesem großen Hause bist?

– O ja, ich empfinde es furchtbar stark. Manchmal fühle ich mich hier so einsam und so verlassen, als wär ich ganz allein auf der Welt. Dann bekomme ich eine so gräßliche Angst, daß ich mich in die Erde vergraben möchte.

– Aber heute fühlst du dich nicht verlassen?

– Nein!

Wieder trat eine Pause ein; eine lange, schweratmige Pause.

– Hör mal, Marit, hast du noch die Gedichte, die ich dir im vorigen Frühling geschrieben habe? Ich möchte sie so gerne wieder lesen.

– Ja, ich habe sie auf meinem Zimmer; ich werde sie sofort herunterholen.

– Nein, Marit; ich werde mit hinaufgehen. Es ist viel gemütlicher in deinem Zimmer; so wunderbar gemütlich. Hier ist es so unheimlich, und ich, siehst du, bin sehr, sehr nervös.

– Ja, aber, es könnte jemand hören, daß du mit gehst; das würde mir schrecklich sein.

– O, er werde ganz still, ganz leise gehen; kein Mensch solle ihn hören. Übrigens schlafe das ganze Haus.

Sie sträubte sich noch.

– Süßes Täubchen, du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich werde dir nichts tun – nichts, gar nichts. Ich werde still neben dir sitzen und die Gedichte lesen.

Es donnerte.

– Ja, ganz still; und wenn das Gewitter vorbei ist, werd ich ruhig nach Hause gehen ...

Sie traten in Marits Zimmer; sie fühlten sich wie festgewurzelt. Es war zwischen ihnen eine Atmosphäre, die zu leben schien.

Plötzlich fühlte sich Marit von ihm umschlungen. Vor ihren Augen quirlten feurige Blasen, wieder sah sie das heiße Jauchzen über dem Abgrund tanzen, sie flocht ihre Arme um ihn und stürzte sich kopfüber in das grausige Glück.

Auf einmal schrak sie hoch.

– Nein, Erik! nur das nicht ... Erik, nein! Nein!

Sie keuchte.

Falk ließ sie los.

Er bewältigte sich mühsam.

Eine lange Pause.

– Hör mal Marit – seine Stimme klang rauh und hart – nun müssen wir uns trennen. Siehst du, du bist feig. Du bist ein Täubchen, ein Kaninchen; und ich bin ein guter Mensch. Ich bin der gute, liebe Erik. Nun, Marit, du hast nicht den Mut, mir zu sagen: Geh, laß mir mein reines Gewissen, laß mir die blödsinnige Jungfräulichkeit. Diesen Mut hast du nicht. Nun bin ich aber ein Mann; und so geh ich; mag kommen, was will.

Ja, ich gehe. Ich lasse dir deine Moral, ich lasse dir dein religiöses Gewissen, ich lasse dir deine Jungfräulichkeit, und erspare dir die sogenannte Sünde. Nun sei glücklich; sehr, sehr glücklich ...

Das Gewitter wurde lauter; im Fenster sah man grüne Furchen von Blitzen.

Falk wandte sich zur Tür.

– Erik, Erik, wie kannst du so grausam, so tierisch grausam sein?!

Der ganze mühsam unterdrückte Jammer ihrer Seele brach empor. Sie krümmte sich vor Schmerz.

– Erik! Erik! wimmerte sie.

Falk kriegte eine wahnsinnige Angst.

Er lief zu ihr, nahm den zuckenden Mädchenkörper in die Arme.

– Nein, Marit, nein; es ist ja Wahnsinn. Ich bleibe bei dir. Ich werde dich niemals verlassen. Ich kann ja nicht weg von dir. Siehst du, ich glaubte, ich könnte. Aber ich kann nicht. Ich muß bei dir sein; ich muß. Ich werde dich niemals verlassen. Nein, Marit; du mein einziges Glück.

Der Donner wälzte sich immer näher.

– Ich bleibe immer bei dir. Immer. Ewig. Du bist mein Weib, meine Braut, alles, alles.

Eine wüste Inbrunst fing in seinem Kopf zu wirbeln an.

Und er wiegte sie in seinen Armen hin und her und sprach unaufhörlich von dem großen Glück, und vergaß alles.

– Ja, ich werde dich glücklich machen ... so glücklich ... so glücklich ...

Eine Sturzregenwelle klatschte gegen die Fensterscheiben.

Nun waren sie wirklich allein in der Welt. Der Regen, die Blitze umgitterten sie.

Marit umschlang ihn.

– Erik, wie gut, wie gut du bist! Ja: nicht weg! Wir bleiben immer zusammen. Wir werden so glücklich sein.

– Wir bleiben immer zusammen! wiederholte Falk, wie abwesend.

Plötzlich kam er zur Besinnung. Wieder fühlte er das Harte, Grausame in sich, den Stein, der in Abgründe stürzt.

Er preßte sie fester und fester.

Sie hörten nicht das Donnern, sie sahen nicht das Feuer des Himmels. Alles drehte sich, alles verschmolz zu einer großen, tanzenden Feuerkugel.

Falk nahm sie ...

Das Gewitter schien sich verziehen zu wollen. Es war drei Uhr morgens.

– Nun mußt du gehen!

– Ja.

– Aber nicht auf der Landstraße. Du mußt am See entlang gehn und dann über den Klosterzaun klettern. Man könnte dich sonst sehen, und morgen würde die ganze Stadt davon reden.

Als Falk an den See kam, zog ein neues Gewitter herauf.

Er sollte sich eigentlich irgendwo unterstellen. Aber er hatte keine Energie dazu. Es war ja übrigens auch gleichgültig, ob er ein bißchen naß würde.

Der Himmel bedeckte sich mit dickem Gewölk; die Wolken ballten sich zusehends zu schwarzen, hängenden Massen.

Ein langer, krachender Donner folgte auf einen Blitz, der wie ein glühender Graben den ganzen Himmel auseinanderriß.

Wieder ein Blitz und Donner, und dann ein Platzregen wie ein Wolkenbruch.

Im Nu fühlte Falk Wasserströme über seinen Körper schießen. Es war aber kein sonderlich unangenehmes Gefühl.

Plötzlich sah er eine ungeheure Feuergarbe aus dem Wolkenhaufen spritzen; er sah sie sich in sieben Blitze spalten und im selben Augenblick eine Weide lichterloh in Flammen stehen. Sie war von oben bis unten zerfetzt und fiel auseinander.

– Leben und Zerstörung!

Der Schreck hatte seine Logik aufgerüttelt; er mußte auch das Angstgefühl beschwichtigen, das schon wieder in ihm hoch wollte.

– Ja, freilich, hm: Zerstörung muß es geben.

Marit ... Ja ... zerstört ...

Falk hatte plötzlich dieses deutliche, blitzhelle, visionäre Bewußtsein, daß er Marit zerstört habe.

– Warum auch nicht? Ich bin Natur und zerstöre und gebe Leben. Ich schreite über tausend Leichen: weil ich muß! Und ich zeuge Leben über Leben: weil ich muß!

Ich bin nicht Ich. Ich bin Du – Gott, Welt, Natur – oder was du bist, du ewiger Blödsinn, ewiger Hohn.

Ich bin kein Mensch. Ich bin der Übermensch: gewissenlos, grausam, herrlich und gütig. Ich bin Natur: ich habe kein Gewissen, sie hat es nicht ... ich habe keine Barmherzigkeit, sie hat keine ...

– Ja: der Übermensch bin ich.

Falk schrie die Worte.

Und er sah sich als die tödliche Feuergarbe, die da aus dem schwarzen Gewölk gespritzt war: in sieben Blitze hatte er sich gespalten und ein Täubchen am Wege zerfetzt. In tausend Blitze müsse er sich noch spalten und noch tausend Täubchen, tausend Kaninchen zerreißen, und so werde er ewig gehen und zeugen und töten.

Weil es nötig ist.

Weil ich muß.

Weil meine Instinkte es wollen.

Weil ich ein Nicht-Ich bin, ein Übermensch.

Braucht man sich darum zu quälen?

Lächerlich!

Weiß der Blitz, warum er tötet? – Und hat er Verstand, kann er seine Brunst lenken?

Nein! Nur konstatieren, daß er dort und dort eingeschlagen hat.

Ja: konstatieren, protokollieren – wie Sie wollen, Herr X.

Und ich konstatiere und protokolliere, daß ich heute ein Täubchen getötet habe ...

Die Atmosphäre war so mit Elektrizität überladen, daß um ihn her ein Meer von Feuer zu schwanken schien.

Und er ging, eingehüllt in den wilden Sturm; er ging und grübelte.

Und mitten in diesem Zorn des Himmels ging er selbst als eine zürnende, unheimliche Macht einher, ein Satan, auf die Erde geschickt mit einer Hölle von Qualen, neue schaffende Zerstörung über sie auszusäen.

Plötzlich blieb er vor der Schlucht stehen.

Sie war ganz mit Wasser gefüllt. Ein Gießbach schien entsprungen zu sein und strömte reißend dem See zu.

Umgehen konnte er ihn nicht; da würde er auf die verfluchte Landstraße kommen.

Übrigens ist es ja gleichgültig: bißchen mehr Wasser, bißchen mehr Schüttelfrost und Fieber: nein, das tut nichts.

Das tut alles nichts. Alles ist gleichgültig; ganz, ganz gleichgültig.

Und er watete durch den Gießbach.

Das Wasser reichte ihm bis über die Knie.

Als Falk nach Hause kam und sich zu Bette legte, fiel er in ein heftiges Delirium; die ganze Nacht lag er und warf sich hin und her in den wüstesten Fieberphantasien.


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