Poggio Fiorentino
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2.
Von einem Arzt, der Narren und Irrsinnige heilte.

Mehrere von uns unterhielten sich einmal über die überflüssige Sorge, um nicht zu sagen Verrücktheit, mancher Leute, die sich Hunde und Falken für die Vogeljagd halten, als Paolo aus Florenz sagte: »Da spottete jener Narr aus Mailand eigentlich mit Recht über sie.« Wir baten ihn, uns die Geschichte zu erzählen, und er begann: »Es gab einmal in Mailand einen Arzt der Irren und Blödsinnigen, der es übernahm, die ihm anvertrauten Kranken innerhalb einer bestimmen Frist zu heilen. Sein Verfahren aber war folgendes: Er hatte in seinem Hause einen Hof und darin einen Tümpel voll stinkenden und schmutzigen Wassers, in welchem Pfähle standen, an die er die ihm zugeführten Geisteskranken band; einige kamen bis an die Knie hinein, andere bis zu den Hüften, einzelne noch tiefer, je nach der Schwere des Übels, und er weichte sie dort so lange durch Wasser und Hunger ein, bis sie ihm wieder gesund zu sein schienen. Unter anderen wurde ihm einmal einer gebracht, den er bis zu den Oberschenkeln ins Wasser tauchte, und der nach vierzehn Tagen wieder zu Verstand zu kommen begann und den Arzt bat, ihn aus 8 dem Pfuhl herauszulassen. Dieser befreite ihn von der Marter, doch unter der Bedingung, daß er den Hof nicht verlasse. Und als er einige Tage lang gehorcht hatte, erhielt er die Erlaubnis, im ganzen Hause frei umherzugehen, durfte jedoch nicht aus der Haustür heraustreten. Seine Leidensgenossen, und es war eine größere Anzahl da, mußten im Wasser bleiben. Er selbst aber beobachtete sorgfältig die Befehle des Arztes.

Als er eines schönen Tages in der Haustür stand und aus Furcht vor dem Wasserloch nicht auf die Straße hinauszutreten wagte, sah er einen jungen Reiter mit einem Falken auf der Faust und von zwei Spürhunden gefolgt nahen und rief ihn, erstaunt über das Neuartige des Anblicks – denn er erinnerte sich nicht mehr der Dinge, die er vorher, als er noch geisteskrank war, gesehen hatte – heran. »He du!« rief er dem Reiter zu, als dieser sich näherte, »hör, bitte, einen Augenblick und antworte mir, wenn's dir gefällig ist: was ist das für ein Ding, auf dem du sitzt, und zu welchem Zweck hältst du dir's?« »Das ist ein Pferd,« antwortete der Reiter, »und ich brauche es zur Vogeljagd.« »Und wie nennt man das, was du auf der Hand trägst, und wozu ist es gut?« fragte der Narr weiter. »Das ist ein Falke, abgerichtet zur Jagd auf 9 Wildenten und Rebhühner.« »Und deine Begleiter, was ist mit denen, sag, und wozu dienen sie dir?« »Das sind Jagdhunde, und man stöbert mit ihnen die Vögel auf.« »Ja, und wieviel sind diese Vögel, zu deren Jagd du soviel Dinge bereit hältst, wert, wenn du die Beute eines ganzen Jahres zusammenrechnest?« »Das kann ich nicht recht sagen, aber ich glaube kaum mehr als sechs Dukaten.« »Und wieviel gibst du für das Pferd, die Hunde und den Falken aus?« »Fünfzig Dukaten.« Da rief er erstaunt über die Narrheit des jungen Reiters: »Ho! ho! Mach, daß du schnell von hier wegkommst, bevor der Arzt nach Hause zurückkehrt; denn wenn er dich hier findet, wird er dich als den närrischsten aller Menschen zu den übrigen Verrückten in den Tümpel tun, um dich zu heilen, aber noch tiefer als alle anderen: bis ans Kinn ins Wasser stecken.« Er zeigte damit, daß die Jagdleidenschaft eine große Narrheit ist, außer hie und da für die Reichen, und wenn man ihrer zur Übung des Körpers frönt.«

 


 


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