Friedrich Nicolai
Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker
Friedrich Nicolai

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Siebenter Abschnitt.

Säugling kam so spät nach Hause, daß er seinen Vater diesen Abend nicht sprechen konnte. Nach einer Nacht voll unruhiges Schlafs, ließ er bey frühem Morgen seinen Paßgänger satteln, und ritt ganz allein nach dem Hause im Walde. Wie ihn Mariane, in deren Herzen, nach langem freudelosen Harren, die heißeste Liebe wallte, empfangen habe, kann nicht beschrieben werden, und ist nicht nöthig zu beschreiben. Beide waren im ersten Taumel wechselseitig gestandener Liebe, wo jedes halbgestammelte Wort Entzückung ist, jeder Blick ein Gelübd, diese Entzückung solle ewig dauern. Ihre gestrige Zusage, einander ewig treu zu bleiben, ward durch den heißesten Kuß besiegelt. Säugling steckte ihr einen brillantenen Ring an den Finger, der, wenn man eine kleine Feder drückte, aufsprang, und ein Sinnbild entdeckte, mit der Ueberschrift: Ewig getreu. Mariane schenkte ihm eben den kleinen Demantring in Form eines flammenden Herzens, den ihre Mutter einst ihrem Vater, am Tage ihrer Verlobung gabS. Wilhelmine S. 50., und den sie bisher, als ein werthes Andenken, an ihrem Finger getragen hatte.

Auf diese Art kam der Mittag heran, da sie ein ländliches Mahl unter den bäurischen Glückwünschungen der ehrlichen Hausleute, mit herzlicheren Wohlgeschmacke verzehrten, als die theure Küche des liebemangelnden Schwelgers gewähren kann.

Erst Nachmittags, konnte Mariane ihrem Säugling Rambolds Betrug, wovon sie freylich den schändlichsten Theil nicht wußte, ausführlich erzählen. In den ersten wonnetrunknen Ausbrüchen der Liebe, hatte sie ihn kaum mit wenig Worten berührt. Beide entbrannten über seine niederträchtige Erdichtung, wodurch ihr Glück so lange war zurückgehalten worden. Als ihr Unmuth gegen ihn aufs höchste gestiegen war, sahen sie ihn, unvermuthet, selbst ankommen, um einen seiner gewöhnlichen Besuche abzulegen. Er war nicht wenig betroffen, Säuglingen zu finden, und wollte sich erst mit seiner gewöhnlichen Hohnneckerey heraushelfen; da ihm aber, sowohl von Säuglingen als von Marianen, seine Niederträchtigkeit mit den bittersten Worten vorgeworfen ward, brachte ihn der Zorn darüber, und der Verdruß, sein Projekt gänzlich mißlungen zu sehen, so ausser aller Fassung, daß er unversehens, und fast ehe Säugling sich in Vertheidigung setzen konnte, mit bloßem Degen über ihn herfiel. Mariane warf sich zwischen beide, aber vielleicht würde dieß dem erboßten Rambold doch nicht Einhalt gethan haben, wenn nicht der alte Hauswirth, welcher ein Zeuge dieses Auftritts war, der auf einem grünen Platze vor dem Hause vorgieng, mit einem Hebebaume, so wirksam nach Rambolds Schulter gefahren wäre, daß dieser sein Schwert einsteckte, und unter vielen Flüchen, sein Pferd wieder bestieg und davon jagte.

Dieser Vorfall, unterbrach in etwas das Vergnügen dieses Tages. Als sich aber Mariane von ihrem Schrecken erholet hatte, ward er ein Quell noch zärtlicherer Empfindungen. Beide verlobten sich in der Vorstellung des Glücks einer ewigen Verbindung, wozu Säugling, als er spät gegen Abend endlich Abschied nehmen mußte, die Einwilligung seines Vaters, in möglichstes Geschwindigkeit zu erlangen versprach.

Ende des achten Buchs.


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