Friedrich Nicolai
Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker
Friedrich Nicolai

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Sechster Abschnitt.

Einsmals, nach dem Mittagsessen, hatte Herr F. vom Sebaldus die ausführliche Erzählung seiner Schicksale verlangt. Als sie geendigt war, schlug Hr. F. weil es einer von den schönen Herbsttagen war, die, unter diesem Himmelsstriche, oft den Sommertagen weit vorzuziehen sind, einen Spaziergang auf den Weidendamm vor. Sebaldus war über die Schönheit dieses Spaziergangs entzückt. Mitten in einer bewohnten weitläuftigen Stadt erblickte er eine große grünende Wiese, mit Weiden bekränzt, hoch und belaubt, wie sonst nur Ulmen und Linden zu seyn pflegen;Im Jahre 1772 ist ein Theil dieser Wiese bebauet worden, aber die schönen Weidenbäume sind glücklicherweise stehen geblieben, von denen der Naturkundiger Schreber sagt: daß er sie, von solcher Höhe und Schönheit, auf seinen Reisen noch nirgend gesehen habe. dieser ländlichen Scene gegenüber, Gärten und Gartenhäuser, Werke der Kunst, ohne Pracht aber anmuthig, zwischen beiderley Aussichten den silberreinen Spreestrom, von Schwänen bewohnt. Er genoß ganz das Vergnügen dieses reizenden Anblicks, er wollte es seinem Gesellschafter mittheilen, aber nun ward er erst gewahr, daß derselbe in tiefen Gedanken einher gieng, und anstatt auf seine entzückten Ausrufungen zu antworten, einigemal tief seufzete.

»Was fehlt Ihnen? fragte ihn Sebaldus, Sie scheinen ganz tiefsinnig zu seyn.«

»Ihre Geschichte, antwortete Hr. F. bringt mir das ganze finstere Gemälde der Intoleranz und der Priestergewalt lebhaft wieder zu Gemüthe. Ich bin selbst ein Opfer derselben gewesen. Ich habe erfahren, was es heiße, seine gesunde Vernunft unter den Gehorsam vorgeschriebener symbolischer Bücher gefangen zu nehmen; ich habe erfahren, welchen bequemen Vorwand solche Vorschriften herrschsüchtigen und eigennützigen Geistlichen darbieten, um ihre Absichten in der Stille auszuführen; ich habe erfahren wie bitter der Haß ist, den sie augenblicklich gegen jeden, den sie einer Abweichung zeihen können, erregen können, so lange das Volk in der Meinung unterhalten wird, daß solche Vorschriften unwiederruflich fest stehen bleiben müssen.«

Sebaldus war begierig diese Geschichte zu hören, und Hr. F. erzählte sie folgendermaßen.

»Ich war in meinen jüngern Jahren dritter Diakon an der Kirche einer Stadt eines kleinen Fürstenthums. Ich lebte vergnügt, ich hatte Freunde. Der Superintendent war ein ganz feiner Mann, der in verschiedenen Arten der Gelehrsamkeit nicht fremd war. Ich konnte mich mit ihm unterhalten, wir unterredeten uns oft von Verbesserung der Mängel der Religion; denn ob er gleich nichts dazu beizutragen Lust hatte, so mochte er doch gern, unter vier Augen, davon sprechen. Er freuete sich, daß ich selbst dächte. Ich durfte ihm meine Zweifel vortragen, und da ich oft mit seinen Beantwortungen zufrieden war, so gewann er mich lieb. Die Hauptneigung dieses alten Mannes war die Naturgeschichte, und zwar hauptsächlich die Nomenklatur und Klassifikation derselben, welches nun freylich eben nicht meine Neigung war. Er wollte mich belohnen, indem er mich zum Mitgliede einer Gesellschaft aufnehmen ließ, welche er mit dem Bürgermeister, dem Konrektor und dem Apotheker errichtet hatte. Diese sammleten Insekten, Vögel, Steine, Versteinerungen, Mineralien, tauschten mit benachbarten Liebhabern, brachten Kabinette zusammen, ordneten sie bald nach diesem bald nach jenem Systeme, lasen sich lange Abhandlungen darüber vor, wozu der Superintendent die Theologie lieh, und keinen Insektenflügel, keine Vogelklaue, oder Quarzdruse, ohne erbauliche Nutzanwendung ließ. Dieß war alles ganz gut, nur daß es für mich ein wenig langweilig war. Ich fieng also nach einiger Zeit an, seltener in die Gesellschaft zu kommen, und vermied, so viel ich konnte, mit auf die Insektenjacht zu gehen. Hierüber bekam ich einen Verweis vom Superintendenten; denn so freundschaftlich er war, hatte er doch den kleinen Fehler, daß er sich derer ganz bemächtigte, die er in Affektion genommen hatte. Er ordnete ihre Studien an, er bestellte ihr Hauswesen, er erdachte für sie die Vergnügungen, die sie sich machen sollten, und er hatte für alles weise Gründe anzuführen, denen man nicht widersprechen durfte. Ich durfte mir also nicht merken lassen, daß Sammlereyen und Klassifikationstabellen, wie er sie liebte, für mich sehr wenig Reiz hatten, sonderlich wenn dabey bloß die Augen und das Gedächtniß, keinesweges aber der Verstand, beschäfftigt ist. Hingegen mußte ich geduldig zuhören, wenn er mir, als eine väterliche Weisung, einprägte: ›daß Spekulation den Geist nicht bessere, daß man, bey tiefsinnigen Untersuchungen über Raum und Zeit, ein Deist bleiben könne, daß hingegen durch Walpurpergers kosmotheologische BetrachtungenEin Buch in vier dicken Quartbänden. schon mancher Freygeist bekehret worden sey.‹ Er stichelte mit solchen Worten zugleich auf den Umgang, den ich mit einem jungen Officier angefangen hatte, einem Jünglinge, der gute Gaben und gute Gesinnungen hatte, der, ob er gleich ein wackerer Soldat war, gleichwohl die Wissenschaften liebte, und sich, gleich mir, gern mit philosophischen und moralischen Untersuchungen beschäfftigte. Dieser Umgang hatte auf keine Weise den Beyfall des Superintendenten; denn weil er von der Würde des geistlichen Standes einen sehr hohen Begriff hatte, so wollte er, daß ein Geistlicher nur mit Personen seines eignen Standes, oder mit andern alten ernsthaften angesehenen Männern umgehen sollte. Er verlangte, jeder Schritt sollte verrathen, daß er zu den Lehrern des menschlichen Geschlechts gehöre; er verlangte, daß er, mehr als alles, vermeiden solte, sich auf irgend eine Art zu kompromittiren; daß er sich beständig bedächtig anstellen, und sogar auf der Straße langsamer gehen solte, als die Layen. Ich war freylich anderer Meinung. Ich bildete mir ein, es wäre sehr nützlich, wenn ein Geistlicher sich im Umgange nicht auf Personen seines Standes einschränkte, sondern auch öfters mit Weltleuten umgienge; ich glaubte, er würde dadurch ein gewisses steifes Wesen ablegen, das man von der Universität, und aus dem Kandidatenstande mitbringt; er würde, wenn er die mannichfaltigen Einsichten und Verdienste von Personen anderer Stände oft vor Augen hätte, sich den Lehrerton abgewöhnen, der bey verständigen Leuten den Prediger nie würdiger macht, oft aber wohl zur Zurückhaltung und zum Kaltsinn Anlaß giebt; er würde, wenn er sich der Sitten, Beschäfftigungen, Vergnügungen, die andere Menschen haben, nicht schämte, weit eher ihr Zutrauen erhalten, er würde sie genauer kennen, und folglich auch ihren Gemüthszustand besser beurtheilen lernen, als wenn er bloß mit Leuten umgienge, die mit ihm aus eben demselben Kompendium der theologischen Moral raisonniren, in welchem nicht selten Dinge als ausgemachte Wahrheiten behauptet werden, die oft ein einziger Blick in die Natur des Menschen, und in den Lauf der Welt, widerlegt.

Dieß waren die Vortheile, die ich mir von der Freundschaft mit dem jungen Officier, und von den ausgesuchten Gesellschaften versprach, in die er mich zuweilen führte. Indessen brachte dieser mein weltlicher Umgang mir bey dem Superintendenten ungezweifelten Nachtheil. So wie ich den Zirkel überschritt, den er mir angewiesen hatte, ward er kälter und feierlicher gegen mich, und, ohne daß er sich gegen mich deutlich erklärte, konnte ich wohl merken, daß seine Zuneigung gegen mich abgenommen hatte.

Mein Unstern trieb mich endlich, ein Buch zu schreiben, worinn ich mich über gewisse dogmatische und moralische Materien, über die ich lange und reiflich nachgedacht hatte, freymüthig erklärte. Dieß machte im Städtchen Aufsehen. Weder der Superintendent, noch meine übrigen Kollegen, nebst ihren Vorfahren seit drey Generationen, hatten jemals ein Buch geschrieben. Man hielt mich also für naseweise, daß ich, als der jüngste Diakon, hierinn eine Neuerung machen wollte. Selbst der Superintendent billigte diesen Schritt nicht, besonders war ihm die dreiste und freymüthige Art, mit der ich verjährte Vorurtheile angegriffen hatte, sehr mißfällig.

Vergebens erinnerte ich ihn, daß dieses eben die Sätze wären, über deren Richtigkeit wir oft in unsern Unterredungen übereingekommen wären, und die ich zum Theil oft aus seinem eigenen Munde gehört hätte.

›Das war ganz etwas anders, versetzte er, etwas erhitzt: dergleichen Sachen kann man wohl unter vier Augen untersuchen, aber man muß sie nicht öffentlich sagen. Und Sie am wenigsten, als ein Prediger, hätten sich hierüber so positiv erklären sollen. Wir müssen uns dem Urtheile des gemeinen Haufens nicht bloß stellen, er erschrickt über ungewohnte Wahrheiten, und wir verlieren das Zutrauen, das wir zu seiner Besserung anwenden könnten. Wenn ein Prediger Zweifel über dogmatische Sätze hat, so ists am besten, daß er sie ganz verschweige, aufs höchste kann er lateinisch darüber schreiben, für gelehrte Theologen, die davon so viel in die Welt können kommen lassen, als sie nöthig finden.‹

Vergebens stellte ich ihm vor, wie nöthig es wäre, daß der große Haufen über gewisse Wahrheiten belehret würde; vergebens bemerkte ich, daß viele Zweifel deßhalb nicht unbekannt blieben, wenn auch die Gottesgelehrten davon schwiegen, weil sie den Weltleuten oft aus andern Büchern, und durch Unterhaltungen mit denkenden Köpfen, schon längst bekannt geworden wären, und wenn sie nicht näher beleuchtet und erörtert würden, zuweilen noch weit mehr Schaden thun könnten. Ich wollte noch weiter gehen, ich wollte ihm zeigen, daß ich es an der nöthigen Klugheit nicht hätte ermangeln lassen, sondern verschiedene Gedanken verschwiegen hätte, die ich öffentlich bekannt zu machen noch nicht für rathsam hielte. Ich entdeckte ihm einige, sie gefielen ihm nicht, er wollte mich widerlegen, ich suchte mich zu vertheidigen, und was das schlimmste war, ich hatte Recht, und er ward hitzig, nahm ein saures Amtsgesicht an, that einen Machtspruch, und brach das Gespräch ab.

Der gute alte Mann, sah es zwar sehr gern, wenn andere frey dachten, so weit, als er sich selbst das Ziel gesteckt hatte; aber denjenigen, der nur Einen Schritt weiter gehen wollte, verachtete und haßte er noch mehr, als den, der alles beym Alten ließ. Er hat es mir nachher nie vergeben können, daß ich hatte weiter sehen wollen, als er. Es war ferner auf keine Freundschaft zu rechnen. Er mißbilligte öffentlich mein Buch, um sich zugleich selbst desto kräftiger vor dem Verdachte der Heterodoxie zu sichern, und machte dadurch meinen Kollegen mehrern Muth, die schon längst den jungen gelehrten Diakon mit scheelen Augen angesehen hatten. Man vermied mich, man lud mich ferner nicht zu den gewöhnlichen Zusammenkünften ein, und ich blieb ganz einzeln, mit meinem Freunde dem Officier.

Ich hatte nur ein sehr kümmerliches Auskommen. Man weiß, wie schlecht überhaupt die festgesetzte Geldeinnahme der Prediger ist. Ihr hauptsächlicher Unterhalt beruht auf zufälligen Einkünften, besonders auf dem Beichtgelde. Zu der Zeit, da die Layen glaubten, daß sie die Vergebung der Sünden bloß von dem Priester, durch Beichte und Absolution, erhalten könnten, wandten sie auf eine so nöthige Waare freylich schon ein Erkleckliches. Nachdem man ihnen aber, in Schriften und von den Kanzeln, so nachdrücklich eingeprägt hat, daß, ohne wahre Besserung des Herzens, die Absolution gar keine Kraft habe, so hat die große Menge, welche nie Willens gewesen ist sich zu bessern, gemerkt, daß sie ihr Geld für eine leere Ceremonie ausgäbe, und hat theils die Absolution viel seltener verlangt, theils viel kärglicher bezahlt. Da nun also hierauf gar nicht mehr zu rechnen war, so konnten wohlgesinnte gelehrte Prediger, die nur ihre Pflichten zu erfüllen suchten, ganz ruhig darben, aber ökonomische Prediger, die ihr Amt als eine Art von Pachtung betrachteten, die sie aufs beste zu nutzen suchen wollten, sahen sich zu einer ganz andern Art von Industrie genöthigt. Sie fiengen an in die Häuser zu gehen, sich ihren Pfarrkindern nothwendig zu machen, sich nach ihrem Hauswesen zu erkundigen, ihre Zwistigkeiten zu erforschen, damit sie sie schlichten könnten, und durch fromme Unterredungen das Zutrauen der reichen Bürgerweiber zu gewinnen. Die Bürger, welche nun merkten, daß der Pfarrer etwas fürs Geld that, bezahlten ihn auch reichlicher, der gelegentlichen Braten, Kuchen, Zuckerhüte, Magenmorschellen und anderer Geschenke nicht zu gedenken. Ohne diese Priesterkünste würde ein ehrlicher Bürgerssohn, der im geistlichen Stande nur ein gemächliches Leben suchte, und sonst, als ein Pächter oder als ein Krämer, auch sein gutes Auskommen hätte haben können, es schwerlich der Mühe werth finden, ein Prediger zu seyn. Meine Kollegen übten diese Künste in ihrem ganzen Umfange aus, und hatten auch vollkommen Muße dazu, weil sie weder durch Studiren noch durch Nachdenken davon abgehalten wurden, Dinge, mit welchen ich die meiste Zeit, die mir von meinen ordentlichen Amtsgeschäften übrig blieb, zubrachte.

Ich würde den Mangel, der mich drückte, dennoch gern ertragen haben, weil ich mich, von Jugend auf, gewöhnet hatte, wenig zu bedürfen. Aber ich hatte mich in ein junges, schönes und verständiges Frauenzimmer verliebt, die aber nicht das geringste Vermögen hatte. Ich sah die Verbindung mit derselben für die größte Glückseligkeit meines Lebens an; allein, bey so geringem Einkommen, war diese Verbindung unmöglich. Bloß um derselben willen wünschte ich eine Verbesserung meiner Umstände. Indessen war mit dem Verluste der Freundschaft des Superintendenten auch alle Hoffnung dazu, in meiner itzigen Lage, verschwunden. Ich hätte mir nicht zu rathen gewußt, wenn nicht mein Freund, der junge Officier, mir eine einträgliche Pfarre in einem benachbarten Fürstenthume verschafft hätte.

Ich nahm sie ohne Bedenken an. Während des Gnadenjahrs heurathete ich meine Braut, und träumte von weiter nichts, als von Glück und von Vergnügen, indessen daß an dem Orte meines künftigen Aufenthaltes sich ein Wetter wider mich zusammen zog. Ein anderer Prediger hatte sich große Hoffnung zu meiner Stelle gemacht, und dieser konnte mir nicht verzeihen, daß alle seine Bewerbungen fruchtlos gewesen waren. Er breitete gräßliche Gerüchte von meiner Heterodoxie aus, und berief sich auf mein gedrucktes Buch, wo sie, schwarz auf weiß, zu lesen stände. Die Schneider und die Schornsteinfeger in meiner Diöces lasen eine philosophische Abhandlung, die nicht für sie geschrieben war, und fanden Ketzerey über Ketzerey darum.

Als ich also mein Amt antreten wollte, fand ich meine ganze Gemeine wider mich eingenommen, die Leute auf der Gasse gafften mich als ein Wunderthier an, und drängten sich vor mein Haus, um den neu angekommenen Ketzer zu sehen. Zugleich erfuhr ich, alsdann erst, daß in diesem Fürstenthume ein Paar symbolische Bücher mehr, als in dem andern Fürstenthume müßten beschworen werden, daß man, für die Stadt, noch ein besondere Formulam committendi habe, die von abgeschmackten Schuldistinktionen voll war, und daß man (weil mein Gegner bey Leuten von Ansehen eben so wenig müßig gewesen war, als beym Pöbel,) derselben noch, wider die Ketzereyen, die man von mir besorgte, drey spitzfündige und verfängliche Klauseln einverleibt habe, die ich unterschreiben sollte, ehe ich mein Amt anträte.

Ich war wie vom Donner gerührt. Es war sehr hart, etwas beschwören und unterschreiben zu sollen, das ich nicht glaubte, und gleichwohl, wenn ich es nicht that, so brachte ich mich selbst an den Bettelstab, und meine Frau, die ich wie meine Seele liebte, die seit einigen Monathen schwanger war, stürzte ich in das äußerste Elend.

Mein Entschluß mußte kurz gefaßt werden; denn man hielt auf mich, und wartete nur, ob ich mich weigern würde. Ich war in der ängstlichsten Verlegenheit, und ich suchte doch, aus Zärtlichkeit, meinen traurigen Zustand meiner geliebten Gattinn zu verbergen. Ich gieng den folgenden Morgen mit Aufgange der Sonne zum Thore hinaus, um meinen Gedanken nachzuhängen. Ich folgte der Landstraße, die mich an einen Wald führte. Ich hatte in demselben eine Zeitlang herum geirret, als mir unvermuthet ein hagerer blasser Mensch entgegen lief, dem die Verzweiflung an der Stirn geschrieben war. Er hielt mir einen starken Knüttel vors Gesicht, und foderte, mit einem schrecklichen Fluche, mein Geld oder mein Leben. Ich war erschrocken, und wehrlos. Ich gab ihm also meinen Beutel, der, von einigen Thalern kleiner Münze schwer, mehr werth schien, als er es war. Der Räuber sah ihn mit starren Augen an, und rief: ›Nein! das ist zu viel!‹ Er band den Beutel auf, wollte etwas heraus nehmen, aber die Hand zitterte ihm, er warf den Knüttel weg, fiel vor mir auf die Knie, hielt mir den Beutel vor, und schrie laut:

›Nein! ich kann nicht! Nein! lieber Herr! ich bin kein Straßenräuber! ich bin ein unglücklicher Vater. Geben Sie mir selbst nur so Viel, daß meine Frau und meine armen Kinder nicht noch heute Hungers sterben.‹

Ich rief voll Entsetzen: ›Nimm, Freund! ich bin arm, aber nicht so arm, als du!‹ Indem hörte ich in der Nähe einen weiblichen Schrey. Eine Frau, mit einem vierteljährigen Kinde im Mantel, schleppte sich zu uns, drey kleine Kinder in Lumpen folgten ihr. ›Mann! was willst du machen!‹ schrie sie, und sank halb todt zu meinen Füßen.

›Dich und deine Kinder nicht vor meinen Augen verschmachten sehen!‹ rief er mit wildem Tone.

Ich suchte diese Leute zu besänftigen, ich setzte mich zu ihnen nieder, fragte wie sie hieher kämen, und was dieß alles bedeuten sollte?


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