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Der eine dieser Geistlichen, der den Sebaldus hatte anreden wollen, war niemand anders als der rechtschaffene Prediger aus Alkmaar, der der Erbschaft eines Waisen wegen, eine Reise nach Amsterdam hatte thun müssen, und bey diesem zufälligen Spaziergange, den Mann, den er schon einmahl aus dem Elende errettet hatte, wieder in einer andern Noth erblickte. Er war jetzt zu seiner abermaligen Errettung nicht minder thätig als vorher. Es währte nicht eine Stunde, so hatte er schon bey dem Hoofd-Officier Anzeige gethan, und kam, in Begleitung eines Gerichtsdieners, in des Seelenverkäufers Haus, den Sebaldus zu fodern. Er hätte nur wenig Minuten später kommen dürfen, so wäre seine menschenfreundliche Vorsorge vergeblich gewesen. Denn da die Knechte, aller Vorsicht ungeachtet, wohl merkten, daß ihnen die beiden Geistlichen nicht ohne Ursach nachfolgten; so war der Seelenverkäufer, eben im Begriffe, zu thun, was er sonst that, wenn er eine Entdeckung befürchtete, nämlich den Sebaldus in das Haus eines seiner Mitgenossen zu schicken, um denselben den Nachforschungen der Obrigkeit zu entziehen. Man wollte ihn auch jetzt verläugnen, aber der Gerichtsdiener, der dieses Haus der Tyranney schon kannte, wollte sich durch keine Einwendungen abweisen lassen. Der Seelenverkäufer hatte daher kaum Zeit, in der größten Verwirrung, in den Keller zu laufen, dem Sebaldus seinen Reisesack wiederzugeben und denselben auf die kriechendeste Weise fast fußfällig zu bitten, ihn nicht unglücklich zu machen; als ihm schon der Gerichtsdiener mit dem Geistlichen folgte. Der rechtschaffne Prediger umarmte den Sebaldus, und da er aus andern Vorfällen die Gewohnheit eines solchen Hauses wohl kannte, so zahlte er sogleich dem Seelenverkäufer, ohne Einwendung, eine beträchtliche Summe, die für das Elend von sechs oder sieben Tagen gefordert ward. Aber sobald dieses geschehen, sagte er ihm auch ins Gesicht, daß er alles anwenden würde, seine gewissenlose Behandlung unschuldiger Menschen, zur Bestrafung, ans Licht zu ziehen. Er ließ sich weder durch des Seelenverkäufers vielfältige Entschuldigungen, noch selbst durch Sebaldus Bitten, zurückhalten. Er that dem Hoofd-Officier noch eine ausführlichere Anzeige, worauf dieser, seinem Amte gemäß, auf dem Stadthause, vor den Schöppen den Seelenverkäufer anklagte. Sebaldus ward über alle Umstände der erlittenen grausamen Begegnung vernommen. Der Seelenverkäufer ward in Verhaft gezogen, und ihm mit vielem Eifer der Proceß gemacht. Er ward ins Raspelhaus gesetzt, obgleich der Prediger, vor Endigung des Processes, nach Alkmaar zurückreisen mußte, und Sebaldus, der von aller Rachbegierde frey war, deshalb weiter keinen Schritt gethan hat.
Indessen führte der Prediger den Sebaldus, sobald er ihn aus den Händen des Seelenverkäufers erlöset hatte, in das Haus seines Freundes, mit dem er vorher spazieren gegangen war. Es war ein mennonistischer Lehrer, ein Mann von Verstande und Redlichkeit, mit den Kollegianten wohl bekannt, der den Sebaldus von der Verfassung dieser friedsamen Gesellschaft noch näher unterrichtete, und mit ihm und dem lutherischen Prediger in derselben gottesdienstliche Versammlung gieng; wo sie alle, der Verschiedenheit ihres Lehrbegriffs und aller streitigen Fragen vergessend, in gemeinsamer Andacht das Lob Gottes anstimmten, und gemeinsam erkannte Wahrheit zu ihrer Erbauung anwendeten. Eine Art des Gottesdienstes, die Sebaldus Wünsche ganz befriedigte.
Nach der Versammlung giengen sie mit dem Sebaldus, um das Empfehlungsschreiben aus Rotterdam an den Kollegianten, abzugeben, weil er Unpäßlichkeitshalber nicht zugegen gewesen war. Er nahm den Sebaldus, als ein Vater und als ein Freund in sein Haus auf, so daß derselbe, bey dieser liebreichen Begegnung, in kurzem seine vorigen Widerwärtigkeiten vergaß.
Der Kollegiant war ein wohlhabender Mann, aber auch ein Mann von ausgebreiteter Gelehrsamkeit, und von edlen Gesinnungen, der seine Muße zum Besten der Wahrheit und Tugend anwendete. Er hatte schon verschiedene schätzbare Werke auf seine Kosten drucken lassen, besonders hatte er eben ein gelehrtes Tagebuch angefangen, das zur Absicht hatte, den Weg zu bahnen, daß gemeinnützige Religionsbegriffe von leeren Schulspitzfindigkeiten gesondert würden. Er schrieb es in lateinischer Sprache, weil damals, in Holland, die Vorurtheile für eine hergebrachte Orthodoxie noch so stark waren, daß sich niemand, so wie jetztIn den Vaterlandsen Letter-Oeffeningen, einem gelehrten Tagebuche, dessen vornehmste Verfasser Kollegianten sind., getrauete, Meinungen, die nicht im Kompendium stehen, in der Landessprache vorzutragen. Denn die Gottesgelehrten in allen Ländern lassen meistens noch eher geschehen, daß man neue Meinungen und Zweifel, in der gelehrten Sprache, für sie allein vortrage, damit sie ihre Streitkunst aufs stattlichste daran üben können, als in der Muttersprache, damit gemeinnützige Wahrheiten sich in die Gemüther aller Einwohner eines Landes verbreiten mögen.
Sebaldus, der die Arbeit liebte, erbot sich in kurzem selbst, seinem Wirthe in dessen Beschäftigungen behilflich zu seyn. Er that dadurch zugleich seiner vorzüglichsten Neigung Genüge, Ideen, die ihm wichtig waren, zu entwickeln und auszubilden.
Der Kollegiant hingegen, mußte einen Mann, dessen Neigungen mit den seinigen so sehr übereinstimmten, bald liebgewinnen. Sie arbeiteten über verschiedene Materien im Anfange gemeinschaftlich. Indessen blieb die Arbeit bald dem Sebaldus allein überlassen, da die Krankheit des Kollegianten schnell zunahm. Der rechtschaffene Mann ward immer schwächer, und starb nach einigen Monaten. Vorher noch vermachte er im Testamente, dem Sebaldus, den Vorrath und das Verlagsrecht seiner sämmtlichen Werke, besonders des gelehrten Tagebuchs, welches anfieng Aufsehen zu machen, und allenthalben mit großer Aufmerksamkeit gelesen ward.
Sebaldus beweinte von Herzen den Tod seines Freundes und Wohlthäters. Indessen, ausgenommen, daß er den Umgang dieses redlichen Mannes entbehren mußte, war sein Zustand ganz seinen Wünschen gemäß. Er hatte durch den Verkauf der ihm vermachten Werke, und durch die Fortsetzung des Tagebuchs, ein zwar sehr mäßiges, aber für ihn hinlängliches Auskommen, konnte seine Lieblingsneigung, die Spekulation, befriedigen, war übrigens unabhängig, konnte in Frieden, seiner Ueberzeugung gemäß, Gott dienen, und war noch nicht Religionsmeinungen halber angefeindet worden.
So wünschenswerth indessen diese Lage war, so schien es doch Sebaldus Schicksal zu seyn, daß er, wenn er am meisten Nutzen zu schaffen glaubte, durch einen geringscheinenden Zufall, selbst Gelegenheit geben mußte, seinen Zustand zu verschlimmern.
Er hatte, schon beym Leben seines Wohlthäters, sich in der holländischen Sprache festzusetzen gesucht, und es war ihm gelungen. Nachher trieb ihn die Einsamkeit langer Winterabende, auf die Lesung engländischer Bücher, die er schon in seiner Jugend geliebt hatte. Er fand unter andern ein BuchRemarks on man, manners, and things; by the Author of the Life of John Buncle. London gr. 8., dessen Inhalt ihm größtentheils so wohl gefiel, daß er auf den Gedanken kam, es zu übersetzen, weil er meinte, daß es auch in einer andern Sprache nützlich seyn könnte.
Er beschäftigte sich einige Monate lang mit dieser Arbeit, und da er meist damit fertig war, gieng er zu Mynheer van der Kuit, dem Buchhändler, der bisher den Verkauf der sämmtlichen Werke des verstorbenen Kollegianten, und auch des gelehrten Tagebuchs besorgt hatte, um ihm diese Uebersetzung zum Verlage anzubieten.
Van der Kuit unterließ nicht, die gewöhnlichen Schwierigkeiten zu machen: Daß er mit Verlag überhäuft, daß der Handel gefallen sey, daß Druck und Papier immer theurer werde, daß man vorher etwas von dem Werke sehen, daß man es allenfalls gelehrten Leuten zur Prüfung übergeben, und besonders, daß man, der Kunstrichter wegen, erforschen müsse, ob nicht wider die Reinigkeit der holländischen Sprache gefehlet sey.
Auf diese Erklärung, zog Sebaldus einige Hefte seiner Uebersetzung aus der Tasche. Indem dieses geschahe, trat Domine de Hysel, ein gelehrter reformirter Prediger herein, welchen Sebaldus kannte, weil er ihn oft im Buchladen gesehen hatte. Sebaldus erbot sich also, beiden etwas von seiner Uebersetzung vorzulesen. Sie giengen sämmtlich in die Schreibstube des Buchhändlers, und der Uebersetzer las, wie folget.