Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

46. Fortsetzung

»Der Major hat schriftliche Vollmacht von mir bekommen,« fuhr Jordan fort, »welche er in Buenos Ayres Ihnen und Sennor Tupido vorlegen wird. Er weiß genau, wie weit er gehen darf, und wenn Sie mit ihm einig werden, ist es gerade so, als ob Sie das Geschäft mit mir selbst abgeschlossen hätten. Natürlich aber kann die Ladung nicht in Buenos Ayres von Bord geschafft werden. Sie müssen auf dem Parana heraufkommen.«»Bis wohin?«

»Das wird Ihnen der Major mitteilen.«

»Lieber wäre es mir, wenn ich es sogleich erfahren könnte.«

»Noch ist das Geschäft nicht abgeschlossen; noch weiß ich nicht, ob ich Ihre Bedingungen annehmen darf. Darum müssen Sie mir erlauben, gewisse Dinge noch geheim zu halten.«

»Ich habe nichts dagegen.«

»Sie reiten bis an den Fluß und werden das erste Floß benutzen, welches herankommt. Außer den Begleitern des Majors bekommen Sie ein kleines Detachement mit, welches unter der Leitung des Rittmeisters steht, den Sie kennen gelernt haben. Diese Leute aber gebe ich Ihnen nicht aus Mißtrauen mit, sondern weil sie die Pferde zurückbringen sollen, welche der Major nicht mitnehmen kann.«

»Ich habe nichts dagegen.«

»Das erwarte ich. Wir wollen alles bisherige vergessen und von jetzt an nur im gegenseitigen Interesse handeln. Der Major wird Ihnen beweisen, daß er Ihr Freund geworden ist.«

»Das ist nur gut für ihn, denn ein anderes Verhalten würde nur zu seinem eigenen Schaden ausfallen.«

»Sennor!« rief er in strengem Tone. »Sie bedienen sich einer Sprache, welche ich nicht hören darf! Sie wissen, daß ich nachsichtig mit Ihnen verfahren bin, und ich hoffe, daß Sie das mit Dankbarkeit belohnen!«

»Gewiß, denn jede Tat trägt den Dank, nämlich ihre Folgen, in sich selbst.«

»Haben Sie noch eine Bemerkung, eine Erkundigung oder sonst etwas?«

»Nichts, als nur noch die Bitte, für hinreichenden Proviant bis Buenos Ayres zu sorgen, da es doch nicht geraten erscheint, uns unterwegs mit der Jagd aufzuhalten.«

»Daran habe ich schon gedacht. Für jetzt also sind wir einig und mit einander fertig. Wenn wir uns wiedersehen, mag es in Freundschaft geschehen. An mir würde die Schuld nicht liegen, wenn das Gegenteil stattfände.«

»An mir auch nicht, Sennor. Nehmen Sie unsern Dank für die Gastfreundschaft, welche wir hier genossen haben!«

»Bitte, Sennor! Leben Sie wohl!«

Er entfernte sich mit seinem Begleiter, welcher kein Wort gesprochen hatte. Dann wurde uns Fleisch und auch Pferdefutter gebracht. Als die Tiere dasselbe verzehrt hatten, stellte sich der Major ein, um uns zu sagen, daß es Zeit zum Aufbruche sei. Man war so vorsichtig gewesen, die Mannschaften zum Exerzieren ausrücken zu lassen, so daß sich nur wenige Zurückgebliebene in der Nähe befanden, die Leute ausgenommen, welche uns begleiten sollten. Die letzteren waren gut bewaffnet, eine Vorsichtsmaßregel, welche wir dem Befehlshaber nicht übel nehmen konnten. In ihren Mienen war nicht viel Freundschaftliches zu lesen, und auch der Major sah man es an, daß es ihm nur mit Anstrengung gelang, uns wenigstens ein gleichgültiges Gesicht zu zeigen.

Gesattelt hatten wir schon. Wir zogen also unsre Pferde aus dem Schuppen und stiegen auf. Der Kapitän und der Steuermann, welche nicht im Besitze von Pferden gewesen waren, hatten welche geborgt bekommen.

Unsere eigentliche Eskorte, welche uns nach Buenos Ayres begleiten sollte, bestand aus derselben Anzahl Personen, wie wir selbst. Die andern zählten mit dem Rittmeister zehn Mann. Als wir aufbrachen, erschien Jordan und der General unter der Türe und winkte uns mit der Hand den Abschied zu. Wir beachteten es nicht. Es geschah ja doch nur, um uns in Sicherheit zu wiegen.

Wir ritten nicht den Weg, auf welchem wir gekommen waren, sondern hielten eine mehr südliche Richtung bei. Auf mein Befragen nach dem Grunde, erklärte der Major, daß dort der Fluß eine Krümmung uns entgegen mache und wir ihn also früher erreichen würden, als auf dem gestrigen Wege. Ich hatte diese Frage an ihn und nicht an den Rittmeister gerichtet, um allen Schein zu vermeiden, als ob ich mit demselben in besserm Einvernehmen stände.

Gestern waren wir an die Pferde gebunden gewesen, wobei es natürlich unmöglich war, zu sehen, ob einer ein guter oder schlechter Reiter sei. Heute, wo wir als freie Männer im Sattel saßen, konnte es viel leichter beurteilt werden.

Es fiel mir auf, daß der Steuermann recht leidlich ritt. Er sagte, daß er früher im Süden der Vereinigten Staaten sehr oft an Land gewesen sei und da Tage lang im Sattel gesessen habe. Ein anderes aber war es mit dem Kapitän. Er hockte auf dem Pferde, wie der Affe auf dem Kamele. Es war wirklich lustig, ihn mit emporgezogenen Schultern und Knieen da thronen zu sehen. Aber dennoch saß er fest. Er behauptete seinen Platz, obgleich wir in scharfem Galoppe ritten. Als er bemerkte, daß ich ihn beobachtete, sagte er:

»Nun, wie gefalle ich Euch hoch zu Rosse, Sir? Bin ich nicht ein Teufelskerl?«

»Ja, Ihr reitet famos; das muß man sagen,« lachte ich.

»Ihr lacht! Warum?«

»Über Eure Haltung.«

»Pshaw! Jede Haltung, die ihren Zweck erreicht, ist richtig.«

»Man sitzt doch gerade im Sattel!«

»Ob gerade oder krumm, das ist mir außerordentlich schnuppe, Sir. Ich setze mich so, wie es mir am bequemsten dünkt. Auf keinen Fall aber bringt mich das Pferd herab. Das ist die Hauptsache, denke ich. Geht mir mit Euern Künsteleien! Habe auch gar keine Zeit, mich mit solchen Sachen abzugeben. Jetzt habe ich nur den einen Gedanken, wie schön es ist, daß wir der Falle entschlüpft sind, in welcher wir steckten.«

»Sie war ziemlich gefährlich für uns, Sir. Oder nicht?«

»Will es meinen! Konnte uns das Leben kosten. Aber Ihr habt Euch wirklich ganz vortrefflich Eurer Haut gewehrt. Was werden die Kerle sagen, wenn sie nach Buenos Ayres kommen und da bemerken, daß sie betrogen sind!«

»Sie kommen gar nicht hin.«

»Nicht? Sie fahren doch mit!«

»Ich nehme sie nur eine Strecke mit; dann zwinge ich sie, das Floß zu verlassen.«

»Das gibt einen Kampf. Habe große Lust, einigen von ihnen meinen Namen hinter die Ohren zu schreiben. Aber, wenn sie fort sind, so fahren wir doch zusammen nach Buenos?«

»Das ist noch unbestimmt. Wir wollen ja nach dem Gran Chaco. Leider aber werden wir es kaum wagen können, die erst beabsichtigte Richtung einzuhalten. Der Weg ist uns durch diese Leute verlegt, welche uns wohl schwerlich zum zweiten Male entkommen lassen würden.«

»So ist es am besten, wenn Ihr geradezu nach Buenos Ayres schwimmt und die Reise von dort antretet. Ich reite dann mit.«

»Wollt Ihr diesen Gedanken denn wirklich nicht aufgeben?«

»Nein. Ich muß Monate lang vor Anker liegen. Was soll ich machen, mir die Zeit zu vertreiben? Kalender? Das ist mir zu langweilig. Nehmt mich mit, Sir! Ich werde es Euch herzlich Dank wissen.«

»Nun, wollen sehen. Ich denke freilich, wir werden gezwungen sein, nach Buenos zu gehen, denn ich habe eine Ahnung, daß man, ohne es uns zu sagen, eine Abteilung Militär ausgesandt hat, welche längs des Flusses reitet, um sich zu überzeugen, daß wir wirklich mit unsern bisherigen Feinden zusammen friedlich nach Buenos Ayres fahren. Auch weiß man nicht, was noch geschieht.«

»Was soll noch geschehen?«

»Ich meine – – – Ah, seht, da kommen uns zwei Reiter entgegen! Sie scheinen große Eile zu haben. Sie halten gerade auf uns zu, wohl um sich nach dem Wege zu erkundigen.«

Wir beide hatten ziemlich leise gesprochen, so daß uns niemand hören konnte. Zwar bedienten wir uns der englischen Sprache, aber es war doch immerhin möglich, daß es unter den Reitern einen gab, welcher derselben mächtig war.

Die erwähnten Reiter hielten vor uns ihre Pferde an. Sie nahmen an, daß der Major der Anführer von uns sei, und so wendete sich der eine von ihnen an diesen:

»Verzeihung, Sennor! Wir wollen zu Sennor Jordan. Können Sie uns nicht sagen, wo dieser Herr zu treffen ist?«

»Das kann ich Ihnen am besten sagen, da wir von ihm kommen,« antwortete der Gefragte.

»So gehören Sie zu ihm?«

»Ja. Ich bin Major in seinem Dienste. Was wollen Sie dort?«

»Wir haben eine sehr wichtige Botschaft an ihn.«

»Was für eine?«

»Das dürfen wir nicht sagen.«

»Ist sie mündlich?«

»Ja,« antwortete der Mann so zögernd, daß ich annahm, er habe nicht die Wahrheit gesagt.

»Sie haben keine Schriftstücke, keinen Brief bei sich?«

»Nein, Sennor.«

»Wo kommen Sie her?«

»Vom Flusse,« antwortete der Reiter zurückhaltend.

»Das sehe ich. Aber von jenseits, aus der Banda Oriental?«

»Ja.«

»Welcher Stadt?«

»Das dürfen wir nur Sennor Jordan sagen.«

»Aber von wem Sie gesendet worden sind, das darf ich wissen?«

»Auch nicht?«

»Tormenta! Da muß es sich doch um ein großes Geheimnis handeln!«

»Allerdings.«

»Wie nun, wenn ich Sie zwinge, mir dasselbe zu verraten!«

»So würden Sie sich den Zorn des Sennor Jordan zuziehen.«

»Hm! Eigentlich sollte ich Sie gar nicht passieren lassen. Ich möchte – –«

Er hielt inne und blickte die beiden nachdenklich an. Ich begann zu ahnen, wen ich vor mir hatte. Waren diese beiden Männer vielleicht Boten von Tupido? Ich hatte es ihm abgeschlagen, die Kontrakte zu besorgen; er mußte sie aber doch an ihre Adresse senden und sich also nach andern Boten umsehen. Um mich zu überzeugen, ritt ich an die zwei heran und sagte:

»Ich will nicht in Ihre Geheimnisse dringen, aber Sie können mir eine Frage getrost beantworten, denn ich kenne Sie und weiß, was Sie wollen. Sie kommen aus Montevideo?«

Keiner antwortete.

»Sennor Tupido sendet Sie?«

Auch jetzt schwiegen sie. Ich wußte genug. Ich hatte mich nicht geirrt. Darum fuhr ich fort:

»Ich kenne Ihre Botschaft, welche allerdings im höchsten Grade wichtig ist. Der Major wird Sie nicht aufhalten. Reiten Sie weiter!«

»Oho!« rief Cadera. »Wer hat hier zu befehlen, Sie oder ich?«

»Natürlich ich,« antwortete ich.

Es war notwendig, zu verhüten, daß der Major sich weiter mit ihnen einließ und dann erfuhr, daß sie die Kontrakte bei sich hatten, welche sich meiner Aussage nach bei Tupido befinden sollten. Darum trat ich so schroff auf. Er antwortete:

»Sie? Ich bin Major und habe die Aufsicht über Sie!«

»Unsinn! Ich stehe unter keines Menschen Aufsicht, aber ich werde Ihnen zeigen und beweisen, daß Sie selbst sich unter Aufsicht befinden. Diese Leute reiten augenblicklich weiter.«

»Nein. Sie bleiben. Ich werde sie durchsuchen lassen!«

»Wagen Sie das nicht!«

»Wollen Sie mich etwa hindern?«

»Ja, indem ich Sie niederschieße, sobald sich eine Hand gegen die beiden Männer erhebt, welche in meiner Angelegenheit abgesendet worden sind. Es handelt sich um das Wohl und Wehe von Sennor Jordan und um das Zustandekommen unsers beabsichtigten Geschäftes. Da gilt mir Ihr Leben nicht mehr, als dasjenige einer Fliege oder eines Regenwurmes.«

Ich hatte meine Revolver gezogen. Meine Gefährten scharten sich um mich und hielten ihre Waffen auch kampfbereit. Die Soldaten hingegen drängten sich an den Major, doch schienen sie nicht recht Lust zu haben, sich mit uns zu messen. Sie waren uns um zehn Mann überlegen. Was tat das? Es galt, ihnen gleich bei dieser ersten Gelegenheit zu beweisen, daß wir nicht gesonnen seien, uns von dem Major gebieten zu lassen.

Ich hielt den einen meiner Revolver auf ihn gerichtet. Er wollte nach seiner Pistole greifen; da rief ich ihm drohend zu:

»Halt! Die Hand weg! Sobald Sie zugreifen, schieße ich!«

Er nahm die Hand wieder weg und sagte:

»Sollte man so etwas für möglich halten! Sie tun ja, als ob Sie der Herr von Entre Rio seien!«

»Das bin ich nicht, aber ebenso wenig haben Sie uns irgend einen Befehl zu erteilen. Das merken Sie sich! Man hat mir versichert, daß Sie jetzt mein Freund seien; ich aber sehe, daß das Gegenteil stattfindet, und werde mich darnach zu verhalten wissen.«

Und zu den beiden Boten gewendet, fügte ich hinzu:

»Reiten Sie weiter! Grüßen Sie Sennor Jordan von mir; erzählen Sie ihm, was Sie hier gesehen haben, und sagen Sie ihm, daß ich mich ihm ganz ergebenst empfehlen lasse! Wenn Sie immer geradeaus reiten, werden Sie sein Hauptquartier nicht verfehlen.«

Sie galoppierten sofort weiter, froh, uns entkommen zu sein »Tempestad! Das werde ich mir freilich hinter die Ohren schreiben, Sennor!« knirschte der Major.

»Tun Sie das! Ich habe Sie ja darum gebeten. Und nun, bitte, wollen wir den unterbrochenen Ritt fortsetzen.«


 << zurück weiter >>