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2. Fortsetzung

Der Teesammler schlich betrübt davon. Als er an mir vorüberging, raunte ich ihm zu:

»Draußen warten!«

Er warf einen schnellen, froh überraschten Blick auf mich und ging; ich aber schritt auf den Herrn des Geschäftes zu. Er warf mir einen scharf forschenden Blick zu, kam mir dann einige Schritte entgegen, verbeugte sich sehr tief und fragte:

»Sennor, was verschafft mir die unerwartete Ehre eines mich so überraschenden Besuches?«

Es war klar, daß auch er mich für einen andern hielt. Ich antwortete in einem nicht übermäßig höflichen Tone:

»Mein Besuch ist für Sie nicht ehrenvoller, als jeder andere auch. Ich bin ein einfacher Mann, ein Fremder, der diesen Brief abzugeben hat.«

Er nahm den Brief, las die Adresse, betrachtete mich abermals und sagte mit einem diplomatisch sein sollenden Lächeln:

»Aus New York, von meinem Kompagnon! Stehen Sennor bereits mit diesem in geschäftlicher Beziehung? Es hätte mich unendlich gefreut, vorher von Ihnen durch einen Avis unterrichtet zu werden.«

»Als ich Ihren Kompagnon zu ersten Male sah, wußte ich von Ihnen gar nichts.«

Das machte ihn doch in seiner Überzeugung irre. Er schüttelte den Kopf, brach den Brief auf, ohne zu bemerken, daß das Siegel vorher verletzt worden war, und las ihn. Sein Gesicht wurde länger und immer länger; sein Blick flog zwischen mir und den Zeilen herüber und hinüber. Endlich faltete er ihn wieder zusammen, steckte ihn in die Tasche und sagte:

»Höchst sonderbar! Sie sind also wirklich ein Deutscher? Derjenige, von welchem dieses Empfehlungsschreiben handelt?«

»Ich darf allerdings vermuten, daß in diesem Brief von mir die Rede ist.«

»Sie werden mir in demselben auf das allerwärmste empfohlen, und ich stelle mich Ihnen in jeder Beziehung zu Verfügung.«

»Danke sehr, Sennor! Doch ist es nicht meine Absicht, Ihnen Mühe zu bereiten.«

»O bitte, von Mühe kann gar keine Rede sein! Sie sahen mich gewissermaßen erstaunt. Das war infolge einer ganz bedeutenden Ähnlichkeit, welche Sie mit einem in den bessern Kreisen sehr bekannten Herrn besitzen.«

»Darf ich erfahren, wer dieser Herr ist?«

»Gewiß. Ich meine nämlich Oberst Latorre, von welchem Sie vielleicht gehört oder gelesen haben.«

»Ich kenne allerdings den Namen dieses Offiziers, an welchen sich gewisse Zukunftshoffnungen zu knüpfen scheinen. Seien Sie versichert, daß meine Ähnlichkeit mit ihm nur eine äußerliche ist. Ich bin ein einfacher Tourist und besitze weder für Politik noch für Kriegskunst die geringste Lust oder gar Begabung.«

»Das sagt Ihre Bescheidenheit. Mein Kompagnon teilt mir mit, daß Sie sich Jahre lang bei den Indianern befunden haben: eine Art kriegerischen Sinn müssen Sie also doch besitzen. Hoffentlich habe ich das Vergnügen, von den Abenteuern zu hören, welche Sie erlebt haben. Würden Sie mir die Ehre erweisen, heute abend bei mir das Essen einzunehmen?«

»Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«

»So bitte ich Sie, sich um acht Uhr in meiner Privatwohnung einzustellen, welche Sie auf dieser Karte verzeichnet finden. Kann ich Ihnen für jetzt noch in etwas dienen?«

»Ja, wenn ich bitten darf. Ich möchte Ihnen dieses Papier zustellen.«

Ich nahm seine Visitenkarte und gab ihm den Sichtwechsel. Er prüfte denselben, schrieb einige Ziffern auf den Zettel und stellte mir denselben mit den Worten zu:

»Dort ist die Kasse, Sennor. Für jetzt empfehle ich mich Ihnen; aber auf Wiedersehen heute abend!«

Er wendete sich ab, um durch eine Türe zu verschwinden, der durchtriebene Kerl. Ein Blick auf den Zettel genügte, mich zu überzeugen, daß ich geprellt werden sollte.

»Sennor!« rief ich ihm nach. »Bitte, nur noch für einen Augenblick!«

»Was noch?« fragte er, sich wieder herumdrehend. Sein Gesicht hatte alle Freundlichkeit verloren, und seine Stimme klang scharf und befehlend.

»Es ist da wohl ein kleiner Irrtum unterlaufen. Der Wechsel lautet auf eine höhere Summe.«

»Sie vergessen höchst wahrscheinlich die Diskontogebühr?«

»Sie kann nicht vergessen werden, da von einem Diskontieren überhaupt keine Rede ist. Sie ziehen mir fünf Prozent ab, während der Wechsel auf Sicht, nicht aber auf ein späteres Datum lautet.«

»Dieser Abzug ist hier Usus.«

»Ein Teesammler mag sich nach Ihren persönlichen Gepflogenheiten richten müssen, weil er sich in Ihrer Gewalt befindet; ich aber habe das nicht nötig. Ihr Kompagnon hat diesen Wechsel nicht mir zu Gefallen akzeptiert, sondern ich habe die Summe voll bei ihm einbezahlt und verlange sie also ebenso voll zurück, wobei ich übrigens ohnedies einen Zinsenverlust zu tragen habe.«

»Ich zahle nicht mehr.«

»So behalten Sie Ihr Geld und geben Sie mir meinen Wechsel zurück!«

»Der befindet sich in meiner Verwahrung, und Sie haben dafür die Anweisung an die Kasse erhalten. Folglich ist der Wechsel mein Eigentum.«

»Ich lege Ihnen die Anweisung hier auf den Tisch zurück, da ich keinen Gebrauch von ihr machen werde.«

»Tun Sie das, wie Ihnen beliebt. Der Wechsel aber ist honoriert und bleibt in meiner Hand!«

»Lange Zeit jedenfalls nicht, denn ich werde zwar jetzt gehen, aber binnen fünf Minuten mit dem Polizeimeister zurückkehren. Bis dahin empfehle ich mich Ihnen!«

Ich machte ihm eine kurze Verbeugung und wendete mich zum Gehen. Seine Untergebenen hatten ihre Federn weggelegt und der Szene mit Spannung zugesehen. Schon hatte ich die Türe in der Hand, da rief er mir nach:

»Halt, Sennor! Bitte, eine Sekunde!«

Der Mann hatte Angst vor der Polizei bekommen. Sein geschäftlicher Ruf konnte Schaden erleiden, und überdies war, wenn er mich gehen ließ, von der Ausführung des beabsichtigten Planes keine Rede. Er zog den Empfehlungsbrief nochmals hervor und tat, als ob er ihn jetzt genauer durchlese. Dann sagte er in der früheren höflichen Weise:

»Ich habe allerdings um Verzeihung zu bitten. Mein Kompagnon schreibt mir am Schlusse, den ich vorhin leider übersah, daß Sie die Summe voll ausgezahlt erhalten und wir aus Rücksicht auf Sie in diesem Falle von unserm Usus absehen sollen. Ich werde Ihnen also den ganzen Betrag notieren. Sind Sie dann zufrieden gestellt?«

Ich nickte nachlässig.

»Vergessen wir die kleine, unangenehme Differenz, Sennor«, sagte er. »Ich darf doch für heute abend bestimmt auf Sie rechnen?«

»Gewiß! Vorausgesetzt allerdings, daß es in Ihrer Häuslichkeit nicht auch einen Usus gibt, gegen den ich protestieren müßte.«

»O, nein, nein, nein!« stieß er mit freundlichem Gesicht, aber mit vor Wut heiserer Stimme hervor und verschwand durch seine Türe.

Ich erhielt mein Geld, steckte es ein, dankte, grüßte und ging. Draußen sah ich den armen Yerbatero gegenüber an der Ecke stehen. Ich ging auf ihn zu und forderte ihn auf, für kurze Zeit mit mir zu kommen.

In Montevideo gibt es keine Restaurationen in unserm Sinne. Die Kaffeehäuser taugen nicht viel, ganz abgesehen davon, daß man da nicht Kaffee, sondern Matte, das ist Paraguaytee zu trinken bekommt. Besser sind die sogenannten Confiterias, in denen man feines Gebäck, Eis und dergleichen genießt.

In den Gasthäusern zahlt man für Wohnung und Beköstigung ohne den Wein fünfzig Papiertaler täglich. Das klingt sehr viel, beträgt aber nur acht Mark, da so ein papierener Peso ungefähr sechzehn deutsche Pfennig gilt. Die Flasche Bier kostet sechs Taler, also fast eine Mark. Dem Haarschneider zahlt man ›zehn Taler‹; für ein fingerhutgroßes Gläschen Rum habe ich ›drei Taler‹; bezahlt. So entwertet war damals das Papiergeld. Man mußte in den La Plata-Staaten damals sehr vorsichtig sein, wenn man mit den verschiedenen Arten minderwertigen Papiergeldes nicht, selbst im täglichen Leben. bedeutend verlieren wollte. Die Eingeborenen beuteten die Unkenntnis des Fremden in geradezu abscheulicher Weise aus.

In eine der Confiterias führte ich den Teesammler.

Das Lokal war voller Gäste, welche ihrer Kleidung nach zu den besten Ständen gehörten. Der Yerbatero zog aller Augen auf sich; aber was machte ich mir daraus! Man schob sich so weit von uns zurück, daß wir Platz für fünf oder sechs Personen gehabt hätten. Das war sehr bequem für uns, und es fiel uns also gar nicht ein, ihnen darüber zu zürnen.

Keineswegs aber kann ich sagen, daß der Teesammler sich etwa unanständig benommen hätte. Sein Anzug paßte nicht zu denen der anderen; aber in Beziehung auf sein Betragen, seine Bewegungen uswù war er ganz der Caballero, welcher jeder, der ein wenig spanisches Blut in seinen Adern hat, wenigstens äußerlich zu sein pflegt. In dieser Beziehung gleicht der Südamerikaner ganz und gar nicht dem Angehörigen der sogenannten Volksklasse europäischer Länder. Der erstere ist, selbst in Lumpen gehüllt, stets von einem ritterlichen Benehmen. Der letztere aber hat so viele Ecken und Schroffheiten in allen seinen Bewegungen, daß man in ihm, selbst wenn er Generalsuniform trüge, doch den gewöhnlichen Arbeiter unfehlbar erkennen würde.

Sein bärtiges Gesicht war interessant zu nennen. Die Wimpern waren meist bescheiden gesenkt, aber wenn sie sich erhoben, so entschleierten sie ein klares, scharfes, durchdringendes Auge, dessen Blick auf Selbstbewußtsein und Charakterstärke schließen ließ. Der Mann schien zwei ganz verschiedene Naturen in sich zu vereinigen, den unterdrückten, demütigen Arbeiter und den mutigen, besonnenen Pampas- und Urwaldläufer, welcher, wenn es nötig war, auch einen hohen Grad von Schlauheit entwickeln konnte.

Er wählte sich unter den vorhandenen Süßigkeiten das ihm Beliebende mit einer Miene aus, als ob er seit frühester Jugend in so angenehmen Lokalen verkehrt habe. Er genoß es mit der Eleganz einer Dame, der so etwas geläufig ist, und verriet durch keine Miene, daß ich derjenige sei, welcher schließlich bezahlen werde. Dabei sagte er in der ihm eigen scheinenden Weise, in wohlgesetzten Worten zu sprechen:

»Sennor haben mir einen Wink gegeben, auf Sie zu warten. Ich habe gehorcht und bin nun bereit, Ihre Befehle zu vernehmen.«

»Ich beabsichtige nicht, Ihnen Befehle zu erteilen«, antwortete ich. »Es ist vielmehr eine Bitte, welche ich Ihnen vorlegen möchte. Ich war Zeuge des Schlusses Ihrer Unterredung mit Sennor Tupido. Ich entnehme aus dem Gehörten, daß Sie sich in einer abhängigen Lage von diesem Herrn befinden?«

»Hm! Vielleicht!« antwortete er mit der lächelnden Miene eines Mannes, welcher, ohne sich zu schaden, tausend Taler verschenken kann.

»Zugleich hörte ich, daß Sie durch den Besitz von zweihundert Papiertalern im Stande sein würden, sich aus dieser Knechtschaft zu befreien. Würden Sie mir nun gestatten, Ihnen diese Summe zur Verfügung zu stellen?«

Er blickte mich groß an. Der Betrag war zwar nicht bedeutend, nur zweiunddreißig Mark nach deutschem Gelde, aber für einen armen Teesammler doch wohl nicht gering. Die Lage des Mannes hatte meine Teilnahme erregt, und einem glücklichen Instinkte folgend, wollte ich ihm das Geld schenken, obgleich ich selbst keineswegs ein wohlhabender Mann war.

»Ist das Ihr Ernst, Sennor?« fragte er. »Welchen Zweck verfolgen Sie dabei?«

»Keinen andern als nur den, Sie in den Besitz Ihrer geschäftlichen Selbstständigkeit zu bringen.«

»Also Mitleid?«

»Nein, sondern Teilnahme. Das Wort Mitleid hat eine Nebenbedeutung, welche nicht geeignet sein würde für den caballeresken Eindruck, welchen Sie auf mich machen.«

Sein Gesicht, welches sich verfinstert hatte, erhellte sich.

»Sie halten mich also trotz meiner Armut für einen Caballero?« fragte er. »Aber wie stimmt ein Almosen mit dem Worte Caballero überein?«

»Von einem Almosen ist keine Rede.«

»Also ein Darlehen?«

»Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Werden Sie dasselbe annehmen?«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Welche Bedingung stellen Sie?«

»Sie verzinsen mir die Summe zu drei Prozent. Kündigung ist auf ein Jahr. Jeder von uns beiden hat bei unsrer nächsten Begegnung das Recht, zu kündigen, worauf Sie das Geld nach Ablauf eines Jahres an mich zu entrichten haben.«

»Und wenn wir uns nicht wieder treffen?«

»So behalten Sie es oder schenken es nach fünf Jahren einem Manne, welcher ärmer ist als Sie.«

Da streckte er mir die Hand entgegen, drückte die meine in herzlichster Weise und sagte:

»Sennor, Sie sind ein braver Mann. Ich nehme Ihr Darlehen mit Vergnügen an und weiß, daß Sie keinen Peso verlieren werden. Darf ich fragen, wer und was der fremde Sennor ist, welcher sich so freundlich meiner annimmt?«

Ich gab ihm meine Karte.

»Ein Alemano!« sagte er im Tone der Freude, als er den Namen gelesen hatte. »Nehmen Sie auch die meinige, Sennor!«

Er langte in seine zerfetzte Jacke, zog aus derselben ein sehr feines, kunstvoll gesticktes Visitenkartentäschchen hervor und gab mir aus demselben eine Karte. Auf derselben stand:

»Sennor Mauricio Monteso, Guia y Yerbatero.«

Also Fremdenführer und Teesammler war er. Das schien ein guter Fund für mich zu sein.

»In welchen Gegenden seid Ihr bewandert, Sennor?« fragte ich ihn. »Ich will nach Santiago und Tucuman und stand im Begriff, mich nach einem zuverlässigen Führer zu erkundigen.«

»Wirklich? Dann werde ich Ihnen einen meiner besten Freunde empfehlen. Er ist ein Mann, auf welchen Sie sich vollständig verlassen können, kein Arriero, dessen Sinn einzig nur dahin steht, den Fremden nach Kräften auszunützen.«

»Sie selbst haben wohl nicht Lust oder Zeit, den Auftrag anzunehmen?«

Er sah mich freundlich prüfend an und fragte dann:

»Hm! Sind Sie reich, Sennor?«

»Nein.«

»Und dennoch borgen Sie mir Geld! Darf ich fragen, was Sie da drüben wollen? Sie gehen doch nicht etwa als Goldsucher oder aus andern spekulativen Gründen nach Argentinien?«

»Nein.«

»So, so! Will es mir überlegen. Wann aber wollen Sie hinüber?«

»So bald wie möglich.«

»Da werde ich wohl nicht können, denn ich habe noch einiges abzumachen, was nicht aufgeschoben werden darf. Übrigens befindet sich der Freund, den ich Ihnen empfehlen will, auch nicht hier. Ich müßte Sie zu ihm führen, und das ist ein weiter Weg ins Paraguay hinein. Dieser Umweg würde sich aber gewiß lohnen, denn er ist ein Mann, an den kein zweiter kommt, der berühmteste und gewandteste Sendador, den es nur geben kann. Wollen Sie sich die Sache nicht wenigstens überlegen? Sie kommen trotz des Umweges mit ihm weit eher und wohlbehaltener ans Ziel, als mit einem Führer, mit welchem Sie sofort aufbrechen können, dessen Unkenntnis Ihnen aber bedeutende Zeit- und auch andre Verluste bereiten würde.«

»Wann und wo kann ich Sie treffen, um Ihnen meinen Entschluß mitzuteilen?«

»Eigentlich wollte ich nur bis morgen hier bleiben; aber ich will noch einen Tag zulegen. In meine Herberge mag ich Sie nicht bemühen; lieber komme ich zu Ihnen.«

»Schön! Kommen Sie morgen am Mittag nach dem Hotel Oriental, wo Sie mich in meinem Zimmer treffen werden. Ich glaube, bis dahin eine Entscheidung getroffen zu haben.«

»Ich werde mich pünktlich einstellen, Sennor. Darf ich fragen, ob Sie mit Sennor Tupido in geschäftlicher Verbindung stehen?«

»Das ist nicht der Fall. Ich gab ein Empfehlungsschreiben ab.«

»Hat er Sie eingeladen?«

»Ja. Für heute abend acht Uhr in seine Privatwohnung.«

»Die kenne ich. Sie befindet sich auf der Straße, welche nach La Union führt. Es ist eine kleine, prächtige Villa, welche Ihnen sehr gefallen wird. Leider möchte ich bezweifeln, daß die Bewohner Ihnen ebenso gefallen.«

»Wenn sie dem Sennor ähneln, so werde ich mich bei ihnen nicht übermäßig amüsieren.«

»So! Hm! Seine Person hat also auch Ihnen nicht behagt?«

»Gar nicht. Es kam sogar zu einem kleinen Zusammenstoße zwischen ihm und mir.«

Er hatte während der letzten Minuten den Blick meist draußen auf der Straße gehabt, als ob er dort nach etwas forsche. Da ich mit dem Rücken nach dieser Richtung saß, konnte ich nicht sehen, was seine Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm. Jetzt fuhr er im Tone der Besorgnis auf:

»Caramba! Haben Sie ihn etwa dabei beleidigt?«

»Einige scharfe Worte hat es gegeben, aber von einer eigentlichen, wirklichen Beleidigung ist wohl keine Rede.«

»Und Sie werden trotz der Differenz, welche Sie mit ihm hatten, zu ihm gehen?«

»Ja. Warum nicht?«

»Tun Sie es immerhin! Aber nehmen Sie sich in acht! Man vergißt Beleidigungen hier nicht so leicht. Die Rache trägt zuweilen ein außerordentlich freundliches Gesicht.«

»Haben Sie Grund zu dieser Warnung?«

»Ich vermute es. Bitte, drehen Sie sich doch einmal um! Sehen Sie den Mann, welcher grad gegenüber an der Gittertüre lehnt?«

Der Mensch, welchen der Yerbatero meinte, stand vis-a-vis am verschlossenen Eingange des Hauses, ganz in der nachlässigen Haltung eines Mannes, dessen einzige Absicht es ist, zu seiner Unterhaltung das Treiben der Straße zu beobachten. Er war in Hose, Weste und Jacke von dunklem Stoffe gekleidet, trug einen breitrandigen Sombrero auf dem Kopfe und rauchte mit sichtbarem Behagen an einer Zigarette.

»Ich sehe den Mann«, antwortete ich. »Kennen Sie ihn?«

»Ja. Er ist bekannt als einer der verwegensten Agenten für gewisse Geschäfte, bei denen es auf einige Unzen Blut nicht ankommt. Er beobachtet Sie.«

»Nicht möglich!«

»Bitte! Ich sage es Ihnen, und Sie können es glauben. Als ich an der Ecke der Plaza de la Independencia auf Sie wartete, bemerkte ich ihn, daß er ebenso stand wie jetzt, scheinbar ganz unbefangen, aber den Blick doch scharf auf das Geschäftshaus von Sennor Tupido gerichtet. Als Sie aus demselben traten, ging er uns nach und stellte sich da drüben auf. Mir kann seine Aufmerksamkeit unmöglich gelten, folglich gilt sie Ihnen.«

»Vielleicht irren Sie sich doch. Es ist nur ein Zufall, daß er in gleicher Richtung mit uns ging.«

»Und auch Zufall, daß er sich da drüben aufstellte? Nein. Solche Zufälle gibt es hier nicht. Beobachten Sie ihn unbemerkt, wenn Sie von hier fortgehen, und Sie werden ganz gewiß sehen, daß er es auf Sie abgesehen hat. Sagen Sie mir morgen wieder, ob ich Recht gehabt habe oder nicht. Ich bitte Sie wirklich, meine Beobachtung zu beherzigen.«

»Aber, Sennor, wenn es sich wirklich um eine Rache handelt, so muß ich doch sagen, daß ich Tupido nicht in der Weise beleidigt habe, daß er mir einen Bravo auf den Hals schicken könne.«


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